Finanzmonitor 2012: Stimmvolk für Schuldenbremse bei Sozialversicherungen dossierpolitik



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Transkript:

Finanzmonitor 202: Stimmvolk für Schuldenbremse bei Sozialversicherungen dossierpolitik 9. Juli 202 Nummer 5 Repräsentative Umfrage. Die Schuldenbremse das wichtigste Instrument der Finanzpolitik des Bundes ist in der Bevölkerung weiterhin beliebt. Die Mehrheit der Schweizer Stimmberechtigten will dieses Instrument nun auch auf die Sozialversicherungen ausdehnen: Gemäss einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern wird die Ausdehnung der Schuldenbremse auf die Sozialversicherungen von 6 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten befürwortet. Die Umfrage zeigt auch, dass die Schweizerinnen und Schweizer generell an einer restriktiven Finanzpolitik festhalten. Nach dem Wahljahr beurteilen die Stimmberechtigten das finanzpolitische Handeln des Staates wieder deutlich kritischer: 60 Prozent sind heute der Meinung, der Staat habe die Ausgaben nicht im Griff, und 87 Prozent verlangen vom Staat, dass er seine Aufgaben erfüllt, ohne die Einnahmen zu erhöhen. Position economiesuisse Die Schuldenbremse ist konsequent auf die Sozialversicherungen auszudehnen. Nur so können diese nachhaltig gesichert werden. Bereits ab 204 zeichnen sich Engpässe im Bundeshaushalt ab. Die Vorgaben der Schuldenbremse müssen deshalb strikt eingehalten werden. Es gilt, die Aufgabenüberprüfung umzusetzen. Bei den nötigen Strukturreformen ist dem Wunsch der Stimmberechtigten nach einer restriktiven Finanzpolitik Rechnung zu tragen. Überschüsse im Bundeshaushalt sind für den Schuldenabbau zu verwenden. Änderungen an der Schuldenbremse, die dies verhindern wollen, sind abzulehnen. Zusätzliche Steuern und staatliche Mehrausgaben sind zu verhindern.

dossierpolitik, 9. Juli 202 Ergebnisse Finanzmonitor 202 Verlangsamtes Wachstum fordert die Wirtschaft. Wirtschaftliches Umfeld Die Schweiz hat die Wirtschaftskrise im Gegensatz zu anderen Industrieländern bis anhin gut überstanden. Nach dem Einbruch der Exporte und des Wachstums im Jahr 2009 hat sich die Wirtschaft relativ schnell erholt. Die öffentlichen Finanzen sind solide. Bund und Kantone konnten in den letzten Jahren ihre Schulden abbauen, auch wenn sich in naher Zukunft neue Defizite abzeichnen. Die Arbeitslosigkeit lag mit drei Prozent im Mai 202 deutlich unter dem europäischen Durchschnitt von, Prozent. Die anhaltende Schuldenkrise und der starke Franken stellen die Schweizer Wirtschaft indessen weiterhin vor grosse Herausforderungen. Die Europäische Union (EU) ist mit einem Exportanteil von fast 60 Prozent immer noch der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Das Wirtschaftswachstum der Schweiz ist seit einigen Jahren zwar etwas höher als jenes der Europäischen Union (EU-27; Grafik ). Dennoch ist die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz als kleines, offenes Land stark abhängig von jener der EU. Dank der Wechselkursuntergrenze hat die Wirtschaft wieder etwas Tritt gefasst. Erneute Turbulenzen sind aufgrund diverser Risiken und der stark verschuldeten Staaten aber nicht auszuschliessen. Grafik Die Schweiz ist wirtschaftlich eng mit der EU verflochten. Das Wirtschaftswachstum der Schweiz ist deshalb stark davon abhängig, wie sich die Lage in Europa entwickelt. Wirtschaftswachstum der Schweiz und der EU im Vergleich (998 202) Reales Wirtschaftswachstum gegenüber dem