Träume im Coaching Ein Beispiel und ein Leitfaden für kollegiale Traumdialoge von Bernd Schmid

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Träume im Coaching Ein Beispiel und ein Leitfaden für kollegiale Traumdialoge von Bernd Schmid I Einleitung Gelegentliche Traumbesprechungen können für viele Berater auch ohne spezielle psychologische Ausbildung ein nützliches Dialogmedium sein. Am Institut für systemische Beratung, Wiesloch wurde dafür eine spezielle Form der Arbeit mit Träumen entwickelt 1, die jenseits der geläufigen Schemata angesiedelt ist. Mithilfe dieses Ansatzes kann der Berater mit dem Kunden in ermutigender und anregender Form relevante Themen bearbeiten. Die Relevanz von Träumen Träume können als Veranschaulichung und Kommentare zu wichtigen Themen und Herausforderungen in der persönlichen und professionellen Entwicklung gelesen werden. Der Dialog mit Träumen trägt dazu bei, die Konturen sich abzeichnender Reifungsstufen und die damit verbundenen Entwicklungsschritte deutlicher herauszuarbeiten oder aber Vermeidung und Krisenthemen zu identifizieren und zu thematisieren. Die Arbeit mit und an Träumen kann dienen zum Spiegeln und Kommentieren eines professionellen Entwicklungsweges, besseren Verständnis von Entwicklungen: rückblickend verstehen, was war; vorausblickend erfassen, was ansteht. Anregen von Entwicklung auf der Erzählebene und mit den Ausdrucksmitteln des Traums. Steuern von Entwicklungen, indem man vorhandene Strömungen beeinflusst, neue, alternative Sichtweisen auf alte Probleme provoziert und einengende Erwartungshaltungen korrigiert. Sensibilisieren für und Aufdecken von Verhaltens- und Erlebensmustern der inneren wie äußeren Persönlichkeitsorganisation. Korrektur und Ergänzung bestehender Muster. Das Gelingen von Beratung im Allgemeinen und eines Traumdialogs im Besonderen hängt davon ab, ob über die bewusst-methodisch bearbeiteten Inhalte hinaus eine wechselseitige intuitive Sensibilisierung und Aktivierung für das im Anderen vorhandene intuitive Wissen stattfindet. Dieser Austausch ist teilweise bewusst, zum größeren Teil läuft er aber unbewusst ab und kann 1 Schmid/Boback (2001) und Schmid (2004), S. 201-222.

bestenfalls in Bildern 2 beschrieben werden. Der bildhafte Dialog schafft eine günstige Oberfläche für einen unbewussten Austausch zwischen den Beteiligten. Was sich dort alles abspielt, bleibt letztlich unergründlich, wird jedoch vom kreativen Prozess der Bilder an der Oberfläche stimuliert, fokussiert und in Gang gehalten. Der Umgang mit Träumen bietet Beispiele für symbolisches Verstehen und Arbeiten mit symbolischem Material. Kreatives Arbeiten mit Traumerzählungen hilft, das Zusammenspiel zwischen bewusst-methodischem und unbewusst intuitivem Arbeiten verstehen zu lernen. Sorgsamer Austausch in einer geeigneten Professionellengruppe kann helfen, die Qualität von Intuition für das professionelle Arbeiten und für persönliche Entfaltung zu sichern. Träume erzählen Geschichten. Diese können tragisch oder komisch sein, realistisch oder surrealistisch, lyrisch oder prosaisch, dramatisch oder grotesk. Was liegt also näher, als das Traumgeschehen in die Begriffswelt des Theaters zu übersetzen (Schmid 2003). Dies bietet zwei Vorteile. Man verschafft sich Zugang zu einer griffigen, bildhaften Beschreibungssprache und umgeht oder mildert die Neigung, Träume wie einen wissenschaftlich zu analysierenden Untersuchungsgegenstand zu behandeln. Wenn man dann noch neben dem Trauminhalt die Trauminszenierung in den Vordergrund rückt, schreibt man damit dem Traumgeschehen die dynamische Qualität einer lebendigen und gestaltbaren Aufführung zu. In die Theatermetapher übersetzt besteht der Traum aus einem Geschehen auf einer Bühne. Im Zeitalter neuer Medien kann man natürlich auch auf andere audiovisuelle Medien wie Film oder Video Bezug nehmen. Der Träumer kann dabei die Rolle der Zuschauerin oder Mitspielerin, Regisseurin oder Drehbuchschreiberin, Produzentin oder Kulturministerin, manchmal auch mehrere Rollen nebeneinander oder im Wechselspiel innehaben. Im hier vertretenen Verständnis von Traumarbeit kommt zum verstehend-verarbeitenden Aspekt ein wirklichkeitsgestaltender Aspekt hinzu. Die Wiedergabe von Geschichten ist immer von einem gegenwärtigen Gestaltungszweck motiviert und folgt einem doppelten Erkenntnisinteresse: Die erkenntnisleitende Frage Was erzählt der Traum? ist primär vom Motiv des Verstehens bestimmt. Der Traum macht Wirklichkeit begreifbar. Die Ausrichtung der Arbeit mit Traummaterial ist dann interpretierend. Die handlungsleitende Frage In welcher Weise ist der Traum ein Medium für die Anregung und Steuerung von Entwicklung? rückt das Motiv der auf die Zukunft ausgerichteten Gestaltung in den Vordergrund. Der Traum ist gleichzeitig eine Wirklichkeitsebene, auf der Entwicklung gestaltet werden kann. Die Ausrichtung der Arbeit mit dem Traummaterial ist konstruierend. 2 Wenn hier von Bildern gesprochen wird, dann steht der visuelle Kanal pars pro toto. Es könnte genauso gut Worte, Melodien, Bewegungen und Stimmungen sein. 2

