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$Id: reell.tex,v 1.48 2017/11/03 12:36:49 hk Exp $ 1 Die reellen Zahlen 1.3 Die Anordnung der reellen Zahlen Nachdem wir im vorigen Abschnitt alle zunächst für uns relevanten Grundlagen behandelt haben, wollen wir nun unsere im ersten Abschnitt begonnene Diskussion der reellen Zahlen fortsetzen. Wir haben bereits die neun arithmetischen Axiome kennengelernt die das Verhalten der Grundrechenarten kontrollieren. Jetzt kommen wir zur nächsten Gruppe von Axiomen für die reellen Zahlen, diese beschäftigen sich nicht mehr nur mit Addition und Multiplikation sondern auch mit der Kleiner-Gleich Beziehung zwischen reellen Zahlen. Neben der Addition und der Multiplikation sei auf den reellen Zahlen noch eine Anordnung gegeben, d.h. für je zwei reelle Zahlen x, y ist festgelegt ob x y gilt oder nicht. Diese Anordnung ist für uns ein Grundbegriff, der die folgenden Axiome erfüllen soll: Die Ordnungsaxiome: (R) Das Reflexivitätsgesetz: Für jedes x R ist x x. (T) Das Transitivitätsgesetz: Für alle x, y, z R gilt x y y z = x z. (A) Die Antisymmetrie: Für alle x, y R gilt x y y x = x = y. (L) Die Ordnung ist total oder linear, d.h. für alle x, y R ist stets x y oder y x. Erst einmal wollen wir eine kleine Anmerkung zu den vier Anordnungsaxiomen machen. Das Reflexivitätsgesetz (R) gilt nicht automatisch nur weil wir von der Kleiner-Gleich Relation sprechen, dies ist nur ein Name, dass tatsächlich Gleichheit auch Kleiner- Gleich impliziert muss explizit festgehalten werden, auch wenn die Namensgebung andernfalls natürlich recht unglücklich wäre. Allerdings ist (R) tatsächlich redundant und könnte weggelassen werden, denn die Linearität (L) ergibt insbesondere x x oder x x, also x x, für jedes x R. Trotzdem wollen wir (R) mit als Axiom aufführen, dies kommt da oftmals auch Anordnungen betrachtet werden die nur (R), (T) und (A) erfüllen und aus (T) und (A) läßt sich (R) nicht herleiten. Die Transitivitätseigenschaft (T) wird dabei oft in der folgenden Form verwendet: Ist a = x 1 x 2 x 3 x n = b 4-1

eine Kette von Ungleichungen, so ist auch a b. Die Symbole x 1, x 2,... und so weiter sind dabei als reelle Variable gedacht, da es sich um eine unbestimmte Anzahl n solcher handelt kann man diese schlecht c, d, e, f,... nennen und numeriert sie anstelle dessen einfach durch. Dass obige Kettenaussage gilt ist leicht zu sehen. Zunächst haben wir a x 1 und x 1 x 2, also liefert die Transitivität (T) auch a x 2. Da x 2 x 3 gilt liefert eine weitere Anwendung von (T) dann a x 3. So fortfahrend erhalten wir schließlich a x n und dann a b. Eine weitere wichtige Folgerung aus (T) und der Antisymmetrie (A) ist die folgende Aussage: Haben wir eine Kette von Ungleichungen a = x 1 x 2 x 3 x n = a, die bei einer reellen Zahl a R startet und endet, so sind überhaupt alle Elemente der Kette gleich a, d.h. es ist x 1 = = x n = a. In der Tat, ist 1 i n gegeben, so folgen aus a = x 1 x i und x i x i+1 x n = a mit der obigen Transitivitätsaussage auch a x i und x i a, d.h. wir haben x i = a. Neben der Kleiner-Gleich Relation definiert man die Echt-Kleiner Relation für x, y R durch x < y : x y x y. Mit den vier Anordnungsaxiomen ergeben sich dann schnell entsprechende Aussagen für Echt-Kleiner. Zunächst haben wir das sogenannte Trichotomieprinzip, dieses besagt das für x, y R stets genau eine der drei Möglichkeiten x < y, y < x oder x = y gilt. Dies folgt sofort aus den beiden Anordnungsaxiomen (A) und (L). Weiter hat man auch eine erweiterte Transitivitätseigenschaft, die besagt das für alle x, y, z R mit x < y z oder x y < z stets auch x < z gilt. In der Tat, nach dem Transitivitätsaxiom (T) ist