Finanzielle Situation der Kommunen. Dr. Martin Beckmann, ver.di-bundesverwaltung, Politik und Planung

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Transkript:

Finanzielle Situation der Kommunen Dr. Martin Beckmann, ver.di-bundesverwaltung, Politik und Planung

Ohne Moos nichts los Defizite/Überschüsse der Städte und Gemeinden in Milliarden Euro ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik 8,2 7,7 2,2 2,2 1,9 2,8 1,8 4,1-4 -2,8-4,1-3,7-3,9-2,2-1,7-8,3-6,6-5,8-7,3-8,4-7,2-7,7 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quellen: Deutscher Städte- und Gemeindebund, kommunale Spitzenverbände (Stand September 2013)

Gemeinden nehmen mehr kurzfristige Kredite auf Verschuldung und Kassenkredite in Milliarden Euro Schulden Kassenkredite 115,3 Mrd. ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik 133,6 Mrd. 98,7 Mrd. 3,8 4,2 5,4 5,9 6,1 98,1 Mrd. 7 9 10,7 16 20 24 27,7 28,8 29,9 34,7 39,2 45 47,8 94,9 96,5 95,9 95,4 95,8 91,1 89,8 89,8 91,5 91,8 91,3 84,5 81,9 77 79,1 84,3 84,9 85,8 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Deutscher Städte- und Gemeindebund; Statistisches Bundesamt

Kassenkredite der Gemeinden Ende 2010 je Einwohner/in in Euro 1623 1346 1123 533 607 805 636 175 352 303 289 215 68 27 22 13 Quelle: Statistisches Bundesamt

Von plus 7,7 auf minus 7,2 Milliarden Euro im Krisenjahr 2009 mussten Städte und Gemeinden einen Absturz bei den Einnahmen um fast 15 Milliarden Euro hinnehmen! 2010 sackte das Defizit um weitere 500 Millionen Euro ab. Erst seit 2012 erzielen die Kommunen wieder Überschüsse. Als Anteil am Bruttoinlandsprodukt blieben die Ausgaben der Gemeinden die ganzen Jahre bei gut sieben Prozent. Trotz zusätzlicher Aufgaben. Erst durch die Krise schnellt der Anteil hoch. Zu geringe Einnahmen sind die Ursache der Finanzierungsprobleme der Kommunen.

Wofür geben die Gemeinden ihr Geld aus? ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik Sonstiges 32 Mrd. Euro Zinsen 4 Mrd. Euro 2% 17% 26% Personal 48 Mrd. Euro Investitionen 20 Mrd. Euro 11% 2011: 186 Mrd. Euro 21% 24% Soziale Leistungen 44 Mrd. Euro Laufender Sachaufwand 39 Mrd. Euro Quelle: kommunale Spitzenverbände, Juni 2013

Personalausgaben sind knapp der größte Ausgabeblock. Allerdings haben sie 15 Jahre lang stagniert, sind also inflationsbereinigt und als Anteil an den Gesamtausgaben erheblich gesunken. Seit 1991 ist die Anzahl der Beschäftigten von knapp zwei auf 1,2 Millionen gesunken. Stark und mit großer Dynamik steigen die Sozialausgaben. Sie liegen heute bei 45 Milliarden Euro, 2003 waren es noch 30 Milliarden Euro. Die Investitionsausgaben sind drastisch von 19 Prozent 1995 auf nur noch 12 Prozent reduziert worden.

40 % Anteil der öffentlichen Beschäftigung an der Gesamtbeschäftigung Schweden 35 % Dänemark 30 % 25 % Frankreich Finnland Griechenland 20 % 15 % Großbritannien USA Deutschland Z 10 % 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Quelle: ILO

Absturz der Investitionen Ausgaben der Kommunen für öffentliche Investitionen ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik 33,5 Mrd. 28,8 Mrd. 24,7 Mrd. 21,9 Mrd. 21,4 Mrd. 20,8 Mrd. 20,0 Mrd. 18,6 Mrd. 23,2 Mrd. 22,0 Mrd. 21,5 Mrd. 22,0 Mrd. 21,0 Mrd. 20,4 Mrd. 19,7 Mrd. Prognose 1992 1995 2000 2003 2005 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Quelle: Statistisches Bundesamt, Prognose: Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Juni 2013

Die Finanznot der Städte und Gemeinden ist nur teilweise mit den Folgen der Wirtschaftskrise zu erklären. Ursache ist vielmehr eine strukturelle Unterfinanzierung. Wiederholte Steuersenkungen haben die Kommunen ebenso wie Bund und Länder finanziell ausgeblutet.