Vorjahresquartal in Prozent 5 4 2 0 - -2 - -4-5 -6 Q-998 Q-998 Q-999 Q-999 Q-2000 Q-2000 Q-200 Q-200 Q-2002 Q-2002 Q-200 Q-200 Q-2004 Q-2004 Q-2005 Q-2005 Q-2006 Q-2006 Q-2007 Q-2007 Q-2008 Q-2008 Q-2009 Q-2009 Q-20 Q-20 Q-20 Q-20 Q-202 Europäische Union (EU-27) Schweiz Unsichere Wirtschaftslage spiegelt sich in Umfrageergebnissen. Quelle: OECD Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich in den Umfrageergebnissen des Finanzmonitors. Rund Prozent stellten in den letzten zwölf Monaten eine wirtschaftliche Verschlechterung fest. Dem stehen nur 7 Prozent entgegen, die eine Verbesserung wahrgenommen haben. Noch vor einem Jahr gingen je 26 Prozent von einer Verbesserung respektive Verschlechterung der Wirtschaftslage aus. Auch die Zukunft wird kritischer beurteilt. Rund 26 Prozent der Befragten (gegenüber 6 Prozent vor einem Jahr) gehen für die nächsten zwölf Monate von einer wirtschaftlichen Verschlechterung aus. Die negativen Erwartungen haben damit stärker zugenommen als die positiven. Letztere sind um sechs Prozentpunkte auf 20 Prozent gestiegen.

dossierpolitik, 9. Juli 202 2 Inhalt und Aufbau des Finanzmonitors Der Finanzmonitor ist eine jährliche repräsentative Erhebung, die über die Ansichten der Stimmberechtigten zu relevanten Fragen in der Finanz- und Steuerpolitik Auskunft gibt. Die Konstanz der Fragestellungen und der Erhebungspraxis ermöglicht eine aussagekräftige Analyse und lässt längerfristige Trends feststellen. Damit ist der Finanzmonitor ein Seismograf der öffentlichen Befindlichkeiten, den sich auch die Politik für die Ausrichtung der Finanz- und Steuerpolitik zunutze machen kann. Die Umfrage wird durch das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag von economiesuisse durchgeführt. Die Ergebnisse des Finanzmonitors 202 basieren auf einer repräsentativen Befragung von 00 Stimmberechtigten aus der ganzen Schweiz. Die Befragung wurde zwischen dem 9. April und dem 2. Mai 202 mittels persönlicher Face-to-Face-Interviews realisiert. Zur Bildung der Stichprobe wurden die Ortschaften nach dem Zufallsverfahren ausgewählt. Die Auswahl der jeweiligen Personen erfolgte anhand von Quoten für die Kriterien Alter und Geschlecht. Der Schlussbericht zum Finanzmonitor 202 ist abrufbar unter www.economiesuisse.ch. Schuldenbremse geniesst sehr hohe Zustimmung. Schuldenbremse und Staatsverschuldung Seit Anfang 200 ist die Schuldenbremse auf Bundesebene in Kraft. Sie schreibt vor, dass die Ausgaben des Bundes über einen Konjunkturzyklus hinweg nicht höher sein dürfen als die Einnahmen. Während Krisen weltweit die Staatsschulden ansteigen lassen, konnten die Schulden des Bundes dank der Schuldenbremse bis Ende 20 um rund 20 Milliarden Franken abgebaut werden. Grafik 2 zeigt, dass die Schuldenbremse als erfolgreiches Instrument der Finanzpolitik in der Bevölkerung nach wie vor einen grossen Rückhalt geniesst. Für 64 Prozent der Befragten hat sich die Schuldenbremse bewährt. 8 Prozent wollen sie beibehalten. Grafik 2 8 Prozent setzen auch für die Zukunft auf die Schuldenbremse. Ansichten zur Schuldenbremse Schuldenbremse beibehalten 6 47 2 4 Schuldenbremse bewährt 4 50 2 kann Schuldenzuwachs nicht verhindern 6 6 28 Schuldenbremse abschaffen 6 6 44 voll einverstanden eher einverstanden weiss nicht/keine Antwort eher nicht einverstanden überhaupt nicht einverstanden gfs.bern, Finanzmonitor, April/Mai 202 (N = jeweils 00) Quelle: gfs.bern, Finanzmonitor, April/Mai 202 (N = jeweils ca. 00).

