1. Allgemeines Der Nationalrat hat am 28. September 2005 das neue Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG BGBl I 151/2005) beschlossen, das am 01.01.2006 in Kraft getreten ist. Das Gesetz bringt einen Systemwandel im österreichischen Strafrecht, weil nunmehr Verbände für gerichtlich strafbare Handlungen ihrer Entscheidungsträger und Mitarbeiter mit einer sogenannten Verbandsgeldbuße belangt werden können, wobei bisher nur physische Personen strafrechtlich belangt werden konnten. Dies ist dann der Fall, wenn die Strafbehörde davon ausgeht, dass die Tatbegehung durch Entscheidungsträger des Unternehmens (Verbandes) erfolgte, oder durch Mitarbeiter, wobei die strafbare Handlung durch Verletzung der Sorgfaltspflichten durch Entscheidungsträger ermöglicht oder zumindest wesentlich erleichtert wurde. 1.1 Geltungsbereich Verbände im Sinne des Gesetzes sind nach 1 Abs 2 juristische Personen, Personenhandelsgesellschaften und Eingetragene Erwerbsgesellschaften (AG, GmbH, OEG, KEG usw.). Nach 1 ist eine Straftat eine nach einem Bundes- oder Landesgesetz mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung. Bei den Entscheidungsträgern trifft 2 eine Entscheidung zwischen Entscheidungsträgern und Mitarbeiter. Entscheidungsträger ist nach 2 Abs 1 z.b. ein Geschäftsführer, Vorstandsmitglied, Prokurist, Mitglied des Aufsichtsrates oder des Verwaltungsrats oder wer sonst maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Verbandes ausübt. Mitarbeiter sind nach 2 Abs 2 Arbeitnehmer, Lehrlinge, Heimarbeiter, überlassene Arbeitskräfte oder auf Grund eines Dienst- oder eines besonderen öffentlichen Rechtsverhältnisses Arbeitsleistungen für den Verband Erbringende. 2. Verbandsverantwortlichkeit 2.1 Materielle Bestimmungen Ein Verband ist für eine Straftat verantwortlich, wenn die Tat (durch einen Entscheidungsträger) zu seinen Gunsten begangen worden ist oder durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen. Zudem ist für die Verbandsverantwortlichkeit erforderlich, dass der Entscheidungsträger als solcher eine Straftat rechtswidrig und schuldhaft begeht ( 3 Abs 2). Bei Mitarbeitern, die nach 2 Abs 2 insbesondere Arbeitnehmer, Lehrlinge, Heimarbeiter und überlassene Arbeitskräfte sind, gibt es gelockerte Haftungsbestimmungen. Voraussetzung ist ebenso, dass die Tat zu Gunsten des Verbands begangen worden ist oder durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen. Erstellt: Hackenauer Datum: 16.10.2006 Seite 1 von 5 A-4020 Linz, Am Winterhafen 1, Telefon: (+43 732) 34 23 22, Fax: (+43 732) 34 23 23, Homepage: www.qualityaustria.com, Email: office@qualityaustria.com
Bei Fahrlässigkeitsdelikten muss die Straftat rechtswidrig verwirklicht worden sein, die nach den Umständen gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen worden sein und die Entscheidungsträger müssen die Begehung der Tat dadurch ermöglicht und wesentlich erleichtert haben, dass diese ebenso die nach den Umständen gebotene und zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben, insbesondere indem sie wesentliche technische, organisatorische und personelle Maßnahmen zur Vermeidung solcher Taten unterlassen haben. 2.2 Verbandsgeldbuße 4 enthält die Regelung zur Sanktionierung. Ist ein Verband für eine Straftat verantwortlich so ist über ihn eine Verbandsgeldbuße zu verhängen. Bei Verstößen droht eine Verbandsgeldbuße von bis zu 180 Tagsätzen oder bis zu 1,8 Millionen Euro. Die Verbandsgeldbuße richtet sich nach der Schwere des Deliktes und der Ertragskraft des Unternehmens. Der höchste Tagsatz liegt bei 10.000,--. 