Was ist Entscheidungstheorie?



Ähnliche Dokumente
Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Herzlich Willkommen beim Webinar: Was verkaufen wir eigentlich?

Womit beschäftigt sich Soziologie? (1) Verschiedene Antworten:

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Alle gehören dazu. Vorwort

10. Vorlesung Spieltheorie in der Nachrichtentechnik

changenow THE PLAN Die 7 Brillen der Vergangenheit

Pflegefall wer bezahlt, wenn es ernst wird?

Condorcet-Paradox (der sozialen Entscheidung mit einfacher Mehrheit)

Vorgestellt von Hans-Dieter Stubben

das usa team Ziegenberger Weg Ober-Mörlen Tel Fax: mail: lohoff@dasusateam.de web:

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Elternzeit Was ist das?

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

Meet the Germans. Lerntipp zur Schulung der Fertigkeit des Sprechens. Lerntipp und Redemittel zur Präsentation oder einen Vortrag halten

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

TRAUMAUSTATTUNG FÜR ZUHAUSE

Weltenbummler oder Couch-Potato? Lektion 10 in Themen neu 3, nach Übung 5

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus:

Kugel-Fächer-Modell. 1fach. 3fach. Für die Einzelkugel gibt es 3 Möglichkeiten. 6fach. 3! Möglichkeiten

Erklärung zu den Internet-Seiten von

SCHRITT 1: Öffnen des Bildes und Auswahl der Option»Drucken«im Menü»Datei«...2. SCHRITT 2: Angeben des Papierformat im Dialog»Drucklayout«...

7 Rechnen mit Polynomen

Die Industrie- und Handelskammer arbeitet dafür, dass Menschen überall mit machen können

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Schritte 4. Lesetexte 13. Kosten für ein Girokonto vergleichen. 1. Was passt? Ordnen Sie zu.

Motivation. Formale Grundlagen der Informatik 1 Kapitel 5 Kontextfreie Sprachen. Informales Beispiel. Informales Beispiel.

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

15.3 Bedingte Wahrscheinlichkeit und Unabhängigkeit

Studienplatzbeschaffung

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Welchen Weg nimmt Ihr Vermögen. Unsere Leistung zu Ihrer Privaten Vermögensplanung. Wir machen aus Zahlen Werte

Kreativ visualisieren

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Die Theorie der Praxis. Die Welt ist so komplex, dass man sie mittels bloßer Wahrnehmung nicht erfassen kann.

IBIS Professional. z Dokumentation zur Dublettenprüfung

Versetzungsgefahr als ultimative Chance. ein vortrag für versetzungsgefährdete

Thema: Winkel in der Geometrie:

Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung Was ändert sich? Was bleibt?

Lösungshinweise zur Einsendearbeit 2 SS 2011

Gibt es einen Geschmacksunterschied zwischen Coca Cola und Cola Zero?

Wie oft soll ich essen?

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Agile Enterprise Development. Sind Sie bereit für den nächsten Schritt?

Evangelisieren warum eigentlich?

Scheper Ziekenhuis Emmen. Tel.: + 31 (0) Fax: + 31 (0) Web:

Gründe für fehlende Vorsorgemaßnahmen gegen Krankheit

Multicheck Schülerumfrage 2013

Ergebnispräsentation zur Datenerhebung (Rohergebnis) der Elternbefragung zum verkürzten Zweig an der Friedensschule Münster

Ich kann auf mein Einkommen nicht verzichten. Die BU PROTECT Berufsunfähigkeitsversicherung.

Statuten in leichter Sprache

Das Leitbild vom Verein WIR

Honorarberatung gefährdet ausreichende. Risiko- und Altersvorsorge in Deutschland. Politiker und Verbraucherschützer machen sich für eine

Sparen in Deutschland - mit Blick über die Ländergrenzen

D.E.O. Die Erwachsene Organisation. Lösungen für eine synergetische Arbeitswelt

1 Mathematische Grundlagen

Der Kunde zahlt die Gehälter.

Also kann nur A ist roter Südler und B ist grüner Nordler gelten.

Video-Thema Manuskript & Glossar

Werte und Grundsätze des Berufskodexes für interkulturell Dolmetschende. Ethische Überlegungen: Was ist richtig? Wie soll ich mich verhalten?

Papa - was ist American Dream?

VibonoCoaching Brief -No. 18

Welche Staatsangehörigkeit(en) haben Sie?... Mutter geboren?...

Vertrauen in Medien und politische Kommunikation die Meinung der Bürger

Studieren- Erklärungen und Tipps

FIS: Projektdaten auf den Internetseiten ausgeben

Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung: EFRE im Bundes-Land Brandenburg vom Jahr 2014 bis für das Jahr 2020 in Leichter Sprache

Und im Bereich Lernschwächen kommen sie, wenn sie merken, das Kind hat Probleme beim Rechnen oder Lesen und Schreiben.