dossierpolitik, 9. Juli 202 Ausdehnung der Schuldenbremse auf die Sozialversicherungen 202 resultiert erstmals eine Mehrheit von 6 Prozent, die die Ausdehnung der Schuldenbremse auf die Sozialversicherungen als sinnvoll erachten würde. Das sind ganze 20 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Die positiven Erfahrungen mit der Schuldenbremse für das Bundesbudget und die Negativbeispiele ausländischer Staatshaushalte könnten diesen Meinungswandel begünstigt haben. Grafik 6 Prozent der Befragten wollen die Sozialversicherungen einer Schuldenbremse unterstellen. Schuldenbremse für Sozialversicherungen 7 2 8 7 gar nicht sinnvoll 8 6 28 8 2 4 eher nicht sinnvoll weiss nicht/keine Antwort eher sinnvoll 29 6 7 20 sehr sinnvoll 20 20 202 gfs.bern, Finanzmonitor, April/Mai 202 (N = jeweils ca. 00) Quelle: gfs.bern, Finanzmonitor, April/Mai 202 (N = jeweils ca. 00). Vor allem auf bürgerlicher Seite fand ein deutlicher Umschwung statt. Insgesamt findet die Ausdehnung der Schuldenbremse auf die Sozialversicherungen im diesjährigen Finanzmonitor aber über alle Parteigrenzen und auch bei den Parteiungebundenen eine klare Mehrheit. Die Zustimmung in der Deutschschweiz ist dabei höher als in der lateinischen Schweiz. Grafik 4 Die Zustimmung zu einer Schuldenbremse für Sozialversicherungen wird über alle Parteigrenzen hinweg geäussert. Schuldenbremse für Sozialversicherungen nach Partei 7 26 4 4 4 6 6 6 7 6 5 9 9 2 9 gar nicht sinnvoll eher nicht sinnvoll 47 45 40 58 4 8 weiss nicht/keine Antwort eher sinnvoll GPS SP CVP FDP.Die Liberalen 25 4 25 SVP 8 keine Partei sehr sinnvoll Quelle: gfs.bern, gfs.bern, Finanzmonitor, Finanzmonitor, April/Mai April/Mai 202 (N 202 = 00), (N = sig. 00), sig. Der Bundesrat hätte es bereits in diesem Jahr in der Hand gehabt, eine vorgezogene Schuldenbremse für die AHV einzuführen. Allerdings hat er dieses Vorhaben wieder auf Eis gelegt, obwohl die finanziellen Herausforderungen und die entsprechenden Risiken für die Versicherung bekannt sind. Die benötigte Zeit-

dossierpolitik, 9. Juli 202 4 spanne für strukturelle Reformen bei der AHV ist in der Schweiz lang. Zudem sind in diesem Bereich politische Blockaden nicht unwahrscheinlich. Damit besteht die Gefahr, dass die nötigen Korrekturen nicht oder zu spät ergriffen werden. Eine vorgezogene Regelung zur finanziellen Absicherung der AHV wäre deshalb angezeigt. Wie der Finanzmonitor 202 zeigt, würde die Ausdehnung der Schuldenbremse auf die AHV auch von der überwiegenden Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger unterstützt. Schweizerinnen und Schweizer befürworten eine konservative Finanzpolitik. Finanzpolitische Strategien Auch in diesem Jahr sind sich die Schweizer Stimmberechtigten bei der Beurteilung der finanzpolitischen Strategien einig. 87 Prozent sind der Meinung, der Bund solle seine Aufgaben mit den bestehenden Finanzmitteln lösen. Mehrausgaben und Steuererhöhungen werden abgelehnt. Vielmehr befürworten steigende 6 Prozent eine gleichzeitige Senkung von Steuern und Ausgaben. Das Ansinnen, neue Aufgaben anzupacken, auch wenn dadurch die Steuern steigen, stösst auf wenig Zustimmung. 