Engagement braucht Leadership

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Transkript:

Engagement braucht Leadership Initiativen zur Besetzung und Qualifizierung ehrenamtlicher Vereinsvorstände Abschlussbericht der Evaluierung Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern Christina Flurschütz, Dr. Thomas Röbke Gostenhofer Hauptstr. 63 90443 Nürnberg Stand: Juni 2013

Zusammenfassung der zentralen Ergebnisse Aufbau und Akteure Die Robert Bosch Stiftung startete Anfang 2011 das Modellprogramm Engagement braucht Leadership - Initiativen zur Besetzung und Qualifizierung ehrenamtlicher Vereinsvorstände, um Vereine als Infrastruktur für bürgerschaftliches Engagement zu stärken. Drei Freiwilligenagenturen in Halle, Mühlheim an der Ruhr und Bremen haben neue Wege vereinsübergreifender lokaler Arbeit erprobt. Kooperationspartner der Robert Bosch Stiftung war das Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern (LBE). Die Koordinierungsstelle des Programms beim LBE unterstützte die lokalen Standorte durch fachliche Begleitung und die stete Möglichkeit des Wissenstransfers und der Dokumentation. Zudem übernahm das LBE die Aufgabe der Evaluation. Um hier Rollenkonflikte zu vermeiden, wurden jeweils unterschiedliche Mitarbeiterinnen mit den Aufgaben der Koordination und Evaluation betraut. In einer ersten Phase des Modellzeitraums (Juni 2011 bis Februar 2012) machten die lokalen Projekte das Thema Vorstandsarbeit und besetzung lokal bekannt und gewannen Partner. In einer zweiten Phase (März 2012 bis Mai 2013) führten die Projekte geeignete Maßnahmen wie Fortbildungen, Beratungsangebote, Vorträge und Vereinskonferenzen durch. Sie hatten zum Ziel, den identifizierten Unterstützungsbedarf in Hinblick auf Aufstellung und Arbeit von Vereinsvorständen konstruktiv zu bearbeiten und nachhaltige Wege einer weiteren Zusammenarbeit zu vereinbaren, die über die gegebene Programmförderung hinausreichen. Dieses zweistufige Verfahren sollte ein möglichst maßgeschneidertes Vorgehen der Unterstützung gewährleisten, das von den lokalen Strukturen und den tatsächlich geäußerten Wünschen der örtlichen Akteure ausging (bottom up). Dennoch sollten einige übergeordnete Gesichtspunkte, gleichsam als Wegmarken oder Rahmengebung Berücksichtigung finden. Um diese genauer herauszuarbeiten, stützte sich die Robert Bosch Stiftung u.a. auf die durch sie beauftragte Studie zur Problematik der Besetzung ehrenamtlicher Vereinsvorstände in Deutschland des renommierten Zentrums für Nonprofit-Management ggmbh, Münster (Prof. Dr. A. Zimmer). Ein fachpolitischer Beirat begleitete das Modellprogramm über die gesamte Laufzeit. Strategische Entwicklungsfelder und konkrete Maßnahmen Die getroffenen Maßnahmen der Phase 1 sollten - durch Recherche die potenziell interessierten Vereine identifizieren und durch quantitative und qualitative Befragungen den jeweiligen Unterstützungsbedarf ermitteln. Hierbei wollte sich das Modellprogramm von vorne herein auf Vereine begrenzen, die sich durch geringe oder keine hauptamtliche Unterstützung und hohes bürgerschaftliches Engagement auszeichnen; - die zur Mitarbeit gewonnenen Vereine für die Themenstellung der Vorstandsarbeit sensibilisieren; - weitere Unterstützer, z.b. in Kommunalpolitik, Wirtschaft oder bei den jeweiligen Verbänden gewinnen und einbinden. 2