2.3 Praktische Auswirkungen Bei der Begehung einer Straftat isd Gesetzes durch einen Entscheidungsträger oder Mitarbeiter wird vom Gericht neben der Frage, ob das Delikt tatbestandsmäßig verwirklicht worden ist, die Frage von Bedeutung sein, wem das Verhalten zuzurechnen ist. Wenn die Tat zu Gunsten des Verbandes begangen wurde, oder durch die Tat Pflichten verletzt worden sind, die den Verband treffen und die weiteren Voraussetzungen verwirklicht sind, ist die Verbandsverantwortlichkeit heranzuziehen. Wenn diese Voraussetzungen nicht zutreffen, wird die strafbare Handlung dem Individuum persönlich zugerechnet. Da sich die Verbandsverantwortlichkeit und die persönliche Verantwortlichkeit von Entscheidungsträgern und Mitarbeitern gemäß 3 Abs. 4 nicht ausschließen, kann es zu strafrechtlichen Sanktionen entweder gegen den Verband nach dem VbVG und gegen den Entscheidungsträger oder den Mitarbeiter nach dem Strafgesetzbuch kommen, oder nur gegen den Verband, oder nur gegen den Mitarbeiter im Rahmen des Strafgesetzbuches. Für Sanktionen und Rechtsfolgen, die den Verband auf Grund dieses Verbundesgesetzes betreffen ist ein Rückgriff auf Entscheidungsträger oder Mitarbeiter nach 11 VbVG ausgeschlossen. Dies bedeutet, dass der Verband die Verbandsgeldbuße jedenfalls zu bezahlen hat und er diese nicht im Innenverhältnis von seinem Entscheidungsträger o- der Mitarbeiter gerichtlich mit Erfolg zurückverlangen kann. 3. Umsetzungsansätze 3.1 Technische, organisatorische, personelle Maßnahmen Was sind nun diese technischen, organisatorischen oder personellen Maßnahmen, die das Kriterium für eine Unternehmenshaftung darstellen, und wo sind diese Maßnahmen verankert? Seite 2 von 5
Viele dieser Maßnahmen sind zum Teil sehr detailliert in den österreichischen z.b. Arbeitschutzregelungen verankert, vor allem im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ASchG, der Bauarbeiterschutzverordnung BauV und der Arbeitsmittelverordnung AM-VO. Und in vielen Bereichen ist es seit über 10 Jahren verpflichtend, diese Maßnahmen nicht nur durchzuführen, sondern darüber auch Nachweise meist in schriftlicher Form - zu führen. Beispiele dafür wären (typisch Bauunternehmen): Die konkret für die jeweilige Baustelle erstellten Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumente weisen die durchgeführte Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und die festgelegten Schutzmaßnahmen nach ( Evaluierung gemäß 4 und 5 ASchG). Für die jeweilige Baustelle wurde eine geeignete Aufsichtsperson eingesetzt und auch ein nachweislich unterwiesener Arbeitnehmer als Vertreter bestellt, der dieser Bestellung nachweislich zugestimmt hat ( 4 BauV). Das Unternehmen hat seine Arbeitnehmer nachweislich unterwiesen ( 14 ASchG). Es wurden geeignete Kranführer, Staplerfahrer und Sprengbefugte beschäftigt, die ihre Eignung durch ein Zeugnis nachweisen können ( 62 und 63 ASchG). Die Lenker von motorisch angetriebenen Fahrzeugen verfügen über eine schriftliche Bewilligung ihres Arbeitgebers ( 5 BauV). Gerüste wurden nach ihrer Aufstellung und in regelmäßigen Abständen überprüft, worüber Vormerke geführt wurden ( 61 BauV). Für Montagearbeiten wurde eine schriftliche Montageanweisung erstellt ( 85 BauV), für Abbrucharbeiten eine schriftliche Abbruchanweisung ( 110 BauV). Die im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (gemäß BauKG) vorgesehenen Maßnahmen wurden durchgeführt, die Hinweise des Baustellenkoordinators wurden rasch befolgt ( 8 ASchG). Ebenso wurden alle in Aufforderungsschreiben des Arbeitsinspektorats aufgezeigte Mängel sofort beseitigt ( 9 Arbeitsinspektionsgesetz 1993, - ArbIG). Wesentliche rechtliche Verpflichtungen, wie Prüfpflichten (z.b. 82 b Überprüfung nach Gewerbeordnung, Gebote und Verbote aus dem Wasserrechtgesetz, der Gewerbeordnung und speziell dem Abfallwirtschaftsgesetz ließen sich anführen. 4. Beispiele Gefährdung menschlichen Lebens Aufgrund unzureichender Verankerung stürzt ein Baugerüst von einem Haus und verletzt Passanten am Körper Aufgrund unzureichender technischer Sicherungen einer Hebebühne wird ein Mechaniker in der Werkstätte verletzt Seite 3 von 5
