Konkurrenz um den Kunden



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Transkript:

Autohersteller und Autohäuser Konkurrenz um den Kunden Customer Relationship Management verknüpft die Kundenprofile systematisch und sortiert sie nach Profithaltigkeit. Das hat Folgen für die Beschäftigten. Vielfach steht Leistungsverdichtung an. Vielfach wird das neue System gefüttert und daneben die vertraute, persönliche Kundendatei weitergeführt. Foto: picture alliance Von Wolfgang Rudolph. Die Autoindustrie treibt den Ein- jüngsten Händlerverträgen erhöht ten. So reagieren die Autohäuser auf Der Autor ist wissenschaftlicher satz des Customer Relationship Ma- sich dieser Druck. die Einführung von Customer Rela- Mitarbeiter des Büros für Sozialfor- nagements (CRM) voran. Die Auto- tionship Management durchaus ge- schung in Kassel. hersteller versprechen sich von CRM offenkundig eine stärkere Bindung der individuellen Käufer an die jeweilige Automarke. Bis dato sind die Autohäuser an der kurzen Leine der Marken-Hersteller spalten. Einerseits werden sie dazu gezwungen, andererseits hegen viele die Hoffnung, auch die eigenen Kundenbeziehungen mittels CRM ver- Kunden der Autoindustrie in erster Doch gleichzeitig gibt es auch Ge- bessern zu können. Linie autorisierte Markenhändler gentendenzen: So stärkt die seit 2002 Wem aber gehören die über CRM und eigene Vertriebsniederlassungen. in Kraft befindliche Kfz-Gruppen- gewonnenen Daten? Das Customer Denen macht die Autoindustrie mitt- freistellungsverordnung (GVO) der Relationship Management führt zu lerweile strikte und kostentreibende EU eher die Position des Handels. einer enormen Kompetenzauswei- Vorgaben. So müssen die Händler Insgesamt befindet sich das Kfz- tung bei den Autoherstellern, was ihre Show-Rooms einheitlich gestal- Gewerbe in einem Strukturwandel, das Erlangen von Kundendaten und ten, das geht bis zum Design der der gekennzeichnet ist durch einen damit von Wissen über Kundenpro- Kundentoilette oder Vorschriften zur Konzentrationsprozess, rückläufige file anbelangt. Umgekehrt betrachtet Raumtemperatur. Mit der Einfüh- Verkaufszahlen und geringere Inan- bedeutet dieser Schritt eine Ein- rung von CRM-Systemen in den spruchnahme autorisierter Werkstät- schränkung der Kernkompetenz der 34

Autohäuser, nämlich die Verfügung über die Kundendaten. Zumindest haben sie nicht mehr die Hoheit über diesen Bereich ihres unternehmerischen Handelns. So ist die Frage, wem die CRM-Kundendaten gehören, eine der Problemzonen zwischen Hersteller und Autohaus. Andere Problemlagen für Autohäuser sind: die Berücksichtigung des Datenschutzproblems; die mit CRM verbundenen Kosten für Software, Hardware, Weiterbildung und Unternehmensorganisation, die oft nur teilweise und nicht überall vom Hersteller übernommen werden; der Einsatz von CRM bei Mehrmarken- Händlern; Reibungsverluste in der Einführungsphase von CRM, die in mangelnder Koordination der Kundenmaßnahmen zwischen Hersteller und Autohaus bestehen, aber auch betriebsintern, wenn Beschäftigte keinen Sinn im enorm anwachsenden Berichtsverfahren sehen, bei Datengewinnung und -pflege. CRM wirkt sich auf die Qualität der Arbeit aus Obwohl sich der Einsatz von CRM im Kfz-Gewerbe noch vielerorts in der Phase der Implementierung und Erprobung befindet, zeichnen sich bereits Folgen für die Beschäftigten ab. So stellt sich die Frage, ob CRM ein Instrument der Leistungskontrolle ist. Bei der Vorstellung eines CRM- Programms fiel uns ein Modul auf, das dem Verkaufsleiter im Autohaus ermöglicht, jederzeit und aktuell auf alle erfolgten (und nicht erfolgten) Bearbeitungsschritte bei Kundenvorgängen seitens jedes einzelnen Verkäufers zuzugreifen. Diese können, sozusagen auf Knopfdruck, beliebig sortiert, selektiert, nach verschiedenen Zeiträumen dokumentiert und miteinander verglichen werden. Das eröffnet Möglichkeiten der Leistungs- und Verhaltenskontrolle, unabhängig davon, ob sie beabsichtigt sind oder nicht. In Betrieben mit Z 35

