Nachbericht: Diagnose Alzheimer Experten informieren, September 2018

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Nachbericht: Diagnose Alzheimer Experten informieren, September 2018 Eines ist sicher: Abwarten hilft bei Alzheimer-Verdacht nicht! Am 20. September, kurz vor dem Welt-Alzheimer-Tag, klärte die gemeinnützige Alzheimer Forschung Initiative e.v. (AFI) aus Düsseldorf mit der Veranstaltung Diagnose Alzheimer Experten informieren über die Alzheimer-Diagnose und die herausfordernde Zeit danach auf. TV-Journalistin und AFI-Botschafterin Okka Gundel führte durch die Veranstaltung. Ich bin beeindruckt, dass am letzten Sommertag so viele gekommen sind, begrüßte sie die über 300 Teilnehmer im Haus der Technik in Essen. Eine Diagnose schafft Klarheit, aber man muss damit auch zurechtkommen, das weiß Okka Gundel aus eigener Erfahrung, denn: Meine Oma hatte Alzheimer. Sie ist 2003 gestorben. Auch deshalb ist ihr die Aufklärung über die Alzheimer-Krankheit und die Unterstützung der Angehörigen eine Herzensangelegenheit. 300 Teilnehmer verfolgten die Vorträge unserer Experten und stellten zahlreiche Fragen. Die AFI ist unabhängig von staatlichen Stellen und der Pharmaindustrie, stellte Dr. Ellen Wiese, Vorstandsmitglied der AFI, heraus. Das bedeutet, dass die Ziele der AFI Förderung der Alzheimer-Forschung und Information der Öffentlichkeit über die Alzheimer-Krankheit ohne Einflussnahme von Dritten verfolgt werden können. Deshalb zählt die AFI auf die Unterstützung aus der Bevölkerung. Ohne Sie, liebe Spender, hätten wir das nicht geschafft. Ohne Sie wären wir gar nichts, sagte Dr. Wiese. So konnte die AFI bisher 230 Forschungsaktivitäten mit über 9,2 Millionen Euro unterstützen. Damit ist sie der größte private Förderer der Alzheimer-Forschung in Deutschland. Zusätzlich konnten 800.000 kostenlose Ratgeber und Broschüren an Interessierte und Betroffene versendet werden. Wir 1

haben bereits viel erreicht. Aber Alzheimer ist eine komplizierte Erkrankung und viele verschiedene Puzzleteile müssen noch gefunden werden, so die gelernte Molekularbiologin. Der kurze Animationsfilm Alzheimer: Eine dreidimensionale Entdeckungsreise stimmte die Besucher anschließend auf die Vorträge der vier Referenten ein. Wer die Reise ins menschliche Gehirn noch einmal miterleben möchte, kann den Animationsfilm auf der Webseite der AFI unter www.alzheimer-forschung.de in der Rubrik Alzheimer ansehen. Szene aus dem Film Alzheimer: Eine dreidimensionale Entdeckungsreise 1. Vortrag: Gedächtnissprechstunde Wie wird Alzheimer diagnostiziert? Wer sich Sorgen macht, sollte sich testen lassen, sagte Prof. Richard Dodel, Chefarzt des Essener Geriatrie-Zentrums Haus Berge. In der Memoryklinik (Gedächtnisambulanz) bieten Prof. Dodel und sein Team Diagnostik, Therapie, Langzeitbetreuung, Sozialberatung und Angehörigenberatung bei Demenz an. Wie genau eine Alzheimer-Diagnose in der Praxis gestellt wird, führte der Neurologe in seinem Vortrag aus. Per Definition muss für eine Alzheimer-Diagnose neben einer Gedächtnisstörung eine weitere Beeinträchtigung, beispielsweise eine Sprachstörung, eine Bewegungsstörung oder eine Sinnesstörung, vorliegen. Die Diagnostik beginnt mit einem Arzt-Gespräch (Anamnese), das gern auch von einem Angehörigen begleitet werden kann. Dabei werden aktuelle und vergangene körperliche Beschwerden, Behandlungen und die Einnahme von Medikamenten abgefragt. Danach werden psychometrische Tests gemacht, durch die der Schweregrad der Gedächtnisstörung festgestellt werden soll. Diese Tests bestehen vor allem aus Fragen sowie Gedächtnis- und Zeichenaufgaben und dauern zwischen 15 und 40 Minuten. 2