II Das Beispiel: Herr MIDLIFE in der Krise Hinweis: Vielleicht wollen Sie im Verlauf der Falldarstellung Ihre eigenen Ideen spielen lassen und sich mit anderen, die dies auch tun, zu Übungszwecken austauschen? Dann können sie die Falldarstellung gemeinsam lesen, bei den Zwischenüberschriften Murmelgruppen jeweils anhalten und zunächst ihre eigenen Eindrücke und Ideen sammeln und untereinander austauschen. Auch Unerfahrene werden am Fortgang feststellen können, dass sie Wesentliches durchaus im Gespür haben. Wenn Sie in der Version, die hier verfolgt wurde, ihre Ideen nicht wiederfinden, heißt das nicht, dass diese falsch sind. Es gibt viele sinnvolle Ansatzpunkte. Aber es kann hilfreich sein, sich die Reaktionen auf die Ideen gegenseitig zur Plausibilitätsprüfung vor zu stellen. Dies soll Sie zu eigenem Experimentieren mit Träumen ermutigen. Bei einer selbständigen Nutzung ohne Anleitung kann es sinnvoll sein, den anhängenden Leitfaden für kollegiale Traumdialoge zuerst zu studieren und sich so einzustimmen. Sollten Sie dabei auf klärungsbedürftige Fragen stoßen, ist der Autor unter schmid@systemische-professionalitaet.de für Sie erreichbar. Vorbemerkungen Im Folgenden wird von einem Coaching mit einem Klienten aus der Spitze des Personalbereichs eines international tätigen Technologiekonzerns berichtet. Die Coaching-Beziehung mit dem Autor dauerte zwei ein halb Jahre mit insgesamt 9 dreistündigen Sitzungen. Hier geht es nicht um eine vollständige Darstellung des Verlaufs oder aller Themen des Coachings. Vielmehr wird der Strang dargestellt, in dem die Arbeit mit Träumen eine wesentliche Rolle gespielt hat. Insbesondere soll das Zusammenspiel zwischen dem Umgang mit Träumen und der persönlichen Entwicklung wie auch die Relevanz von beidem für die berufliche Entwicklung und die beauftragende Organisation veranschaulicht werden. Da die Vielschichtigkeit einer solchen Begegnung mit Träumen und dem Experimentieren mit Einfällen und alternativen Inszenierungen schwer zu beschreiben ist, soll hier nicht zu viel erklärt werden. Einem intuitiven Verstehen kommt eine Erzählung, die anspüren und ahnen lässt, eher entgegen. Insofern stehen sich das Erzählerische in der Arbeit mit Träumen und diese Darstellung hier nahe. Zuweisung: Herr WEISE, stellvertretender Konzernpersonalchef in einem Technologiekonzern ruft an. Bei Herrn MIDLIFE stünde eine Weiterentwicklung an und man denke an eine Personalleiterstelle in einem der Konzernunternehmen. Dafür wäre Bedarf und bei Herrn MIDLIFE wäre die fachliche Eignung vorhanden. Allerdings gäbe es Zweifel bezüglich seines Standings. Da schwierige Zeiten bevorstehen, wäre das dann doch entscheidend. Herr MIDLIFE wäre informiert und mit einem 3

Coaching einverstanden. Der Coach erklärt sich prinzipiell zu einem Sondierungsgespräch bereit. Später ruft Herr MIDLIFE an und es wird das für den Autor spezielle erste Coachinggespräch verabredet. (siehe Kasten.) Format für Persönlichkeits-Coaching bei Bernd Schmid Das erste Coaching-Gespräch dauert 3 Stunden und hat drei Teile: 1. Anlass und aktueller Bedarf im Coaching. Oft ist eine aktuelle Fragestellung Anlass für Coaching. Dieser aktuelle Bedarf sowie Soforthilfemöglichkeiten werden zuerst besprochen. 2. Ortsbegehung des beruflichen Umfeldes sowie des bisherigen und des gewünschten beruflichen Lebensweges. Wichtige Themen im Umgang mit Zielen, Rollen und Umgebungen sowie aktuellen Ereignissen werden aufgenommen. 3. Ortsbegehung der seelischen Leitbilder 3 und persönlichen Eigenarten, die berufliche Arbeit erfolgreich und sinnvoll machen. Aus diesen persönlichen Hintergründen heraus können meist wichtige Kriterien für weitere Fragen zu 1. und 2. gewonnen werden. Folgegespräche, soweit sinnvoll, finden im gleichen Format oder kürzer statt. Gesprächsabstände je nach Bedarf zwischen 4 Wochen und mehreren Monaten. Selten sind mehr als 5 Gespräche notwendig. Tonaufzeichnungen der Gespräche werden zum Nachhören unmittelbar nach der Sitzung zur Verfügung gestellt. Bei Bedarf werden zu einzelnen Coachingthemen Schriften oder Kassetten (heute Audioaufnahmen/Videos) empfohlen bzw. zur Verfügung gestellt. Aus der ersten Sitzung Berufliche Situation: Herr MIDLIFE (40) hat eine erfolgreiche Karriere als Jurist in Stabsabteilungen der Zentrale eines Konzerns hinter sich. Für den Experten in arbeitsrechtlichen Fragen gäbe es in der Zentrale keine Weiterentwicklung. In den Unternehmen des Konzerns käme vom Rang her als nächstes eine Personalleiterposition infrage. WEISE und der Konzernpersonalvorstand würden ihn als potentiellen Personalleiter sehen, gleichzeitig aber auch infrage stellen. Er sähe sich im Konzern auf ungewohnte Weise auf dem 3 Auf die Arbeit mit seelischen Hintergrundbildern wird in diesem Beitrag nicht näher eingegangen. Wer sich interessiert: Seelische Leitbilder im Coaching und in der Organisationsentwicklung. In: Schmid (2004), S. 209 236. Sinnstiftende Hintergrundbilder professioneller Szenen. In Rauen (2004), S. 108 112. 4

Prüfstand. Er habe sich mehrfach mit beiden verbale Schlagabtausche geliefert, um zu zeigen, dass er ihnen auf Augenhöhe begegnen kann. Auch habe er in einer Versammlung den Vorstandsvorsitzenden öffentlich kritisiert, weil er zeigen wollte, dass er ernst genommen zu werden verdient. Doch habe er von diesem in beschämender Weise einen auf den Deckel gekriegt. Irgendwas mache ich falsch, doch was? Wenn er die gewinnende persönliche Ausstrahlung hätte, von der er träumt, würde er bei den Bossen und auch sonst bei den Mitarbeitern ganz anders ankommen. Er würde sich gerne dahin weiterentwickeln, doch sei er unsicher, wie das geht und ob er mit den Ellenbogentypen in der Hierarchie mithalten kann und will. Persönliche Situation und Erscheinung Herr MIDLIFE ist verheiratet und lebt in einer deutschen Kleinstadt. Seine Ehe schildert er als eher kameradschaftlich und problemlos. Sie hätten zwei Vorschulkinder, denen er sich an freien Wochenenden gerne widmet. Sonst habe er keine besonderen Interessen. Dafür wäre ja auch gar keine Zeit. Der eher zierliche Mann stammt aus einem Kleinstadtmilieu. Sein Lebensweg war intellektuell orientiert und bisher völlig eben. Es gab nie besondere Belastungen oder Herausforderungen, denen er nicht hätte mit dem Ausbau seiner Stärken gut begegnen können. Seine Frau fühle sich durch seine seit Monaten anhaltende Dauerkrisenstimmung genervt und wolle nicht mehr viel davon hören. Einstellung zum Coaching Herr MIDLIFE ist über die Zuweisung froh, doch auch verunsichert, weil seine persönliche Eignung als Personalleiter bei Übergeordneten infrage steht. Er sei bereit, sich drastischen Maßnahmen zu unterziehen, wenn nur bald Lösungen da wären und die ungewohnte Krisenhaftigkeit seines Lebens aufhören würde. Er neigt zu Schwarz-weiß- Beschreibungen und dazu, sich in Unbehagen zu ergehen. Hintergründiges, Vielschichtiges, nicht rational Einordnendes ist für ihn zwar irgendwie interessant, bereitet aber auch Orientierungsschwierigkeiten. Von daher versucht er häufig, vielschichtige Erlebnisse und Bedeutungen auf einfache aber verkürzende Nenner zu bringen. Wenn dies dann nichts hergibt, bleibt er etwas orientierungslos. Gleichzeitig grübelt er gerne an Sinnfragen und ist durchaus begierig, neue Aspekte aufzunehmen. Insgesamt wirkt Herr MIDLIFE verunsichert, wer er sein will, sein kann und welche Wege dafür einzuschlagen wären. Am liebsten wolle er vielleicht mal was ganz anderes machen, doch hat er keine Ideen dazu. 5