Z Betriebsrat kann dieser im Rahmen der Mitbestimmungsrechte nach 87 kaufsleistung gemeinhin ein zusätzlicher Eingabe-, Datenpflege- und nächsten noch übertroffen werden möge? Und: Wo viel berichtet wird, (1) 6. BetrVG Einfluss nehmen, in- Berichtsaufwand am System betrie- treten auch individuelle Fehler zu dem etwa lediglich eine gruppenbe- ben werden muss. In diesem Zusam- Tage. Die deshalb zurückhaltende zogene Auswertung zugelassen ist. menhang sind die Auswirkungen auf Reaktion im Umgang mit dem neu- Grundsätzlich müsste geprüft wer- die Beschäftigten besonders gravie- en System muss man noch nicht den, ob solche potenziellen Überwa- rend, wenn gegenüber dem CRM- verdeckten Widerstand nennen, sie chungsfunktionen zweckmäßig sind. Programm keine Akzeptanz besteht. ist aber zumindest durch fehlende Studie Denn natürlich werden CRM-Syste- Akzeptanz, Motivation und Trans- CRM im Kraftfahrzeug-Gewerbe Untersuchung zur Neuordnung der Kundenbeziehungen lautet der Titel der Studie, die 2003/04 me mit dem Ziel der Effizienzmaximierung eingesetzt. Dazu gehört es, den Verkaufserfolg jederzeit zu ermitteln und vergleichen zu können. Beschäftigte greifen zu doppelter Buchführung parenz gekennzeichnet. Die Folge ist: Autos werden weiterhin verkauft, der Verkäufer wird ja nicht untätig. Alibi-Berichte in der Zentrale aber vom RKW der deutschen Wirt- CRM kann sich auch auf betrieb- Es gibt Akzeptanzprobleme bei den trocknen den Grundgedanken von schaft gefördert wurde. Sie basiert liche Öffnungs- und Arbeitszeiten Beschäftigten. Auch aus anderen CRM und damit dessen möglichen auf Expertengesprächen und auswirken, wenn zum Beispiel in ei- Branchen der Wirtschaft kennt man Effizienzgewinn irgendwann aus. Recherchen in Autohäusern zweier nem Autohaus über eine Kundenbe- mittlerweile die so genannte dop- Die Alternative bestünde darin, deutscher Automobilhersteller und fragung festgestellt wird, dass eine pelte Buchführung. So gibt etwa den Endbediener bereits vor System- bei einem Importeur. spezielle Kundenschicht einen Re- ein Verkäufer nur die Daten in das festlegung zu beteiligen, was auch In- Die Studie wurde angeregt von den paraturservice auch am Samstag neue System ein, die ihm als Pflicht- novationspotenziale freisetzen kann. Fachausschüssen und Betriebsräten wünscht. Ob solche Wünsche dann übung vorgeschrieben werden. Er er- Auch kann Akzeptanz nur dann ent- der IG Metall von Ford, Daimler- auch in relevanter Zahl zu echten füllt formal das Minimum dessen, stehen, wenn man vom Sinn dessen, Chrysler und VW. IG Metall-Vor- Samstags-Kunden führen, sei dahin- was ihm CRM abverlangt. Seine re- was einem zu tun vorgegeben ist, standsmitglied Wolfgang Rhode gestellt. Fatal wäre es jedenfalls, alen Kontakte und Berichte hat er im auch überzeugt ist. Die Vorteile der hat die Untersuchung gemeinsam wenn gegenüber der Belegschaft eigenen System gespeichert, sei es Aufgabenstellungen müssen erkenn- mit dem Sozialpartner, dem Zen- CRM als Alibi für jede betriebliche im Kopf, in einer Handkladde oder bar sein, sei es unter dem Aspekt des tralverband des Deutschen Kraft- Entscheidung herhalten müsste, die in einem Winkel der Software, die betriebswirtschaftlichen Nutzens, sei fahrzeuggewerbes, beim RKW in irgendeiner Weise Kundeninter- betrieblich