Vertiefung: BGH ZIP 2011, 2141 1. Das Registergericht ist berechtigt, eine Gesellschafterliste zurückzuweisen, die entgegen 40 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GmbHG keine Veränderungen in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung ausweist, sondern solche nur ankündigt. 2. Ein aufschiebend bedingt abgetretener Geschäftsanteil kann nicht nach 161 Abs. 3 BGB in Verbindung mit 16 Abs. 3 GmbHG vor Bedingungseintritt von einem Zweiterwerber gutgläubig erworben werden. Folie 79
5: Finanzordnung der GmbH I. Grundlagen II. Kapitalaufbringung III. Kapitalerhaltung IV. Kapitalerhöhung V. Kapitalherabsetzung VI. Gesellschafterhilfen VII. Rechnungslegung und Gewinnverwendung Folie 80
Finanzierungsmöglichkeiten Eigenkapital Fremdkapital Mischformen Gesellschafterdarlehen und entsprechende Hilfen (altes Recht: Eigenkapitalersatz ) Folie 81
Stammkapital Feste Ziffer als Satzungsbestandteil, 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG Passivposten in der Bilanz, daher entsteht Bilanzgewinn erst, wenn Aktiva größer als Grundkapital Angabe der Beteiligungsquote der Gesellschafter, 5 Abs. 2 GmbHG Mindestaufbringung bei Gründung ( 5 Abs. 1 GmbHG) Folie 82
Art der Einlagen Bareinlagen - Freie Verfügung des Geschäftsführers ( 8 Abs. 2 GmbHG) - Aufrechnungsverbot ( 19 Abs. 2 GmbHG) - Mindestumfang des eingezahlten Betrages: ¼, insgesamt jedoch mindestens ½ des Mindeststammkapitals ( 7 Abs. 2 GmbHG) Sacheinlagen - Übertragbarer Gegenstand mit feststellbarem Wert - Freie Verfügung des Geschäftsführers ( 7 Abs. 3, 8 Abs. 2 GmbHG) - Bewertung und Prüfung der Höhe ( 5 Abs. 4, 8 Abs. 1 Nr. 4, 5 GmbHG) - Haftung auf Wertdifferenz bei nicht vollwertiger Einlage ( 9 GmbHG) - Daneben: Leistungsstörungsrecht des BGB entsprechend Folie 83
II. Kapitalaufbringung Bareinlagen sind zur freien Verfügung der Geschäftsführung zu erbringen. Sacheinlagen erfordern Gründungsprüfung. Umgehungen in Gestalt - der Verdeckten Sacheinlage oder - des sog. Hin- und Herzahlens waren nach altem Recht nichtig. Folie 84
Verdeckte Sacheinlage Tatbestand 19 Abs 4 Satz 1 GmbHG: Ist eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage) Zerlegt: - Bareinlage (vereinbart und formell erbracht) - Bei wirtschaftlicher Betrachtung Sacheinlage, da abredegemäß Inferent anderen (sacheinlagefähigen) Gegenstand leistet Bar gezahlter Betrag an Inferenten zurückfließt (als Vergütung der Sachleistung). Folie 85
Beispiel VSE 25 TEUR Barzahlung Gesellschafter Wert? Auto Gesellschaft 25 TEUR Kaufpreis Folie 86
Rechtsfolgen nach altem Recht Nichtigkeit aller Rechtsgeschäfte, 27 Abs. 3 AktG a.f. - Schuldrechtliches Verpflichtungsgeschäfts - Dingliches Erfüllungsgeschäft Keine Erfüllungswirkung - Nichtigkeit aller Geschäfte - Keine Leistung zur freien Verfügung Fortbestehende Leistungspflicht des Inferenten Gegenanspruch aus 985, 812 BGB Folie 87
Neues Recht der VSE Befreiung des Inferenten von der Einlageschuld? (Anrechnungslösung des 19 Abs. 4 GmbHG) - Keine Erfüllungswirkung der Barzahlung, Satz1. - Wirksamkeit der Ausführungsrechtsgeschäfte, Satz 2. - Anrechnung des Wertes auf fortbestehende Bareinlagepflicht, Sätze 3-5. Pflichtverletzung des Geschäftsführers bei der Anmeldung nach 8 Abs. 2 GmbHG ( freie Verfügung ) - Zivilrechtliche Haftung ( 9a GmbHG) - Strafbarkeit ( 82 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG) - Berufsverbot ( 6 Abs. 2 Nr. 3 lit. c GmbHG) Folie 88
