Fachbereich Ingenieurwissenschaften II Labor Messtechnik Anleitung zur Laborübung Statische Temperaturmessung Einfluss von Leitungswiderständen in der 2-Leiter- und 4-Leiter-Schaltung Inhalt: 1 Ziel der Laborübung 2 Aufgaben zur Vorbereitung der Laborübung 3 Fortpflanzungen von Abweichungen 4 Grundlagen zur Temperaturmessung 4.1 Temperaturskalen 4.2 Thermoelemente 4.3 Strahlungsthermometer 4.4 Widerstandsthermometer 5 Betriebsschaltungen für Widerstandsthermometer 5.1 Leitungswiderstände 5.2 Zweileiterschaltung 5.3 Vierleiterschaltung 6 Messaufgabe und Messaufbau 7 Messablauf und Auswertung Stand: Oktober 2012
1 Ziel der Laborübung - Kennenlernen der Temperaturmessung mittels Widerstandsthermometer - Messschaltungen (2-L-T; 4-L-T) für Widerstandsthermometer - Berechnung von auftretenden Abweichungen in der Messschaltung (systematische Messabweichungen) 2 Aufgaben zur Vorbereitung der Laborübung - Einarbeiten in die Laborübung nach dieser Anleitung - Anwendung Ohmscher und Kirchhoffscher Gesetze - Berechnung der systematischen Messabweichung von Messsystemen mit Einzelkomponenten - Anwendung und Bedeutung von Widerstandsthermometern (Pt 100) und Thermoelementen
3 Fortpflanzungen von Abweichungen * (* Fehlerfortpflanzungsgesetz) Vielfach ist das Messergebnis aus mehreren Messwerten nach einer mathematischen Beziehung zu bilden. Jeder Messwert wird beeinflusst durch: Unvollkommenheit der Messgeräte und Messeinrichtungen (einschl. Maßverkörperungen) Messverfahren Messobjekt Messpersonal Umwelt Auf Grund dieser Einflüsse treten Messabweichungen auf. Diese führen zu Verfälschung des Messergebnisses. Es muss also die Frage gestellt werden, wie sich die Abweichungen der einzelnen Messwerte im Messergebnis abbilden oder, anders ausgedrückt, welche Gesamtabweichung das Messergebnis aufweist (zufällige und systematische Abweichungen). Nicht nur die Höhe der Einzelabweichungen, sondern auch die Art der Funktion, bestimmt die Gesamtabweichung. Wird eine Messgröße indirekt aus anderen Größen erfasst, kann die Gesamtabweichung durch nachfolgende Rechenoperationen gewonnen werden. Fehlerfortpflanzungsgesetz für zufällige Abweichungen Nicht beherrschbare, nicht einseitig gerichtete Einflüsse während mehrerer Messungen am selben Messobjekt innerhalb einer Messreihe führen zur Streuung der Messwerte um den Mittelwert der Messreihe und damit zu zufälligen Abweichungen der Messwerte vom wahren Wert. Die wichtigste Rechengröße für die zahlenmäßige Erfassung der Streuung von n Einzelwerten einer Messreihe um ihren Mittelwert ist die Standardabweichung s. Mit Hilfe der Standardabweichung kann dann die zufällige Abweichung u z berechnet werden. Sind dann die zufälligen Abweichungen u z(xi ) für jede (i=1...n) in das Messergebnis eingehende Größe x i bekannt, so ergibt sich die zufällige Gesamtabweichung des Messergebnisses u z(y) wie folgt: Gleichung 1: Zufällige Gesamtabweichung eines Messergebnisses "Quadratisches Fehlerfortpflanzungsgesetz für zufällige Abweichungen"