zumindest x z und wäre x = z, so hätten wir x = y = z im Widerspruch zu x y oder y z. Hieraus folgt weiter das im Fall einer Ungleichungskette a = x 1 x i < x i+1 x i+2 x n = b in der mindestens ein Echt-Kleiner vorkommt, letztlich stets auch a < b gilt. Schließlich kann man für x, y R dann auch noch die umgedrehten Ordnungssymbole einführen, also x y : y x und x > y : y < x. Die Anordnung kann man dann zur Definition der sogenannten beschränkten Intervalle verwenden: Definition 1.4 (Beschränkte Intervalle) Seien a, b R. Dann heißt die Menge [a, b] := {x R a x b} ein beschränktes, abgeschlossenes Intervall, (a, b) := {x R a < x < b} ein beschränktes, offenes Intervall, [a, b) := {x R a x < b} ein beschränktes, rechts halboffenes Intervall, (a, b] := {x R a < x b} ein beschränktes, links halboffenes Intervall. 4-2

Später in diesem Kapitel werden wir auch noch die unbeschränkten Intervalle definieren. Beachte das wir formal auch zulassen das linke und rechte Grenze falsch herum sind, dann ist das entsprechende Intervall die leere Menge, zum Beispiel [2, 1] = oder (1, 1) =. Weiter ist für jedes a R auch [a, a] = {a}. In der Literatur finden sie gelegentlich auch alternative Schreibweisen für die offenen beziehungsweise halboffenen Intervalle, die Übersetzungstabelle ist Standardschreibweise Alternative Schreibweise (a, b) ]a, b[ [a, b) [a, b[ (a, b] ]a, b] ob der Randpunkt zum Intervall gehören soll oder nicht wird also durch eine sich richtig herum schließende eckige Klammer beziehungsweise durch eine sich falsch herum schließende eckige Klammer angedeutet. So weit haben wir nur die Anordnungsaxiome verwendet. In den reellen Zahlen sind die arithmetische Struktur, also Plus und Mal, und die Anordnungsstruktur natürlich nicht unabhängig voneinander, sondern es gibt viele Rechenregeln die den Zusammenhang zwischen den beiden beschreiben. Zum Beispiel ist genau dann x y wenn y x ist, das Produkt negativer Zahlen ist positiv, und vieles mehr. Genau wie bei den Rechenregeln für die Grundrechenarten, lassen sich all diese vielen Regeln auf einige wenige Axiome zurückführen. Diese Axiome sind die sogenannten Axiome eines angeordneten Körpers, sie umfassen zum einen die neun Körperaxiome dann die vier Anordnungsaxiome und zusätzlich die folgenden beiden neuen Axiome: Axiome eines angeordneten Körpers: (O1) Für alle x, y, z R gilt (O2) Für alle x, y, z R gilt y z = x + y x + z. x 0 y z = xy xz. Wir definieren hier dabei nicht was ein angeordneter Körper ist, für uns ist die Bezeichnung Axiome eines angeordneten Körpers nur ein Name für die angegebene Gruppe von Axiomen, genauso wie die Körperaxiome ein Name für die Gruppe der neun arithmetischen Axiome ist. Aus den Axiomen eines angeordneten Körpers folgen alle üblichen Regeln für den Umgang mit der Kleiner-Gleich Relation. Wie für die arithmetischen Regeln im letzten Abschnitt wollen wir dies nicht systematisch für alle denkbaren Regeln vorführen, sondern es nur examplarisch an einigen Beispielen demonstrieren. 4-3

1. Sind x, y, x, y R mit x x und y y, so ist auch x + y x + y. Dies ergibt sich durch zweimaliges Anwendung des Axioms (O1) x + y x + y = y + x y + x = x + y, und anschließende Anwendung der Transitivität (T). Außerdem ist hier natürlich noch die Kommutativität der Addition, also das Axiom (A2), verwendet worden, aber die benutzten Körperaxiome wollen wir jetzt nicht mehr einzeln auflisten. 