Herr MIDLIFE hat keine Vorerfahrung mit Beratung. Er zeigt sich aufgeschlossen gegenüber Klärungen und Entwicklungen und ist bereit, sich führen zu lassen. Er prüft dabei aufmerksam und bestätigt, was er versteht und als treffend wiedererkennt und was nicht. Deutlich erkennbar nimmt er Anregungen auf Vorrat, von denen er irgendwie das Gefühl hat, dass was dran sein könnte. Nach außen zeigt er sich aber eher wiederkehrend klagend-hilflos, weil sich seine Krise nicht absehbar aufzulösen verspricht. Er benutzt eine verallgemeinernde und verdinglichende Sprache, die unklar lässt, wer was wie tut und erfährt, bzw. emotional verarbeitet. Daher ist es häufig notwendig, zu spezifizieren und zu konkretisieren: Wer tut was wann wie? und zu identifizieren: Welches Erleben, welche Empfindungen und Bewertungen stecken hinter den allgemeinen Formulierungen? Herr MIDLIFE ist sehr kooperativ, hört Kassetten und liest empfohlene Texte. Auf die Einladung, sich auch Träume zu notieren und in die Gespräche mitzubringen und auf einige Erläuterungen, wozu dies gut sein kann, reagiert er interessiert, fürchtet aber, da nicht zu bieten zu haben, weil er Träume normalerweise nicht erinnert. Die Arbeit mit den seelischen Hintergrundbildern regt ihn aber an, aufmerksam zu sein. 3. Sitzung (8. Woche) Herr MIDLIFE berichtet, dass er als potentieller Personalleiter für ein bestimmtes Unternehmen des Konzerns vorgesehen sei. Er habe sich dort gerade einer Versammlung gestellt. Er sei unsicher, wie er gewirkt habe. Das Feedback steht noch aus. Er selbst nennt sein Auftreten gefiltert. In diesem Zusammenhang fällt ihm in der Sitzung ein, dass er vor seiner Präsentation in dieser Versammlung mal wieder einen Traum geträumt habe, den er in vielen Varianten schon oft geträumt hatte. (Wiederkehrender) Traum 1: Ich bin auf eine Versammlung geladen, wo ich mich präsentieren muss. Links vor mir sind die Leute, zu denen ich sprechen muss oder gesprochen habe. Vor mir ist das Rednerpult, in einiger Entfernung rechts hinter einem hohen Tisch sind mehrere Männer, die mich, wie ich meine, kritisch begutachten. Darunter ein grober Kerl, an dessen Platz ein Paar Boxhandschuhe hängen. Ich starre auf diese Jury und warte auf ein Urteil. Ich wache irritiert und mit unguten Gefühlen auf. 6

Murmelgruppe 1 (siehe Hinweis im Kasten: Wovon erzählt dieser Traum und womit könnte er zusammenhängen?) Herr MIDLIFE erkennt den Zusammenhang zwischen dem Traumerleben, und wie er die Versammlung im Unternehmen erlebt hat, sofort. Im Traum sei ganz deutlich, dass er wie das Kaninchen vor der Schlange vor diesem hohen Männergericht stünde. Die Boxhandschuhe stünden sicher dafür, mit welchen Anforderungen man da über ihn zu Gericht sitzen würde. Obwohl er es in der Realsituation an nichts Äußerlichem festmachen konnte, hatte er bei seiner tatsächlichen Vorstellung als Personalleiter gefürchtet, gewogen und für zu leicht befunden zu werden. Dementsprechend unfrei hätte er sich gefühlt und sei wohl auch nicht so gut rübergekommen. Wir sprechen über sein Gefühl, nicht aus dem Holz zu sein, aus dem z.b. WEISE geschnitzt ist. WEISE war zu Zeiten des vorigen Konzernpersonalvorstands mit MIDLIFE auf einer Ebene gewesen. MIDLIFE hatte sich mit dem vorigen Konzernpersonalvorstand gut verstanden. Dieser sei ein differenzierter, eher auch sensibler Mann gewesen. Der Neue sei robuster, wäre eher mit WEISE in gutem Einklang, weshalb er wohl WEISE zu seinem Stellvertreter gemacht habe. Diesen Unterschied zwischen ihm und WEISE habe er schon immer empfunden, doch sei das bisher kein Problem gewesen. Er sei halt eher an Werten orientiert, womöglich in den Augen einiger ein Weichling. Aber er wolle auch gar nicht so ein Rambotyp sein, wie es wohl heute gefragt ist. Von daher sei eine Personalleiterstelle heutzutage vielleicht ohnehin nichts für ihn. Wenn er aber aufgäbe, würde er das auch als Niederlage empfinden. Und was sonst auch tun? Hier droht er sich in Polarisierungen und Unlösbarkeiten zu verfangen, die ähnlich enden könnten wie der Traum: Erstarrung und Warten auf das vermutlich ablehnende Urteil einer Männerriege. Um dem nicht ausgeliefert zu sein, sucht er die richtigen Manöver, um sich in der Realsituation zu behaupten und sich besser zu fühlen. Der Coach betont, dass sich im Traum Haltungen spiegeln, die vielleicht überprüft werden sollten. Auch betont er das subjektstufige Verständnis, nach dem alles, was im Traum zum Ausdruck kommt, als Teil der eigenen Persönlichkeit betrachtet werden kann, auch wenn es mit Mitteln und Figuren der Außenwelt dargestellt ist. Aus dieser Sicht ist der Konflikt in der Außenwelt auch Spiegel einer Auseinandersetzung zwischen polarisierten Seiten der eigenen Persönlichkeit. Die Auseinandersetzungen auf den Traumbühnen wie auf den Bühnen der Außenwelt böten Gelegenheit für eine neue Auseinandersetzung mit der eigenen Wesensart. Ein Fokus hierbei könnte ein neues Verhältnis zu den anderen Männerfiguren bzw. zu sich selbst als Mann sein. Auf diese Weise könne er von Stereotypen und Polarisierungen weg- und zu einer integrierenden Entwicklung hinkommen. 7

