Aktuelle Rechtsprechung des BSG 1 Versorgung mit Hilfsmitteln in der Kranken- und Pflegeversicherung BSG 16. 07. 2014 B 3 KR 1/14 R Behinderte Menschen haben Anspruch auf Treppensteighilfe (Scalamobil) als Pflegehilfsmittel Versicherte, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, haben Anspruch auf Versorgung mit einer mobilen, elektrisch betriebenen Treppensteighilfe, wenn sie unter Einsatz eines solchen Gerätes im Rollstuhl sitzend mit Unterstützung einer Pflegeperson Treppen bewältigen können. Der Anspruch richtet sich grundsätzlich nicht gegen die Krankenkasse, sondern gegen die Pflegekasse, weil das Scalamobil ein Pflegehilfsmittel ist. Hilfsmittel, die dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienen Der 81 Jahre alte Kläger ist nahezu erblindet und nach Amputation beider Unterschenkel auf den Rollstuhl angewiesen. Die zuständige Pflegekasse stufte ihn in Pflegestufe III ein; die beklagte Krankenkasse versorgte ihn mit einem Rollstuhl, mit dem er aber seine im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses gelegene Wohnung nicht verlassen kann, weil es in dem Haus keinen Aufzug gibt. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Versorgung mit einer mobilen Treppensteighilfe mit der Begründung ab, sie müsse nicht für solche Hilfsmittel aufkommen, die der Versicherte nur wegen seiner besonderen Wohnsituation benötige. Eine Erdgeschosswohnung könne der Kläger ohne die Treppensteighilfe ebenso erreichen wie eine Wohnung in einem mit einem Aufzug ausgestatteten Haus. Dem ist das BSG gefolgt: Hilfsmittel im Sinne des 33 SGB V, die dem mittelbaren Behinderungsausgleich dienen wie etwa Rollstühle, muss die Krankenkasse nur zur Verfügung stellen, wenn sie nicht allein wegen der konkreten Wohnsituation des Betroffenen, sondern praktisch in jeder Art von Wohnung benötigt werden. Das trifft auf ein Scalamobil nicht zu, weil ebenerdig gelegene Wohnungen und Häuser mit Aufzügen nicht nur ganz vereinzelt existieren. Pflegehilfsmittel Verbessern der individuellen Lebenssituation des Betroffenen Gleich wohl hatte die Klage beim höchsten deutschen Sozialgericht Erfolg. Die Beklagte hatte sich nämlich nicht mit der Frage befasst, ob die Treppensteighilfe als Pflegehilfsmittel anzusehen ist. Das sind u.a. solche Hilfsmittel, die dem Betroffenen eine selbständigere Lebensführung ermöglichen ( 40 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Anders als der Hilfsmittelbegriff des 33 SGB V stellt 40 Abs. 1 SGB XI auf die individuelle Lebenssituation des Betroffenen ab. Das geht schon aus 40 Abs. 4 SGB XI hervor, der den Anspruch auf Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Versicherten regelt. Ob solche Maßnahmen entbehrlich wären, wenn der Versicherte in einer anderen Wohnung leben würde, als es tatsächlich der Fall ist, spielt keine Rolle. Das gilt auch für eine individualisierte Verbesserung der Lebensführung im Sinne des 40 Abs. 1 SGB XI. Gewinn an Eigenständigkeit Der mit dem Einsatz des Scalamobils erreichbare Gewinn an Eigenständigkeit der Lebensführung besteht für den Kläger darin, dass er bei Einsatz einer solchen elektrisch betriebenen Hilfe nur noch eine Person benötigt, die ihn beim Verlassen der Wohnung unterstützt. Ohne Treppensteighilfe werden insoweit mindestens zwei Pflegepersonen benötigt. Beklagte Kasse verpflichtet zur Leistung Etwas überraschend hat das BSG auch einen Weg gefunden, die beklagte Krankenkasse zu verurteilen, dem Kläger eine Leistung zu gewähren, für die in seinem Fall allein die Pflegversicherung zuständig ist, die gar nicht am Prozess beteiligt war. Dieser Weg führt über 40 Abs. 5 Satz 1 SGB XI. Danach muss