2. Sind x, y, z R mit y < z, so ist auch x + y < x + z. Denn nach Axiom (O1) ist zumindest x + y x + z und wegen y z ist auch x + y x + z, also x + y < x + z. Analog zum Beweis der obigen Aussage folgt weiter, dass für alle x, y, x, y R mit x < x und y y beziehungsweise x x und y < y stets auch x + y < x + y gilt. 3. Sind x, y R mit x y, so ist y x. Dies ergibt sich direkt aus Axiom (O1). Addieren wir beide Seiten von x y mit x, so wird 0 = ( x) + x ( x) + y, und addieren wir dann auch noch y, so ergibt sich y ( x) + y + ( y) = x. Weiter können wir auch auf y x die schon bewiesene Aussage anwenden und erhalten x = ( x) ( y) = y, d.h. wir haben Ebenso ergibt sich auch (x, y R) : x y y x. (x, y R) : x < y y < x. 4. Sind x, y, z R mit x < y und z > 0, so ist auch xz < yz. Denn nach Axiom (O2) ist zumindest xz yz und wäre xz = yz, so hätten wir auch (x y)z = 0 also x = y oder z = 0 im Widerspruch zu x y und z 0. 5. Sind x, y, z R mit x y und z 0, so ist yz xz. Denn zunächst ist nach Schritt (3) auch z 0 und Axiom (O2) ergibt xz yz, also yz xz wieder nach (3). Ebenso folgt aus x < y und z < 0 dann auch yz < xz. 6. Für jedes x R ist x 2 0. Denn ist x 0, so folgt mit Axiom (O2) sofort x 2 = x x 0 x = 0 und ist x 0, so ergibt (5) auch x 2 = x x 0 x = 0. Insbesondere ist somit 1 = 1 2 > 0 und mit (3) auch 1 < 0. 4-4

Das soll an Beispielen für derartige Überlegungen wieder reichen. Wir führen in diesem Abschnitt noch einen letzten wichtigen Begriff ein, den sogenannten Betrag einer reellen Zahl. Dieser hat eine rein praktische Funktion, wir möchten eine bequeme Möglichkeit haben davon zu sprechen, dass eine reelle Zahl x klein ist. Wir könnten beispielsweise versuchen die Zahl x klein zu nennen wenn x 10 4 gilt. Dies erfüllt aber nicht ganz den intendierten Zweck, den es ist ja zum Beispiel auch 400 10 4, aber 400 wollen wir meist nicht als klein betrachten. Wir müssten unsere Bedingung also beispielsweise in x 10 4 und x 10 4 umschreiben. Um diese zwei Bedingungen durch eine einzige zu ersetzen, wird nun der erwähnte Betrag der reellen Zahl x eingeführt. Definition 1.5 (Betrag und Vorzeichen reeller Zahlen) Ist x R eine reelle Zahl, so heissen 1, x > 0, sign(x) := 0, x = 0, das Vorzeichen und x := sign(x) x = 1, x < 0 der Betrag von x. { x, x 0, x, x 0 Beispielsweise sind 4 = 4, 2 = 2 und 0 = 0. Als Funktion von x hat der Betrag die nebenstehende Gestalt. In anderen Worten ist x der nichtnegative Wert unter den beiden Zahlen x und x. In unserem obigen Beispiel können wir die beiden Bedingungen x 10 4 und x 10 4 dann durch die eine Bedingung x 10 4 ersetzen, und allgemein ist für jedes a R mit a 0 y x x [ a, a] = {x R : x a} und ( a, a) = {x R : x < a}. Entsprechendes gilt auch für nicht bei Null zentrierte Intervalle, sind reelle Zahlen a, ɛ R mit ɛ > 0 gegeben, so haben wir {x R : x a ɛ} = [a ɛ, a + ɛ]. In der Tat, ist x a, so ist x a 0 und x a = x a, d.h. x a ɛ bedeutet x a + ɛ. Ist dagegen x a, so haben wir x a 0 also x a = (x a) = a x und genau dann ist a x ɛ wenn ɛ x a also x a ɛ gilt. Dass also die reelle Zahl x um höchstens ɛ von der reellen Zahl a abweicht kann damit kurz als x a ɛ notiert werden. Um letztere Bedingung rechnerisch zugänglich zu machen, benötigen wir Rechenregeln für den Betrag und die wichtigsten dieser Regeln werden im folgenden Lemma zusammengestellt. Lemma 1.2 (Grundeigenschaften des reellen Betrags) Für alle x, y, z R gelten: (a) Es sind sign( x) = sign(x), x = x 0 und x 2 = x 2. 4-5