Ergeben sich dabei Hinweise auf demenzielle Symptome, werden in der Folge eine Blutuntersuchung und eine Bildgebung des Gehirns vorgenommen. Die Blutuntersuchung dient insbesondere dem Ausschluss anderer Krankheiten, die ebenfalls zu Gedächtnisstörungen führen können. Die Bildgebung, meist mittels MRT, soll die Diagnose weiter erhärten. Ist die Diagnose dann noch nicht eindeutig, kann auch die Untersuchung des Nervenwassers mit hoher Sicherheit Aufschluss über eine Alzheimer-Erkrankung liefern. Derzeit forschen viele Teams in der ganzen Welt an Bluttests zur Alzheimer-Diagnose. In Zukunft könnte also womöglich eine einfache Blutuntersuchung Aufschluss darüber geben, ob jemand an Alzheimer erkrankt ist oder erkranken wird. Diese Diagnosemethode, die auch in AFI-geförderten Projekten erforscht wird, könnte den klinischen Alltag und die Erforschung der Krankheit deutlich vereinfachen. Prof. Dr. Richard Dodel erläuterte die Diagnose-Stellung in einer Gedächtnissprechstunde. Prof. Dodel betont, dass eine möglichst frühe Diagnose aus zwei Gründen sinnvoll sei: Erstens sind 9% aller Demenz-Ursachen behandelbar. Je früher die entsprechende Krankheit identifiziert werden kann, desto effektiver kann sie auch behandelt werden. Zweitens wirken im Falle der Alzheimer-Krankheit die verfügbaren Medikamente insbesondere in den frühen Phasen der Erkrankung: Die Alzheimer-Erkrankung kann bisher nicht dauerhaft aufgehalten werden, wir können aber mit den bisherigen Medikamenten den Zustand für sechs bis zwölf Monate einfrieren. Zudem können Nebenwirkungen besser behandelt werden. Seinen Vortrag schloss Prof. Dodel mit einem kleinen Hoffnungsschimmer: Alzheimer ist eine furchtbare Krankheit, aber wenn man von heute 20 Jahre zurückblickt, dann hat sich bereits einiges getan, auch durch die Unterstützung der AFI. 3

2. Vortrag: Vererbung Ist Alzheimer vorbestimmt? Allen Erbkrankheiten ist gemein, dass sie äußerst selten sind. Das betrifft auch die vererbbare Form von Alzheimer, beruhigte Privatdozent Dr. Ulrich Finckh zu Beginn seines Vortrags die Zuhörer. Der Humangenetiker, der in Dortmund eine eigene Sprechstunde anbietet, gab einen Einblick in das für Laien oft unübersichtliche Terrain der Genetik. Die Experten unterscheiden zwei Formen der Alzheimer-Krankheit: die genetisch vorherbestimmte familiäre Form in Abgrenzung zur sporadischen Form. Auf die familiäre, also erblich bedingte Form der Krankheit entfallen weniger als ein Prozent aller Alzheimer-Fälle. Es sind bisher drei Gene bekannt, die für diese Form verantwortlich sind. Wenn eines dieser Gene Mutationen aufweist, bricht die Alzheimer-Krankheit in jedem Fall aus. Betroffene erkranken in der Regel sehr früh, zwischen dem 30. und 60. Lebensjahr. Die Krankheit wird autosomal-dominant vererbt, das heißt, wenn ein Elternteil betroffen ist, besteht eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder ebenfalls betroffen sind und damit auf jeden Fall erkranken. PD Dr. Ulrich Finckh: Der Unterschied zwischen sporadischem und familiärem Alzheimer. Bei über 99 Prozent aller Alzheimer-Erkrankungen stellt das Alter das größte Erkrankungsrisiko dar. Die Symptome beginnen bei dieser sporadischen Form meistens erst ab dem 65. Lebensjahr. Allerdings scheint es auch hier einen genetischen Einfluss zu geben. Beispielsweise erhöht die Gen-Variante ApoE4 das Erkrankungs-Risiko, auch wenn es nicht zum sicheren Ausbruch führt. Die Gen-Variante ApoE4 könnte bei bis zu 25 Prozent aller Alzheimer-Fälle eine Rolle spielen. Es wurden weitere Gene identifiziert, die das Alzheimer-Risiko erhöhen 4