Aktuelle Rechtsprechung des BSG 2 der Träger, bei dem ein Hilfsmittel beantragt wird, das sowohl von 33 SGB V wie von 40 Abs. 1 SGB XI erfasst sein kann, entscheiden, ob der Anspruch gegenüber der Kranken- oder der Pflegekasse besteht. Das BSG versteht die Norm so, dass die zunächst angegangene Kasse nicht nur befindet, wer zuständig ist, sondern dem Antrag immer dann entsprechen muss, wenn der Versicherte überhaupt Anspruch auf das begehrte Hilfsmittel hat. Der Ausgleich zwischen den Kassen findet dann nach Maßgabe einer sehr komplexen Regelung über einen pauschalen Schlüssel statt; insoweit erlässt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Richtlinien ( 40 Abs. 5 Satz 2 SGB XI). Für die Zukunft sind Anspruchsvoraussetzungen und Zuständigkeit bei Treppensteighilfen geklärt. Die vom BSG angenommene Verantwortung der Pflegeversicherung hat aus der Sicht der Betroffenen den Vorteil, dass die kostenintensive Versorgung der Versicherten dem Wettbewerb der Krankenkassen entzogen ist. In der Pflegeversicherung findet ein Ausgleichsverfahren statt ( 66 Abs. 1 Satz 2 SGB XI), so dass es für die einzelne Pflegkasse keine wirtschaftlichen Auswirkungen hat, ob sie eine Leistung bewilligt oder nicht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege BSG 16. 07. 2014 B 3 KR 2/13 R Wechsel eines Stützverbandes zur Ermöglichung der Körperpflege als Leistung der Behandlungspflege Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege haben die Versicherten nur, soweit es um Behandlungsmaßnahmen geht; Leistungen der Grundpflege (Waschen, Hilfe beim Essen) und der hauswirtschaftlichen Versorgung können nur im Rahmen von speziellen Satzungsregelungen der jeweiligen Kasse beansprucht werden, soweit die Pflegeversicherung nicht eingreift ( 37 Abs. 2 SGB V). Das macht eine Abgrenzung von Grund- und Behandlungspflege erforderlich; die wichtigsten Vorgaben dazu sowie eine Zuordnung einzelner Maßnahmen zur Grund- oder Behandlungspflege enthält die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL). Wechseln eines»gilchristverbandes«für das An- und Ablegen eines sog. Gilchristverbandes ein vorgefertigtes Gurtsystem, bei dem der Unterarm angewinkelt in fertige Schlingen gelegt wird, um den Schulter- und Armbereich zu immobilisieren hat der 3. Senat des BSG auf dieser Grundlage am 16. 07. 2014 die Zuordnung zur Behandlungspflege vorgenommen. Die 1937 geborene alleinstehende Klägerin erlitt im September 2007 eine Luxation des rechten Schultergelenks und wurde deswegen im Krankenhaus behandelt. Zur Ruhigstellung des Gelenks verordnete ihr die Hausärztin einen Gilchristverband sowie häusliche Krankenpflege für das Anlegen von stützenden bzw. stabilisierenden Verbänden. Die beklagte AOK Plus lehnte die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege ab, weil der Wechsel des Gilchristverbandes nicht der Behandlung der Klägerin diene, sondern ihr ermöglichen solle, sich morgens und abends ohne den Verband zu waschen bzw. zu duschen. Damit seien Maßnahmen der Grundpflege betroffen, die von 37 Abs. 2 SGB V nicht erfasst seien.