Fehlerfortpflanzungsgesetz für systematische Abweichungen Bekannte systematische Abweichungen A a sollen durch Korrektion berücksichtigt werden. Man erhält dadurch den berichtigten Messwert. Wird ein mit systematischen Abweichungen behafteter Messwert nicht korrigiert, so ist das Ergebnis unrichtig. Sind die systematischen Abweichungen A a(xi ) für jede (i=1...n) in das Messergebnis eingehende Größe x i bekannt, ergibt sich die systematische Gesamtabweichung des Messergebnisses A a(y) wie folgt: Gleichung 2: Systematische Gesamtabweichung eines Messergebnisses "Lineares Fehlerfortpflanzungsgesetz für systematische Abweichungen" Für die messtechnische Praxis ist nun charakteristisch, dass für die Beurteilung der Messeinrichtung lediglich die durch die Fehlerklasse (*) angegebenen Abweichungsgrenzen bekannt sind. Da innerhalb dieser Grenzen das Vorzeichen nicht bekannt ist, müsste die mögliche Gesamtabweichung des Messwertes M durch Addition der Beträge der Einzelabweichungen x i bestimmt werden. (* nicht ganz korrekt, aber allgemein übliche Bezeichnung) Gleichung 3: Gesamtabweichung eines Messwertes Die mit Gleichung 3 ausgewiesene Gesamtabweichung eines Messergebnisses stellt den Größtwert einer überhaupt nur möglichen Gesamtabweichung dar (lineare Addition von Absolutbeträgen). Der Vergleich dieser Gesamtabweichung mit den vorgegebenen Grenzen einer Fehlerklasse macht aber Sinn, da diese Grenzabweichungen systematische und zufällige Abweichungen berücksichtigt. Was allerdings dagegen spricht sind folgende Gründe: das alle Größtwerte von Einzelabweichungen zugleich auftreten ist sehr unwahrscheinlich z.t. gleichen sich systematische Abweichungen untereinander aus (positive und negative Anteile) Das gleiche gilt auch für zufällige Abweichungen. Voraussetzung ist aber eine Normalverteilung aller Einzelmesswerte!
4 Grundlagen zur Temperaturmessung 4.1 Temperaturskalen Physikalische Grundlage der Temperaturmessung ist die thermodynamische Temperaturskala, welche auf der Gleichung für ideale Gase p = R T beruht. p = Druck = spezifisches Volumen R = spezifische Gaskonstante T = Temperatur Die thermodynamische Temperatur wird auch "absolute Temperatur" genannt. Die zugehörige SI-Einheit ist Kelvin K, eine der Basiseinheiten des SI-Systems. Die thermodynamische Temperaturskala lässt sich mit einem Gasthermometer bis etwa 2000 C realisieren. Da dieses Verfahren für die praktische Temperaturmessung zu umständlich wäre, hat man die Internationale Praktische Temperaturskala (IPTS) geschaffen. Sie ist durch bestimmt Fixpunkte ausgesuchter Stoffe festgelegt. Einige wichtige Punkte sind: Siedepunkt des Sauerstoffs - 182,95 C Tripelpunkt des Wassers 0,01 C Siedepunkt des Wassers 100,00 C Erstarrungspunkt des Goldes 1064,18 C jeweils unter festgelegten Bedingungen (z.b. Druck). 