und Antiinfektiva Eine Einführung für Naturwissenschaftler



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Transkript:

Infektionskrankheiten und Antiinfektiva Eine Einführung für Naturwissenschaftler Teil 1: Bakterien und Antibiotika Prof Dr J Klein Prof. Dr. J. Klein Pharmakologisches Institut für Naturwissenschaftler (FB 14)

Apokalyptischer Reiter Ab 541 bis ca. 750: Justinianische Pest Tod von 50-60% der europäischen Bevölkerung 1347-13511351 Pestepidemie i ( Schwarzer Tod ) tötet 25 Mio. Menschen in Europa Große Epidemien mit welthistorischer t i h Bedeutung

Yersinia pestis Wien 1679, Berlin 1710 (Charité) 1987-2001 ca. 35.000 Fälle, meist Afrika Quarantäne ( 40 Tage ; wie Cholera u. hämorrhag. Fieber) Übertragung durch Nager und Flöhe Nach Inkubationszeit (2-6 Tage): Kopfschmerzen, Schüttelfrost, Pestbeulen (eiternde Lymphknoten), Letalität >30% Sepsis und Generalisierung: Endotoxin verursacht intravasale Koagulation (septische Pest), Kapillarblutungen (Purpura) bis zur Nekrose/Gangrän, Pneumonie ( Lungenpest ), Letalität (unbehandelt) 100% nach 3-5 Tagen Therapie heute: Aminoglykoside (2. Wahl Doxycyclin, Ciprofloxacin, Chloramphenicol), möglichst frühzeitig geben (binnen 15 Stunden)! Pest der schwarze Tod

WHO-Liste der tödlichen Infektionen

Infektionserkrankungen und ihre weltgeschichtliche Bedeutung

Geschichte der antiinfektiven Therapien (ohne Impfungen 2. Vorlesung) Desinfektion (z.b. Semmelweis, Lister) Salvarsan 1906 (Ehrlich & Hata) Penicilline 1923 (Fleming; Florey & Chain) Sulfonamide 1936 (Domagk) Chloramphenicol, Streptomycin 1949

Paul Ehrlich s Prinzip der selektiven Toxizität Antibiotika sind Substanzen, die in therapeutischen ti h Konzentrationen ti selektiv den Mikroorganismus schädigen, ohne auf den Wirtsorganismus toxisch zu wirken.

Einleitung: Die drei Teilnehmer der Behandlung von Infektionen

Bakterienzelle: Aufbau und Merkmale Mikroorganismen, einzellige Prokaryonten, 200-2000 nm groß Zellwand Zellmemran grampositiv 15-35 µm gramnegativ 5-9 µm Nucleotid (Kernäquivalent) Ribosom Nucleotid (Kernäquivalent) Cytoplasma Mesosom (Mitochondrien-Äquivalent) Nucleotid (Kernäquivalent) Gram- Gram+

Unterscheidung Mensch und Bakterium Mensch Bakterium Typ Eukaryont Prokaryont Zellkern Vorhanden Fehlt Chromosomen mehrere Ringförmig, Plasmide Spindelapparat Vorhanden Fehlt Zellorganellen Vorhanden Fehlen Ribosomen 80 S (60+40) 70 S (50+30) Zellmembran Sterine Keine Sterine Zellwand Fehlt Vorhanden Zellatmung Mitochondrien (Enzyme) Zellmembran (Funktion)

Einteilung il der Bakterien pathogen / nicht pathogen Störung des Gleichgewichts physiologischer Flora Translokation in anderes Kompartiment des Organismus Verminderte körpereigene Abwehr aerob / anaerob gram-positiv / gram-negativ Kokken / Stäbchen / Atypische Erreger Aerob Gram + Staphylokokken Streptokokken Enterokokken Gram- E. coli Pseudomonas Proteus Haemophilus Neisserien Anaerob Clostridien Bacteroides

Bakterienflora des Menschen Aus Hahn-Kaufmann-Schulz-Suerbaum, Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie, Springer, 6. Auflage 2008

Infektionen: Eintrittswege itt Wunden (Hautflora) Atemwege (Luftkeime) Magen-Darm-Trakt (Keime in Nahrung) Harnwegsinfekte (Darmflora)

Grampos. Kokken; weit verbreitet, häufig in Nase, Analregion Überlebenskünstler (Magen, Staub) Krankheitsbilder: Eitrige Abszesse (Fibrinkapsel), Furunkel, Gerstenkorn Lebensmittelvergiftungen (Enterotoxine; selbstlimitierend) Wundinfektionen post OP, Sepsis/ Endokarditis, Osteomyelitis Toxic shock syndrome Scalded skin syndrome MRSA - Methicillin-resistente Staph. aureus (PBP-Mutationen Mutationen, meist Hospitalismuskeime) S. epidermidis: häufiger Befall von Kathetern, Stunts, Implantaten (Biofilm) Staphylokokken kk (S. aureus)

