Broadwell (1997): Binding Theory and Switch-Reference

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Transkript:

Lokale Modellierung nicht-lokaler Abhängigkeiten Universität Leipzig Prof. Dr. Gereon Müller & Dr. Fabian Heck Institut für Linguistik Referent: Jakob Hamann 8. November 2011 1. Überblick Broadwell (1997): Binding Theory and Switch-Reference Ziele: Es soll für drei universelle Eigenschaften von Switch-Reference (SR-)Systemen argumentiert werden. 1. SR ist konfigurational (unabhängig von semantischen Konzepten wie Agentivität oder Argumentstatus). 2. SR kommt (aufgrund von Eigenschaft 1) nur in subordinierten Sätzen vor. 3. SR ist stets lokal. Die empirischen Argumente basieren hauptsächlich auf Daten aus den beiden Muskogee- Sprachen Choctaw und Chickasaw, sollen aber für SR-Systeme im Allgemeinen sprechen. Die identifizierten Eigenschaften von SR-Systemen haben einige Implikationen für die Bindungstheorie im Allgemeinen. 2. Daten und Annahmen (1) SR in Choctaw a. -at abiika-haatokoo-sh -nom sick-because-ss Because i was sick, he i didn t go. b. -at abiika-haatokoo-n -nom sick-because-ds Because i was sick, he j didn t go. ik-iiy-o-tok. iii-go-neg-pst ik-iiy-o-tok. iii-go-neg-pst Ausgangspunkt: Finer (1985): SR ist eine Instanz von A-Bindung. SR-Marker sind A-Anaphern, die sich im eingebetteten COMP-Kopf befinden. SS-Marker = Anapher, die vom Matrix-/COMP gebunden werden muss DS-Marker = Pronomen, das vom Matrix-/COMP frei (ungebunden) sein muss Matrix-/COMP trägt Index des Matrix-Subjekts Annahmen zu Bindung: 1. Matrix- muss COMP des eingebetteten Satzes m-kommandieren. 2. SR-Marker im eingebetteten COMP muss Index des Subjekts tragen (via Spec-Head agreement zwischen NP und, und Inkorporation von nach COMP). 3. SR-Marker dürfen in unregierten Positionen stehen. 3. Universelle Eigenschaften von SR 3.1. Konfigurationalität 1

(2) Possessor-Anhebung im Chickasaw a. im-ofi -at iii-dog-nom s dog died. b. -at ofi (-at) -nom dog(-nom) s dog died. illi-h. die-tns im-illi-h. iii-die-tns Analyse: Possessor-Anhebung (PA) extrahiert Possessor des einzigen Arguments eines intransitiven Satzes und adjungiert es an den Satz; der angehobene Possessor erhält Nominativ. Possessor und Possessum bilden keine Konstituente mehr. In PA-Strukturen kann sowohl der angehobene Possessor als auch das Possessum Nominativ tragen. (3) PA-Struktur von (2-b): NP 1 NP 2 t NP1 N im-ofi illi -h Vorhersage: Da SR-Marker A-Anaphern sind, müssen sie auch von Elementen in A-Positionen wie Adjunkten gebunden werden können, wenn M-Kommando erfüllt ist. (4) a. -at ofi -at im-ambiika-tok -nom dog-nom iii-sick-pst i s dog j was sick when he i /it j bit me. b. im-ofi -at abiika-tok iii-dog-nom sick-pst i s dog was sick when it j /*he i bit me. (5) Struktur von (4-a): [sa-kisili-tokat] 1sg.ii-bite-when:ss [sa-kisili-tokat] 1sg.ii-bite-when:ss PA kein PA CP NP i t NPi NP j N ofi im-ambiika tok j NP pro sa-kopoli tok COMP -at (SS) 2

3.2. M-Kommando (6) Clause-Chaining im Choctaw a. -at hiilha-chah taloowa-tok. -nom dance:l-ss sing-pst danced and sang. b. -at hiilha-nah taloowa-tok. -nom dance:l-ds sing-pst danced and (someone else) sang. Argumente gegen eine Koordinations-Analyse: SR-markierte Sätze können kein eigenes Tempus tragen, koordinierte Sätze schon. Es gibt keinen Coordinate Structure Constraint (CSC)-Effekt für SR-Sätze, aber für Koordinationsstrukturen. (7) Kein CSC-Effekt in SR-Kontexten: Katah-oosh i -at taloowa-nah who-foc:nm -nom sing:l-ds Who i did j sing and t i dance? (8) CSC-Effekt in Koordinations-Strukturen: t i hilhah? dance *Katah-oosh i -at taloowa-tok anoti who-foc:nm -nom sing-pst and ( Who i did j sing and t i dance? ) Beobachtungen: t i hilha-tok? dance-pst Im Amele können echte subordinierte Sätze häufig verschiedene Positionen besetzen (Positionierung vor oder nach dem Matrixsatz sowie Zentraleinbettung sind möglich). Clause- Chains müssen ihrem Matrixsatz immer vorangehen. Clause-Chaining im Choctaw zeigt ähnliche Restriktionen ((9)). (9) a. -at hiilha-nah Bill-at -nom dance:l-ds Bill-nom b. *Bill-at [-at hiilha-nah] Bill-nom -nom dance:l-ds c. *Bill-at taloowa-tok [-at Bill-nom sing-pst -nom taloowa-tok. sing-pst taloowa-tok. sing-pst hiilha-nah] dance:l-ds 3