PHPNuke Quick & Dirty

Der Zwei-Quadrate-Satz von Fermat

erster Hauptsatz der Thermodynamik,

2. Gesundheitsfinanzierung

Kinderarmut. 1. Kapitel: Kinderarmut in der Welt

Monatstreff für Menschen ab 50 Temporäre Dateien / Browserverlauf löschen / Cookies

Nr. 12-1/Dezember 2005-Januar A 12041

Relative Ideen-Stärke

Der wachsende Berufsunfähigkeitsschutz SV Start-Easy-BU.

GEHEN SIE ZUR NÄCHSTEN SEITE.

Anwendungsbeispiele Buchhaltung

Überblick: Entscheidungstheoretische Konzepte Seminar Online-Optimierung Diana Balbus

y P (Y = y) 1/6 1/6 1/6 1/6 1/6 1/6

Motivationale Aspekte des gemeinsamen Lernens aus Sicht der Medizin- und Pflegestudierenden

Abitur 2007 Mathematik GK Stochastik Aufgabe C1

in diesem Fragebogen finden Sie eine Reihe von allgemeinen Aussagen. Ein Beispiel: Gutmütige Menschen lassen sich leicht schikanieren.

Preisvergleich ProfitBricks - Amazon Web Services M3 Instanz

Die Online-Meetings bei den Anonymen Alkoholikern. zum Thema. Online - Meetings. Eine neue Form der Selbsthilfe?

1!

Workshop: Wie ich mein Handikap verbessere erfolgreich Leben mit Multiple Sklerose!

Die Bundes-Zentrale für politische Bildung stellt sich vor

Indirekte Steuerung und interessierte Selbstgefährdung

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Welchen Nutzen haben Risikoanalysen für Privatanleger?

Transkript:

Was ist Entscheidungstheorie? Verschiedene Typen der Entscheidungstheorie Individualentscheidungen Normative Klassische Ökonomie Theorien Statistische Entsch.-th. Moralphilosophie Deskriptive Lerntheorie Theorien Untersuchung von Wählerverhalten Gruppenentscheidungen Spieltheorie Wohlfahrtsökonomie Politische Theorie Sozialpsychologie Politische Wissenschaft Drei Typen von Entscheidungssituationen Entscheiden unter Sicherheit: ideales Informationsniveau = sicheres Wissen über die Zukunft Entscheiden unter Risiko: nur probabilistisches Wissen über die Zukunft Entscheiden unter Ungewißheit: nicht einmal probabilistisches Wissen über die Zukunft; z.b. weil sie vom freien Handeln anderer abhängen strategische Entscheidungen Spieltheorie K. Wöhler, Art. Entscheidungstheorie, in: HWP 2 (1972) 544-547. H. R. Ganslandt, Art. Entscheidungstheorie, in: EPWt 1 (1984) 554-556.

Was ist eine Entscheidung? Was ist eine Entscheidung? Auswahl einer (Handlungs-)Option aus mehreren zur Verfügung stehenden Alternativen Überlegung Entscheidung Handeln Endpunkt der Überlegung = Beginn des Handelns? Unterscheide: existentielle Entscheidung Ein Grundmodell: Der praktische Syllogismus Propositio maior: Zuckriges zu essen ist (un)gesund Propositio minor: Dies hier ist zuckrig; ich will gesund bleiben. Conclusio: Ich esse dies (nicht). Warum sind Entscheidungen so schwierig? Unsicherheit der Zukunft Mehrzahl von Zielen zu wenig oder zu viele Alternativen bekannt Komplexität von Entscheidungssituationen Aristoteles, Über die Seele, Buch III Kap. 9-11. Eisenführ/Weber, Rationales Entscheiden, 2 1994, 1-50.

Was tun? Entscheidungstheorie als Entscheidungshilfe Normative Vorgaben für rationale Entscheidungen (Vgl. Grammatik/Sprechen) Mathematisierung der Entscheidungsmodelle Quantifizierung der Einflußgrößen Strukturelemente eines Entscheidungsproblems Alternativen (Alternativenmenge) Umwelt (Unsicherheit Wahrscheinlichkeitstheorie) Präferenzen (Zielgrößen, Risiko- und Zeitpräferenzen) Grundfrage der normativen Entscheidungstheorie: Bei welcher Handlungsalternative kann der Handelnde angesichts seines Wissens über die Umwelt ein Ergebnis erhoffen, daß mit seinen Zielen in größtmöglicher Übereinstimmung steht? Tatsächlicher Erfolg kein Maßstab für Rationalität Beispiel 1: Verlust nach Aktienkauf trotz vorheriger gründlicher Analyse Beispiel 2: Gewinn beim Roulette auf der 17 Hoffnung : Rationalität erhöht Erfolgsaussicht Eisenführ/Weber, Rationales Entscheiden, 2 1994, 1-50.

Was ich will (1): Ziele Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 1 Kap. 1 Hierarchie von Ober- und Unterzielen selbstzweckhaften und bloß instrumentellen Werten Existenz genau eines obersten Ziels: des Glücks (eudaimonia) Zielsysteme Zielhierarchien vs. Mittel-Ziel-Netzwerken Eliminierung von bloßen Instrumentalzielen Wunsch: Rechnen mit den Zielen Anforderungen an Zielsysteme: (1) Vollständigkeit (2) Redundanzfreiheit (3) Meßbarkeit (möglichst treffend und eindeutig) (4) Unabhängigkeit der Präferenzen für Einzelziele von anderen Zielen (5) Einfachheit natürliche vs. künstliche Attribute/Zielgrößen Proxy-Attribute : indirekte Indikatoren für bzw. Instrumente zur Zielerreichung Eisenführ/Weber, Rationales Entscheiden, 2 1994, 51-67.