Der Coach bietet ihm an, mit ihm zusammen den Traum um zu inszenieren, so dass er alternative Erlebensweisen, die positive Bewegung in die Szene bringen, ausprobieren kann. Hierzu werden ihm positive Umdeutungen und Probearrangements angeboten. Murmelgruppen 2 (Welche Elemente für eine solche Uminszenierung fallen Ihnen ein?) Neuerzählung des Traums 1 Der Coach bietet an, die Situation topographisch anders zu arrangieren: Er soll die Jury so platzieren, dass er sich auf gleicher Höhe fühlt, dann ihr den Rücken zuwenden und so die Männer hinter sich bringen. Er soll sich vorstellen, dass sie weniger zu seiner Beurteilung als zu seiner Unterstützung da sind. Für die Boxhandschuhe finden wir die Deutung, dass sie ja gerade dazu da sind, dass sich die Boxer beim Kräftemessen nicht wirklich verletzen. Boxhandschuhe schützen also. Der Kerl mit den Boxhandschuhen wird probeweise zum Sportskameraden, Boxen zum stärkenden Sport, auch für Fliegengewichte. Analog zu manchen Übungen in Systemaufstellungen wird ihm angeboten, die Unterstützung der anderen Männer auch körperlich zu fühlen. Weitere Männer aus der eigenen Geschichte (z.b. der früh verstorbene Vater) können sich dort mitversammeln und zusätzlich Rückenstärkung bieten. Herr MIDLIFE lässt sich zunächst zögernd und dann mit wachsendem Interesse auf die Umdeutungen und Uminszenierungen ein, spielt alles innerlich durch und findet einen inneren Bezug zur Stützung durch die anderen Männer und ein positiveres Verständnis des Kerls mit den Boxhandschuhen. Hierbei wechseln Momente des argumentativen Gesprächs mit solchen, in denen er sich von den angeregten inneren Erlebnissen positiv überraschen und rühren lässt, ab. 4. Sitzung (13. Woche) Herr MIDLIFE berichtet auf Nachfrage, er habe wieder einen Versammlungstraum gehabt, aus dem er aber mit einem guten Gefühl aufgewacht sei. Er kann sich zunächst nur schwer an den Traum selbst erinnern. Erst detailliertes Nachfragen bringt den Traum nach und nach in Erinnerung und ins Erleben. Traum 2 (zwei Wochen nach Sitzung 3) Wieder diese Versammlung. Doch es scheinen auch Mütter von Vorschulkindern dabei zu sein. Rechts der Raum ist leer. Ich bin direkt ans Pult getreten und habe zu den Leuten gesprochen. 8

Dabei habe ich sie viel besser wahrgenommen und konnte gut rüberbringen, was ich zu vertreten hatte. Ich habe ein gutes Gefühl. Die Szene wandelt sich. Neben dem Pult steht in meine Richtung gewandt eine Frau in Weiß. Vor mir, ihr gegenüber und mit dem Rücken zu mir steht ein Mann. Ich kenne beide nicht. Die Frau ist jünger (ca. 30), ist mit ihren Jeans und dem weißen T-Shirt vielleicht etwas zu leger angezogen. Wir stehen einfach da. Näheres Nachfragen bringt in Erinnerung oder kreiert beim Erzählen: Sie schaut auf eine offene freundliche Art den Mann/mich an. Ich bin unsicher, ob das eine Konkurrenzsituation ist, fühle mich aber angesprochen und beim Aufwachen ganz gut. Murmelgruppen 3 (Wie verstehen Sie die Veränderungen in der Trauminszenierung?) Besprochene Perspektiven Traum 2 Der Platz, auf dem sonst die beurteilende Männerriege war, ist leer, steht vielleicht zur Neugestaltung zur Verfügung. Gleichzeitig haben sich Publikum, Wahrnehmung und Atmosphäre, Selbstempfinden und präsentation verändert. Nun wandelt sich die Szene. Dies weist häufig auf neue Ebenen einer Fragestellung, auf das Fortsetzen eines Themas mit neuen Qualitäten hin. Die Veränderungen der Darstellungsebene, der Charaktere, der Bezogenheiten und der Abläufe spiegeln die Entwicklung. Wenn solche Änderungen groß sind, ist darin das Thema manchmal nicht leicht wieder zu erkennen. Aus den Männern ist ein Mann geworden, der zudem auch auf seiner Seite steht, ja sogar irgendwie (im Kontakt mit der Frau) mit ihm identisch ist. Überhaupt sind jetzt Frauen vertreten (was sonst in seinen Träumen selten gewesen sei) einmal mütterliche Frauen im Publikum und eine eher geheimnisvolle jüngere als Gegenüber im Kontakt mit dem Mann/mit ihm. Aus dem erstarrten Erwarten eines Urteils ist eine eher von der Frau ausgehende interessierte Begegnung geworden. Die Unsicherheit, ob es sich hier um Konkurrenz handelt, wirkt wie eine unbedeutende Randbemerkung. Die Endsituation des Traumes wirkt offen, noch ohne Dynamik, aber verheißungsvoll. 9