können. Diese Risiko-Gene erhöhen damit zwar das individuelle Erkrankungsrisiko, führen jedoch nicht zwangsläufig zu einer Erkrankung. Besteht ein Verdacht auf eine Alzheimer-Erkrankung der familiären Form, kann der Erkrankte diese Diagnose durch eine genetische Testung feststellen lassen. Dr. Finckh wies die Teilnehmer nachdrücklich darauf hin, dass diese Entscheidung mit der ganzen Familie getroffen werden sollte, da alle Nachkommen mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit ebenfalls Träger der familiären Alzheimer-Form sind. An dieser Stelle bekommt die genetische Diagnostik eine ethische Dimension. Auf der einen Seite steht das Recht auf Nichtwissen, insbesondere auch der Nachkommen. Auf der anderen Seite das Recht auf Information. Der Humangenetiker betonte, dass das Abwiegen dieser beiden fundamentalen Rechte immer auf informierter Grundlage getroffen werden sollte. Erst wer die Tragweite seiner Entscheidung genau einzuschätzen in der Lage ist, kann sich für oder wider die Diagnostik entscheiden. Genetisch vorherbestimmt ist also nur ein sehr kleiner Teil der Alzheimer-Erkrankungen. Bei allen anderen spielt neben genetischen Risikofaktoren insbesondere der individuelle Lebensstil eine große Rolle. Informationen zu Möglichkeiten der Alzheimer-Vorbeugung finden Sie auf www.alzheimer-forschung.de unter Alzheimer Vorbeugen & Vorsorgen. In der Pause nutzten die Teilnehmer die Gelegenheit, unseren Experten Fragen zu stellen. 5

3. Vortrag: Einblick in die Forschung Alzheimer-Diagnose im Schlaf? Vielen Dank, dass ich hier sein darf, es ist eine tolle Gelegenheit für mich, vor einem so großen Publikum zu sprechen, begrüßte Benedikt Zott vom Institut für Neurowissenschaften der Technischen Universität München die Zuhörer. Der junge Experte für Gehirnnetzwerke und Schlaf stellte das aktuelle Forschungsprojekt Untersuchung von gestörten Schlafwellen bei Alzheimer-Patienten vor, das von der AFI mit dem Kurt Kaufmann-Preis unterstützt wurde. Schlaf und Gedächtnis hängen eng zusammen, erläuterte Herr Zott. Besonders im Tiefschlaf kommt es zur Verstärkung gelernter Inhalte durch Wiederholung. Dabei werden Informationen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis übertragen. Der Tiefschlaf verstärkt also die Gedächtnisbildung. Daher spielt die Schlafqualität eine entscheidende Rolle: Fast 40 Prozent der Alzheimer-Patienten leiden an einer Störung des Tiefschlafs. Und diese Schlafstörungen können bereits 15 Jahre vor Ausbruch der ersten Krankheitssymptome auftreten. Eine Störung der Tiefschlafwellen lässt sich allerdings nur im Schlaflabor feststellen, da sich diese Form der Schlafstörung nicht durch Aufwachen oder unruhiges Schlafverhalten bemerkbar macht. Man sollte jede Nacht mindestens sechseinhalb Stunden schlafen, empfiehlt Benedikt Zott. Sind diese Schlafstörungen Symptom oder Auslöser der Alzheimer-Krankheit?, fragte Herr Zott und lieferte sofort die Antwort: Beides. Die Alzheimer-Krankheit kann bereits früh zur Störung des Tiefschlafs führen, da sie die Reizübertragung bestimmter Hirnregionen stört. Dies verstärkt wiederum die Alzheimer-Symptome. Dadurch entsteht ein Teufelskreis von gestörtem Tiefschlaf und Gedächtnisverlust. 6