(b) Es gilt x x. (c) Es sind sign(xy) = sign(x) sign(y) und xy = x y. (d) Es gilt die Dreiecksungleichung x + y x + y. (e) Es ist x y x y. (f) Es ist x y x y. Beweis: (a) Nach der dritten Folgerung aus den Axiomen eines angeordneten Körpers ist sign( x) = sign(x) und somit auch x = x. Im Fall x = 0 ist x 2 = 0 = x 2 und für x 0 haben wir sign(x) { 1, 1}, also sign(x) 2 = 1 und somit x 2 = sign(x) 2 x 2 = x 2. (b) Ist x 0 so ist x = x x und im Fall x < 0 ist nach der dritten Folgerung aus den Axiomen eines angeordneten Körpers auch x > 0 also x < 0 < x = x und somit x < x. (c) Mit der vierten und der fünften Folgerung aus den Axiomen eines angeordneten Körpers folgt zunächst sign(xy) = sign(x) sign(y) und dies ergibt weiter xy = sign(x) sign(y)xy = x y. (d) Es sind nach (a,b) x x, y y, x x = x und y y = y, also auch x + y x + y und (x + y) = ( x) + ( y) x + y, und da x + y eine der beiden Zahlen x + y oder (x + y) ist, folgt x + y x + y. (e) Mit Teil (d) rechnen wir x = (x y) + y x y + y, also x y x y. (f) Mit Teil (e) haben wir x y x y und (e), (a) zusammen ergeben auch y x y x = (x y) = x y. Da x y aber eine der beiden Zahlen x y oder ( x y ) = y x ist, folgt auch x y x y. Warum Aussage (d) hier als Dreiecksungleichung bezeichnet wird, ist an dieser Stelle nicht gut zu sehen. Wir werden dies aber bei der Betrachtung des Betrags einer komplexen Zahl später noch klären. 1.4 Das Vollständigkeitsaxiom In den vorhergehenden Abschnitten haben wir jetzt insgesamt 15 Axiome an die reellen Zahlen zusammengestellt. Aber auch all diese Axiome reichen noch nicht aus die reellen Zahlen vollständig zu beschreiben, es fehlt noch ein weiteres Axiom. Dies ist das 4-6

sogenannte Vollständigkeitsaxiom, und es bezieht sich ausschließlich auf die Ordnungsstruktur der reellen Zahlen und nicht auf die arithmetische Struktur. Wir benötigen leider noch zwei vorbereitende Definitionen um das Vollständigkeitsaxiom überhaupt aussprechen zu können. Definition 1.6 (Obere und untere Schranken) Sei M R eine Teilmenge. (a) Eine reelle Zahl a R heißt obere Schranke von M wenn x a für alle x M gilt. (b) Die Menge M heißt nach oben beschränkt wenn es eine obere Schranke a R von M gibt. (c) Ein Element a M heißt maximales Element von M, oder ein Maximum von M, wenn x a für alle x M ist, wenn a also eine obere Schranke von M ist. Beachte das es nur ein einziges maximales Element von M geben kann, denn ist b M ein weiteres so haben wir b a und a b, also a = b. Gibt es ein maximales Element a M von M, so können wir damit max M := a schreiben. (d) Eine reelle Zahl a R heißt untere Schranke von M wenn x a für alle x M gilt. (e) Die Menge M heißt nach unten beschränkt wenn es eine untere Schranke a R von M gibt. (f) Ein Element a M heißt minimales Element von M, oder ein Minimum von M wenn x a für alle x M ist, wenn a also eine untere Schranke von M ist. Genau wie für maximale Elemente kann es höchstens ein minimales Element a von M geben, und in diesem Fall schreiben wir min M := a. (g) Die Menge M heißt beschränkt, wenn sie nach oben und nach unten beschränkt ist. Die Terminologie dieser Definition wird am klarsten wenn wir uns die reellen Zahlen wie unten gezeigt als eine vertikal hingemalte Linie denken, wobei es unten nach und oben nach geht. Eine obere Schranke einer Teilmenge M R ist dann tatsächlich eine reelle Zahl, die eben oberhalb von M liegt. Beachte das obere Schranken bei weitem nicht eindeutig festgelegt sind, ist a eine obere Schranke von M, so ist auch jede andere reelle Zahl b R mit b a ebenfalls eine obere Schranke von M. Eine nach oben beschränkte Menge muss im allgemeinen kein Maximum besitzen, anschaulich haben wir zwar immer ein Element unmittelbar oberhalb M, aber diese Zahl gehört eventuell nicht zu M. Beispielsweise sind max[0, 1] = 1 und min[0, 1] = 0 4-7