Die lokalen Konzepte und Instrumente zur Bearbeitung der identifizierten Bedarfe in Phase 2 sollten folgende von der Programmsteuerung vorgegebene strategische Entwicklungsfelder (Cluster) von Vorstandsarbeit berücksichtigen: - Das Image der Vorstandsarbeit verbessern: Nicht nur außerhalb des Vereins, sondern auch innerhalb der Mitgliedschaft hat in der Moderne die meritokratisch motivierte Achtung vor dem Ehrenamt des Vereinsvorstands abgenommen. Wie kann eine neue Attraktivität der Vorstandstätigkeit entwickelt werden? - Demokratisierung und Öffnung von Vereinen: Lebendigkeit und langfristiges Überleben der Vereine hängt davon ab, ob und wie es ihnen gelingt, sich für neue Zielgruppen zu öffnen, die vielfältigen Interessen durch eine moderne Leadership zu bündeln und auf gemeinsame Ziele hin auszurichten. Dies gelingt nur durch eine Kommunikation auf Augenhöhe. - Organisationsentwicklung, Netzwerkbildung: Vorstandsarbeit beruht auf Voraussetzung und Unterstützungsleistungen, die in der gesamten Vereinskultur angelegt sind. Vorstandsarbeit zu stärken muss daher auch über den unmittelbaren Bereich der Vorstandstätigkeit hinausgreifen und den Verein und sein gesellschaftliches Umfeld einbeziehen. Organisationsentwicklung sollte Optionen in den Blick nehmen, die zeitgerechtes Loslassen langjähriger Vorstände und die Übernahme von Führungsverantwortung durch neue erleichtern. - Potenziale von innen und außen gewinnen: Viele Vorstände wissen gar nicht, welchen Schatz an Talenten ihr Verein besitzt, bzw. wer sie auch im Umfeld unterstützen würde, ohne selbst Mitglied zu sein. Wie kann dieses Potenzial identifiziert und genutzt werden? - Qualifizierung von Vorständen: Bestehende Vorstände müssen gestärkt werden, um ihren komplexen Anforderungen gerecht zu werden. Für das Programm Engagement braucht Leadership stehen Qualifizierungen mit der Perspektive Vorstandsbesetzung im Mittelpunkt. Qualifizierungen sind zugleich Anerkennung ihrer Tätigkeit für den Verein. Neue Vorstände können durch maßgeschneiderte Fortbildungen auf ihr zukünftiges Amt vorbereitet werden. Erfolgsindikatoren Die vorliegende Evaluation wurde nicht an ein externes Institut gegeben, sondern weitgehend mit Bordmitteln bewältigt. Dies verlangte von den lokalen Partnern ein hohes Engagement der Eigenerhebung von Daten. Der Vorteil dieses Vorgehens lag freilich darin, dass nun auch entsprechende ressourcenschonende Werkzeuge der Evaluation vorliegen, die ohne größeren Aufwand weiter zu nutzen sind. Die Ergebnisse der Evaluierung sprechen in vielfacher Hinsicht für einen erfolgreichen Verlauf des Modellprogramms und haben zu einer Vielzahl positiver Entwicklungen im Handlungsfeld Qualifizierung und Nachbesetzung von Vereinsvorständen geführt. Somit wurde eine wesentliche Grundlage für die Arbeit mit Vereinen und ihren Vorständen geschaffen. Der Erfolg lässt sich an folgenden Indikatoren ablesen: 3

- der Einbezug der örtlichen Vereine kann als gelungen bezeichnet werden. Durch Veranstaltungen und aktivierende Befragungen konnte eine hohe Beteiligung erzeugt werden, die in der Breite die Vielfalt städtischer Vereinslandschaft repräsentiert. - Die angebotenen Veranstaltungen riefen rege Beteiligung hervor. Insgesamt konnten ca. 500 Personen mit Verantwortungsposten in lokalen Vereinen einbezogen werden. - Die intensiv beteiligten Vereine berichteten in Gruppendiskussionen über die nachhaltige Wirkung, die der Impuls des Programms bei ihnen hinterlassen hat. - In der Auswahl der lokalen Freiwilligenagenturen wurde auf deren Professionalität besonderer Wert gelegt. Hierzu gehörte auch ihr schon vorhandener Zugang zur örtlichen Vereinslandschaft. Dieser Zugang konnte deutlich verbreitert werden. Die Kommunikation zwischen Freiwilligenagenturen (oder allgemein: Infrastrukturen des bürgerschaftlichen Engagements) und dem oft traditionell orientierten Vereinswesen hat eine hohe synergetische Wirkung hervorgebracht. - Alle Standorte wollen ausgewählte Maßnahmen auch nach Abschluss der Modellphase weiterführen, weil sie das strategische Interesse dieser Kooperation erkannt haben. - Im kommunalpolitischen Umfeld ergab sich eine große Resonanz auf das Programm. - Die lokalen Medien verfolgten die Aktivitäten mit großer Aufmerksamkeit. Das bundesweite Interesse ist im Laufe des Programms deutlich gewachsen. So hat das Land Hessen nun ein eigenes Modell aufgelegt, das sich an den Vorerfahrungen von Engagement braucht Leadership orientiert. Weitere Bundesländer, größere Städte oder bundesweite Verbände haben sich für das Programm interessiert und planen zum Teil ähnliche Maßnahmen. Beteiligte Vereine Bereitschaft an der Mitwirkung an Vorstandsbefragungen, den angebotenen Workshops und der Kick-off Veranstaltungen in der Phase 1 zeigte eine Vielzahl von Vereinen an allen Standorten. Auch in Phase 2 bildeten die Teilnehmer/innen der Veranstaltungen nahezu das gesamte Spektrum der Vereine vor Ort ab, unter anderem: - Altenpflege - Soziales - Bildung - Technik - Denkmalschutz / Geschichte - Tierschutz - Feuerwehr - Umwelt / Natur - Freizeit / Sport - Kinder, Jugend und Familien - Gesundheit - Kirche - Handwerk / Technik - Kultur - Politik - Kleingartenwesen - Selbsthilfe - Modellbau - Senioren 4