längst als out of date es unter dem Aspekt des ganz per- initiiert. essen dienen könnte. Damit würde betrachtet wird. So hat er es immer sönlichen Nutzens für das, was die man nicht dazu beitragen, die Ak- gemacht. Das neue System erscheint eigene Tätigkeit ausmacht. zeptanz von CRM innerhalb der Be- ihm lästig, der Zwang zur Bedie- Eine stärkere Kundenorientierung legschaft zu erhöhen, man würde sich nung als fremdbestimmt. CRM er- bringt auch Beschäftigte die über auch beteiligungsorientierter betrieb- höht sein Zeitbudget für die Tätig- wenig Erfahrung im Umgang mit licher Gestaltungsmöglichkeiten be- keit am Schreibtisch bzw. Bildschirm Kunden verfügen mit diesen in Kon- rauben. Zumal die betrieblichen Ar- und hält ihn davon ab, seiner eigent- takt. So sind nicht selten in der Re- beits- und Öffnungszeiten auch lichen Tätigkeit, dem Verkaufen, paraturannahme Mitarbeiter tätig, ohne CRM in vielen Autohäusern nachzugehen. Seine Provision erhöht die über eine rein technische Ausbil- ein ständiges Thema darstellen. sich nicht durch Datenpflege, son- dung verfügen. Qualifizierende Maß- Außerdem wirkt sich der Einsatz dern durch das Verkaufen von Autos. nahmen in Richtung Kundenkon- von CRM-Systemen leistungsverdich- In manchen Fällen kommen Ängs- taktmanagement würden zu einer tend auf die Beschäftigten aus. Das te hinzu. Erhöht die aufwändige Pro- Erweiterung der individuellen Kom- wurde uns mehrfach von Mitarbei- tokollierung aller Daten und deren petenz und zu einer Steigerung der tern und von Betriebsratsmitgliedern unmittelbare Auswertung am Bild- Kundenzufriedenheit führen. Auch aus Autohäusern berichtet. Leistungs- schirm des Verkaufsleiters nicht auch Beschäftigte, die mit CRM-Software verdichtung entsteht allein dadurch, dass neben der zu erbringenden Ver- dessen Begehrlichkeit, dass der Verkaufserfolg dieser Woche in der umzugehen haben, werden oft nur unzureichend geschult. Meist erhal- Z 36

Individuelle Maßfertigung statt Massenproduktion Die Philosophie von CRM Die Unternehmen sehen sich gezwungen, den Kunden mit speziellen Angeboten zu locken zumal im Zuge von steigendem Wettbewerb und der Angleichung der Produkte. Denn wenn der Absatz stockt, haben die Hersteller ein Problem. So reifte in den 90er Jahren eine Idee: den Kunden besser zu erkunden. Was weiß die Industrie, also zum Beispiel ein Autohersteller, über vorhandene und potenzielle Kunden? Über ihr Verhalten, ihre Wünsche und Bedürfnisse? Müsste man nicht dem Ziel weg von der Massenfertigung hin zum individuellen Produkt durch eine intelligente Produktions- und Marketingstrategie näher kommen können? Dazu muss man wissen: Wer kauft welches Produkt, zu welchen Gelegenheiten und in welchen Abständen? Welche Kundengruppe bringt den höchsten Ertrag? Wie kann man diese Kundengruppe an das Fabrikat binden? Außerdem setzt ein solches Konzept voraus, dass man die Kunden auch erreichen kann. Neue Kommunikationswege und -kanäle und deren optimale Nutzung wären erforderlich, um auf eine individuelle Anfrage mit einem individuellen Angebot antworten zu können. Besser noch: Man weiß im Voraus, welche Wünsche der Kunde hat, und liefert zur rechten Zeit spezielle Offerten und Kaufanreize. Die Universitäten von Atlanta, Cranfield und Stockholm hatten maßgeblichen Anteil an der Entwicklung eines solchen Konzepts. Man nannte es Customer Relationship Management, kurz CRM. Das Motto Statt Kunden für Produkte gilt es, Produkte für die Kunden zu finden kennzeichnet bereits das wesentliche Unterscheidungsmerkmal von herkömmlichen Kundenbindungsmodellen: Während das klassische Marketing vom Produkt ausgeht und sich mit der Frage