80 Prozent sprechen sich klar dagegen aus. Ebenfalls nicht infrage kommt für 84 Prozent das Anpacken neuer Aufgaben mit einer gleichzeitigen Steuererhöhung. Grafik 5 Die Mehrheit der Stimmbevölkerung wünscht, dass die Staatsaufgaben ohne neue Einnahmen gelöst werden. Strategien Staatshaushalt bestehende Aufgaben optimal lösen 52 5 8 2 gleichzeitig Steuern und Ausgaben senken 7 46 2 24 zuerst Steuern, dann Ausgaben senken 4 6 6 neue Aufgaben anpacken 4 44 6 gleichzeitig Aufgaben anpacken/steuern erhöhen 2 4 9 45 voll einverstanden eher einverstanden weiss nicht/keine Antwort eher nicht einverstanden überhaupt nicht einverstanden Erste Priorität bei Überschüssen hat der Schuldenabbau. Quelle: gfs.bern, gfs.bern, Finanzmonitor, Finanzmonitor, April/Mai April/Mai 202 (N = 202 00) (N = 00). Die Schweizerinnen und Schweizer beweisen auch beim Umgang mit Überschüssen im Staatshaushalt Weitsicht und Mass. Seit Jahren schon sprechen sich die Befragten deutlich dafür aus, dass mit allfälligen Überschüssen primär Schulden abgebaut werden sollen. 202 betrug die Zustimmung zu dieser Strategie 58 Prozent. Prozent sprechen sich für den Fall von Überschüssen für Steuersenkungen aus. Höhere Ausgaben fordern nur fünf Prozent der Befragten. Insgesamt hat sich das Meinungsbild im letzten Jahr nicht verändert. Auch im gegenteiligen Fall, also bei Defiziten im Staatshaushalt, sind sich die Stimmberechtigten seit Jahren einig, dass Ausgabenkürzungen gegenüber zusätzlichen Steuern oder einer höheren Verschuldung vorzuziehen sind. So sprechen sich 84 Prozent für Ausgabensenkungen aus. Nur sieben Prozent würden bei Defiziten einer Neuverschuldung zustimmen, für Steuererhöhungen würden sich rund fünf Prozent aussprechen.

dossierpolitik, 9. Juli 202 5 Grafik 6 Die Stimmberechtigten wollen bei Überschüssen zuerst die Schulden abbauen. Nur fünf Prozent votieren für Ausgabenerhöhungen. Trend im Umgang mit Überschüssen im Staatshaushalt 7 6 2 5 5 5 4 4 2 5 5 6 5 5 5 2 24 24 5 27 4 6 6 29 4 5 weiss nicht/keine Antwort die Ausgaben erhöhen die Steuern senken 55 69 65 66 56 64 59 59 58 die Verschuldung abbauen 200 2002 2004 2007 2008 2009 20 20 202 gfs.bern, Finanzmonitor, April/Mai 202 (N = jeweils 00) Quelle: gfs.bern, Finanzmonitor, April/Mai 202 (N = jeweils 00). Trend zu zurückhaltender Ausgabenpolitik bestätigt. Staatsausgaben: Mehrausgaben einzig bei der Bildung Befragt zum Sparpotenzial in den verschiedenen Aufgabenbereichen, wollen 6 Prozent im Asylwesen mehr sparen, 55 Prozent nennen die Armee. Eine Mehrheit für tiefere Ausgaben findet sich auch bei den Löhnen der Verwaltung (52 Prozent). Ein neues Bild zeigt sich bei allfälligen Mehrausgaben. Während zwischen 2008 und 20 Mehrausgaben in keinem Bereich mehrheitsfähig waren, wünscht nun eine knappe Mehrheit von 5 Prozent Mehrausgaben im Bildungswesen. Insgesamt setzt sich aber der Trend zu einer zurückhaltenden Ausgabenpolitik fort. Grafik 7 Zusätzliche Aufgaben sind einzig im Bildungsbereich knapp mehrheitsfähig. Trend Beurteilung öffentlicher Ausgaben Kultur 20 59 2 Polizei 9 57 2 Landwirtschaft 7 57 25 Öffentlicher Verkehr 4 55 29 2 Randregionen 6 2 Öffentliches Gesundheitswesen 56 Forschung 9 56 4 Umwelt/Raumplanung 8 54 5 Bildung 8 40 5 AHV 7 54 8 mehr sparen gleich viel wie jetzt ausgeben mehr ausgeben weiss nicht/keine Antwort Quelle: gfs.bern, gfs.bern, Finanzmonitor, Finanzmonitor, April/Mai April/Mai 202 (N = 202 00) (N = 00).