Die Personalleiterstelle Die Personalleiterstelle wurde an jemanden anderen vergeben. WEISE habe sich aber nicht groß auf ein klärendes Gespräch einlassen wollen. Es stünde aber in einigen Wochen eine andere Personalleiterposition zur Besetzung an, wofür er im Gespräch sei. Bei einem Personalleitertreffen im Konzern hatte Herr MIDLIFE einen Vortrag gehalten. Schon, dass WEISE mit dort war, hätte ihn befangen gemacht. Er hätte den Vortrag gehalten, sich dabei aber nicht gut gefühlt und wohl auch nichts so recht rübergebracht. Er ärgert sich darüber, dass er WEISE so viel Bedeutung einräumt. MIDLIFE will lernen, ihn zu ignorieren. Anstatt die Situation in der äußeren Welt zu besprechen, wird MIDLIFE vom Coach eingeladen, das Ganze als Traum zu inszenieren. Er lässt sich darauf ein und inszeniert die Geschichte als Variante seiner Wiederholungsträume: Als Traum 3 inszeniertes Erlebnis Irgendwie ist wieder eine Versammlung. WEISE steht rechts, mir und den Versammelten zugewandt. Ich empfinde ihn als kritisch, mich der Versammlung gegenüber infrage stellend. Die Inszenierung eines erlebten äußeren Geschehens als Traum hat den Vorteil, dass man frei wird, das symbolische Erleben zu modulieren. Man kann nun eine alternative Imagination aufbauen, die andere Erfahrungen und Einstellungen nahe legt, mit denen dann Dialog gehalten werden kann. Dies fordert auch den Coach heraus, Drehbuchideen für eine positive alternative Inszenierung zu entwickeln und probeweise zur Erfahrung anzubieten. Murmelgruppen 4 (Welches Drehbuch für eine Weiterentwicklung, welche Probehaltungen und inszenierungen würden Sie anbieten?) In der vom Coach angebotenen Variante wird WEISE probeweise positiv als Verbündeter von MIDLIFE definiert. Hierbei wird auf die frühere positive Umdefinition des Kerls mit den Boxhandschuhen in einen Verbündeten Bezug genommen. WEISE soll als eine Art Mahnmal auf der Bühne positioniert werden und eine konstruktive Mahnung aussprechen. MIDLIFE wird gebeten, die mahnenden Worte zu formulieren. MIDLIFE: WEISES Mahnung Variante 1: Es gibt Zweifel, ob dieser Mann der richtige ist. Als der Coach dies als wenig konstruktiv bezeichnet und zu einer positiveren Variante auffordert, folgt WEISES Mahnung Variante 2: Mit 40 müsste dieser Mann eine andere Persönlichkeit haben! 10

Jetzt wird erkennbar, dass es um einen weitergehenden Zweifel an einer angemessenen Entwicklung der eigenen Persönlichkeit geht. Doch hat MIDLIFE an dieser Stelle noch keinen Zugang zu einem konstruktiven Tenor der Mahnung. Daher bietet der Coach ersatzweise folgende Formulierung als Variante 3 an: MIDLIFE ist unterwegs, aber noch nicht bei sich angekommen! MIDLIFE probiert diese Variante aus. Sie ist ungewohnt, doch adoptiert MIDLIFE sie nach einigen Wiederholungen, zumindest probeweise. Dies hat eine Einstellungsänderung in der Beschäftigung mit WEISE zu Folge. Herr MIDLIFE entscheidet, mit WEISE und dem Konzernpersonalchef ein offenes Gespräch zu führen, in dem er zu erkennen gibt, welche Probleme er selbst bei seinem Auftritt bei dem ersten Konzernunternehmen und bei dem Personalleitertreffen sieht. Dass er aber unterwegs sei und mit ihnen darüber im Dialog bleiben will. Die weitere Entwicklung Weitere 4 Sitzungen und 1 Jahr sind vergangen. Herr MIDLIFE hat die Personalleiter-Position im anderen Konzernunternehmen bekommen. Dennoch blieb er sich zunächst unsicher, ob das für ihn passend sei. Es hatte allerdings auch keine attraktiven Alternativen gegeben. Wenn er es nicht probiert hätte, hätte er das als Kneifen angesehen. Das Unternehmen nahm ihn freundlich auf, er fand ein gutes Verhältnis zum Geschäftsführer und machte seinen Job offenbar gut, wenn auch immer wieder mit Anstrengung. Selbst Auseinandersetzungen um Personalabbau stand er gut durch und trug zu einer verträglichen Lösung, die in der Presse gelobt wurde, bei. Allerdings blieben Zweifel, ob das alles für ihn stimmt. Insgesamt wirkte er dennoch zunehmend kräftiger und zu mehr emotionaler Toleranz gegenüber Unsicherheiten und Krisenempfinden fähig. In der Beratung trug er immer wieder seine alten Lösungsstile vor, doch er relativierte sie leichter. Er scheint in dieser Zeit zu einer Integration von kritischen und unkritischen Haltungen gegenüber seiner Arbeit gefunden zu haben. Dies lässt sich aus folgendem Bericht schließen: Früher bin ich als Mensch aus dem Urlaub gekommen, und habe meine Berufswelt aberwitzig gefunden. Doch nach einer Woche war dieser kritische Mensch wieder verschwunden und ich war wieder mit allem identifiziert. Nach dem letzten Urlaub ist das ganz anders gewesen. Ich habe mich neu engagiert, bin aber auch der Mensch geblieben, der mich kritisch bei der Arbeit begleitet. Das ist irgendwie gut, aber einfacher ist mein Leben dadurch nicht geworden. 11

Traum 4 in dieser Zeit: Ich bin auf einer Bergwanderung. Ich bin an einer Weggabelung. Den Aufstieg nach links hatte ich unpassierbar vermutet, weil dort ein Bergrutsch den Weg weggerissen hatte. Doch zu meinem Erstaunen ist dort aus Holz eine Überbrückung gebaut worden. Ich kann also diesen Weg doch nehmen. Nach einem langgezogenen Aufstieg komme ich in ein Dorf, das ich nicht kenne und dort auch nicht vermutet hätte. Auffällig ist der Kirchturm in der Mitte. Wie ich die ersten Häuser erreiche, sehe ich rechts ein Kaffeehaus, in dem nur Männer sitzen. Sie rufen mich heran und ich geselle mich zu ihnen. Murmelgruppe 5 (Wenn Sie diesen Traum als Spiegelung der beruflichen und seelischen Entwicklung bzw. als Spiegelung der Stimmigkeit des Coachings sehen, wie würden Sie ihn dann verstehen? Welche Themen scheinen darin auf?) Der Coach sieht in diesem Traum eine Bestätigung einer konstruktiven Entwicklung. Dies ist vermutlich auch ohne tiefenpsychologisches Wissen intuitiv verstehbar. Doch stützen Symbolkenntnisse 4 dieses Verständnis: Die Bergbesteigung - ein verbreitetes Symbol für Persönlichkeitsentwicklung - kann an einer Stelle fortgesetzt werden, an der ein Erdrutsch den ursprünglichen Weg weggerissen hatte. Die Überbrückung ist durch Menschenwerk, durch Konstruktion von Ordnungs- und Hilfskräften hergestellt worden. Der Träumer nutzt sie auch, setzt seinen Weg nach links (Richtung Integration unbewussten Terrains) fort und kommt so in ein Dorf (wie die Stadt häufig Symbol für das eigene Wesen). Dabei ist der Kirchturm (Symbol für geistige Männlichkeit) im Blick, und es sind auch die Männer des Dorfes, auf deren Einladung er sich zu ihnen gesellt. Die Männerriege aus den früheren Träumen ist unschwer wieder zu erkennen. Nun allerdings erfährt er statt Beurteilung Zugehörigkeit. Dass Männlichkeit zuerst als unpersönliches Symbol (Kirchturm) und dann als Kollektiv (Männer im Kaffeehaus) auftritt, legt eine positive Annäherung an männliche Individualität nahe. Die nächsten Stufen einer solchen Annäherung wären die Gemeinschaft mit einzeln erkennbaren Männern und dann die Selbstbegegnung mit sich als Mann in einer Spiegelbeziehung (Männern neben sich und Frauen gegenüber). 5 4 Ich beziehe mich vorrangig auf die Analytische Psychologie von C.G. Jung und seinen Nachfolgern. Als Anregung und Anreicherung sei Coaches leicht verständliche Literatur aus diesem Bereich empfohlen, wie C.G. Jung et al. Der Mensch und seine Symbole oder aktueller die zahlreichen Schriften und Tondokumente von Verena Kast. 5 Hierzu siehe: Schmid B.: Geschlechtsidentität - eine seelische Perspektive in Schmid B. 2004: S. 142-152 oder Website des Instituts: Schrift Nr. 39 12

