Die Situation von Kindern und Jugendlichen bei Partnerschaftsgewalt was erleben sie und was brauchen sie?
Häusliche Gewalt als Kindeswohlgefährdung! Kinder sind von häuslicher Gewalt immer mitbetroffen. Sie sind Zeugen und Opfer der Gewalt. Häusliche Gewalt (auch die beobachtete Gewalttat) ist ein Indikator für eine Kindeswohlgefährdung.
Kinder erleben die Gewalt Strasser 2001 Kavemann 2005 - Sie sehen - Sie hören - Sie spüren - Sie denken
Mitbetroffenheit von Kindern (Heynen 2004/2011; Seith & Böckmann 2006) Zeugung durch eine Vergewaltigung Gewalt während der Schwangerschaft Gewalterfahrungen als Mitgeschlagene Gewalt gegen die Mutter Gewalt durch die Mutter Atmosphäre von Gewalt und Demütigung Vernachlässigung durch elterliche Konfliktlage Trennungs- und Umgangsbelastungen Trennungsmorde
Betroffenheit von Kindern (Schröttle 2004) Über 60 % der betroffenen Frauen leben mit Kindern in einem Haushalt. Auslöser häuslicher Gewalt: Eheschließung: 38 % Schwangerschaft: 10 % Geburt des Kindes: 20%
Beteiligung der Kinder am Gewaltgeschehen (Aussagen gewaltbetroffener Mütter, Schröttle 2004) Mütter gaben an, die Kinder haben die Situation gehört 57 % haben die Situation gesehen 50 % versuchten, mich zu verteidigen oder zu schützen 25 % wurden selber körperlich angegriffen 10 % haben nichts mitbekommen 23 % weiß nicht, ob das Kind etwas mitbekommen hat 11 % sie sind in bis zu 90% der Fälle anwesend oder im Nebenraum
Die Situation von Kindern hilflos und ausgeliefert verantwortlich und schuldig sie haben Angst und Sorge weder Vater noch Mutter stehen zur Verfügung sie müssen schweigen und sind oft isoliert sie zeigen hohe Loyalität sie werden benutzt, um die Mutter/Vater unter Druck zu setzen, als Ersatzpartner, Vermittler sie versuchen die Gewalt zu verhindern
Traumatisierung als Folge Sie erleben existenzielle Bedrohungen die Bewältigungsmechanismen des Kindes ermöglichen keine Lösung der Situation Kinder leiden unter PTSB und langfristigen Folgen bis zu 50 % der Kinder im Alter von 7-12 J. bis zu 90 % der Kinder im Alter von 3-5 J. auch Neugeborene und Säuglinge sind betroffen
Reaktionen und Folgen Verhaltensauffälligkeiten im sozialen, kognitiven und emotionalen Bereich - aggressives Verhalten - Selbst- und Fremdverletzungen - Rückzugsverhalten - starke Anpassung - depressives Verhalten - zurückgehende Aktivitäten und Kommunikation - unausgeschlafen, ungeduldig, unkonzentriert
Belastung für Kinder vergleichbare Belastung: alkoholkranke oder psychisch kranke Elternteile (Kindler 2002) oft Vernachlässigung und Misshandlung der Kinder (Hartwig 2006) es tritt keine Gewöhnung ein, sondern eine Sensitivierung 2-3 -fach höheres Risiko, im Erwachsenenalter auch HG zu erleben
Bewältigungsstrategien intergenerationale Übertragung (Hartwig 2006, Wolfe et. Al. 1995 ) Mädchen: eher zu nach innen gerichtete Strategien erhöhtes Risiko: Opfer von HG zu werden (Identifikation mit Opfer) Jungen: eher nach außen gerichtete Verhaltensweisen erhöhtes Risiko: Täter von HG zu werden (Identifikation mit Täter)
Situation bei Polizeieinsätzen hohe Belastung für Kinder Schuldgefühle, Angst, Entsetzen überfordert mit dem Erfassen und Bewerten der momentanen Situation sowie der weiteren Entwicklung --------- Schnittstelle Jugendamt - Polizei Meldung ans Jugendamt, besser: Hinzuziehen des JA bei Einsätzen und zeitnah pro-aktive Beratung durch BSt/ISt
Was kann Kinder unterstützen? Kinder wahrnehmen, Kontakt herstellen (Namen erfragen, vorstellen) auf Ängste und Bedürfnisse eingehen Erklären, was geschehen wird Kindgerechtes Informationsmaterial Zwangsmaßnahmen im Beisein der Kinder vermeiden nur befragen, wenn es für die Sachverhaltsaufklärung unerlässlich ist
