Psychische Krisen und schwierige Übergänge im Verlaufe unheilbarer Erkrankungen.

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Transkript:

Psychische Krisen und schwierige Übergänge im Verlaufe unheilbarer Erkrankungen. Die Rolle der Psychotherapie und Psychiatrie in der Begleitung von Menschen in fortgeschrittenen Krankheitsphasen Dr. med. Roland Kunz Chefarzt Akutgeriatrie und Palliative Care 1

Psychische Krisen und schwierige Übergänge Im Verlauf unheilbarer Krankheiten: diagnose- und phasen-abhängig Psychiatrische Störungen / Krankheiten im Rahmen palliativer somatischer Zustände Bei chronischen, unheilbaren psychiatrischen Krankheiten 2

Nationale Leitlinien Palliative Care Multidimensionalität: Psychische Dimension Die Bewältigungsressourcendes kranken Menschen, also seine Fähigkeiten und Möglichkeiten, seine belastenden Erlebnisse adäquat verarbeiten zu können, sollen stabilisiert und gefördert werden. Psychologische und/oder psychotherapeutische Interventionen und Angebote sind in regelmässigen Abständen zu thematisieren und die Kontinuitätder Betreuung und Behandlung ist zu gewährleisten. 3

Diagnosen und Phasen Onkologische Erkrankungen Chronische internistische und neurologische Erkrankungen Demenzerkrankungen 4

Onkologische Erkrankungen Diagnosestellung Krise: Konfrontation mit der möglichen Todesfolge, existentielle Bedrohung Angst, Panik, Depression 5

Onkologische Erkrankungen Kuration nicht mehr möglich und kein primäres Ziel mehr. Beginn palliative Phase 6

Palliative Care Nationale Leitlinien BAG 2010 (CH) Die Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, akut lebensbedrohlichen oder chronisch-fortschreitenden Krankheiten. Sie wird vorausschauend miteinbezogen, ihr Schwerpunkt liegt aber in der Zeit, in der die Kuration der Krankheit als nicht mehr möglich erachtet wird und kein primäres Ziel mehr darstellt. Behandlungsteam? Patient? Angehörige?

Onkologische Erkrankungen Kuration nicht mehr möglich und kein primäres Ziel mehr. Bewusstsein oder Verdrängung der Tatsache, dass die «Knautschzone» nun immer kleiner wird, die Sanduhr abläuft Krise, Konflikte durch unterschiedliche Ziele 8

Onkologische Erkrankungen Palliative Chemotherapie 9

Von kurativ palliativ Medizinisch ist der Übergang meist klar, für den Patienten und die Angehörigen aber häufig nicht. Chemotherapie = Kampf gegen den Krebs ( palliativ wird nicht verstanden) Patient und Angehörige haben anderes Verständnis der Situation (anderes Ziel) als das Behandlungsteam 10

Patients Expectations about Effects of Chemotherapy for advanced Cancer NEJM 2012 1193 Patienten mit metastasiertem Lungen-oder Colon- Carcinom, 4 Mte nach Dg. 69% der Pat. mit Lungen-Ca und 81% der Pat. mit Colon-Ca hatten nicht verstanden, dass trotz der Chemotherapie keine Chance auf Heilung bestand Patienten, welche die Kommunikation mit ihrem Arzt als sehr gut erlebten, hatten höhere Erwartungen. 11

Angst vor der Sanduhr: Gelebtes Leben wertschätzen «Dignity Therapy» Harvey M. Chochinov -Wann fühlten Sie sich am lebendigsten? -Was sind die wichtigsten Rollen, die Sie in Ihrem Leben wahrgenommen haben? -Worauf sind Sie besonders stolz? -An welche Dinge soll sich Ihre Familie erinnern? -Was hat das Leben Sie gelehrt, das Sie weitergeben möchten?

Onkologische Erkrankungen Abschluss der onkologischen Behandlung. Eintritt in Palliativstation. Fragen zum Sterben. Sterbewunsch. Lebensende Krankheits- und Lebensmüde oder Depression? 13

Predictors of the wish to die in multivariate regression analysis Predictors OR Depressive Symptoms 8.35 Spiritual distress 3.21 Demoralisation 1.18 Age 1.12 Jox RJ, Rubli E EAPC 05/2018 14

Multimorbidität, chron. Krankheiten (Herz, Lunge, Neurologie) 15

Multimorbidität, chron. Krankheiten (Herz, Lunge, Neurologie) Vorausplanung: was soll bei der nächsten Krise geschehen, welche Grenzen setzt der Betroffene? Wie bei onkologischen Erkrankungen Angst, Panik Rasche medizinische Versorgung Sicherheit, Zuversicht 16

Multimorbidität, chron. Krankheiten (Herz, Lunge, Neurologie) Angehörige (und Patient): ständige Angst vor der nächsten Krise, vor der letzten Verschlechterung («normale» Angst bis zur Überängstlichkeit und angstgetriggerten Depression) 17

Demenzerkrankungen Erste Symptome Rückzug, Depression? Demenzdiagnose: Sorgen über den erwarteten Verlauf, nicht über den Tod Depression Neuropsychiatrische Symptome, Verhaltensauffälligkeiten Angst vor Veränderung 18

Demenzerkrankungen Angst vor der Diagnose Psychologische und ev. psychiatrische Begleitung Angst vor der Zukunft Überforderung und Depression, Schuldgefühle Angst vor dem Ende, dem Verlust Angehörige 19

Psychiatrische Störungen bei somatischen unheilbaren Leiden Palliativpatienten haben teilweise vorbestehende psychiatrische Erkrankungen brauchen psychiatrische Mitbetreuung Fragen der Urteilsfähigkeit Abgrenzung von Fatigue und Depression Abgrenzung von Delir und psychotischer Störung Abgrenzung Sterbewunsch und Depression 20

Schwierige Thematik: Palliative Care bei chron. Psychiatrischen Krankheiten Schwere, langjährige Depressionen / bipolare Erkrankungen oder Schizophrenien mit Sterbewunsch, Ablehnung von somatischen Abklärungen und Behandlungen Langjährige Anorexiepatienten Wird im Verlauf der Tagung thematisiert 21

Schwierige Thematik: Palliative Care bei chron. Psychiatrischen Krankheiten 22

Kompetenzen und Zusammenarbeit Sicht der Fachleute beider Bereiche Palliative Care und psychische Erkrankungen aus der Nutzerperspektive. Sottas 2014

Danke für Ihre Aufmerksamkeit 24