Krisendomino in der Eurozone

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Transkript:

Planungsgruppe 1 Krisendomino in der Eurozone Der nächste Schuldenschnitt für Griechenland wird kommen Der Internationale Währungsfonds hat es gefordert, die Europäische Zentralbank inzwischen auch, die Bundesbank hat es ins Gespräch gebracht, Bundesfinanzminister Schäuble, der FDP- Fraktionsvorsitzende Brüderle, der haushaltspolitische Sprecher der Union Barthle, sie alle wollen es nicht ausschließen, denn im Grunde weiß es jeder: Griechenland braucht einen erneuten Schuldenschnitt, um wieder zu tragfähigen öffentlichen Finanzen zu kommen. Angela Merkel aber will diesen Offenbarungseid ihrer gescheiterten Euro-Politik vor der Landtagswahl in Niedersachsen im Januar und vor der Bundestagswahl im kommenden September unbedingt vermeiden. Die Euro-Finanzminister haben in der Nacht zum Dienstag erneut ein Paket von Maßnahmen geschnürt, das in einigen Teilen erkennbar unzureichend, in anderen völlig unklar ist und somit die ungedeckte Finanzlücke zu verschleiern versucht, um irgendwie über die nächsten Monate zu kommen. Dabei ist nicht einmal klar, ob und wie sich der IWF künftig beteiligen wird, denn Christine Lagarde lässt ihre Entscheidung bis zum Europäischen Rat am 13. Dezember offen. Der IWF macht seine Beteiligung abhängig vom Erfolg eines schnellen Schuldenrückkaufprogramms, das Griechenland von Zinsen entlasten soll, und will erst in zwei Wochen die Schuldentragfähigkeit des Landes bewerten. Staatsschulden Griechenland Entwicklung seit 2005 (in Prozent des BIP) * aktuelle Haushaltsplanung der griechischen Regierung * unter Berücksichtigung des erste Schuldenschnitts Quelle: Eurostat

2 Die vielen Facetten der Krise Auch wenn in diesen Tagen wieder Griechenland ganz im Zentrum des Interesses steht: Die Krise der Eurozone hat viele Facetten. Sie ist Folge der Finanzmarktkrise, die Staaten zu fiskalischen Interventionen gezwungen und die öffentlichen Schuldenquoten nach oben getrieben hat. Sie ist eine Bankenkrise, ausgelöst durch ungezügelte Kreditvergabe an öffentliche (Griechenland) und private (Spanien, Irland) Schuldner. Sie ist eine realwirtschaftliche Krise, ausgelöst durch fehlende industrielle Wettbewerbsfähigkeit (insbesondere Griechenlands und Portugals, aber auch Spaniens, Italiens). Institutionelle Fehler im Design der Europäischen Währungsunion sowie des Binnenmarktes führen zudem dazu, dass diese Krisenursachen sich selbst bzw. sich gegenseitig verstärken. Ergebnis: ein Krisendomino in der Eurozone. Die Entwicklung hat sich angesichts der sowohl politisch wie auch ökonomisch völlig unzureichenden Gegenmaßnahmen der europäischen Regierungen sowie der EZB im Laufe des ersten Halbjahres 2012 zu einer manifesten Krise der gesamten Eurozone ausgeweitet: Die weitere Mitgliedschaft Griechenlands in der Währungszone wurde sowohl von Finanzmarktakteuren, wie auch von Teilen der europäischen Politik offen in Frage gestellt. Die Bankenprobleme in Südeuropa führten zu einer anschwellenden Kapitalflucht aus den Krisenländern in den vermeintlich sicheren Kern der Eurozone. Große Teile der Eurozone rutschten in eine Rezession. Und erstmals hatte die Krise auch spürbar eine Wirkung auf den Außenwert des Euro, der zwischenzeitlich deutlich abrutschte. Die Situation drohte nach der Entscheidung der Finanzminister der Eurogruppe im Juni vollends aus dem Ruder zu laufen. Zwar hatten diese zur Rettung der spanischen Banken einen Betrag von bis zu 100 Mrd. zugesagt aber nur unter der Bedingung, dass dieses Geld nicht direkt an die notleidenden Banken fließe, sondern zunächst als Kredit des spanischen Staates aufgenommen werden müsse, der es dann an die heimischen Banken weiterreichen könne. Die Aussicht darauf, dass sich die ohnehin dramatische Schuldendynamik im spanischen Staatshaushalt im weiteren Jahresverlauf dadurch noch einmal weiter erheblich beschleunigen sollte, ließ die Zinsen für spanische Anleihen und im Gefolge auch die für italienische Anleihen wieder ansteigen. Die EZB verhindert den Zusammenbruch, aber die Probleme der Währungsunion bleiben ungelöst Angesichts eines drohenden Zerfalls der Währungsunion, entschloss sich EZB-Präsident Draghi zu einem dramatischen Schritt: Zur Beruhigung der Finanzmärkte kündigte er an, die Zentralbank werde die gemeinsame Währung um jeden Preis verteidigen. In den folgenden Wochen entwickelte die EZB dann das Projekt der so genannten Outright Monetary Transactions (OMT), das einen in der Höhe unlimitierten, gleichwohl an die Bedingung eines ESM-Hilfsprogramms mit entsprechenden Auflagen gebundenen Sekundärmarktankauf von Staatsanleihen aus Krisenländern durch die EZB vorsieht. Mit dieser Maßnahme kann die EZB faktisch eine Zinsobergrenze für die entsprechenden Staatsanleihen durchsetzen. Mit diesem Schritt hat die EZB endgültig die Fundamente der alten Währungsunion im Sinne des Maastrichtvertrages eingerissen, sich zum lender of last resort für die Krisenländer erklärt und da-