Streptokokkent kk Grampositive Kokken; wachsen in Reihen typische Bewohner der Schleimhaut; Eitererreger Toxinbildner (z.b. Streptolysin); Streptokinase Krankheitsbilder: Atemwegsinfektionen: Tonsillitis (Angina lacunaris), Pharyngitis, Scharlach (S. pyogenes); u.u. Sepsis (Kindbettfieber) Infektionen der Haut: Erysipel, Impetigo (selten) Nekrotisierende Fasziitis Sekundäre Erkrankungen durch Immunantwort: Glomerulonephritis, rheumat. Fieber

Pneumonien u.a.: Pneumokokken = S. pneumoniae S. mutans: Rolle bei Karies, Endokarditis Enterokokken (E. faecalis), Infektionen der Harnwege Ceph., AG unwirksam VRE = Vancomycinresistente Stämme Neisseria meningitidis = Meningokokken Unbehandelt 85% Letalität (ICP etc) Neisseria gonorrhoreae = Gonokokken Tripper, >10.000 Fälle/J. Credé-Prophylaxe (Silbernitrat) heute Erythromycin Vakzinen gegen Pneumo- und Meningokokken kk Streptokokken und ihre Verwandte

Pneumokokken Infektionen durch Enterokokken Gonokokken ( Tripper ) Kokken-induzierte ierte Erkrankungen ngen

Aufbau der Zellwand Lipopolysaccharide Schleimkapsel β-lactamasen Lipid A Porin äußere Membran Periplasma Zellwand Mureinschicht Zellmembran Gram- Gram+

Mureinschicht ht I Peptidoglykan- gy Ketten-Synthese innerhalb der Zelle Auswärtstransport über C55- Carrier-Lipid durch die Membran netzartiges Biopolymer aus Peptidoglykanen N-Acetylmuraminsäure Glycin-Interpeptidbrücke N-Acetylglucosamin AS des Tetrapeptids Grundstruktur des Mureins von Staphylococcus aureus

Mureinschicht ht II Längsvernetzung: Polysaccharid-Stänge: N-Acetylglucosamin 1,4-β-glykosidisch N-Acetylmuraminsäure

Mureinschicht ht II Quervernetzung: Oligopeptid-Ketten Interpeptidbrücke N-Ac-Mur L-Ala D-Glu L-Lys D-Ala D-Ala Gly Gly Gly Gly Gly Verknüpfung über Transpeptidierung N-Ac-Mur L-Ala D-Glu L-Lys D-Ala Gly Gly Gly Gly Gly

Penicilline illi Wirkmechanismus i Strukturähnlichkeit: Penicillin D-Alanyl-D-Alanin Suizidsubstrat Eingriff in die Transpeptidierungsreaktion: Irreversible Bindung an die Aminosäure Serin des Enzyms Transpeptidase Vernetzung bleibt aus instabile Zellwand Bakterium platzt

Penicilline illi Stammbaum gewonnen aus Penicillium notatum Benzylpenicillin 6-Aminopenicillansäure Längere Wirkung Orale Gabe Penicillinase-stabil Benzylpenicillin- Salze mit org. Basen Phenoxymethyl- Penicillin, Propicillin Oxacillin, Dicloxacillin, Flucloxacillin aus Penicillium chryogenium Wirksam gegen Enterokokken Bessere Resorption Wirksam gegen Pseudomonaden, Enterobakterien, Enterokokken Ampicillin Amoxicillin Bacampicillin illi Mezlocillin, Piperacillin

Antibiotika: tik klinische i Wirksamkeit k it

Clostridien sind sporenbildende obligate Anaerobier Bewohner des Erdbodens, Infektionen häufig durch verschmutzte te Wunden Cl. tetani: Erreger des Wundstarrkrampfs (Tetanustoxin) Trismus, Risus sardonicus, Opisthotonus Behandlung: Ruhe, Antitoxin + Antibiose Cl. botulinum: Erreger des Botulismus Eigentlich keine Infektion, sondern Vergiftung mit Botulinustoxin, 100 Nanogramm (!) sind tödlich. Kochen zerstört Toxin! Schlaffe Lähmung, beginnt an Augen und Kopf, dann Rumpf Cl. perfringens: Erreger des Gasbrands Myonekrose, manchmal in Stunden tödlich. Behandlung: chirurgisch (Amputation) + Pen. G Cl. difficile: Erreger der pseudomembranösen Colitis Behandlung mit Metronidazol oder Vancomycin Infektionen (Vergiftungen) durch Clostridien

Take a break!