aber das offene Intervall M = (0, 1) hat weder ein Maximum noch ein Minimum, da eben 0 und 1 hier nicht zu M gehören. Für die Beschränktheit einer Menge M R gibt es eine oftmals nützliche Umformulierung in Termen des Betrags reeller Zahlen M R ist beschränkt Es gibt c R mit c 0 und x c für alle x M. Gibt es nämlich ein c R mit c 0 und x c für alle x M, so ist auch c x c für alle x M, + d.h. c ist eine untere und c ist eine obere Schranke von a (obere Schranke) M. Damit ist M nach oben und unten beschränkt, also insgesamt beschränkt. Nun sei M umgekehrt beschränkt. sup M Dann gibt es sowohl eine untere Schranke a von M als auch eine obere Schranke b von M, und wir setzen c := M max{ a, b } 0. Für jedes x M haben wir dann x b b c und x a, also auch x a a c, und da x eine der beiden Zahlen x oder x ist bedeutet dies x c. Wie schon bemerkt muss eine nach oben beschränkte Menge keinesfalls ein Maximum haben. Aber selbst wenn eine nach oben beschränkte Menge M R kein Maximum besitzt, so gibt es trotzdem ein Zahl gerade oberhalb von M, diese ist sozusagen die bestmögliche obere Schranke von M. Explizit gesagt handelt es sich gerade um die kleinstmögliche obere Schranke von M, und diese wird auch als das Supremum der Menge M bezeichnet. Definition 1.7 (Supremum und Infimum) Sei M R eine Teilmenge. Dann heißt eine reelle Zahl a R ein Supremum von M wenn a eine kleinste obere Schranke von M ist, d.h. a ist eine obere Schranke von M und für jede andere obere Schranke b R von M gilt stets a b. Analog heißt eine reelle Zahl a R ein Infimum von M wenn a eine größte untere Schranke von M ist, d.h. a ist eine untere Schranke von M und für jede andere untere Schranke b R von M gilt stets b a. In dieser Definition reden wir noch vorsichtig von einem Supremum einer Menge M R, da es zunächst ja auch mehrere Suprema geben könnte. Dies ist aber nicht der Fall, es kann höchstens ein Supremum von M geben. Seien nämlich a, b R zwei Suprema der Menge M R. Dann ist b eine obere Schranke von M und da a andererseits eine kleinste obere Schranke von M ist, folgt a b. Ebenso ist auch b a und wir haben insgesamt a = b. Analog kann es auch höchstens ein Infimum einer Menge M R geben. Da Supremum und Infimum somit eindeutig festgelegt sind, können wir sie auch mit einem Symbol bezeichnen. Man schreibt für M R sup M := Das Supremum von M, inf M := Das Infimum von M, natürlich nur falls das fragliche Supremum oder Infimum existiert. 4-8

Wir hatten das Supremum einer Menge M R als die kleinste obere Schranke von M definiert, sofern eine solche überhaupt existiert. Dieser Begriff ist mit dem Begriff des Maximums der Menge M verwandt, aber er ist nicht dasselbe. Wir wollen uns den Zusammenhang der beiden Begriffe kurz einmal klar machen. Zunächst nehme an, dass M ein Maximum a = max M besitzt. Dann ist a insbesondere eine obere Schranke von M und ist b R eine beliebige obere Schranke von M, so gilt wegen a M auch a b. Damit ist a die kleinste obere Schranke von M, d.h. das Supremum von M. Gibt es also ein Maxiumum von M, so ist dieses auch gleich dem Supremum. Umgekehrt muss ein Supremum aber kein Maximum sein, ist zum Beispiel M = (0, 1), so ist sup M = 1 aber wegen 1 / M ist 1 kein Maximum von M. Haben wir allerdings eine Menge M R mit a = sup M M, so ist a M insbesondere eine in M liegende obere Schranke von M, also ein Maximum von M. Entsprechendes gilt dann auch für das Minimum und das Infimum einer Menge M R. Zusammenfassend haben wir für M R also die folgenden Implikationen: a = max M = a = sup M, a = sup M a M = a = max M, a = min M = a = inf M, a = inf M a M = a = min M. Sei M R gegeben. Gibt es dann ein Supremum a R von M, so ist a insbesondere eine obere Schranke von M, d.h. M ist nach oben beschränkt. Ist b R eine reelle Zahl mit b < a, so kann b keine obere Schranke von M mehr sein, da sonst ja a b gelten müsste, und dies bedeutet das es ein x M mit x > b gibt. Insbesondere muss M sein. Diese Beobachtung können wir jetzt zu einer äquivalenten Definition des