3 mit auch offiziell die Funktion eines zumindest potenziellen Staatsfinanzierers übernommen. Faktisch hat die EZB diese Rolle bereits durch das frühere Ankaufprogramm SMP sowie über den Bankenumweg durch das Liquiditätsprogramm LTRO gespielt. Seit August 2012 stellt die EZB zudem auf dem Umweg über die griechischen Banken die Refinanzierung Griechenlands durch kurzfristige so genannte T-Bills sicher. Die Europäische Währungsunion ist zu einer Haftungsunion geworden, in der via EZB die Mitglieder gemeinsam die Zahlungsfähigkeit jedes Einzelnen gegenüber den Finanzmarktakteuren garantieren. Dieses Bekenntnis zu einer umfassenden Haftungsunion hat die Finanzmärkte seither sichtbar beruhigt: Die Anleihezinsen für Spanien und Italien sind deutlich zurückgegangen und selbst der zwischenzeitlich völlig zum Erliegen gekommene Interbankenmarkt zeigt erste Erholungserscheinungen. Aber all dies bedeutet nicht, dass auch nur eine einzige der grundlegenden Krisenursachen beseitigt wäre, Schutz besteht allein vor der ultimativen Marktreaktion einer Zerstörung der Währungsunion durch untragbare Zinssätze für einzelne Mitgliedstaaten. Der EZB-Eingriff erlaubt es der Eurozone insofern, im Krisenmodus weiter zu existieren, aber einen Weg aus dem Krisenmodus heraus bietet die EZB-Garantie allein nicht. Rezession löst neue Krisenrunde aus Insbesondere besteht die Gefahr, dass anders als von den OMT-Konstrukteuren geplant, die negative Rückkopplung zwischen Bankenproblemen und Staatsschulden auf absehbare Zeit nicht durchbrochen werden kann und zwar wegen der den Krisenstaaten auferlegten einseitigen Austeritätspolitik. Waren es zuvor sinkende Kurse von bzw. steigende Zinsen auf Staatsanleihen, die gleichzeitig Bankbilanzen und Staatshaushalte in den Krisenländer bedrohten, verrichtet nun die zurückgehende binnenwirtschaftliche Aktivität dasselbe Werk: In den Bankbilanzen weitet sich die Anzahl fauler Kredite erkennbar aus und erzeugt neue Abschreibungsbedarfe, in den Staatshaushalten brechen die Steuereinnahmen ein, während gleichzeitig die Transferausgaben steigen. Mit diesem Wechsel (bzw. der Überlagerung) von zins- zu rezessionsbedingten Defiziten in den Krisenländern entsteht auch ein neuer Ansteckungskanal in den bisher noch stabilen Kern der Eurozone: Der massive Nachfrageausfall, der von den Krisenländern ausgeht, drückt die Konjunktur insbesondere auch in den Ländern des Eurokerns, deren Exportwirtschaft vor allem auf den Eurozonenmarkt hin ausgerichtet ist, was vor allem für Frankreich und Belgien gilt, viel weniger für Deutschland (aktuell gehen noch gut ein Drittel aller deutschen Exporte in die Eurozone 1 ). Ungebrochene Schuldendynamik in den Krisenländern Der Blick auf die Entwicklung der öffentlichen Schuldenstände am Ende des ersten Halbjahres 2012 dokumentiert diese Entwicklung: Die größte Schuldendynamik zeigen nach wie vor die Haushalte der Krisenländer Griechenland (Jahresvergleich verzerrt durch den Schuldenschnitt, aber mit atemberau- 1 ) Im August 2012 waren es rd. 37,5 %, s. Statistisches Bundesamt Pressemitteilung vom 8.10.2012: Deutsche Ausfuhren im August 2012 + 5,8 % zum August 2011

