Pflegeversicherung. 18 Jahre Pflegeversicherung, rückblickende Bilanzierung und die Formulierung von Weiterentwicklungsbedarfen

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Transkript:

Pflegeversicherung 18 Jahre Pflegeversicherung, rückblickende Bilanzierung und die Formulierung von Weiterentwicklungsbedarfen Ziel: Die Bundesrepublik Deutschland muss als sozialer Rechtsstaat ihren Bürgerinnen und Bürgern für die wesentlichen Lebensrisiken einen angemessenen Schutz garantieren. Der zu erwartende demographische Wandel wird dazu führen, dass die Zahl von Menschen, die aufgrund ihres Alters pflegebedürftig werden, steigen wird. Daher wurde die Pflegeversicherung unter mehreren Gesichtspunkten konzipiert. 1. Oberstes Ziel ist es, den pflegebedürftigen Menschen weitestgehend ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die Pflegeversicherung als einkommensunabhängige Leistungsform bietet erstmalig auch Menschen, deren Einkommen und Vermögen über aktuell geltenden Grenzen für die Hilfe zur Pflege liegen, die Möglichkeit, sich für die erhaltene Pflege erkenntlich zu zeigen, bzw. Unterstützung für einen Teil der Pflege durch ambulante Dienste in Anspruch zu nehmen, ohne das eigene Vermögen dafür heranziehen zu müssen. 2. Obwohl die Pflegeversicherung vom potentiell zu pflegenden Menschen abgeschlossen wird und auch die Leistung anhand seiner Pflegebedürftigkeit bemessen wird, hat die Pflegeversicherung die Sicherung der häuslichen Pflege durch pflegenden Angehörigen (als kostengünstige Pflegekraft) in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen gestellt. Definition: Pflegebedürftig sind laut den Pflegebedürftigkeitsrichtlinien Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Alle Pflegebedürftigen Menschen gelten im Sinne der UN-BRK als behindert und deswegen ist das System der Pflegeversicherung an der UN-BRK zu messen. Die Gewährleistung von Autonomie, Selbstbestimmung, Menschenwürde und Entscheidungsfreiheit ist durch bestehende Gesetze sicherzustellen. Minutengenaue Berechnung des Pflegebedarfs sowie der unzureichend berücksichtige Zeitaufwand für Unterstützungsleistung widersprechen dem Ziel der BRK. Behinderte Menschen und PV: Die Pflegeversicherung hat Auswirkungen auf die Lebenssituation von Menschen, die noch nicht im Seniorenalter sind. 1 Christiane Rischer, September 2013

