Altenheim Rechtstag 2013



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Transkript:

Altenheim Rechtstag 2013 Die Pflege-Transparenzvereinbarung - Das BSG-Urteil vom 16.05.2013 & Wie weiter? Rechtsanwältin Ines Theda Kanzlei Dr. Heß und Kollegen, Freiburg

Überblick I. Das BSG Urteil Fakten Hintergründe: prozessual und inhaltlich II. Praxistipps zur PTV III. Ausblick: Zukunft der PTV

I. Das BSG Urteil vom 16.5.13 Die Fakten Kläger: CBT / Beklagte: Landesverbände der Pflegekassen Nordrhein Ziel: Die Veröffentlichung weiterer Transparenzberichte über das CBT- Wohnhaus ist zu unterlassen. Urteil: Die Klage wird abgewiesen. Die Klage ist unzulässig. Heißt das, das BSG hält die PTV für rechtmäßig? NEIN! Das BSG hat nicht in der Sache entschieden.

Warum Klagabweisung? 1. Zulässigkeit (Prozessuales) Formalia: Klagberechtigung, Fristen Rechtsschutzbedürfnis Laut BSG: Nein, kein Rechtsschutzbedürfnis 2. Begründetheit (Inhaltliches) Ist 115 Abs. 1a SGB XI verfassungsgemäß? Ist die PTV rechtmäßig? Keine Prüfung, ggf. im obiter dictum

Die prozessualen Hintergründe oder: Warum hat das BSG die Klage abgewiesen?

Die Hintergründe: 1. Instanz Transparenzbericht von August 2009 Klage vor dem SG Köln Aufhebung des Transparenzberichtes durch die Landesverbände Fortsetzungsfeststellungsklage : Die Veröffentlichung war rechtswidrig. Klagabweisung: Unzulässig kein Bericht Rechtsschutzbedürfnis? besonderes Feststellungsinteresse: Wiederholungsgefahr

Die Hintergründe: 2. Instanz Berufung zum LSG Essen Mündliche Verhandlung: Hinweis: Fortsetzungsfeststellungklage unzulässig Vorbeugende Unterlassungsklage zulässig: Künftige Veröffentlichungen sind rechtswidrig Klagabweisung: unbegründet

Die Hintergründe: 3. Instanz Revision zum BSG vorbeugende Unterlassungsklage unzulässig Keine Normenkontrolle im Sozialrecht also kein Rechtsschutzbedürfnis Fortsetzungsfeststellungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis (keine Wiederholungsgefahr?)

Fazit Prozessual: Rechtsschutz: JA Eilanträge und Klagen gegen konkrete Transparenzberichte Effektiver Rechtsschutz: NEIN

Die inhaltlichen Hintergründe oder: Worauf stützt sich die inhaltliche Kritik? und Hat sich das BSG in der Verhandlung inhaltlich geäußert?

Die inhaltliche Kritik 1. 115 Abs. 1a SGB XI = verfassungswidrig 2. Die PTV ist rechtswidrig

115 Abs. 1a SGB XI Ruf nach Transparenz

Das Ziel: Transparenz für Verbraucher das was interessiert: Ergebnisqualität Korrekte Information Grundlage einer Lebensentscheidung Als Nebeneffekt : Ankurbelung des Qualitätswettbewerbs

Beweis politischer Handlungs(un)fähigkeit? 115 Abs. 1a SGB XI Keine validen Kriterien (Studie gerade in Auftrag gegeben) / keine fachlich konsentierten Anforderungen Zeit zur Entwicklung der PTV: 3 Monate! Delegation an Vereinbarungspartner keine demokratische Legitimation Keine Verfahrensregelungen Etc

Wie hat sich das BSG in der mündlichen Verhandlung geäußert? 115 Abs. 1a SGB XI dürfte verfassungsmäßig sein. Der Gesetzgeber darf nach Trial & Error verfahren