Verändert ist auch die Dynamik der Beziehungen. Nicht mehr er muss überzeugen, sondern Mächte außerhalb seines bewussten Ichs haben den Weg bereitet und gehen auf ihn zu. Er muss nur noch einverstanden sein und seinen Weg gehen und Einladungen folgen. Eine neue Lebenskrise 7. Sitzung: Krisensitzung MIDLIFE s Frau trennte sich wegen eines anderen Mannes von ihm. Sie hätte jahrelang Frust aufgestaut, wäre in der Beziehung unbefriedigt geblieben. Sie hätte jetzt eine echte Liebe gefunden und hat sich abrupt und wenig wertschätzend abgewandt. Ein harter Schlag für MIDLIFE s Selbstverständnis als Mann und seine Lebensbilanz. Er reagiert darauf zunächst mit erheblichen Schlafstörungen, schwerer Beeinträchtigung seiner beruflichen Arbeit, totaler Selbst- Infragestellung bis hin zu letzten Gedanken? Letzteres wirkt aber nicht ernsthaft und bedrohlich, eher eine Selbstdramatisierung. Klinisch betrachtet könnte alles als depressive Belastungsstörung eingeordnet werden. 6 Seine Anstrengungen bezüglich persönlicher Entwicklung stellt er nun (mehr rhetorisch) infrage: Hat sich das alles an Krisentraining gelohnt, wenn es mir nun so schlecht geht? Bezüglich seiner Frau spricht er von drastischen Reaktionen seinerseits, dies sei aber nur mental und vorübergehend. Äußerlich gehen sie besonnen miteinander um. Er bietet seiner Frau an, sich beruflich anders zu organisieren, um sie zu halten, ist aber unsicher, ob er das wirklich noch wollte, wenn sie ja sagte. Doch sie bleibt ohnehin entschieden. Er solle sich keine Hoffnungen machen. Sie beide wären ein zeitweilig erfolgreiches Team gewesen, nie ein Liebespaar. Schließlich zieht seine Frau mit den Kindern aus. Er darf die Kinder großzügig besuchen, bzw. bei sich haben. Persönlichkeitsentwicklung im Hintergrund 8. Sitzung inmitten der äußerlichen Krise Traum 5: In völligem Kontrast zu seiner äußeren Situation und entsprechender Stimmung wacht er warm und froh auf. Dem Gefühl nachgehend, fiel ihm der Traum der Nacht ein. 6 Hier soll der solide ausgebildete Coach ermutigt werden, seinem Gefühl zu trauen. Im Zweifel ist natürlich eine kompetenz- und lösungsfokussierte psychotherapeutische Begutachtung zu empfehlen. Bei einer pathologieorientierten Therapie besteht die Gefahr, dass sich der Coachee flüchtend vor der Lebensbewältigung - in eine Psychotherapie zurückzieht. 13

Da ist links hinten eine Schaukel. Davor steht meine ehemalige Freundin im weißen T-Shirt. Ich stehe ihr gegenüber, sehe mich gleichzeitig irgendwie auch von hinten. Ich habe ein blaues T-Shirt an. Wir sind wohl beide jung. Sie lacht mich an und wirft mir neckend etwas zu, das wir uns dann fröhlich hin und her werfen. Sie war noch in der Schulzeit seine erste große Liebe gewesen, obwohl sie nicht hübsch oder gesellschaftlich attraktiv gewesen war. Sie hätten herrlich zusammen geschwungen (Schaukel). Im Studium lernte er dann andere attraktivere Frauen kennen und ließ sie sitzen. Es muss sie damals schwer gebeutelt haben. MIDLIFE: In diesem Traum begegneten mir Qualitäten, die ich lange vermisst habe. Murmelgruppe 5 (Wie schätzen Sie den Traum 5 und die persönliche Entwicklung ein?) Der Coach sieht in diesem Traum die Fortsetzung der persönlichen Entwicklung. Unbeeindruckt von den äußeren Geschehnissen, kommt er einer von innen getragenen Ganzheit näher. Die Frau ist jetzt seiner persönlichen Lebensgeschichte zuordenbar und markiert eine Zeit, in der er noch lebendiger spielerischer beim anderen Geschlecht und damit bei sich als Mann war. Die Jugendliebe, die er für scheinbar Erstrebenswerteres hinter sich gelassen hatte, steht für weibliche seelische Qualitäten 7, von denen er sich abgekehrt hatte. Nun sind diese wieder lebendig und spielen ihm den Ball zu. Auch hier ist das sich verändernde Erscheinen weiblicher Qualitäten Hinweis für Entwicklung. Das Männerpublikum, vor dem er bestehen musste, wandelt in ein (auch) Frauenpublikum, dieses dann zu einer unbekannten Frau, die leger auftritt und ihn und seinen Doppelgänger ansieht. Schließlich verwandelt sie sich in eine individuelle Frau, die ihn ganz individuell meint und zu Spielerischem einlädt. Sowohl in der Szenerie, wie auch in den Figuren sowie in den Begegnungen und in den dadurch ausgelösten Gefühlen kann Wandel, neues zu sich Finden beobachtet werden. Es kamen auch noch Erinnerungen an frühere Träume hinzu, die halfen, die ganze Entwicklung als Mann besser zu verstehen. Diese sind aber nur für das bewusste geschichtliche Aufarbeiten interessant, nicht jedoch für die gelebte Entwicklung. Für den Coach war die Arbeit damit abgeschlossen, wenn auch auf der äußeren Realitätsebene noch einiges zu regeln war. Der Coachee war dafür gerüstet. 7 In der Analytischen Tiefenpsychologie spricht man von Anima als dem weiblichen Seelenanteil und von Animus als dem männlichen. Beide sollten lebendig und in gutem Kontakt miteinander sein. 14

