Gemeindepsychiatrie oder Psychiatriegemeinde? 15.09.2011 Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie (AdöR) 1
Häufigkeiten stationärer Behandlungen und Frühberentungen Vollstationäre Versorgung psychischer Störungen Steigerung von 2000 2010 um 156% (Insbesondere Depressionen, Neurosen und Burn-Out) 15% dieser Behandlungsfälle sind innerhalb der ersten drei Monate nach der Entlassung erneut hospitalisiert Jede psychiatrische vollstationäre Behandlung stellt an sich das höchste Risiko einer Rehospitalisierung (Chronifizierungsgefahr) dar Frühberentungen aufgrund psychischer Krankheiten Steigerungen seit 2006 um 33% In der Altersgruppe der Frührentner sind unter 40-jährigen Männer mit 46,2% vertreten (2002) Barmer GEK Report Krankenhaus 2011 Eickelmann, Ärzteblatt 2005 15.09.2011 Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie (AdöR) 2
Die soziale Situation psychisch kranker Erwachsener in Großbritannien Nur 24% sind erwerbstätig Haben ein doppelt so hohes Risiko ihren Job zu verlieren Haben ein dreifach erhöhtes Risiko erheblich verschuldet zu sein Ebenso ein dreifach erhöhtes Risiko geschieden zu werden Haben häufig Mietrückstände und stehen in Gefahr die Wohnung zu verlieren Bericht office of the Deputy Prime Minster 2004 mental Health und social exclusion 15.09.2011 Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie (AdöR) 3
Psychisch Kranke und die Teilnahme am wirklichen Leben 40% der Menschen die in Kontakt mit gemeindepsychiatrischen Institutionen stehen haben ausschließlich Kontakt zu Betreuern und Mitpatienten 25% enthält sich jeglicher Aktivität in der Gemeinde 80% fühlen sich gleichzeitig isoliert Die Bilanz für junge Betroffene aus ethnischen Minderheiten fällt besonders negativ aus Vermisst werden aus Sicht der Betroffenen Arbeit, soziale Kontakte und intime Beziehungen Die jährlichen Kosten für Betreuung, finanzielle Einbußen und frühen Tod werden auf 100 Milliarden Euro jährlich geschätzt Bericht office of the Deputy Prime Minster 2004 mental Health und social exclusion 15.09.2011 Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie (AdöR) 4
Meilensteine der Gemeindepsychiatrie Was ist gelungen was steht noch aus? Lösung chronisch Kranker vom psychiatrischen Krankenhaus mit dem Ziel der sozialen Integration in der Gemeinde Erster Schritt De-Institutionalisierung ist gut gelungen (Betten sind deutlich reduziert (seit 1980 mehr als halbiert, Tageskliniken geschaffen und Verweildauern drastisch reduziert) Zweiter Schritt Gemeindeintegration Erwartungen wurden nicht erfüllt zwar wurden viele Angebote für die Bereiche Wohnen Arbeit und Freizeit geschaffen aber hier bleiben die Patienten meist unter sich und akut Kranke werden weitgehend von durchgreifenden Rehabilitationsmaßnahmen ausgeschlossen. Ambulante Angebote im Bereich Psychotherapie haben lange Wartezeiten und Menschen mit schweren psychischen Störungen werden nicht erreicht. Eikelmann, Yokohama 2002 Weltkongress für Psychiatrie: How far has deinstitutionalization gone in Germansny 15.09.2011 Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie (AdöR) 5
Fazit Die Gemeindepsychiatrie hat sich stillschweigend in eine Psychiatriegemeinde mit Wohn- Arbeitsund Freizeitstätten verändert die für die Betroffenen ein Surrogat des normalen Lebens darstellt 15.09.2011 Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie (AdöR) 6
Mögliche Lösungsansätze Inklusion als vorderstes Ziel psychiatrischer Therapie schon bei Erstkontakten mit dem System Psychiatrische Familienpflege Home Treatment satt Krankenhaus Stationäre Behandlung flexibilisieren (Tagesklinik, Intensivtagesklinik, Nachtklinik, Krisenhäuser, etc.) Weniger Werkstätten mehr Training on the Job Mehr Trialog (Projekte wie EX-IN fördern Und, und, und... 15.09.2011 Pfalzklinikum für Psychiatrie und Neurologie (AdöR) 7