Wiederholungsfall: Strafbarkeit der F gem. 212 StGB?

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Wiederholungsfall: F erwacht in einem dunklen, unverschlossenen Raum. Auf ihrem Kopf lastet eine Vorrichtung, die mit zwei Enden in ihrem Mund verankert und mit einem Schloss befestigt ist. Auf einer Videowand erscheint das Bild eines vermummten Mannes J, der leise zu ihr spricht: Ich möchte ein Spiel spielen. Die Vorrichtung auf Ihrem Kopf ist mit Ihrem Ober- und Unterkiefer fest verbunden und an eine Zeitschaltuhr gekoppelt. Wenn die Zeit abgelaufen ist, werden Ihre Kiefer auseinander gerissen. Sie müssen es sich wie eine umgekehrte Bärenfalle vorstellen. Den Schlüssel zum Schloss der Vorrichtung finden Sie im Magen Ihres Zellgenossen M. Wenn Sie das Schloss öffnen, bevor die Uhr abgelaufen ist, sind Sie frei. Sie haben drei Minuten Zeit. Leben oder sterben? Sie haben die Wahl! F entdeckt M auf dem Boden liegend. M ist durch Rauschgift und Medikamente, die ihm J zugeführt hat, regungslos und schmerzunempfindlich, aber bei vollem Bewusstsein. Neben M liegt ein Küchenmesser. F tötet M mit dem Messer, besorgt sich den Schlüssel und kann auf diese Weise die umgekehrte Bärenfalle ablegen, bevor sie ausgelöst wird. Sie entkommt lebend aus dem Raum. Strafbarkeit der F gem. 212 StGB? 1

I. Strafbarkeit der F gem. 212 I StGB F könnte sich durch die Messerattacke auf M wegen Totschlags gem. 212 I StGB strafbar gemacht haben. 1. Tatbestand a) Objektiver Tatbestand aa) Taterfolg Der Tod eines anderen Menschen, hier M, ist eingetreten. bb) Kausalität Der Angriff mit dem Messer müsste auch kausal für den Erfolgseintritt sein. Kausal im Sinne der conditio sine qua non-formel ist jede Bedingung die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Die Messerattacke der F ist nicht hinwegzudenken ohne dass der Tod des M entfiele. Daher ist die Handlung der F kausal für den Tod des M. cc) Objektive Zurechnung Der Erfolgseintritt müsste dem K auch objektiv zuzurechnen sein. Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im konkreten Erfolg realisiert. F hat durch die Messerattacke auf M eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen, die sich im Tod des M realisiert hat. Demnach kann der Tod des M der F objektiv zugerechnet werden. b) Subjektiver Tatbestand F müsste mit Vorsatz gehandelt haben. Vorsatz ist der Wille zur Tatbestandsverwirklichung in Kenntnis aller Tatumstände. F wusste, dass M sterben würde, auch wenn ihr unter Umständen der Tod des M unerwünscht war. Somit handelte sie zumindest mit dolus directus 2. Grades und damit vorsätzlich. 2. Rechtswidrigkeit F müsste auch rechtwidrig gehandelt haben. 2

a) Notwehr gem. 32 StGB Möglicherweise ist F durch Notwehr gem. 32 StGB gerechtfertigt. aa) Notwehrlage Die Notwehrlage setzt einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff voraus. (1) Angriff Es könnte ein Angriff vorgelegen haben. Unter einem Angriff versteht man die durch menschliches Verhalten drohende Verletzung rechtlich geschützter Interessen. Durch die umgekehrte Bärenfalle war das Leben der F bedroht. Demnach lag ein Angriff vor. (2) Gegenwärtigkeit des Angriffs Der Angriff müsste auch gegenwärtig gewesen sein. Gegenwärtig ist ein Angriff, der unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet, oder noch andauert. Ein Angriff steht dann unmittelbar bevor, wenn das Verhalten des Angreifers unmittelbar in einen Schaden umzuschlagen droht. Es war vorhersehbar, dass binnen 3 Minuten die Falle auseinanderspringen und damit die F töten würde. Demnach stand der Angriff unmittelbar bevor und war gegenwärtig. (3) Rechtswidrigkeit des Angriffs Der Angriff des J war auch rechtwidrig. bb) Notwehrhandlung Die Notwehrhandlung müsste gegen den Angreifer gerichtet, geeignet und erforderlich gewesen sein. (1) Gegen den Angreifer gerichtet Die Notwehrhandlung müsste gegen den Angreifer gerichtet sein. Hier war es J, welcher die Bärenfalle am Kopf der F befestigt hatte, der Angriff auf das Leben der F ging daher von J aus. M hingegen ist nicht für den Angriff verantwortlich. Daher darf sich die Notwehrhandlung nur gegen J, nicht aber gegen M richten. Somit scheidet eine Rechtfertigung wegen Notwehr aus. 3

b) Rechtfertigender Notstand gem. 34 StGB F könnte jedoch durch einen rechtfertigenden Notstand gem. 34 gerechtfertigt sein. aa) Notstandslage Es müsste eine Notstandslage vorgelegen haben. (1) Notstandsfähiges Rechtsgut Es müsste ein notstandsfähiges Rechtsgut betroffen sein. Darunter fallen Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit, soweit sie in der konkreten Situation schutzbedürftig und schutzwürdig sind. Das Leben der F ist sowohl schutzbedürftig, als auch schutzwürdig, also notstandsfähig i.s.d. 34 StGB. (2) Gefahr Zudem müsste eine Gefahr bestanden haben. Hierunter versteht man die auf festgestellten, tatsächlichen Umstände gegründete, über die allgemeinen Lebensrisiken hinausgehende Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses. Es war zu erwarten, dass F bei ungehindertem Fortgang des Geschehens durch die umgekehrte Bärenfalle getötet werden würde. Daher bestand eine weit über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehende Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses. Es bestand demnach eine Gefahr. (3) Gegenwärtigkeit der Gefahr Die Gefahr müsste auch gegenwärtig gewesen sein. Gegenwärtig ist eine Gefahr, wenn sie ohne weiteres Zuwarten alsbald in einen Schaden umzuschlagen droht. Binnen kürzester Zeit wäre die Falle aktiviert und F getötet worden, so dass der Schaden alsbald eingetreten wäre. Demnach ist die Gefahr auch gegenwärtig. Eine Notstandslage liegt demnach vor. bb) Notstandshandlung F müsste durch das Erstechen des M eine Notstandshandlung vollzogen haben. Diese müsste geeignet, erforderlich und verhältnismäßig gewesen sein. (1) Geeignetheit 4