Nachlese Nachdem der Coachee sein Leben äußerlich neu geordnet hatte, entschloss er sich noch zu einer umfassenden menschenorientierten Weiterqualifikation im Personalbereich, um die persönlich gewonnene Erfahrung auch in sein professionelles Selbstverständnis (Schmid 2003) und als Ergänzung seiner Qualifikationen im Hard Faktor Bereich aufzunehmen. Sowohl diese Ausbildung wie auch seine fortdauernde Tätigkeit als Personalleiter machten ihm viel Freude. Hinzu kam eine neue Partnerschaft, die neue Lebendigkeit und Lebensfreude auch im Privatleben mit sich brachte. Schluss Eignen sich Träume bzw. die hier geschilderten schöpferischen Dialoge anhand von Träumen für Coaching? Für die Ausbildung von Beratern? Für professionelle Kommunikation? Oder gar als Gesprächsebene in Organisationen? Wir meinen: Ja! Auch wenn in diesem Falle der Coach in diesem Beispiel mit viel therapeutischer Erfahrung im Hintergrund ausgestattet war, hätte ein psychotherapeutisch unerfahrener aber etwas sensibler und lebenskluger Coach mit diesem Coachee alles Wesentliche ähnlich verstehen oder tun können. Dies ist nicht immer so und daher sollten bei Bedarf eine gute Supervision oder ergänzend ein psychotherapeutisch arbeitender Kollege zur Verfügung stehen. Doch dürfen Coaches auch Mut fassen, sich selbst auf diesen Ebenen zu bewegen und die oft entscheidendere Arbeit im freimütigen und kreativen Umgang mit Träumen wagen. Die Haltung, die durch einen recht verstandenen Umgang mit Träumen gefördert wird, ergänzt Macher- und Rechthaberkulturen um Aspekte einer Verstehens- und Sinnschöpfungskultur. 15

III Leitfaden für kollegiale Traumdialoge Einige Leitlinien: 1. Es geht nicht um Traumdeutung, sondern um spielerischen Umgang mit Traumerleben und Kontexten. D.h. Erkundungen und Vergegenwärtigung (a) des Geschehens im Traum und (b) des Geschehens rund um den Traum, sowie (c) der Bedeutungsgebungen durch den Träumer, (d) der Resonanzen in der Begegnung mit andern. Es geht also auch um den Umgang des Träumers mit Traumgeschehen als Beispiel für den Umgang mit Erlebnissen, um Dialog anhand von Träumen als Beispiel für kreative Dialoge auch sonst. 2. Es geht um schöpferisches Experimentieren mit Trauminszenierung und mit alternativen Inszenierungen dazu. Träume sind den Gesetzmäßigkeiten der realen Welt enthoben, haben surrealen Charakter. Dadurch eröffnet sich ein vielschichtiges Bedeutungs- und Gestaltungsfeld, das im Dialog nutzbar gemacht werden kann. 3. Es geht also nicht um systematische Analyse, sondern um einen erzählerischen Dialog mit Traumwirklichkeiten und zwischen den Dialogpartnern. Fragen und Betrachtungen dürfen unsystematisch und punktuell sein wie das Erforschen eines unbekannten dunklen Raumes mit einem schmalen Lichtstrahl. Sie dürfen aber auch einen Gesamteindruck widerspiegeln, sogar einen solchen, der am Rande des Gesichtsfelds bei völlig defokussiertem Blick ahnbar wird. 4. Beim Gespräch über Träume sollen Antworten als verdeckte Antworten gegeben werden können. Der Träumer bestätigt, dass hier Bezüge angesprochen sind, Erlebnisse aktiviert werden, gibt vielleicht dazu Stichworte, darf aber in Anspruch nehmen, Weiteres nicht öffentlich zu machen. 5. Traumdialoge sollen Kontraste schaffen, in denen Bedeutungen und Anstöße aufscheinen können. Dabei geht es um kreatives Ausprobieren von Einfällen zur Transformation der Trauminszenierung als Beispiel für andere Lebenswirklichkeiten. Hierbei kann man unterscheiden: horizontale Transformation: Innerhalb der Traumszenerie werden alternative Inszenierungen entworfen und durchgespielt. vertikale Transformation: Varianten in der Art der Inszenierung und im Zusammenspiel von Elementen anderer Lebensszenerien und der Traumszenerie werden durchgespielt. 16

6. Traumdialoge sind also eine akzeptierte Mixtur von Erlebniswelt des Träumers und den Assoziationswelten der Dialogpartner. Jeder nimmt sich heraus, was Sinn macht. 7. Es geht um unbefangenen Dialog als Angebote von Sinnmöglichkeiten ohne Inanspruchnahme von Expertenautorität irgendwelcher Art. 8. Für den Träumer entscheidet situative Plausibilität, die im nachlaufenden Suchprozess ergänzt oder korrigiert wird. 9. Außer für den Träumer können Traumdialoge für die Dialogpartner bedeutsam sein, weil ihre Erlebnisse und Bedeutungswelten im Dialog aktiviert werden. Alles, was dem Träumer angeboten wird, kann als Angebot an sich selbst geprüft werden. 10. Aussageperspektive des Traums: Ist das im Traum Dargestellte vielleicht eher eine Retrospektive? (Verabschiedung und Würdigung vergangener Phasen beim Übergang in neue.) Zeigt der Traum eine Widerspiegelung oder eine ergänzende Perspektive zur Gegenwart? Markiert der Traum eine gerade anbrechende künftige Entwicklung? (Auch wenn dies im Lebensvollzug noch gar nicht oder erst in allerersten Ansätzen repräsentiert ist.) 11. Was würde helfen, die Dinge ins rechte Maß und in komplementäre Verhältnisse zueinander zu setzen? 12. Experimentierperspektiven: Wenn im Traum Schwieriges oder Beunruhigendes dargestellt wurde: Wie müsste es uminszeniert werden, damit es erträglich, vielleicht sogar förderlich wäre? Wenn im Traum ein bestimmter Inszenierungsstil stark vorherrscht, wie könnte derselbe in einem anderen Ausmaß oder in einem ganz anderen Stil inszeniert werden? Wenn der Traum belanglos scheint, wie könnte er angereichert werden, damit er interessant wird? Wenn im Traum Geschehnisse oder Personen ins übermäßig Schöne oder übermäßig Hässliche stilisiert sind, wie könnten gemäßigte, alltäglichen Lebensdimensionen nähere Varianten davon aussehen? Vorgehen: Konkretisierung, Spezifizierung, spontane Resonanzen 13. Die Traumerzählung noch einmal durchgehen und nach Präzisierungen bzw. Details fragen, soweit dafür Erinnerungen zu finden sind. Unklares oder Undefiniertes darf bleiben, wie es ist. Besondere Bedeutung können dabei haben der Traum-Anfang (Szenerie, wenn der Vorhang aufgeht) 17