Aktuelle Rechtsprechung des BSG 3 Die Klägerin beauftragte daraufhin selbst einen Pflegedienst, der ihr fünf Wochen lang täglich bei dem An- und Ablegen des Verbandes half. Die dafür aufgewandten Kosten in Höhe von 760 macht sie nunmehr bei der Beklagten im Wege der Kostenerstattung geltend. Damit hat sie vor dem BSG in letzter Instanz in vollem Umfang Erfolg gehabt, nachdem das SG Leipzig und das sächsische LSG die Klage noch für unbegründet gehalten hatten. Abgrenzung Grundpflege und Behandlungspflege? Das An- und Ablegen des Gilchristverbandes ist für sich genommen nicht kompliziert und erfordert keine medizinischen Kenntnisse. Die Klägerin bedarf also eher der Assistenz, weil man den Verband nicht gut ohne Hilfe einer zweiten Person anlegen kann. Der Verband wird auch nicht»gewechselt«in dem Sinne, dass fachlich geprüft wird, ob die Wundverhältnisse in Ordnung sind oder ob bei Kompressionsverbänden der Druck auf den Körper des Patienten ausreichend, aber nicht zu hoch ist. Das An- und Ablegen des Gilchristverbandes steht im Zusammenhang mit dem An- und Auskleiden und der Körperpflege, die der Grundpflege zuzurechnen ist. Das schließt jedoch nach Ansicht der Kasseler Bundesrichter nicht aus, die Hilfe beim An- und Ablegen des Verbandes der Pflege»zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung«im Sinne des 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V zuzuordnen. Zur Sicherung des Behandlungsziels Heilung der Folgen der Luxation des rechten Schultergelenks muss die Klägerin ca. sechs Wochen den Verband tragen. Ohne das tägliche An- und Ablegen des Verbandes kann die Klägerin weder die Kleidung wechseln noch sich am Körper waschen oder duschen. Damit könnten elementare Grundbedürfnisses der Klägerin über Wochen nicht befriedigt werden, es sei denn, die Klägerin würde auf eine medizinisch notwendig und ärztlich verordnete Maßnahme Ruhigstellung des verletzten Gelenks verzichten. Dieser Zusammenhang hat zur Folge, dass die Hilfe beim An- und Ablegen des Verbandes auch die Funktion einer medizinischen Krankenpflegemaßnahme hat. Zur Abgrenzung von Grund- und Behandlungspflege weisen die Bundesrichter darauf hin, dass diese insbesondere nach Einführung der Pflegversicherung 1995 problematisch geworden ist. Weil nämlich die Krankenkasse die Behandlungspflege als Sachleistung in vollem Umfang übernehmen muss, während die Leistungen der Pflegversicherung immer nur einen Teil der Kosten decken, bestehen Anreize, Leistungen der Grundpflege der Krankenversicherung zuzuweisen. Diese Wirkung ist naturgemäß noch stärker, wenn nur kurzfristig Bedarf an Grundpflegeleistungen besteht, so dass eine Leistungspflicht der Pflegversicherung von vornherein ausscheidet. Das vermag aber nach Ansicht des BSG nichts an dem Anspruch der Versicherten auf Pflegmaßnahmen zu ändern, die den Behandlungserfolg sichern: 37 Abs. 2 SGB V ist älter als die Pflegeversicherung und es bestehen keine Anhaltspunkte, dass mit der Einführung der Pflegeversicherung ohne explizite gesetzliche Regelung Leistungen der Krankenversicherung eingeschränkt werden sollten. Der Anspruchsausschluss des 37 Abs. 3 SGB V, der grundsätzlich auch den Anspruch auf Behandlungspflege erfassen würde, greift nicht ein: Die Klägerin lebt allein; eine in ihrem Haushalt lebende Person, die ihr beim An- und Ablegen des Verbandes helfen könnte, existiert nicht. Grundsicherungsrecht in einer»drei - Generationen- Konstellation«BSG 17. 07. 2014 B 14 AS 54/13 R