Die Pflege-Transparenzvereinbarung: Das Soll: Veröffentlichung von Ergebnisund Lebensqualität Vergleichbar Übersichtlich Verständlich

Würde Teilhabe Selbständigkeit Selbstbestimmung Privatheit Hilfe zur Selbsthilfe gesundheitsfördernde, qualifizierte Pflege, Betreuung Pflege : Komplexer Prozess stets individuell ausgerichtet Interaktionskompetenz / Beziehungsarbeit Unternehmenskultur, Leitbilder, Haltung, Konzepte, Führung, engagierte, motivierte Mitarbeiter Trägerverantwortung - 112 SGB XI Rolle der Prüfinstanzen: beratungsorientierter Ansatz - Diskurs

= Was geprüft wird. = Einheitsstandard

Invalide Kriterien: rechtlich & pflegefachlich Beispiele: Dokumentation vs. Datenschutz Geschützter Außenbereich vs. Persönliche Freiheit Verantwortungsbereiche Ärzte / Apotheken / Bewohner / Angehörige / Expertenstandards als Instrument der internen Qualitätsentwicklung vs. Prüfcheckliste von Einzelkriterien

Vergleichbar und verständlich? Problemfelder: Stichprobenziehung Stichprobenziehung Dichotome Bewertung Berechnung der Noten: Mittelwertbildung & Gesamtnote

1,2 - die Durchschnittsnote bei folgender Personalbesetzung?* Vom MDK festgestellter Pflegebedarf Zeitfenster Pflegekraft pro Bewohner 100 % 62 % abzügl. Dokumentationsaufwand *nach Beispielberechnung Dr. Wermann, Leitender Arzt Pflege des MDK Saarland

Die Folgen der QPR / PTV: Misstrauenskultur (v.a. intrinsische) Motivation der MA sinkt, Personalmangel Irreführung der Verbraucher Verhinderung konstruktiver, verantwortungsvoller Weiterentwicklung von Qualitätsstandards Marginalisierung trägereigener Konzepte Entfremdung zwischen MA-Bewohner Fachl. Dignität des MDK bedroht

Wie hat sich das BSG in der mündlichen Verhandlung geäußert? Wir können die inhaltliche Kritik gut nachvollziehen

II. Praxistipps zur PTV 1. Rechtmäßige Prüfung? insbes.: Prüfauftrag ggf.: hinreichender Anlass? Prüfumfang: Pflicht zur Verringerung geprüft Abstimmung mit Heimaufsicht zur Unzeit? schriftliche Einwilligungen der Bewohner? Berücksichtigung aller Umstände, vgl. 114 a Abs. 3 S. 2 SGB XI? Besondere Achtsamkeit im Abschlussgespräch!

2. Transparenzberichte Rechtmäßige Prüfung nach QPR? Kriterium allein anhand Dokumentation bewertet vgl. 114 a Abs. 3 S. 2 SGB XI? Weniger als 5 Bewohner bewertet? Rigide, starre Bewertung

Rechtsschutz: Eilantrag auf Unterlassung der Veröffentlichung Sonderfälle: Gerichtsbezirke des SG Münster, LSG Berlin (LSG Sachsen-Anhalt: bei Stichprobe < 5)

III. Ausblick Seriosität der Fachverbände gefragt: Mittelfristig keine indikatorengestützte Bewertung umsetzbar (vgl. Verhandlungen bei der Schiedsstelle), daher: Keine Fast-Food Kriterien! Kein flächendeckendes Experiment mit ganzer Branche und Millionen Verbrauchern! Rahmenbedingungen schaffen für qualitätsgesicherte Pflege statt Kontrolle! Verfassungsrechtliche Überprüfung weiterhin nötig Moratorium Pflegenoten: www.moratorium-pflegenoten.de

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Rechtsanwältin Ines Theda Kanzlei Dr. Heß und Kollegen www.drhess-kollegen.de