-0,6 Einnahmeausfälle für den deutschen Staat Fiskalische Auswirkungen durch Steuerrechtsänderungen seit 1998-4 Mrd. -3,1-30 Mrd. -1,4-24 Mrd. -2,7-31 Mrd. -1,6-2,6-1,6-35 Mrd. Senkung der Einkommenund Unternehmensteuern, -40 Mrd. (letzte Stufe 2005), Rot-Grün -43 Mrd. -2,3-20 Mrd. -3,6-21 Mrd. Rückgang der Steuerausfälle durch Mehrwertsteuererhöhung, Große Koalition -5,7-36 Mrd. Konjunkturpakete, Große Koalition (2009, 2010), "Wachstumsbeschleunigungsgesetz" u.a. (2010, 2011), Schwarz-Gelb -8,1-8,7-7,7-6,6-45 Mrd. Bund Gemeinden Länder -51 Mrd. -53 Mrd. -51 Mrd. 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Quelle: BMF, Berechnungen IMK 2013

Strategisches Defizit Wenn man die Rolle des Staates beschneiden möchte, muss man ihm seine finanziellen Ressourcen entziehen. Politökonomisch lässt sich dies am besten in einem zweistufigen Prozess bewerkstelligen. In einem ersten Schritt werden umfangreiche Steuerentlastungen vorgenommen. Da eine solche Maßnahme höchst populär ist, stellen sich hierfür keine größeren politischen Hindernisse. Bei unveränderten Ausgaben ergibt sich hierdurch eine steigende Neuverschuldung. Wenn man gleichzeitig in der Bevölkerung eine hohe Angst vor der Staatsverschuldung schürt, wird alsbald ein hoher Druck für Ausgabenkürzungen geschaffen. Peter Bofinger, WSI-Mitteilungen 7/2008

Insgesamt fast 40 Prozent ihrer Finanzmittel erhalten Städte und Gemeinden aus Steuereinnahmen. Ebenfalls knapp 40 Prozent sind Zuweisungen von den Ländern bzw. dem Bund. Der größere Teil der Zuweisungen erfolgt nach einem bestimmten Schlüssel und soll die unterschiedliche Steuerkraft der Gemeinden ausgleichen. Der etwas kleinere Teil erfolgt zweckgebunden zur Finanzierung bestimmter Aufgaben. Gebühren, Verkäufe und Sonstiges machen die geringeren Teile der Einnahmen aus.

Entwicklung der Gewerbesteuer in Milliarden Euro Gewerbesteuereinnahmen insgesamt 26,1 24,4 24,6 23,4 22,6 22,4 20,8 21,3 21,2 21,9 19,5 20,1 19,5 17,6 17,6 17,2 17,1 18,4 18,5 19,4 19,4 20,8 17,2 15,6 15,8 15,3 Gewerbesteuer für die Gemeinden 29,1 23,3 34,7 28,3 36,8 37,5 ver.di Bundesvorstand Bereich Wirtschaftspolitik 30,3 31,1 29,6 25,0 32,4 26,9 36,9 30,5 38,9 32,3 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Quelle: Deutscher Städtetag, Gemeindefinanzbericht 2012

Alternativen für Gemeindefinanzen Die Gewerbesteuer muss erhalten und zu einer Gemeindewirtschaftssteuer ausgebaut werden. Alle Betriebe und gut verdienende Selbständige müssen beitragen. Der Anteil des Bundes an den Kosten für Sozialausgaben muss erhöht werden. Die Länder müssen ihre Zuweisungen erhöhen. Nach Auslaufen des Solidarpakts II 2019 soll ein Solidarpakt III für strukturschwache Regionen in Ost- und Westdeutschland geschaffen werden Die Wiedereinführung der Vermögensteuer und höhere Steuern auf große Erbschaften bringen über 25 Mrd. Euro für Länder und Gemeinden

ver.di-konzept Steuergerechtigkeit Aktualisierung 2013/14

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!