Fahrlässige Beeinträchtigung der Umwelt ( 181 StGB) Wer fahrlässig entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag ein Gewässer so verunreinigt oder sonst beeinträchtigt oder den Boden oder die Luft so verunreinigt, dass dadurch - einer Gefahr für Leib oder Leben einer größeren Zahl von Menschen oder - eine Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestandteil in einem größeren Gebiet entstehen kann, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bei einem Fahrlässigkeitsdelikt mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zu bestrafen Umgelegt auf das VbVG kommt somit sowohl die vorsätzliche als auch die fahrlässige Beeinträchtigung der Umwelt als Delikt in Betracht Zu beachten ist, dass entweder fahrlässig oder vorsätzlich verwaltungsrechtliche Vorschriften, welche dem Schutze der Umwelt dienen, verletzt werden. Der Vorteil des Verbandes wird zumeist in einer Kostenersparnis (z.b. Verringerung der Entsorgungskosten etc.) liegen Schwere Beeinträchtigung durch Lärm ( 181 a StGB) Wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag Lärm in einem solchen Ausmaß oder unter solchen Umständen erzeugt, dass die Tat eine nachhaltige und schwere Beeinträchtigung des körperlichen Befindens vieler Menschen nach sich zieht, ist strafbar. Auch hier kommt eine Strafbarkeit des Verbandes in Betracht, allerdings nur bei Vorsatz. Vorsätzliches umweltgefährdendes Behandeln und Verbringen von Abfällen ( 181 b StGB) Wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag Abfälle so behandelt, lagert oder ablagert, ablässt oder sonst beseitigt, dass dadurch die Gefahr einer Verunreinigung oder sonstigen Beeinträchtigung eines Gewässers, des Bodens oder Luft entstehen kann, ist strafbar. Auch hier kommt eine Verantwortlichkeit des Verbandes in Betracht, allerdings ist Vorsatz erforderlich. Vorsätzliches umweltgefährdendes Betreiben von Anlagen ( 181 d StGB) Wer entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag keine Anlage, die Schadstoffe freisetzt, so betreibt, dass dadurch die Gefahr einer Verunreinigung oder Beeinträchtigung oder einer schweren nachhaltigen und in großen Ausmaß eintretende Verunreinigung oder sonstigen Beeinträchtigung eines Gewässers, des Bodens oder der Luft entstehen kann, ist strafbar. Seite 4 von 5
5. Resümee Für alle Unternehmen, die ein Rechtmanagementsystem in ihrem Unternehmen eingeführt haben, sollte das Wissen über rechtliche Verpflichtungen speziell aus dem Umweltschutz und dem ArbeitnehmerInnenschutz eine Selbstverständlichkeit sein. Rechtliche Verpflichtungen und die Einhaltung dieser lassen sich durchaus managen. Eine Grundlage für ein betriebliches Rechtsmanagementsystem bietet die ISO 14001 - Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem. Dabei sollte aus Sicht des Verbandes auf folgende Schwerpunkte eingegangen werden: Ermitteln der relevanten Rechtsvorschriften Erkennen der Auswirkungen auf die Organisation Festlegung der zu setzenden Maßnahmen Schaffung eines internen Überwachungs- bzw. Kontrollsystems Schaffung von Problembewusstsein unter den Mitarbeitern (Erkennen von Mängeln als erster Schritt zu deren Behebung) Mitarbeiterschulungen, Fortbildungsmaßnahmen Aufrechterhaltung der festgelegten Managementsystematik 5.1 Riskmanagement bekommt neue Dimension Die Risikosituation hat sich in Österreich und in Europa mit dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz maßgeblich verändert. Damit ist die Haftung des Unternehmens aus strafrechtlicher Sicht umfassend, z.b. bei medizinischen Fehlbehandlungen, Umweltschäden, Unfällen oder Finanzdelikten. Von besonderer Brisanz ist die Kumulation von Risken. Zu den zivilrechtlichen Risken kommen die Kosten des Strafverfahrens sowie der möglichen Verbandsgeldbuße von bis zu 1,8 Millionen Euro und die Negativwerbung durch die Publizität des Strafverfahrens hinzu. Präventionsstrategien und -maßnahmen sind dabei nicht delegierbar, sie sind Sache der obersten Leitung. Durch Qualitäts-, Umwelt-, und Sicherheitsmanagement sowie durch eine rasche Beratung durch Anwälte im möglichen Streitfall könnten viele Risken reduziert werden. 5.2 Buch Betriebliche Verpflichtungen aktiv managen Die praktische Umsetzung von Umwelt- und Sicherheitsvorschriften stellt für die Organisationen eine große Herausforderung dar. Dieses Buch schafft eine Übersicht über die zahlreichen betrieblichen Verpflichtungen aus Gesetzen und Verordnungen des ArbeitnehmerInnenschutzrechtes an und bietet Möglichkeiten zur Umsetzung an. Herausgeber: Quality Austria (www.qualityaustria.com sitemap ÖVQ Publikationen). Seite 5 von 5