Allgemein sind Schlafstörungen mittlerweile ein anerkannter Risikofaktor für die Alzheimer- Krankheit, da im Schlaf das giftige Amyloid-Beta-Protein aus dem Gehirn abtransportiert wird, das für den Ausbruch der Krankheit mit verantwortlich gemacht wird. Nicht nur die Qualität, auch die Menge des Schlafs ist dabei entscheidend. Wer dauerhaft weniger als sechseinhalb Stunden pro Nacht schläft, erhöht nachweislich sein Alzheimer-Risiko. Durch den nachgewiesenen Zusammenhang von Schlafstörungen und Alzheimer werden Schlafstörungen als Kriterium für die Früherkennung der Alzheimer-Demenz diskutiert. Bisher ist dieser Zusammenhang aber noch nicht ausreichend erwiesen, um es in den Kriterienkatalog für eine Diagnosestellung aufzunehmen. Hoffnung machten Herr Zotts Ausführungen zu den Tests einer neuen Medikamentengruppe, den sogenannten Beta-Sekretase-Hemmern. Diese zeigten in ersten Studien neben dem Abbau des Amyloid-Proteins im Gehirn auch eine Verbesserung der Tiefschlafwellen und der Gedächtnisleistung von Alzheimer-Patienten, so der Referent. Die ersten Ergebnisse der aktuellen Studien werden aber erst im Jahr 2020 erwartet. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten. 4. Vortrag: Diagnose Alzheimer Was nun? Praktische Tipps zur Situation von Erkrankten und ihren Angehörigen nach einer Alzheimer- Diagnose hatte Detlef Rüsing mitgebracht. Der gelernte Altenpfleger, Pflegewissenschaftler und Leiter des Dialog- und Transferzentrum Demenz an der Universität Witten/Herdecke hatte ein zentrales Anliegen im Umgang mit Demenz-Patienten: Alzheimer bedeutet für die Erkrankten ein ständiges Erleben von Fremdheit. Und das macht Angst, sagte Rüsing. Wir müssen mit den Alzheimer-Patienten sprechen und nicht nur mit den Angehörigen. Um Patienten diese Angst zu nehmen, ist es wichtig, dass sie Herr über ihr Leben bleiben. Während die kognitiven Fähigkeiten bei den Patienten nachlassen, bleiben die Emotionen intakt, auch wenn sie diese nicht immer eindeutig ausdrücken können. Die Patienten in die Entscheidungen zu Therapien und Pflege einzubeziehen, entspricht nicht nur ihren grundlegenden Rechten, sondern fördert auch ihr Wohlbefinden. Und dass die Patienten sich ernst genommen fühlen, ist laut Rüsing besonders wichtig, denn: Es geht in erster Linie um die, die es haben. Eine Alzheimer-Diagnose kann für die Betroffenen eine Erleichterung sein, da sie die bestehenden Probleme benennbar macht. In den meisten Fällen geht sie allerdings mit Zukunftsängsten und Verzweiflung einher. Die Erkrankten ebenso wie die Angehörigen sollten 7

sich Vertraute im Familien- oder Freundeskreis suchen, mit denen sie sich über die Erkrankung austauschen können. Auch Selbsthilfegruppen können gerade auch bei praktischen Fragen von großem Wert sein. Therapeutische Maßnahmen sollten so früh wie möglich angenommen werden. Neben Medikamenten sind auch nicht-medikamentöse Therapien sehr hilfreich, um die Lebensqualität der Erkrankten möglichst lange zu erhalten. Herr Rüsing legte den Teilnehmern insbesondere Angebote der Ergotherapie, Logopädie und Psychotherapie ans Herz. Mit Alzheimer gibt man seine Menschenrechte nicht an der Garderobe ab, so Detlef Rüsing. Bestmögliche Versorgung heißt nicht, dass ich es selbst mache, gab Herr Rüsing auch den Angehörigen mit auf den Weg. Laut Untersuchungen der Krankenkassen sind pflegende Angehörige häufiger krank, häufiger beim Arzt und benötigen mehr Medikamente als andere, daher: Denken Sie auch an sich selbst. Wichtig ist vielmehr, mit dem Erkrankten gemeinsam zu klären, wie er betreut und gepflegt werden möchte. Wir müssen uns fragen, wie wir mit einer Demenz leben wollen, so Rüsing. Wer sich diese Frage offen und ehrlich selbst beantwortet, wird im Alter seine Wünsche besser formulieren können. Eine Patientenverfügung hilft hier weiter, ebenso wie die Klärung der wichtigsten finanziellen Fragen in einem Testament. Doch auch nach einer Demenzdiagnose, so der Referent zum Abschluss, gilt: Vor allem nicht vergessen zu leben! 8

Vier Referenten, eine Meinung: Gehen Sie zum Arzt, wenn Sie oder Ihr Umfeld Gedächtnisprobleme bei sich bemerken. Je früher Sie die Beschwerden abklären lassen, desto eher können Sie sich im Falle einer Demenzdiagnose noch selbstbestimmt um die wichtigen Zukunftsfragen kümmern. Mit der Veranstaltung und diesem Nachbericht möchten wir Ihnen Mut machen, sich früh mit möglichen Gedächtnisproblemen und ihren Folgen auseinanderzusetzen. Auch mit der Alzheimer-Krankheit ist das Leben lebenswert! Weitere Informationen rund um die Alzheimer-Krankheit finden Sie auf unserer Internetseite www.alzheimer-forschung.de in der Rubrik Alzheimer. Über 300 Teilnehmer informierten sich bei der kostenlosen Veranstaltung der AFI. Das Team der Alzheimer Forschung Initiative e.v. (AFI) bedankt sich für Ihr Interesse und freut sich über Ihre Unterstützung. Ihre Spende hilft beim Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit. Fotos: Claudia Posern/ Fotostudio Essen 9