Ergebnisse der Situations- und Bedarfsanalyse In Bremen, Halle und Mülheim a. d. Ruhr konnten folgende Erkenntnisse gewonnen werden: - Ungefähr zwei Drittel aller Befragten an den Modellstandorten gaben Schwierigkeiten bei der Vorstandsbesetzung an, wobei die Werte zwischen den Standorten stark differieren. Schwierigkeiten treten vor allem bei der Suche nach dem Vorsitzenden, seinem Stellvertreter und dem Kassenwart auf. - Das Thema wird in den seltensten Fällen systematisch angegangen. Der Vereinsalltag bietet meist zu wenig Raum und Anlass zur Reflexion und zum strategischen Handeln. Probleme werden daher zu spät erkannt oder erst gar nicht wahrgenommen. Die Gründe für die Ablehnung eines Vorstandspostens sind komplex. Zeitmangel, zu umfangreiche Aufgaben und die Angst vor zu viel Verantwortung wurden am häufigsten angeführt. In der Regel gehen Amtsübernahmen und die nachfolgende Ausübung eines Vorstandspostens ohne größere Schwierigkeiten vonstatten, wie drei Viertel der Befragten bestätigen. - Als Unterstützungsbedarf werden vor allem Fortbildungen angegeben. Neben klassischen Vereinsthemen, z.b. Recht und Finanzen, wurden Angebote genannt, die helfen, den wachsenden Anforderungen an die Vorstandstätigkeit gerecht zu werden, insbesondere Supervision, Coaching und Organisationsberatung. Vorstandsgewinnung - Für viele Vereine ist es schwer, Jugendliche und junge Erwachsene für eine ehrenamtliche Tätigkeit zu gewinnen. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass hohe Mobilitäts- und Berufsanforderungen auf die verbindliche und regelmäßige Wahrnehmung ehrenamtlicher Aufgaben negativ wirken. - Auch der demographische Wandel ist in den Vereinen zu spüren. Die älteren Vorstandsmitglieder sind nicht immer bereit, neue Wege einzuschlagen, auf Ideen Jüngerer einzugehen oder Aufgaben abzugeben. Das erschwert eine Mitarbeit von jungen Erwachsenen im Verein. Dabei wird durch gute Beispiele aber auch sichtbar, dass sich Kompetenzen und Erfahrungen alt eingesessener Vorstände und das Knowhow und die Ideen Neuer durchaus ergänzen und als gewinnbringend erweisen. - Die größten Schwierigkeiten bestehen darin, die Ämter des ersten und zweiten Vorsitzenden zu besetzen. Die Verantwortung und eine angenommene zeitliche Belastung werden als Ursachen genannt. Schriftführer und Kassenwart könnten auch extern gewonnen werden. Allerdings scheint die interne Talentsuche in den Vereinen deutlich bevorzugt zu werden. Externe Besetzungen, die in angloamerikanischen Ländern ein üblicher Weg der Vorstandsgewinnung sind, werden hierzulande kaum als Chance wahrgenommen. Nur vereinzelt ist es den beteiligten Freiwilligenagenturen gelungen, externe Personen in den Vorstand zu vermitteln. Nicht alle Vereine sind bereit, sich dafür zu öffnen. Unterstützungsmaßnahmen von außen helfen nur, wenn Veränderungsprozesse vom Vorstand gewollt sind. 5