dossierpolitik, 9. Juli 202 6 Das finanzpolitische Handeln des Staates wird wieder kritischer beurteilt. Aufgaben und Ausgaben des Staates Nach dem Wahljahr beurteilen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger das finanzpolitische Handeln des Staates wieder etwas kritischer. 60 Prozent der Stimmberechtigten sind der Meinung, der Staat habe die Ausgaben nicht im Griff. Dieser Wert hat binnen Jahresfrist um sieben Prozentpunkte zugenommen. Rückläufig sind die Klagen über vernachlässigte Aufgaben: Nur noch 45 Prozent (sechs Prozent weniger) teilen die Auffassung, dass der Staat wichtige Aufgaben vernachlässige. Damit wird diese Meinung nur noch, wie in den Jahren vor 2007, von einer Minderheit geteilt. Dieses Thema scheint aus Bevölkerungssicht wieder ein geringeres Problem zu sein als die Staatsausgaben, die aus dem Ruder laufen. Grafik 8 60 Prozent sind der Meinung, der Staat habe die Ausgaben nicht im Griff. Trend Aussagen zu Behörden 6 60 59 59 60 46 9 50 7 46 5 44 57 55 58 5 5 45 Ausgaben nicht im Griff Vernachlässigung Aufgaben 200 2002 200 2004 2005 2006 2007 2008 2009 20 20 202 Quelle: gfs.bern, gfs.bern, Finanzmonitor, Finanzmonitor, April/Mai April/Mai 202 (N 202 = jeweils (N = jeweils ca. 00) ca. 00).

dossierpolitik, 9. Juli 202 7 Schlussfolgerungen Der Finanzmonitor 202 ergibt, dass erstmals eine Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger eine Ausweitung der Schuldenbremse auf die Sozialversicherungen begrüsst. Damit bestätigen die Stimmberechtigten eine langjährige Forderung von economiesuisse. Seitens der Wirtschaft wird schon seit Längerem die konsequente Einführung von Regeln verlangt, die die finanzielle Nachhaltigkeit der Sozialversicherungen sicherstellen. Auch eine von Avenir Suisse unter 7 führenden Schweizer Ökonominnen und Ökonomen kürzlich durchgeführte Umfrage zeigt, dass die Einführung einer Schuldenbremse bei den Sozialversicherungen als das wichtigste Anliegen gilt, das die Politik in der laufenden Legislatur bis 205 anpacken sollte. 2 Eine Schuldenbremse kann die AHV-Finanzen rechtzeitig sichern. Fokus auf eine Schuldenbremse bei der AHV Im Rahmen der. AHV-Revision wurde eine Schuldenbremse für die AHV diskutiert. Die Revision scheiterte jedoch im Parlament. Wann die nötigen Reformen bei dieser grössten und wichtigsten Sozialversicherung des Bundes umgesetzt werden, kann wegen der Gefahr einer erneuten politischen Blockade nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden. Die Ausdehnung der Schuldenbremse wäre ein geeigneter Schutz vor einem solchen Politikversagen. Eine Schuldenbremse in Form einer bei Unterschreiten gewisser Schwellen automatisch greifenden Interventionsregel könnte die AHV-Finanzen rechtzeitig sichern, bevor die AHV in finanzielle Schieflage gerät. Die IV hat vorgemacht, was passiert, wenn solche Regeln fehlen. Für die IV ist in der laufenden Revision 6b nun zwar eine Schuldenbremse geplant. Deren Sofortmassnahmen sollten sich aber, anders als vom Bundesrat vorgeschlagen, an den vorhandenen Mitteln orientieren. Nur so wird die Politik dazu veranlasst, auch die umfassenden strukturellen Reformen in Angriff zu