4.2 Thermoelemente Zwei miteinander verschweißte oder verlötete Drähte unterschiedlicher Metalle nennt man ein Thermopaar oder Thermoelement. Hat diese Verbindungsstelle eine andere Temperatur als die beiden Drahtenden, so zeigt ein angeschlossenes Voltmeter eine kleine elektrische Spannung (Bereich mv) an. In erster Näherung verhält sich die Spannung proportional zum Temperaturunterschied. Dieser Effekt bietet eine relativ einfache Möglichkeit zur Temperaturmessung. Ein besonderer Vorteil von Thermoelementen ist, dass man nahezu punktförmige Messstellen mit geringer Wärmeträgheit realisieren kann. Dieser Vorteil geht teilweise dann verloren, wenn man die Messelemente zum Schutz vor mechanischen-, chemischen- oder Feuchtigkeitseinflüssen einbauen bzw. ummanteln muss. Bild 1: Thermoelemente - Drahtenden und Verbindungsstellen
4.3 Strahlungsthermometer Bei Temperaturen oberhalb von 1000 C muss man von den Berührungsthermometern auf Strahlungsthermometer übergehen; auch Strahlungspyrometer oder kurz nur Pyrometer genannt. Beim viel benutzten Thermoelementpyrometer fällt die vom Messobjekt ausgehende Strahlung auf eine geschwärzte Metallfläche, deren Erwärmung durch ein Thermoelement erfasst wird. Zum Anvisieren des Messfeldes ist bei beweglichen Ausführungen hinter der schwarzen Metallfläche eine Okularlinse eingebaut. Bild 2: Strahlungsthermometer 4.4 Widerstandsthermometer Als Material für Widerstandsthermometer wird vorzugsweise Nickeldraht oder Platindraht verwendet. Die Widerstandsthermometer Ni 100 und Pt 100 haben bei einer Temperatur von 0 C einen ohmschen Widerstand von 100. Über kleinere Temperaturbereiche ( T=1K) ist der Zusammenhang zwischen Temperatur und Widerstand linear; über größere Bereiche existiert keine strenge Linearität mehr (siehe DIN IEC 751 Tabelle 1). Widerstandsthermometer werden in der Regel in eine Glas- oder Keramikhüllung eingeschlossen bzw. in besondere Schutzgehäuse eingesetzt ( Wärmeträgheit). Allen gemeinsam ist die Ausnutzung des physikalischen Effekts der Widerstandsänderung mit der Temperartur. Bild 3 : Widerstandsthermometer in Ummantellung (Schutzarmatur)
5 Betriebsschaltungen für Widerstandsthermometer 5.1 Leitungswiderstände Widerstandsthermometer werden in Verbindung mit den verschiedensten digitalen und analogen Anzeigeinstrumenten eingesetzt. Traditionell ist der Temperaturwiderstand R (Pt 100) in eine Brückenschaltung eingebunden. Bei Temperaturänderung ändert sich der Widerstand und somit die Brückenspannung. Diese wird gemessen (U m ) und dient zur Ermittlung der Temperatur. Die Leitungen zwischen dem Temperaturwiderstand und dem Rest der Brückenschaltung können recht lang ( Leitungswiderstände) sein, z.b.: Ein Pt 100 ist in einer technologischen Anlage installiert und der Rest in einer Schaltwartzentrale. Da dieser Leitungswiderstand R L ebenfalls temperaturabhängig ist, kann dies zu größeren Messabweichungen führen. Bild 4: Brückenschaltung zur Temperaturmessung, Darstellung der Leitungswiderstände Als weitere Möglichkeit zur Temperaturmessung wird durch den Temperaturwiderstand mit Hilfe eines Operationsverstärkers ein konstanter Strom I K getrieben. Die über dem Temperaturwiderstand abfallende Spannung U ist dann ein Maß für die Temperatur (siehe Punkt 5.2 und 5.3).