Insbesondere auf. behinderte Personen, die im Sinne des Gesetzes pflegebedürftig sind, in der eigenen Wohnung leben und ihren Hilfebedarf eigenverantwortlich abdecken wollen. Reicht das Pflegegeld nicht aus, um den Hilfebedarf abzudecken müssen behinderten Menschen die einkommensabhängige Hilfe zur Pflege und/oder Eingliederungshilfe in Anspruch zu nehmen. Um diese Leistung in Anspruch zu nehmen ist eine vorherige Einstufung in eine Pflegestufe erforderlich. Kompliziertes Verfahren: Aufgrund der Nachrangigkeit von Leistungen der Sozialhilfe wird dass von der Pflegeversicherung gewährte Geld zunächst in die Leistung der Sozialhilfe eingerechnet. Im Rahmen der Sozialhilfe erfolgt dann eine Ausgleichszahlung an die antragstellende Person in Höhe von in der Regel 1/3 des von der PV bewilligten Pflegegeldes. Aus Sicht der oben beschrieben behinderten Menschen bedeutet dies doppelte Antragstellung und doppelte Begutachtung. Die bürokratischen Kriterien zur Beurteilung der Pflegebedürftigkeit bedeuten weitere Hürden. Demnach werden nur Zeiten anerkannt, in denen die Pflegeperson tatsächlich aktiv Unterstützung leistet. Wartezeiten durch Tätigkeiten, die die versicherte Person selbst übernimmt, fließen nicht in die Bewertung mit ein. Dieses Verfahren führt zu einer Reduzierung der Zeit, in der eine unterstützende Person verfügbar ist, erheblich. Eine Sicherstellung der tatsächlich benötigten Unterstützung ist so nicht möglich. Zusätzlich bereiten das für Laien undurchschaubare Bewertungsschema und die Reduzierung des Hilfebedarfs auf nur wenige Lebenssituationen, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, Schwierigkeiten. Auch die Form der Begutachtung stellt eine zusätzliche Belastung dar. Durch die Fokussierung auf die pflegenden Personen und Fachberichte über den Hilfebedarf der versicherten Person, wird diese zum Objekt, es wird über sie gesprochen, statt mit ihr. Leistungserbringung: Die Pflegeversicherung knüpft an ihren unterschiedlichen Leistungsformen Pflegegeld, Sachleistungen und Betreuungsgeld, etc. Bedingungen, wie das Geld verwendet werden muss. Sachleistung, dieser Betrag ist deutlich höher als die Geldleistung, kann nur genutzt werden, wenn ein professioneller Dienst für die Sicherstellung der Pflege in Anspruch genommen wird. Der Dienst seinerseits ist aber auch teurer, so dass im Endeffekt nichts gewonnen ist. Auch das Betreuungsgeld kann nur über einen Dienst abgerufen werden Diese Einschränkung wirkt sich negativ auf die Möglichkeit aus, die benötigte Hilfe etwa durch das Arbeitgebermodell sicherzustellen. 2 Christiane Rischer, September 2013

Das Pflegeneuausrichtungsgesetz Hier werden Anpassungen vorgenommen, die in die richtige Richtung weisen. Die Flexibilisierung der Vergütung der Pflegedienste trägt der Erfahrung Rechnung, dass pflegerische Verrichtungen bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich lang dauern. Die Erfahrung muss allerdings zeigen, ob diese Flexibilisierung tatsächlich zu mehr Zufriedenheit bei Pflegenden und Pflegebedürftigen führt. Die Aufnahme von demenziell Erkrankten in den Personenkreis ist zeitgemäß. Auch der Wegfall einer Eigenbeteiligung bei Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung ist schlüssig und positiv zu bewerten. Generell ändert es aber nichts an der Tonart des Gesetzes. Weiterentwicklungsbedarf: - Das Pflegeversicherungsgesetz liest sich so, als ob pflegebedürftige Menschen die Objekte und die Pflegepersonen die Subjekte darstellen. Beide Parteien müssen jedoch gleichberechtigt berücksichtigt werden. Das Bedürfnis behinderter Menschen nach Kontrolle über das eigene Leben muss gestärkt werden. Behinderte Menschen müssen als Experten in eigener Sache wahrgenommen und gewürdigt werden. - Begutachtungssituationen, wie sie heutzutage stattfinden, erwecken den Eindruck, dass die Antragstellenden Personen und ggf. ihre Angehörigen sich Leistungen erschleichen wollen. Tatsächlich geht es um die Anerkennung von tatsächlich vorhandenem Hilfebedarf. Durch die Nichtanerkennung des tatsächlichen Hilfebedarfs erfährt der behinderte Mensch eine geringere Wertschätzung seiner Bedürfnisse. Breit gefächerte Terminplanung - Leistungen auch für Menschen mit geringem Hilfebedarf. Menschen mit zeitlich zu geringem Hilfebedarf erhalten die Pflegestufe 0 und damit keine einkommensunabhängigen Leistungen, also keine bedarfsgerechte Hilfe - Es braucht neue Begutachtungsrichtlinien, die den behinderten Menschen ebenso in den Mittelpunkt stellen, wie die Pflegeperson. Die Begutachtungsrichtlinien müssen transparent und nachvollziehbar gestaltet sein, so dass die tatsächlich erlebte Unterstützungssituation auch abgebildet wird. Verschiedene Begutachtungen unter verschiedenen z. T. nicht transparenten Bewertungsaspekten führen zu Verunsicherung und Ängsten. - Analog zum Verfahren beim trägerübergreifenden Persönlichen Budget sollte es eine gemeinsame Begutachtung durch alle potentiellen Kostenträger geben 3 Christiane Rischer, September 2013