- Es gibt positive Ansatzpunkte, das Vorstandsamt attraktiver darzustellen, die allerdings oft nicht genug öffentlich kommuniziert werden. Oft herrscht ein eher freudloses Bild von Vorstandstätigkeiten in der Öffentlichkeit vor, das mit der gelebten Realität nicht übereinstimmt. Motive für die Ausübung eines Vorstandspostens sind primär Freude und Spaß an der Aufgabe und die Zusammenarbeit mit Menschen, die Möglichkeiten der Gestaltung des eigenen Lebensumfeldes. Neben den individuellen Aspekten werden aber auch solidarische, wie sich für andere / den Stadtteil einsetzen, aufgeführt. Durch ehrenamtliche Tätigkeit können persönliche Fähigkeiten eingebracht sowie Ideen und eigene Interessen umgesetzt werden. Daneben spielt der Erwerb von Qualifikationen eine Rolle. Nicht zuletzt wurden die Anerkennung für die geleistete Arbeit sowie das Gefühl, auch nach jahrelanger Berufstätigkeit noch gebraucht zu werden, als Gründe aufgeführt. - Bei der Gewinnung von neuen Vorstandsmitgliedern hat die persönliche Ansprache, verbunden mit einer transparenten Darstellung des zukünftigen Aufgabengebietes, eine große Bedeutung. Zusammenhalt und ein gutes Betriebsklima scheinen maßgeblich dafür, ob es funktioniert oder nicht. Wichtig sind zudem die Identifikation mit den Vereinszielen und eine kooperative Vereinsführung. - Neue Medien genießen in vielen Vereinen noch keine große Aufmerksamkeit. Dabei zeigten unterschiedliche Workshops das Interesse an moderner Kommunikationsarbeit von Vereinen, zum Beispiel durch Web 2.0 Anwendungen, eindrücklich auf. - Zudem ist es wichtig, Nachwuchs frühzeitig zu akquirieren. Einig waren sich die Akteure des Modellprogramms darin, dass man rechtzeitig Strukturen für die Gewinnung von Vorständen schaffen muss. - Freiwilliges Engagement im Verein ist nach Ansicht der Befragten nach wie vor wichtig und wird nachgefragt. Vereine sind demnach kein Auslaufmodell, auch wenn sie heute mit vielfältigen Problemen und Herausforderungen zu kämpfen haben. Maßnahmen, Teilnehmer und Resonanz des Modellprogramms in Bremen, Halle und Mülheim a. d. Ruhr - Die Freiwilligenagenturen entwickelten unterschiedliche Angebote, u.a. Vereinswerkstätten, Austauschforen, Abendreihen, Einstiegsfortbildungen für potentielle und neue Vorstandsmitglieder, Vorstandsberatung, Publikation guter Beispiele. Damit haben Sie unterschiedliche Zielgruppen erreicht. Besonders erfolgreich und für breite Teilnehmerkreise geeignet waren niedrigschwellige Formate, die eine praxisnahe Wissensvermittlung mit Erfahrungsaustausch verbanden. - Die 25 lokal angebotenen Veranstaltungen riefen rege Beteiligung hervor. Insgesamt konnten ca. 500 Teilnehmer erreicht werden. Darüber hinaus konnte durch weitere Aktivitäten (z.b. Pressearbeit, Internetauftritt, Printprodukte) ein weit größerer Interessentenkreis angesprochen werden. - Die Altersstruktur der Beteiligten variierte an den Standorten. Während sich in Bremen vor allem die 51- bis 65-Jährigen angesprochen fühlten, waren es in Halle primär die 31-6