Was ich will (2): Nutzen Benthams utils : Kann man Nutzen messen? Aber wie? Lust als ultimativer Nutzen? Müssen wir Nutzen bemerken? Benthams quantitativer Utilitarismus ( Exkurs) Mills qualitativer Utilitarismus: Problem des intrapersonalen Lustvergleichs Moore: nicht alle Werte auf Lust/Unlust rückführbar Problem des Vergleichs verschiedener Werte Problem des interpersonalen Lustvergleichs Geld ein Maß für Nutzen? Aristoteles: Geld nur instrumentell Aber vielleicht ein Indikator für Nutzen? Problem 1: Paradox des Petersburger Spiels (Werfen einer fairen Münze; bei Erfolg in n-ter Runde beträgt der Gewinn 2 n des Einsatzes Wertminderung durch Inflationsminderung) Problem 2: Can t buy me love Problem 3: Gesetz des abnehmenden Grenznutzens (Nutzen von 2 für Bettler/Millionär?) Verschärfung: Vielleicht kann zuviel Geld sogar schaden? (Analogie: Vermögen Schuh)

Exkurs: Benthems hedonistischer Kalkül Intensität, Dauer, Gewißheit/Ungewißheit und die (zeitliche) Nähe/Ferne der Freude/des Leids Nicht relevant ist die Art der Freude/des Leids: Quantity of pleasure being equal, pushpin is as good as poetry. Folgeträchtigkeit = Wahrscheinlichkeit weiterer Lust Reinheit = Unwahrscheinlichkeit folgender Unlust Ausmaß = die Anzahl der Personen, auf die Freude oder Leid sich erstrecken Lust-Bilanzierung nach Bentham: A B C D f(a) > l(a) f(b) > l(b) f(c) < l(c) f(d) = l(d) gut gut schlecht indifferent F = f(a) + f(b), L = l(c) Was ist größer: F oder L? Beispiel für eine alternative Bilanzierungstechnik F = f(a) + f(b) + f(c) + f(d) L = l(a) + l(b) + l(c) + l(d) Anders als in der Bentham-Bilanz gilt hier: f({a, B}) = f(a) + f(b) Jeremy Bentham, Einführung in die Prinzipien der Moral und der Gesetzgebung. Kap. 1, in: Otfried Höffe (Hg.), Einführung in die utilitaristische Ethik; engl. Original z.b. online unter http://www.la.utexas.edu/research/poltheory/bentham/ipml/ipml.c01.html

Was ich will (3): Präferenzen Die Grundidee Die Grundfrage: Was magst Du lieber, a 1 oder a 2? Drei Antwortmöglichkeiten: Vorziehen von a 1 Vorziehen von a 2 Weder/noch: a 1 und a 2 gleichwertig, Indifferenz Schwache Präferenzrelation Jemand zieht a 1 schwach a 2 vor gdw a 1 für ihn mindestens genauso gut ist wie a 2. Strikte Präferenzrelation Jemand zieht a 1 strikt a 2 vor gdw a 1 für ihn besser als a 2 ist. Indifferenz Jemand ist bezüglich a 1 und a 2 indifferent, gdw a 1 und a 2 für ihn gleich gut sind. Mathematischer Hintergrund: ordinal statt kardinal Notationsvarianten schwache arb Präferenz strikte Präferenz a ~ b apb a b Indifferenz aib a ~ b. a b. a > b. a = b

Präferenz-Axiome Die schwache Präferenzrelation R ist eine Ordnungsrelation, d.h. sie ist reflexiv, vollständig und transitiv: Reflexivität. Für alle Ergebnisse a gilt: aia, und damit auch ara. Vollständigkeit. Für irgendzwei Ergebnisse a und b kann der Handelnde angeben, ob arb, bra oder beides. Transitivität. Für irgenddrei Ergebnisse a, b und c gilt: wenn arb und brc, dann auch arc. Argument für Transitivität: Geldpumpe Gegenbeispiel 1: Heiratspartner (K.O. May 1954) x: sehr intelligent, unattraktiv, wohlhabend y: normal intelligent, sehr attraktiv, arm z: dumm, durchschnittliches Aussehen, sehr reich Die Befragung von 62 Studenten ergab 17mal einen Zyklus, also intransitive individuelle Präferenzmuster: x P y P z P x Gegenbeispiel 2: Sensitivitätsschwellen-Problem Drei Tees mit kleinen Stärkeunterschieden; wegen Unterschreitens der Wahrnehmungsschwelle sei t 1 I t 2 und t 2 I t 3. Aber: Unterschied zwischen t 1 und t 3 sei wahrnehmbar; möglich ist dann: t 1 P t 3 (statt t 1 I t 3 ).