5.2 Zweileiterschaltung Bei der Zweileiterschaltung mit Konstantstromquelle werden beide Leiter gleichzeitig zur Stromzuführung und Spannungsmessung verwendet. Der Widerstand der Messleitungen addiert sich als ein in Reihe geschalteter Widerstand zum Sensor (z.b. Pt 100). Bild 5: Zweileiterschaltung mit Konstantstromquelle 5.3 Vierleiterschaltung Um die Einflüsse der temperaturabhängigen Leitungswiderstände R L, insbesondere bei langen Leitungen, auszuschalten, werden zwei Leiter zur Stromversorgung und zwei Leiter zur Spannungsmessung am Temperaturwiderstand geschaltet. In den Leitungen zur Spannungsmessung fließt ein vernachlässigbar kleiner Messstrom; dadurch verlieren die Leitungswiderstände ihren Einfluss auf das Messergebnis. Bild 6: Vierleiterschaltung mit Konstantstromquelle
6 Messaufgabe und Messaufbau Ermitteln Sie die Abweichungen einer Messschaltung (Temperaturmessung mit einem Pt 100), die entstehen können, wenn die Messung über eine Zweileiter- bzw. über eine Vierleiterschaltung durchgeführt wird und die Leitungen unterschiedlichen Temperaturen ausgesetzt sind. Liegt am Eingang eine bekannte Temperatur vor (Referenztemperatur am Thermostat), so kann die systematische Abweichung durch die Differenz mit der gemessenen Temperatur am Ausgang bestimmt werden A a(t) = T mess - T Referenz. Der Messaufbau besteht aus einem Thermostat mit digitaler Temperaturanzeige. Mit dem Potentiometer des Thermostaten kann jede beliebige Temperatur zwischen 0 C und 100 C eingestellt werden. Hier werden die Temperaturen simuliert, die der Pt 100 messen soll. Der Pt 100 ist von dort über kurze Leitungen mit einem Verteilerkasten verbunden. Vom Verteilerkasten gehen 50 m lange Leitungen in Form von Rollen durch zwei Wasserbäder, mit deren Hilfe die Leitungstemperaturen erzeugt werden. Für jede Schaltungsart steht ein Digitalmultimeter zur Verfügung, um den Spannungsabfall U x zu messen. Ein Operationsverstärker sorgt für einen konstanten Strom von I = 2,08 ma. Die Betriebsspannung beträgt U B = 12 V und wird von einem Labornetzgerät geliefert. Bild 7: Messaufbau
7 Messablauf und Auswertung Um den Einfluss der Leitungswiderstände zu ermitteln, müssen die Messwerte unter gleichen Bedingungen (keine Änderungen im Messaufbau) aber mit unterschiedlichen Leitungstemperaturen aufgenommen werden. Somit erfolgt der erste Messablauf mit kalten Leitungen. Anschließend wird das Wasser in den Wasserbädern aufgeheizt und der Messablauf wiederholt sich: Stellen Sie am Thermostat 30 C ein. Auf Grund der benötigten Einschwingzeit (Thermostat, Pt 100) warten Sie 4 Minuten, bis die Messwerte am Digitalmultimeter und am testo-messgerät abgelesen werden können. Die angezeigte Temperatur am testo-messgerät wird im gesamten Messablauf als Referenztemperatur betrachtet. Notieren Sie diese im Protokoll. Wiederholen Sie diesen Vorgang mit den weiteren Thermostattemperaturen (Messbereiche) lt. Protokollvorgabe. Sind alle Spannungswerte mit den kalten Messleitungen aufgenommen, wird die Heizung der Wasserbäder eingeschaltet. Wenn die eingestellte Temperatur (60 C) erreicht ist, wiederholt sich der Messablauf analog der kalten Leitungen. Das Aufheizen dauert einige Zeit und somit kann mit der Berechnung und Auswertung begonnen werden: Rechnen Sie die abgelesenen Spannungswerte mit Hilfe der Tabelle 1 aus der DIN IEC 751 in Temperaturwerte um. Bei Zwischenwerten ist zu interpolieren (siehe Punkt 4.4). Berechnen Sie die systematischen Abweichungen in den jeweiligen Messbereichen. Erklären Sie anhand Ihrer Messwerte/Abweichungen den Einfluss der Leitungstemperatur auf die Zweileiter- und Vierleiterschaltung. Tragen Sie Ihre Messwerte mit Hilfe der Funktion R = f(t) in ein Diagramm ein und stellen Sie diese den DIN-Werten gegenüber (für T die Referenztemperaturen!). Anwendung des Diagramms: Mit erwärmten Leitungen wird mit diesem Messaufbau ein Widerstand von 118,5 Ohm gemessen. Welcher richtige Temperaturwert liegt hier vor?