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Transkript:

Gesetzliche Schuldverhältnisse Vorlesung am 17.07.2012 Konkurrenzprobleme Prof. Dr. Thomas Rüfner Materialien im Internet: http://ius-romanum.uni-trier.de/index.php?id=44152

Konkurrenzen Bereicherungs- und Deliktsansprüche Bereicherung und GoA Delikt und GoA EBV und GoA EBV und Bereicherung EBV und Delikt Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 2

Bereicherungs- und Deliktsansprüche Grundsatz: Freie Anspruchskonkurrenz. Unterschiedliche Anspruchsziele: Bereicherungsausgleich als Umkehrung der Schadensersatzidee (Fritz Schulz). Überschneidungen bei Schadensberechnung nach dem Verletzergewinn im Bereich des Immaterialgüterrechts, vgl. aber BGH, GRUR 1982, 301. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 3

Bereicherung und GoA Vorrang der Geschäftsführung ohne Auftrag: Bei berechtigter GoA: Leistungen des Geschäftsführers sind mit Rechtsgrund erbracht keine Rückforderung aus 812 BGB. Bei unberechtigter GoA: Anwendung des Bereicherungsrechts (nur) über 684 BGB. Problem: Fremdgeschäftsführungswille bei unwirksamer vertraglicher Verpflichtung Bsp.: Die Verwaltungsgesellschaft V verwaltet Wohnung des E, obgleich sie dazu nicht wirksam beauftragt ist, BGH NJW-RR 1989, 970. Literatur: Kein Fremdgeschäftsführungswille; Führung eines eigenen Geschäfts oder: GoA wegen Vorrangs der Abwicklung nach Bereicherungsrecht ausgeschlossen. Rechtsprechung: GoA möglich. Nach der Rechtsprechung ist GoA-Anspruch sogar gegen einen unwirksam Vertretenen (neben 179 BGB gegen den Vertreter) möglich (BGH, NJW- RR 2004, 81). Aber: nach verbreiteter Ansicht muss die Geschäftsführung über ein bloßes Geben hinausgehen bei bloßer irrtümlicher Geldzahlung keine GoA (str.). Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 4

Delikt und GoA Grundsatz: Freie Anspruchskonkurrenz Soweit ein Schuldverhältnis aus GoA besteht, kommen neben 823 BGB Ansprüche aus 280 BGB in Betracht. Problem: Selbstaufopferung im Straßenverkehr. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 5

Fall (nach BGH, NJW 1957, 869) Autofahrer O sieht im letzten Moment, dass der fünfjährige J hinter einem Auto hervorspringt und auf die Fahrbahn läuft. O reißt das Steuer herum. Infolge der plötzlichen Linkswendung und des gleichzeitigen scharfen Bremsens überschlägt sich das Auto und bleibt auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig liegen. Das Auto ist zerstört und O schwer verletzt. J erleidet außer einer Gehirnerschütterung nur geringfügige Verletzungen. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 6

Lösung (1) Anspruch aus GoA ( 683, 670 BGB). Ausweichmanöver ist Geschäftsführung. Die Rettung des J ist Geschäft des J. Aber: Soweit O zur Abwendung seiner eigenen Haftung aus 7 Abs. 1 StVG handelt, ist kein fremdes Geschäft anzunehmen. Die Haftung nach 7 Abs. 1 StVG ist nur bei höherer Gewalt oder überwiegendem Mitverschulden des J ausgeschlossen. Beides ist nicht anzunehmen. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 7

Lösung (2) Anspruch aus 823 Abs. 1 BGB Rechtsgutverletzung bei O? + Handlung des J? + Kausalität? + Zurechnungszusammenhang ist auch nicht durch die freie Entscheidung des O unterbrochen, weil er sich zu seinem Handeln herausgefordert fühlen durfte. Rechtswidrigkeit ist indiziert. Verschulden entfällt nach 828 Abs. 1 BGB. Bei einem Volljährigen wäre 823 Abs. 1 BGB zu bejahen, jedoch wäre der Anspruch analog 254 BGB wegen der Betriebsgefahr des PKW des O zu kürzen. Bei Minderjährigen kommt nur Haftung nach 829 BGB oder Haftung der Eltern nach 832 BGB in Betracht. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 8

EBV und Ansprüche aus GoA Berechtigte GoA gibt dem Geschäftsführer ein Recht zum Besitz, so dass Ansprüche aus GoA ausscheiden. Bsp.: X nimmt das von Bomben getroffene Grundstück seines Nachbarn N in Besitz, um es zu enttrümmern (BGHZ 39, 188: Der BGH verneint den Geschäftsführungswillen und lässt die Frage deshalb offen). Ansprüche aus 687 Abs. 2 BGB sind neben EBV möglich. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 9

EBV und Bereicherung Grundsatz: 993 BGB schließt Bereicherungsansprüche gegen einen redlichen Besitzer aus. EBV ist also vorrangig und abschließend. Ausnahme: 988 BGB; wird von der Rechtsprechung auf den rechtsgrundlosen Besitzer entsprechend angewendet. Zweck: Pflicht zur Herausgabe der Früchte nach 818 BGB, keine Unterschiedlichkeit der Rechtsfolgen von 985 BGB und 812 BGB. Ansprüche auf Wertersatz für die Sache selbst, die vormals Gegenstand eines EBV war, werden durch 993 BGB nicht ausgeschlossen. Bsp.: V kauft von Dieb D ein Autoradio des E und verkauft es an X weiter. E genehmigt die Veräußerung an X. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 10

EBV und Deliktsrecht Grundsatz: Schadensersatzansprüche sind gemäß 993 BGB ausgeschlossen. Aber: Haftung des deliktischen Besitzers nach 992 BGB. Außerdem anerkannt: Haftung nach 826 BGB wird nicht ausgeschlossen! Ansonsten: Bei Bösgläubigkeit Haftung nach 990, 989 BGB, aber nicht nach 823 ff. BGB. Problem: Fremdbesitzerexzess. M wohnt aufgrund eines Mietvertrages mit V in seiner Wohnung. M beschädigt mutwillig das Parkett durch Einschlagen von Nägeln. Dann stellt sich heraus, dass der Mietvertrag unwirksam war. Haftung aus 991 Abs. 2, 989 BGB oder 823 Abs. 1 BGB. Prof. Dr. Th. Rüfner Sommer 2012 11

Gesetzliche Schuldverhältnisse Ende der Vorlesung Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Thomas Rüfner Materialien im Internet: http://ius-romanum.uni-trier.de/index.php?id=44152