bis 50-Jährigen. In Mülheim a. d. Ruhr waren, neben der Generation 65+, die 51- bis 65- Jährigen stark vertreten. Lediglich in Halle waren auch Personen im Alter von 14 bis 30 Jahren involviert. - Die Vereinsvorstände zeigten von Beginn an ein großes Interesse an der Thematik. Überrascht haben die positive Einstellung, das Interesse und die Motivation, mit denen Vereine auf das Programm reagiert haben. Auffallend war, dass bisher wenig Sensibilität für Führungsarbeit in Vereinen vorhanden war. Es ist gelungen, das Bewusstsein für eine qualifizierte Vorstandsarbeit zu stärken, die Reflexionsfähigkeit der Vereine zu erhöhen und den Blick, auch über die Vereinsgrenzen hinaus, zu weiten. - Fragen der Vorstandsbesetzung als Zuspitzung vieler Aspekte des Zustands eines Vereins und seiner Zukunftsfähigkeit wurden von den Freiwilligenagenturen nicht an allen Standorten im gleichen Maße adressiert. Grund dafür war u.a. der formulierte Bedarf der interessierten Vereine, die an einem der Standorte als recht traditionell bezeichnet werden können. Zudem waren die Grenzen zwischen dem eigentlichen Programmfokus Vorstandsbesetzung, der allgemeinen Organisationsentwicklung des Vereins und der Stärkung der Kompetenzen des Vorstands (Capacity Building) nicht immer einfach zu ziehen. - Zwischen den Vereinen sind Kooperationen entstanden. Man kommuniziert miteinander und berät sich gegenseitig. Bisher wurde dies oftmals durch das Konkurrenzdenken um Mitglieder und Ehrenamtliche im gleichen Segment verhindert. Die Tatsache, dass Vereinsvertreter trotz unterschiedlicher Organisationsstrukturen mit gleichen bzw. ähnlichen Problemen konfrontiert sind, war für sie eine wichtige Erkenntnis. - Zudem ist an den Standorten im Projektverlauf zu beobachten, dass sich mehr Vereine frühzeitig mit dem Thema Vorstandsgewinnung befassen. Aktuelle Gegebenheiten, wie beispielsweise der demographischen Wandel, finden immer mehr Berücksichtigung. Allerdings setzt dies auch voraus, dass die Vereine den Mut aufbringen, neue Wege einzuschlagen. - Das Modellprogramm zeigte sich auch aus Sicht aller Befragten als sehr hilfreiche und unterstützende Möglichkeit, neue Handlungs- und Wirkungsfelder für Vereine zu erschließen. Den Nutzen, der sich im Rahmen des Programms für die Vereine ergab, schätzten alle als sehr hoch ein. Erfolgsfaktoren der lokalen Projekte - Die Kooperationen zwischen Freiwilligenagenturen und Vereinen, die im Modellprogramm angelegt waren, haben sich bewährt. Freiwilligenagenturen können auch nicht-verbandsangehörige Vereine erreichen und bilden somit eine gute Ergänzung zur Verbandsunterstützung von Vereinen. - Maßgeblich war die Leistungsfähigkeit der am Programm beteiligten Infrastruktureinrichtungen. Sie entwickelten sich zum Dreh- und Angelpunkt für Fragen rund um den Verein und das bürgerschaftliche Engagement vor Ort. Bewährt hat sich laut Aussagen der Standortmitarbeiterinnen, dass die Freiwilligenagenturen vor Ort 7

bereits etabliert sind und einen guten Ruf als vertraute Partner genießen. Zudem verfügen sie bereits über ein tragfähiges Netzwerk und gute Kontakte. Auch die Neutralität der Freiwilligenagenturen hat sich als hilfreich erwiesen. - Professionalität der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freiwilligenagenturen und entsprechende Erfahrungen im Projektmanagement waren aus Sicht der Befragten ebenfalls ausschlaggebend für die erfolgreiche Umsetzung des Modellprogramms. Zudem konnten die Mitarbeiterinnen auf gewisse Kenntnisse in der Arbeit mit Vereinen zurückgreifen. - Vertreter/innen der Kommune befürworten eine Intensivierung der Kooperation mit den Freiwilligenagenturen. Eine solche Zusammenarbeit, auch mit weiteren Akteuren wie z.b. Verbänden, ermöglicht Austausch und Vernetzung. Sie ist die Voraussetzung, um bürgerschaftliches Engagement in Vereinen gemeinsam weiterzuentwickeln. - Aus Sicht der Standorte hat sich das Programmkonzept insgesamt bewährt, wenngleich die Mitarbeiter an den Standorten der Meinung waren, dass der zeitliche Rahmen für die Umsetzung der beiden Phasen zu knapp bemessen war. Für den Aufbau des lokalen Bündnisses, die Entwicklung der Unterstützungsmaßnahmen aber auch für die konkrete Umsetzung wäre aus ihrer Sicht mehr Zeit von Vorteil gewesen. Auch der Personalaufwand wurde höher als erwartet eingestuft. Dennoch wurde deutlich, dass trotz der geringen zeitlichen und personellen Ressourcen vieles auf den Weg gebracht werden konnte. Weitere Faktoren Die Arbeit der Robert Bosch Stiftung und der Koordinierungsstelle im Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern wurde von den Standortvertreterinnen positiv hervorgehoben. Die Zusammenarbeit wurde als professionell und bereichernd empfunden. Die Unterstützung erfolgte nach Aussagen der Programmpartner souverän, kooperativ und individuell. Die Befragten fühlten sich mit ihren Fragen stets gut aufgehoben und ernst genommen. Laut Aussage der Befragten hat die Begleitung durch die Koordinierungsstelle bzw. der regelmäßige Austausch mit der Robert Bosch Stiftung dazu beigetragen, Dinge aus einer anderen Perspektive zu beleuchten, wodurch wiederum neue Impulse entstanden. Es bleibt daher zu hoffen, dass die aufgebauten Strukturen weitergeführt bzw. ausgebaut werden. Eine Ausweitung des Programms, auch auf andere Bundesländer, ist aus Sicht der Evaluierung vor diesem Hintergrund zu empfehlen. 8