- Behinderte Menschen, die zu dem oben beschriebenen Personenkreis gehören, brauchen ein individuell mit ihnen zusammen gestaltetes Rund-Um- Paket um ihren Hilfebedarf abzudecken. - Im Sinne der Partizipation sind auch pflegeabh. behinderte Menschen an der Ausgestaltung und Ausführung des Pflegeversicherungsgesetzes zu beteiligen - Im Zuge der Anpassung der Pflegeversicherung an die realen Bedürfnisse der Bevölkerung wurde der Bericht zum Pflegebedürftigkeitsbegriff erstellt. - Das geplante Gesetz zur sozialen Teilhabe sieht ein einkommens- und vermögensunabhängiges Teilhabegeld vor, in welches sowohl die Eingliederungshilfe als auch die Hilfe zur Pflege nach SGB XII eingehen. Es ist zu erwarten, dass sowohl der Gesetzentwurf als auch die Ergebnisse in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden. - nicht budgetfähig - Die Lücken in der Zeitbemessung zwischen den einzelnen Pflegestufen müssen geschlossen werden (Stufe 1 ab 45 min und stufe 2: 90 min, dazwischen ungedeckt) - Das Dogma, Pflege sei ehrenamtlich zu leisten, ist zu hinterfragen - Behinderte Menschen geraten so in zusätzliche Abhängigkeit Von Behörden aber auch von der eigenen Familie) und Armut Was ist Menschen mit Behinderungen bei der Entscheidung und Auswahl von Leistungen wichtig? Die Leistung muss den Hilfebedarf so abdecken, dass ein selbstbestimmtes Leben möglich wird. Es ist nicht vertretbar, dass behinderte Menschen für die Gestaltung ihres Alltages unzumutbar mehr Aufwand betreiben müssen, als nichtbehinderte Menschen. Das Eingestehen, Hilfe zu benötigen fällt naturgemäß keinem Menschen leicht. Umso mehr belastet es, erkennen zu müssen, dass die Behörden den Antragstellenden misstrauen, bzw. die Gewährung von Leistungen durch komplizierte Operationalisierung erschweren. Behinderte Menschen müssen sich für ihren Hilfebedarf in der Form rechtfertigen, weil ihnen von staatlicher Seite misstraut wird. Dieses Misstrauen überträgt sich auch auf die Einstellung der Bevölkerung, die behinderte Menschen als fordernd erleben. Diese fordernde Haltung resultiert aus den mangelnden Möglichkeiten gleichberechtigter Teilhabe. 4 Christiane Rischer, September 2013

Die Pflegeversicherung ist ein typisches Beispiel dafür. Sie stellt eine Pflichtversicherung dar. Die vorgesehene Leistungserbringung ist allerdings mit zahlreichen Hürden und Einschränkungen verbunden. Es fehlt eine breite und flexibel nutzbare Angebotsstruktur. Inwieweit gibt es aus Sicht der ganz praktischen Erfahrungen von MmB überhaupt Entscheidungs- und Auswahlmöglichkeiten bei der Inanspruchnahme von EH und oder pflegerischen Leistungen? Wodurch werden sie ggf. eingeschränkt? Behinderte Menschen haben häufig nicht nur Unterstützungsbedarf im Bereich Pflege sondern auch im Bereich Eingliederungshilfe. Entscheidungsmöglichkeiten sind gerade im pflegerischen Bereich durch existenzielle Bedürfnisse einerseits und behördliche Richtlinien andererseits eingeschränkt. 5 Christiane Rischer, September 2013