Supremums umformulieren. Lemma 1.3 (Charakterisierung von Supremum und Infimum) Seien M R eine Teilmenge und a R. (a) Genau dann ist a ein Supremum von M wenn a eine obere Schranke von M ist und es für jedes b R mit b < a stets ein Element x M mit x > b gibt. (b) Genau dann ist a ein Infimum von M wenn a eine untere Schranke von M ist und es für jedes b R mit b > a stets ein Element x M mit b > x gibt. Beweis: (a) = Dies haben wir bereits oben eingesehen. = Keine reelle Zahl b R mit b < a ist eine obere Schranke von M, und damit muss für jede obere Schranke b von M stets b a gelten. Damit ist a ein Supremum von M. (b) Analog zu (a). 4-9

Die Existenz von Supremum oder Infimum kann über die Axiome eines angeordneten Körpers nicht bewiesen werden, und das noch ausstehende Vollständigkeitsaxiom der reellen Zahlen fordert diese Existenz einfach. Vollständigkeitsaxiom (V): Jede nach oben beschränkte, nicht leere Teilmenge = M R der reellen Zahlen besitzt ein Supremum. Dieses ist das letzte noch fehlende Axiom für die reellen Zahlen, man sagt auch das R ein vollständig angeordneter Körper ist. Hierdurch sind die reellen Zahlen in gewissen Sinne auch eindeutig festgelegt, aber dies wollen wir hier nicht näher ausführen. Da wir jetzt den vollständigen Satz an Axiomen für die reellen Zahlen zusammen haben, können wir auch noch einmal auf Redundanzen zwischen diesen eingehen. Schon im ersten Abschnitt hatten wir bemerkt, dass die Kommutativität der Addition (A2) nicht gefordert werden muss, sie folgt aus den restlichen acht Körperaxiomen. Weiter hatten wir im vorigen Abschnitt festgestellt das die Reflexivität (R) in der Linearität (L) der Anordnung enthalten ist. Mit dem Vollständigkeitsaxiom (V) kann man jetzt auch das Kommutativgesetz (M2) der Multiplikation streichen, dieses läßt sich auch aus den anderen Axiomen herleiten. Da dies allerdings schon etwas komplizierter ist und für unser Thema keine Rolle spielt, wollen wir dies hier nicht weiter behandeln. Am Vollständigkeitsaxiom fällt auf das hier das Supremum vor dem Infimum ausgezeichnet wird, während wir die beiden bisher als völlig analoge Spiegelbilder zueinander behandelt haben. Diese Auszeichnung des Supremums ist auch nur eine optische Täuschung, die Existenz des Infimums werden wir gleich beweisen. Umgekehrt hätte man genauso gut fordern können, dass jede nicht leere, nach unten beschränkte Menge reeller Zahlen ein Infimum hat, und könnte dann die Existenz des Supremums beweisen. Lemma 1.4 (Existenz des Infimums) Jede nicht leere, nach unten beschränkte Menge M R reeller Zahlen hat ein Infimum. Beweis: Sei = M R nach unten beschränkt, d.h. M hat eine untere Schranke. Dann ist die Menge N := {a R a ist eine untere Schranke von M} R aller unteren Schranken von M nicht leer N. Ist a M, so gilt für jedes x N stets x a, da x ja eine untere Schranke von M ist, d.h. a ist eine obere Schranke von N. Damit ist jedes Element von M eine obere Schranke von N. Wegen M gibt es insbesondere überhaupt eine obere Schranke von N, d.h. die Menge N ist nach oben beschränkt. Nach dem Vollständigkeitsaxiom existiert das Supremum a := sup N R, 4-10

und wir behaupten das a auch das Infimum von M ist. Ist x M so ist x eine obere Schranke von N, also a x. Damit ist a überhaupt eine untere Schranke von M. Ist jetzt b R eine beliebige untere Schranke von M, so ist b N und damit auch b a. Folglich ist a die größte untere Schranke von M, d.h. a = inf M. Wir werden im Laufe des Semesters sehr viele Anwendungen von Supremum und Infimum sehen, tatsächlich handelt es sich bei diesen beiden Begriffen um zwei der mit Abstand wichtigsten technischen Hilfsmittel der gesamten Analysis. 4-11