4 benden +13,4 % im Vergleich zum Ende des 1. Quartals 2012), der neue Rettungskandidat Zypern +16,5 % gegenüber Q2 2011, sowie Portugal mit +10,8 %, Irland mit +10 % und Spanien mit +9,3 %. Mit 5 % bzw. 4,9 % zeigen nun auch Frankreich und Belgien eine deutlich höhere Schuldendynamik als Deutschland mit 1,6 %. Finnland verzeichnete sogar einen Schuldenstandszuwachs von 5,6 % allerdings noch auf einem niedrigen Gesamtniveau bei 50 % des BIP 2. Ungebrochene Schuldendynamik in den Krisenländern Anstieg des Schuldenstandes im 2. Quartal 2012 im Vergleich zum 2. Quartal 2011 (in Prozentpunkten des BIP) * Griechenland: Vergleich 2. Quartal 2012 mit 1. Quartal 2012 (Vergleich mit Vorjahr wegen Schuldenschnitt nicht aussagekräftig) Quelle: Eurostat Insbesondere die nach wie vor ungebrochene Schuldendynamik in den Krisenländern zeigt das Versagen der nunmehr fast dreijährigen Antikrisenpolitik und das auf unterschiedliche Weise: In Griechenland ist die Wirkung des Schuldenschnitts bereits nach wenigen Monaten weitgehend verpufft bis zum Jahresende dürfte fast der Schuldenstand von Ende 2011 wieder erreicht werden, rd. 170 % des BIP. Damit ist auch das zweite Hilfspaket Makulatur. In Spanien ist die Lösung des Refinanzierungsproblems der Banken nach wie vor nicht voran gekommen. Die nicht mehr durch Immobilienwerte gedeckte Hypothekensumme im spanischen Bankensystem beträgt mittlerweile rd. 300 Mrd., die weiter ansteigende Massenarbeitslosigkeit führt auch darüber hinaus zu immer weiteren Kreditausfällen. In Portugal und Irland lässt die Schuldendynamik trotz angeblich erfolgreicher Reformen nicht nach, weil die Regierungen das Problem fehlenden Wachstums und steigender Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen. 2 ) Alle Datenangabe dieser Textziffer: EUROSTAT Pressemitteilung vom 24.10.2012: Öffentlicher Schuldenstand des Euroraums stieg auf 90 % des BIP

5 Die Meldungen über geplante Schließungen von Standorten der Automobilproduktion in Frankreich und Belgien beleuchten hingegen die inzwischen auch den Eurokern betreffende realwirtschaftliche Seite der Schuldendynamik und zeigen den Weg, auf dem sich die Krise der Währungsunion jetzt weiter frisst: Frankreich hat trotz der gezeigten erhöhten Schuldendynamik in den vergangenen Monaten eine Stützung von PSA mit Bürgschaften im Umfang von bis zu 7 Mrd. angekündigt, um den drohenden Arbeitsplatzabbau zumindest teilweise abzuwenden. Eine Einhaltung der verschärften Stabilitätsvorgaben der Währungsunion dürfte Frankreich auf diesem Wege kaum gelingen. Im Gegenteil: Es steht zu erwarten, dass das französische Wirtschaftsmodell eines kreditgetriebenen Konsums bei gleichzeitig abnehmender Wettbewerbsfähigkeit in naher Zukunft an sein Limit gerät und drastische Korrekturen erforderlich werden. Neue politische Dimensionen des Vertrauensverlusts Wenn aber auch das französische Modell staatsgeschützter Produktion und binnengestütztem Konsum vor den Stabilitätsanforderungen der Währungsunion in absehbarer Zeit kapitulieren muss, steht diese vor einer ganz anderen Dimension der Herausforderung als bisher, einer Herausforderung, die dann primär politisch sein wird. Schon jetzt deutet sich eine Umgruppierung der politischen Kräfte innerhalb des Landes an, in der die Sammlungsbewegung der rechten Mitte, die UMP, aufgesprengt wird und sich ein Teil des vormals bürgerlichen Lagers einschließlich einiger UMP-Vorleute in Richtung der rechtsnationalen FN bewegt. In Belgien und Spanien verschärfen sich politische Konflikte um die Autonomie der Regionen. Auf dem Tisch ist das Thema der Abspaltung, getrieben vom Willen wirtschaftlich stärkerer Regionen, nicht länger für innerstaatliche Transfers aufkommen zu wollen. Keine Überwindung der Krise ohne die Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik Auch Deutschland steht vor einer entscheidenden Frage: Eine wirkliche Überwindung der Ungleichgewichte in der Eurozone ist praktisch nur mit einer klaren Ausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik auf das Ziel der Stärkung der binnenwirtschaftlichen Wachstumskomponenten möglich. Der rezessionsbedingte Wachstumsausfall in der Eurozone dämpft inzwischen auch das deutsche Wachstum spürbar auch für Deutschland ist die Rezessionsgefahr gestiegen. Allein auf die Veränderung der relativen Wettbewerbsfähigkeit zu setzen, reicht aber nicht: Gezielte Maßnahmen zur Förderung der Binnenwirtschaft in Deutschland etwa durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und weitere Maßnahmen zur Bekämpfung von Erwerbsarmut sind dringend geboten. Auch die Investitionen müssen spürbar steigen. Viele Kommunen leben von der Substanz. Die Anlageinvestitionen der Unternehmen haben in der Vergangenheit mit den Gewinnen nicht Schritt gehalten. Wer nur von den Früchten der Vergangenheit zehrt, kann keine gute Zukunft bauen nicht in Deutschland und nicht in Europa.