Aktuelle Rechtsprechung des BSG 4 Drei Generationen können eine Bedarfsgemeinschaft bilden Das Leben ist vielfältiger, als es sich der Gesetzgeber bei Schaffung der Bedarfsgemeinschaft vorgestellt hat: An einen gemeinsamen Haushalt von Mutter, 19-jähriger Tochter und deren einjährigem Kind ist bei Schaffung des 7 Abs. 3 SGB II offensichtlich nicht gedacht worden. Bisher galt die Überzeugung, dass es weder überlappende Bedarfsgemeinschaften eine Person gehört zwei Gemeinschaften an noch solche aus Angehörigen dreier Generationen geben könne. Das ist seit der Entscheidung des 14. Senats des BSG vom 17. 07. 2014 überholt. Die Richter»neigen«zur Auffassung, (auch) drei in einem Haushalt lebende Generationen in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenzuführen; eine endgültige Entscheidung war noch entbehrlich. Zuordnung des Kindergeldes Der Streit hatte sich an der Zuordnung des Kindergeldes in der Dreier - Konstellation entzündet. Die Mutter der Klägerin hatte für diese Kindergeld erhalten und an ihre Tochter weitergegeben; die Klägerin hatte ihrerseits Kindergeld für ihre kleine Tochter erhalten. Das an die Klägerin weitergegebene Kindergeld der Mutter wurde der Klägerin als Einkommen angerechnet und minderte ihren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. An dieser Anrechnung hielt der beklagte Landkreis Marburg (Optionskommune) auch im Überprüfungsverfahren nach 44 SGB X fest. Das LSG hat das für richtig gehalten: Die Mutter der Klägerin gehöre nicht zu der aus dieser und ihrem Kind bestehenden Bedarfsgemeinschaft; leite eine Person außerhalb der Bedarfsgemeinschaft Kindergeld an ein volljähriges bedürftiges Kind weiter, sei das Kindergeld Einkommen dieses Kindes. Beide Rechtsaussagen teilen die Kasseler Bundesrichter ausdrücklich nicht und haben den Rechtsstreit deshalb an ihre Kollegen aus Darmstadt zurückverwiesen, um den Bedarf der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum (2007/2008) zu klären. Zusammenfassen zu Bedarfsgemeinschaften Für die Zusammenfassung der drei zusammen lebenden und wirtschaften Personen zu Bedarfsgemeinschaften im Sinne des 7 Abs. 3 SGB II bestehen nach Ansicht des BSG zwei Möglichkeiten: Entweder bilden die drei ein einzige Gemeinschaft, so dass grundsätzlich das Einkommen aller drei bei dem Kleinkind nur Kindergeld und eventuelle Unterhaltszahlungen des Vaters auf den gesamten Bedarf angerechnet wird oder es bestehen zwei Bedarfsgemeinschaften jeweils mit der Klägerin als Mittelpunkt: o Eine zwischen ihr und ihrer Mutter und o eine zwischen ihr und ihrer Tochter. Die Präferenz des BSG gilt dem Einheitsmodell, doch kommt es darauf für die Frage, wem das Kindergeld für die Klägerin zuzurechnen ist, nicht an. Zuordnung von Kindergeld als Einkommen Bilden Mutter, Tochter und Kleinkind eine Gemeinschaft, würde zwar grundsätzlich Kindergeld als Einkommen anzurechnen sein, doch ist das in der hier maßgeblichen Konstellation durch 9 Abs. 3 SGB II ausgeschlossen. Einkommen der Eltern eines Kindes, das schwanger ist oder selbst ein Kind betreut, werden auf den Bedarf für dieses Kind nicht angerechnet: Die Entscheidung noch nicht wirtschaftlich eigenständiger junger Menschen für ein Kind soll nicht dadurch erschwert werden, dass
Aktuelle Rechtsprechung des BSG 5 im Ergebnis das Einkommen der Eltern den Bedarf des Kindes während der Schwangerschaft oder in den ersten Lebensjahres des Kindes decken muss. Steht die Mutter der Klägerin außerhalb der Bedarfsgemeinschaft, wird das Kindergeld für die volljährige Tochter ihr und nicht der Tochter als Einkommen zugerechnet. Was die Mutter mit dem Kindergeld macht, ist für die Zuordnung zu ihrem Einkommen ohne Bedeutung. Klären müssen die Richter in Hessen deshalb nur noch, welchen Anspruch die Klägerin selbst hatte. Das hängt davon ab, ob sie allein erziehend war. Das beeinflusst die Höhe des Regelbedarfs ( 20 Abs. 2 SGB II) und den Anspruch auf einen Mehrbedarf nach 21 Abs. 3 SGB II. Krankenversicherung der Rentner BSG 23. 07. 