beschäftigt, wo man dafür möglichst viele Kunden findet, tritt die individuelle Maßfertigung (Customization) an die Stelle des Massenprodukts. Im traditionellen Marketingdenken besitzen alle Kunden den gleichen Stellenwert. CRM jedoch beurteilt die Kunden nach ihrer Profitabilität, und so werden sie auch nach ihrer Wertigkeit selektiert. Das Unternehmen investiert vorrangig in jene Kunden, die den Unternehmenswert messbar steigern. Diese Investitionen rentieren sich zudem um ein Vielfaches, wenn mit CRM an die Stelle des einmaligen Verkaufens die Kundenlebenszeitperspektive tritt (Lifetime Value). Die Idee ist, den Kunden ein Leben lang zu begleiten und ihm in den jeweiligen Phasen ein entsprechendes Produkt anzubieten. CRM bedeutet die unternehmensorganisatorische Umstellung auf die Anforderungen der Kundenorientierung. Die entsprechende Software hat dabei unterstützende Funktion; alle Abteilungen, die im Unternehmen Kundenkontakt haben, alle Kontaktpunkte zum Kunden, werden in CRM integriert. Das sind im Autohaus Marketing, Vertrieb und Service. Auch werden sämtliche Kommunikationskanäle zum Kunden zusammengeführt. In der Regel sind das die Kundengespräche anlässlich von Besuchen, Briefpost, Telefon, Fax und E-Mail, mitunter auch SMS-Mitteilungen. 37

Foto: picture alliance Internet Z ten sie eine kurze Einweisung in das System und müssen Anwendungsprobleme eigenständig lösen. Wer Kundenwissen zusammenführen will, muss auch im Unternehmen integrieren können. Wenn zum Beispiel in der Werkstatt eines Autohauses und im Verkauf unterschiedliche betriebliche Kulturen herrschen. CRM-Zirkel auf Zeit, die Beschäftigte aus unterschiedlichen Abteilungen vereinen, um kundenorientierte www.igmetall.de/branchen/handwerk/ Infos zur Kfz-GVO www.zdk-online.de Zahlen, Fakten, Statements zum Kfz-Gewerbe www.competence-site.de/crm/nsf/ zum Thema CRM mit Infos aus Wissenschaft und Praxis www.crm-portal.de CRM-Trends und Anwendungen Maßnahmen umsetzbar zu machen, können ein probates Mittel darstellen, aus CRM auch Nutzen zu ziehen für das Entstehen einer übergreifenden Betriebskultur. Aber brauchen Autokunden überhaupt CRM? Auf der einen Seite ist die Branche, die ein hochwertiges Produkt verkauft, in der Tat darauf angewiesen, enge Kundenbeziehungen zu unterhalten und ihr Wissen über dieses Wesen Kunde und dessen Konsumverhalten auszuweiten. Aber wollen das die Kunden? Niemand fragt sie selbst, weder die Entwickler von CRM noch die Verfechter dieses Systems in der Automobilindustrie. Selbst CRM-Experten auf der Herstellerseite warnen, ebenso wie Praktiker im Autohandel, vor der Überpenetration der Kunden, die leicht zu kontraproduktiven Reaktionen führen kann. Etwa wenn man Widerstände gegenüber Geburtstagsgrüßen aus dem Autohaus entwickelt, die klingen als entstammten sie der Feder eines guten Freundes. Wer aber kann die Grenzen abstecken? Ab wann wird die Kundenofferte als allzu aufdringlich empfunden? Wer kann das einschätzen? Sicherlich eher der erfahrene, kundennahe Verkäufer des Autohauses, weniger die weit entfernte CRM- Abteilung beim Hersteller. Das entspricht eigentlich auch den Kundenvorlieben. Die sind bekannt. Kunden favorisieren beim Neuwagenkauf zu 84 Prozent das Gespräch mit Händlern bzw. Verkäufern. Zuerst kommt für sie beim Autokauf Zuverlässigkeit, dann Kostengünstigkeit und dann das Aussehen. Die Erfüllung dieser Kriterien sind Autokunden möglicherweise wichtiger als der neueste Brief des Herstellers: Liebe Frau Müller, 24 Monate sind es nun her, dass auch Sie sich für ein Modell aus unserem Markenbereich entschieden haben. Nun ist Zeit, darüber nachzudenken, ob. 38