Kinder im Frauenhaus plötzliches Ereignis für Kinder Mutter ist in Krisensituation Anpassung an neue Situation Erleichterung, Ruhe, Schutz versus Stress, Verlassen der gewohnten Umgebung, offene Zukunft, Ambivalenzen weitere krisenhafte Situationen, u.a.: Umgangsregelung, Umschulung, materielle Not, Anonymität
Kinder im Frauenhaus (Frauenhauskoordinierung 2004 und 2011) jedes 3. Kinder ist jünger als 3 Jahre (2004) 55,5 % der Kinder unter 6 Jahre (2011) MA-innen geben an: - mehr als 70 % der Kinder bedürfen besonderer Hilfe - Entwicklungsverzögerungen, gestörtes Selbstbild, Aggressivität, - Schlaf-, Konzentrations- und Schulprobleme - reduzierte körperliche Widerstandskraft, hohe Belastung durch Infekte
Was wird benötigt? Aufnahmegespräche für Kinder ausreichende eigenständige, bedarfs- und altersgerechte Unterstützung qualifizierte, angestellte Fachkräfte mit Zusatzqualifikationen und Zeitressourcen, auch männl. MA Fürsprecher_innen für Kinder, um bei Entscheidungen, sie betreffend, gehört zu werden
Was wird benötigt? Gespräche, Beratung, Erklärungen, Entlastung, Aufarbeitung der Gewalterlebnisse, Gruppenangebote, Therapie Kinderbetreuung (z.b. Entlasten von Mutter und Kind in Krisen und bei Ämtergängen) Aufnahme von älteren Söhnen ermöglichen
Auszug aus dem Frauenhaus oft kommen neue Probleme hinzu Überforderungs- und Krisensituation für Mutter und Kind langfristige, fachliche Begleitung: z.b. SPFH, Gruppenangebote, Therapie, Beratung sensibler Umgang mit Thematik in Kita, Schule, med. Einrichtungen, Justiz, Ämtern Fortbildung und Vernetzung
Was brauchen Kinder? Prävention statt Intervention
Manche Mädchen und Jungen finden es schwierig, mit anderen über Gewalt zwischen den Eltern zu reden. Was glaubst du, wieso? (Seith, 2006; in % der Antworten, N=1.983) BIG Prävention
Wem würden sich Kinder anvertrauen? (Seith, 2006, N= 1400, 9-14 Jahre) Henrike Krüsmann 2014 BIG Prävention
Was hilft? Präventive Angebote Kinder und ihr Umfeld stärken (Kita, Schule; med. Personal, ) Frühzeitige Intervention Beendigung der Gewalt - HG als Belastungsfaktor stärker in Unterstützungsangebote einbeziehen (z.b. Frühe Hilfen; Hilfen zur Erziehung, med. Bereich) Breite Öffentlichkeitsarbeit (Nachbarschaft, Vereine, Institutionen )
Kinder brauchen Wissen über sowie leicht zugängliche Unterstützungsangebote zugewandte Erwachsene, die ihnen glauben Wiederherstellung von Sicherheit für sie selbst und für die Mutter Entlastung von Schuldgefühlen Klare Positionierung gegen Gewalt
Kinder brauchen persönliche und direkte Ansprache Möglichkeit, eigene Gefühle und Bedürfnisse äußern zu können Informationen über ihre Situation Ehrlichkeit, Zeit sensible, fortgebildete, handlungssichere Erwachsene Präventionsangebote
PiKiTa Projekt zur Prävention von häuslicher Gewalt in KinderTagesstätten Zielgruppen: - Erzieher/innen - Kinder in der Vorschulphase - Eltern der teilnehmenden Kinder BORA e.v. Präventionsprojekt
Fortbildungen für ErzieherInnen Modul 1: Was ist Häusliche Gewalt? Modul 2: Kinder als Zeugen und Opfer Modul 3: Projektarbeit mit Kindern und Elternarbeit BORA e.v. Präventionsprojekt
Fortbildungen für ErzieherInnen Modul 4: Rechtliche Grundlagen: Kinderschutz, Datenschutz, Gewaltschutzgesetz Modul 5: Handlungs- und Hilfemöglichkeiten, Kooperation, Vermittlung Modul 6: Selbstreflexion
Sechs Workshops für Kinder a 1 h 1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede BORA e.v. Präventionsprojekt
2. Gefühle erkennen Umgang mit Gefühlen BORA e.v. Präventionsprojekt
3. Dürfen Kinder Nein-Sagen? Gute und schlechte Geheimnisse BORA e.v. Präventionsprojekt
4. Helfen und Helfen lassen Wer kann helfen? BORA e.v. Präventionsprojekt
5. Keine Gewalt BORA e.v. Präventionsprojekt
Elternarbeit In Abstimmung mit der Kita: Elternbrief oder Aushang oder Elterninformationsveranstaltung Information der Eltern über die Kinder- Workshops Informationen zu häuslicher Gewalt BORA e.v. Präventionsprojekt