(10) Analyse von Clause-Chaining: TnsP CP Tns AgrP COMP j -nah AgrP Tense (Agr)-tok NP j Agr Agr j NP i Bill Agr t Agri t NPj hiilha t NPi taloowa Vorhersagen: Erster Satz besetzt SpecT und kann deswegen nicht rechts vom zweiten Satz erscheinen (Spezifikatoren in der Sprache sind links). Zentraleinbettung auch nicht möglich, weil es für das Subjekt des zweiten Satzes keine Position am linken Rand gibt. Beide Sätze werden temporal gleich interpretiert, weil keiner der beiden Teilsätze eine eigene Tns-Projektion hat. 4. Variation 1. DS-Marker als Pronomen vs. disjunkte Anapher 2. Bindung auf S-Struktur vs. Bindung auf D-Struktur oder LF 4.1. DS als Pronomen vs. disjunkte Anapher (11) Disjunkte Anapher im Dogrib: a. ye-hk e ha. 3dis-shoot fut i is going to shoot him j,*i. b.*?ekaani ye-enda. thus 3dis-live He lives this way. Generalisierung: Eine disjunkte Anapher mit Index i muss von einer NP mit Index j c-kommandiert werden, wobei i j. Chickasaw und Choctaw: DS-Marker im Chickasaw und Choctaw sind keine Pronomen, sondern disjunkte Anaphern. (12) -at ofi -at im-ambiika-tok [sa-kisili-toka] -nom dog-nom iii-sick-pst 1sg-bite-when:ds i s dog j was sick when he i /it j bit me. 4

Amele: DS-Marker können pronominal sein. Das erklärt unerwartete DS-Markierung wie in (13). (13) Age ceta gul-do-co-bil l-i bahim na tac-ein. 3pl yam carry-3sg.obj-ds-3pl.subj go-ss floor on fill-3pl.subj:pst They carried the yams on their shoulder and went and filled up the yam store. Lösung: Matrix- kann eingebettetes COMP nicht mehr m-kommandieren, wenn der Adverbialsatz nicht an, sondern (z.b.) an CP adjungiert. Damit ist der pronominale DS-Marker frei (ungebunden). 4.2. D-Struktur- und LF-Bindung Beobachtung: Für manche Sprecher des Choctaw können unakkusative Verben DS-Markierung in subordinierten Sätzen mit koreferentiellen Subjekten lizensieren, wie in (14). (14) [-at takkon aapa-nah] abiika-tok. -nom apple eat-ds sick-pst ate the apple and got sick. Analyse: Das leere pro im Matrixsatz kann den DS-Marker im eingebetteten Satz auf der D-Struktur binden. Beobachtung: Im Amele gibt es unpersönliche Sätze, in denen es kein overtes Verb gibt. Es erscheint nur ein Tempusmarker, an dem Objektkongruenz mit dem Experiencer und Default-Kongruenz (3. Person Singular) indiziert wird. (15) Ija wen te-ø-na. I hunger 1sg-3sg-prs I am hungry. SR behandelt behandelt den Experiencer trotz overter Objektkongruenz als Subjekt: (16) Ija b-i-m-ig wen te-i-a. I come-up-1sg.subj-ss hunger 1sg.obj-3sg-pst I came up and became hungry. Mögliche Analyse: Wenn hunger tatsächlich Oberflächensubjekt ist, dann ist SS-Markierung auf der S-Struktur unerwartet. Die Experiencer-NP müsste sich in auf LF in die Subjektposition bewegen. Literatur Broadwell, George Aaron (1997): Binding Theory and Switch-Reference. In: Hans Bennis, Pierre Pica & Johan Rooryck, eds., Atomism and Binding, Foris, Dordrecht, pp. 31 49. Finer, Daniel (1985): The Syntax of Switch Reference. Linguistic Inquiry 16, 35 55. 5