das Traum-Ende (Szenerie, wenn sich der Vorhang schließt) Ausblick am Ende des Traumes (Worauf hin scheint die Situation angelegt)? Stimmung beim Aufwachen und Nachwehen, sonstige herausragende Punkte im Traum. 14. Fragen nach Qualität der Traumelemente: Beschreibend: Wie ist die Person, die Atmosphäre, das Zimmer, die Beziehung zu charakterisieren? Differenzierend: Warum ist es so inszeniert und nicht z.b. in dieser oder jener anderen Variante? 15. Spontane Resonanzen: Wo kristallisiert sich das Interesse des Träumers? Wo kristallisiert sich das Interesse der Zuhörer? (Metapher: Wo schlägt die Wünschelrute aus, wo tickt der Geigerzähler lauter?) Passen Spontaninteresse des Träumers und der Zuhörer zusammen? Wenn nicht, worin besteht der Unterschied? 16. Eigeninterpretation durch Träumer: Wovon erzählt der Traum? Abgleichen der Eigeninterpretation mit Geschehnissen im Traum: Entsprechen die Geschehnisse im Traum den Darstellungen/Hervorhebungen des Träumers während der eigenen Interpretation? 17. Neuigkeitswert: Repräsentiert der Traum eher gewohnte Erlebnisse/Betrachtungen? Wo werden Kontraste zu vertrauten Erfahrungen gesetzt? Experimentieren mit Kontextbezügen Es geht um Experimentieren mit möglichen Zusammenhängen zwischen Elementen der Trauminszenierung und Inszenierungen auf anderen Lebensbühnen. Diese Bezüge sind so vielfältig wie das Leben. Hier sollen einige exemplarisch herausgehoben werden. Kontext Zeit 18. Wann wurde geträumt? Was war zurzeit im Leben des Träumers los? 18

Welche äußeren Ereignisse bzw. inneren Erlebnisse dieser Zeit spiegeln sich im Traum? Angenommen, der Traum wäre ein Kommentar zu oder eine Weitererzählung von diesen Erlebnissen, wovon erzählt er dann? 19. Kontexte durch Zitate Subjektive Kontexte, auf die Elemente des Traumes verweisen könnten: Welche Orte, Requisiten, Personen, Stimmungen kommen im Traum vor? Sind Elemente davon aus anderen Zusammenhängen bekannt oder wecken Assoziationen zu anderen Zusammenhängen? Auf welche Welten, Zeiten, Themen verweist eventuell das Zitat? Angenommen, das Zitat wäre ein beabsichtigtes Ausdrucksmittel, was will der (Traum-)Regisseur damit zum Ausdruck bringen? 20. Kontexte durch Kulturbedeutung Bezüge zu objektiven Kontexten Solche Bedeutungsanreicherungen aus Kulturwissen (Amplifikation) werden ergänzend oder ersatzweise zu subjektiven Bedeutungszuordnungen exploriert. Beispiel: Angenommen, es kommt ein offener Kamin, in dem ein Feuer brennt, im Traum vor: Was ist das für ein Ding? (z.b. Eine technische Einrichtung, die Naturgewalt als Kraftquelle beherrschbar macht.) Welche Grundfunktion verkörpert sich in dem Vorgang des Brennens? (z.b. Durch Umwandlung wird Energie frei und nutzbar.) Wie ist der Stellenwert in der Zivilisation und im Traum? (z.b. Ein offener Kamin ist eine Einfachstform der Energiegewinnung mit geringem Wirkungsgrad und hohem Arbeitsaufwand, im Traum ist er vielleicht ein romantisches Element mit dem vermutlich nicht wirklich geheizt wird) Wie ist die kulturelle Bedeutung? (z.b. Um Feuer ranken sich Märchen, Erzählatmosphäre, Geborgenheit, Nachdenklichkeit, Kontakt zum Unheimlichen) Warum wird es in dieser Variante auf die Bühne gebracht und nicht in einer anderen? Gibt es Auffälligkeiten? (z.b. Auffällig hoch loderndes Feuer und ein leerer Holzvorrat) In welchen anderen Erzählungen spielt ein solches Element eine Rolle? Angenommen, diese wären absichtliches Ausdrucksmittel, wofür dann? 19

Leitfaden für kollegiale Traumdialoge Der schöpferische Dialog anhand von Träumen Von Dr. Bernd Schmid IV Kontext Bühnen der Berufs- und Organisationswelt 21. Angenommen, es besteht ein Bezug zwischen dem Traumgeschehen und beruflichen Fragestellungen, welcher könnte das sein? 22. Angenommen es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Traum und der Situation in Deinem Unternehmen / im Partner-/Kundenunternehmen, welcher könnte das sein? V Kontext Privatwelt sowie Traum-Dialog-Beziehung 23. Angenommen, es besteht ein Bezug zu Bühnen des Privatlebens, welcher? 24. Angenommen, es besteht ein Zusammenhang zwischen Traumgeschehen und Traumdialog, also dem was in der Beratung, in der Beziehung, innerhalb derer Traumdialoge geführt werden, geschieht, welcher wäre das? 25. Sind die Bezüge zwischen Traum und den verschiedenen Lebenswelten sehr verschieden? Wenn ja, wovon erzählt das? Autor: Bernd Schmid Quelle: isb Literatur: Rauen, Chr.,, Hrsg. (2004): Coaching Tools. managerseminare, Bonn. Schmid, B. & P. Boback (2001): Wirklichkeitskonstruktive Traumarbeit. In: Zeitschrift für systemische Therapie 04/02. und in Schmid, B. (2004), S. 201 222. Schmid, B. (2003): Systemische Professionalität und Transaktionsanalyse. EHP, Bergisch Gladbach. Schmid, B. (2004): Systemisches Coaching Konzepte und Vorgehenseisen in der Persönlichkeitsberatung. EHP, Bergisch-Gladbach. 20

Schmid, B.: Sinnstiftende Hintergrundbilder professioneller Szenen. In: Rauen (2004): S. 108 112. Schmid, B.: Seelische Leitbilder im Coaching. In: Schmid (2004): S. 209-236. 21