Sachverhalt ADCOCOM BGH ZIP 2010, 978 Beklagte Alleingesellschafterin der Schuldnerin (GmbH mit Stammkapital 250 TEUR) Letter of intent für MBO, der im Folgenden umgesetzt wird Kapitalerhöhung über 750 TEUR Einzahlung durch Beklagte in Höhe von 750 TEUR [Einzahlung in die Kapitalrücklage durch Beklagte in Höhe von 3000 TEUR] Beklagte verkauft an Schuldnerin Lizenzen für 3900 TEUR, deren Wert umstritten ist Beklagte verkauft Geschäftsanteile für 1 EUR Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens macht Insolvenzverwalter Ansprüche gegen Beklagte geltend Folie 89
Zuzahlung 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB: Als Kapitalrücklage sind auszuweisen der Betrag von anderen Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten. BGH: Die Regelungen über die Kapitalaufbringung sichern das im Handelsregister verlautbarte Stammkapital. Nur im Umfang dieser Verlautbarung besteht ein schutzwürdiges Interesse der Gläubiger der Gesellschaft an einer realen Kapitalaufbringung. Das gilt, wenn - wie hier - die Leistung als eine solche im Sinne des 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB gekennzeichnet ist, unabhängig davon, auf welchen Konten der Gesellschaft diese Zuzahlungen verbucht werden. Folie 90
Anrechnung nach 19 Abs. 4 GmbHG 750 TEUR Barzahlung Gesellschafterin? Lizenzen Gesellschaft 3900 TEUR Kaufpreis Sind im Saldo der Gesellschaft 750 TEUR zugeflossen: Bei Wert der Lizenzen = TEUR 3900: Zufluss TEUR 750 Bei Wert der Lizenzen = TEUR 3525: Zufluss TEUR 375 Bei Wert der Lizenzen = TEUR 3150: Zufluss TEUR 0 Folie 91
BGH ZIP 2010, 978 (ADCOCOM) Leitsatz 2: Die Anrechnung des Wertes der verdeckt eingelegten Sache auf die fortbestehende Bareinlageverpflichtung nach 19 Abs. 4 Satz 3 GmbHG darf im Fall der verdeckten gemischten Sacheinlage nicht zu Lasten des übrigen Gesellschaftsvermögens gehen. Daher ist vor einer Anrechnung von dem tatsächlichen Wert der eingelegten Sache der Betrag abzuziehen, der von der Gesellschaft aus dem Gesellschaftsvermögen über den Nominalbetrag der Bareinlage hinaus als Gegenleistung (hier: Kaufpreis für Lizenzen) aufgewendet worden ist. Folie 92
Anspruch aus 30 f. GmbHG Unterbilanz - Nettovermögen (Bilanzielles Aktivvermögen minus echten Passiva [Verbindlichkeiten und Rückstellungen]) wiegt - Stammkapitalziffer nicht auf. Auszahlung Austauschverträge ohne vollwertige Gegenleistung stellen in bilanzieller Betrachtung Auszahlung dar. Folie 93
Auszahlung nach 30 GmbHG? 750 TEUR Barzahlung Gesellschafterin? Lizenzen Gesellschaft 3900 TEUR Kaufpreis Stellt Austauschvertrag eine Auszahlung dar? Bei Wert der Lizenzen = TEUR 3900: Zufluss TEUR 750 Bei Wert der Lizenzen = TEUR 3525: Zufluss TEUR 375 Bei Wert der Lizenzen = TEUR 3150: Zufluss/Abfluss TEUR 0 Bei Wert der Lizenzen = TEUR 0: Abfluss TEUR 3150 Folie 94
BGH ZIP 2010, 978 (ADCOCOM) Leitsatz 3: Bestand oder entsteht im Zeitpunkt einer verdeckten gemischten Sachkapitalerhöhung eine Unterbilanz oder war die Gesellschaft sogar bilanziell überschuldet, können auf den Teil der Gegenleistung der Gesellschaft, der den Nominalbetrag der Bareinlage übersteigt, 30, 31 GmbHG Anwendung finden. Folie 95
Alternative Begründung Herrschende Meinung bejaht statt Kapitalerhaltung eine Differenzhaftung aus 9 Abs. 1 GmbHG analog - Keine Vermischung von Kapitalaufbringung und -erhaltung - Differenzhaftung als Parallele zur Anrechnung (Lutter/Hommelhoff-Bayer 19 Rn. 77; Koch ZHR 175 (2011), 55, 70 ff.) Unterschied, weil 9 Abs. 1 GmbHG keinen Eingriff in gebundenes Vermögen (Unterbilanz) voraussetzt. Folie 96