Die Handlung müsste dazu geeignet gewesen sein, den drohenden Schaden abzuwenden. Geeignet ist jede Maßnahme, die eine Rettungschance für das bedrohte Rechtsgut bietet. Indem F den M getötet und den Schlüssel aus dem Magen des M herausgeschnitten hat, konnte sie die umgekehrte Bärenfalle ablegen und dem Tod entgehen. Damit war ihr Verhalten dazu geeignet den drohenden Schaden abzuwenden. (2) Erforderlichkeit Das Erstechen des M müsste auch erforderlich gewesen sein. Dafür müsste die Maßnahme unter mehreren gleich wirksamen Mitteln das mildeste darstellen. Hier gelangte F durch die Tötung des M an den Schlüssel. Dies war die einzige Möglichkeit dem Tod zu entgehen. Damit war die Handlung auch erforderlich. (3) Verhältnismäßigkeit Darüber hinaus müsste eine umfassende Interessenabwägung ergeben, dass das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dabei ist gem. 34 StGB insbesondere auf die Wertigkeit der betroffenen Rechtsgüter und auf den Grad der ihnen drohenden Gefahren abzustellen. Hier ist das geschützte Rechtsgut das Leben der F und das beeinträchtigte Rechtsgut das Leben des M. Im Rahmen des 34 StGB gilt der Grundsatz der Unabwägbarkeit von Leben gegen Leben. Das Leben ist der Pflicht zur solidarischen Aufopferung für andere grundsätzlich entzogen und kann daher als Eingriffsgut von keinem anderen Interesse überwogen werden. Mangels wesentlichen Überwiegens des Interesses der F gegenüber dem des M ist die Maßnahme somit unverhältnismäßig. Mangels Notstandhandlung scheidet ein rechtfertigender Notstand gem. 34 StGB aus. Da keine weiteren Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind, ist die Tat rechtswidrig. 3. Schuld F müsste auch schuldhaft gehandelt haben. a) Notwehrexzess gem. 33 StGB F könnte durch einen Notwehrexzess gem. 33 StGB entschuldigt sein. 5

(1) Notwehrlage Es müsste eine Notwehrlage bestanden haben. Eine Notwehrlage lag wie bereits geprüft vor. (2) Überschreitung des Notwehrrechts F müsste mit ihrem Verhalten die Grenzen des Notwehrrechts überschritten haben. Darunter fällt unstrittig die Konstellation, dass der Täter mehr unternimmt, als eigentlich erforderlich wäre (sog. intensiver Notwehrexzess). Die Besonderheit in diesem Fall besteht aber nun darin, dass sich F zwar in einer Notwehrlage befindet, sich aber ihre Verteidigungshandlung nicht gegen den Angreifer richtet. Sinn und Zweck des 33 StGB ist es, unter bestimmten Umständen überzogene Abwehrhandlungen gegen den Angreifer zu entschuldigen. Nicht bezweckt ist hingegen überzogene Abwehrhandlungen gegen Dritte zu entschuldigen, da diese nie nach 32 gerechtfertigt wären. Somit scheidet eine Entschuldigung gem. 33 StGB aus. b) Entschuldigender Notstand, 35 StGB F könnte jedoch durch einen entschuldigenden Notstand gem. 35 StGB entschuldigt sein. aa) Notstandslage Die Notstandslage setzt eine gegenwärtige Gefahr für eines in 35 StGB genanntes Rechtsgut voraus. (1) Notstandsfähiges Rechtsgut Es müsste ein notstandsfähiges Rechtsgut betroffen sein. Dabei werden im Rahmen des 35 Leib, Leben oder Freiheit des Täters selbst, Angehöriger oder anderer nahestehender Personen geschützt. Hier war das Leben der F betroffen, so dass ein notstandsfähiges Rechtsgut vorliegt. (2) Gegenwärtige Gefahr Wie bereits dargelegt bestand eine gegenwärtige Gefahr. Eine Notstandslage lag demnach vor. 6

bb) Notstandshandlung F müsste darüber hinaus eine Notstandshandlung vollzogen haben. Wie bereits geprüft war die Maßnahme sowohl geeignet, als auch erforderlich. Demnach liegt eine Notstandshandlung vor. cc) Kein Ausschluss wegen Zumutbarkeit Möglicherweise wäre gem. 35 I 2 StGB der F zuzumuten, die Gefahr hinzunehmen. Allerdings stand F zu M weder in einer besonderen rechtlichen Beziehung, noch hatte sie die Gefahr zu verantworten. Demnach liegt kein Ausschluss wegen Zumutbarkeit vor. dd) Rettungswille F hatte Kenntnis von der Notstandslage und handelte mit Rettungswillen. F ist somit wegen eines entschuldigenden Notstandes gem. 35 StGB entschuldigt. II. Endergebnis F hat sich nicht wegen Totschlags gem. 212 I StGB strafbar gemacht. 7