nehmen. Die Schuldenkrise in Europa zeigt, dass sich eine nachhaltige Finanzpolitik gerade auch bei den Sozialversicherungen auszahlt. Frühzeitige und moderate Anpassungen können verhindern, dass später kurzfristig einschneidende Massnahmen beschlossen werden müssen. Ohne stabile Verhältnisse bei den öffentlichen Finanzen und den Sozialversicherungen ist weder nachhaltiges Wirtschaftswachstum noch nachhaltige soziale Sicherheit möglich. Der diesjährige Finanzmonitor zeigt einmal mehr, dass die Stimmbevölkerung eine zurückhaltende Finanz- und Steuerpolitik unterstützt. Der Staat soll zur Bewältigung der anstehenden Aufgaben mit den Mitteln arbeiten, die er zur Verfügung hat. Allfällige Überschüsse sollen in erster Linie zum Schuldenabbau und als zweite Priorität für Steuersenkungen verwendet werden. Bundesrat und Parlament sind gefordert, diesen Befindlichkeiten Rechnung zu tragen. Vgl. economiesuisse (2008). Nachhaltige Finanzpolitik für Wachstum und Wohlstand. www.economiesuisse.ch/de/pdf%20download%20files/dosspol_fipo_2008074.pdf. 2 Gerhard Schwarz, Die Schweizer Ökonomen fordern eine weitsichtige Sicherung der Sozialwerke, (Online-Artikel vom. Januar 202, abrufbar über www.avenir-suisse.ch).

dossierpolitik, 9. Juli 202 8 Für zusätzliche Ausgaben besteht kein Spielraum. Bereits ab 204 drohen Engpässe Die aktuellen Zahlen der Finanzverwaltung zeigen, dass der Bundeshaushalt ab 20 zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder ein Defizit aufweisen wird. Bereits ab 204 drohen bedeutende Engpässe in dreistelliger Millionenhöhe. Für zusätzliche Ausgaben besteht deshalb kein Spielraum. Das Parlament hat heute schon die Möglichkeit, den Herausforderungen entgegenzutreten. Es entscheidet dieses Jahr über vier wichtige Rahmenkredite in den Bereichen Bildung und Forschung, Entwicklungszusammenarbeit, Landwirtschaft und Bahninfrastruktur, die den Bundeshaushalt in den nächsten Jahren massgeblich prägen werden. Bereits ein etwas moderateres Ausgabenwachstum, etwa bei den weiterhin sehr stark steigenden Ausgaben in der Entwicklungspolitik, würde den Bundeshaushalt spürbar entlasten. Wo Mehrausgaben beschlossen werden, sind diese in jedem Fall zu kompensieren, um die finanziellen Engpässe nicht noch zu vergrössern. Dass Handlungsspielräume im Bundeshaushalt wichtig sind, haben die Stabilisierungsmassnahmen in den Krisenjahren 2009 bis 20 und die Massnahmen im letzten Jahr gegen die Frankenstärke gezeigt: Diese konnten voll im Rahmen der Schuldenbremse finanziert werden. Auch künftig werden Handlungsspielräume entscheidend sein. Diese zu schaffen ist Aufgabe und Ziel der Aufgabenüberprüfung. Das Parlament hat sich kürzlich erneut zu diesem Projekt bekannt. Wenn der Bundesrat dazu im Herbst eine Vorlage vorlegen wird, ist das Parlament beim Wort zu nehmen. Höhere Steuern zur Finanzierung neuer Aufgaben sind jedenfalls kein Weg das zeigt der diesjährige Finanzmonitor einmal mehr eindrücklich. Rückfragen urs.furrer@economiesuisse.ch marialuisa.leanza@economiesuisse.ch Impressum: economiesuisse, Verband der Schweizer Unternehmen Hegibachstrasse 47, Postfach, CH-802 Zürich www.economiesuisse.ch