2014 B 12 KR 28/12 R Leistungen einer Pensionskasse in vollem Umfang beitragspflichtig Bei Personen, die als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig sind, gehören neben der Rente von der DRV auch»der Zahlbetrag der einer Rente vergleichbaren Einnahmen«zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Zu diesen Einnahmen rechnen nach 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V auch die»renten der betrieblichen Altersversorgung«. Von diesem Begriff sind Zahlungen einer Pensionskasse in vollem Umfang erfasst. Ob die Zahlungen auch auf der Entrichtung von Beiträgen beruhen, die der Rentner in der Phase seiner Erwerbstätigkeit freiwillig selbst geleistet hat, spielt keine Rolle. Das hat der für das Beitragsrecht der Sozialversicherung zuständige 12. Senat des BSG am 23. 07. 2014 entschieden. Korrektur der bisherigen Rechtsprechung Bis vor wenigen Jahren wäre der Fall des Klägers, der seit 2008 Rentner ist und neben seiner Rente Leistungen in Höhe von 518 von einer Pensionskasse seines früheren Arbeitgebers erhält, nicht zum Bundessozialgericht gelangt. Dass solche Zahlungen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung und damit beitragspflichtig sind, war stets klar. Bewegung in die Debatte um die Beitragspflicht ist erst durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. 09. 2010 gekommen: Unter Korrektur der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts haben die Karlsruher Richter entschieden, dass Leistungen aus einer Direktversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen, die ursprünglich der Arbeitgeber vereinbart hatte, insoweit nicht beitragspflichtig sind, als sie auf Zahlungen beruhen, die der Betroffene nach seinem Ausscheiden aus dem Betrieb selbst auf den Versicherungsvertrag geleistet hat. Zahlung von freiwilligen Beiträgen nach Ausscheiden aus dem Betrieb Die Möglichkeit, nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb weiter freiwillige Beiträge zu entrichten, bestand auch bei der Pensionskasse, von der der Kläger seine Leistungen erhält. Dabei handelt es sich um den BVV (Versicherungsverein des Bankgewerbes), der als Einrichtung von Banken und Finanzinstitutionen derzeit Deutschlands größter Pensionsverein ist. Der Kläger wurde etwa 25 Jahre als Versicherter des BVV geführt; ca. 24 Jahre davon entrichtete er als freiwilliges Mitglied die Beiträge vollständig selbst, nachdem sein Beschäftigungsverhältnis zu einer Bank, das ihm den Einstieg in den BVV ermöglicht hatte, beendet war. Rechnerisch beruhen nur 55 der 518 monatlichen
Aktuelle Rechtsprechung des BSG 6 Rentenzahlungen auf Leistungen des früheren Arbeitgebers. Mit der Heranziehung des kleineren Betrages zur Beitragsabführung wäre der Kläger einverstanden. Unerheblich, wer Zahlungen vornimmt Die beklagte Ersatzkasse hatte stets die Auffassung vertreten, für die Zuordnung der Zahlungen des BVV sei allein entscheidend, dass es sich bei diesem um eine Einrichtung der betrieblichen Altersvorsorge handele; wer wann welche Beiträge entrichtet habe, spiele für die Beitragspflicht der Leistungen keine Rolle. Dieser Beurteilung haben sich das SG Köln und nun auch das BSG angeschlossen. Entscheidend: Ist der Zugang zur betrieblichen Altersversorgung an die Beschäftigung geknüpft? Die Kasseler Bundesrichter sind der Auffassung, die Abgrenzung der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung könne nur institutionell erfolgen, also danach, welche Institution die Zahlungen erbringt. Ist das eine Einrichtung, bei der nach typisierender Betrachtung ein Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit des Rentners zu dem jeweiligen System und dem Erwerbsleben besteht, sind die Leistungen beitragspflichtig. Nur als Beschäftigter einer Bank hatte der Kläger Zugang zum BVV. Das ist bei Direktversicherungen bei privaten Versicherungsunternehmen ohne Bindung an eine Branche anders. Dort ist allein der Arbeitnehmer Versicherungsnehmer; solange das Beschäftigungsverhältnis besteht, werden die Beiträge für ihn vom Arbeitgeber gezahlt; nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses trägt er sie wie bei jeder Versicherung selbst. Dass in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall der BVV die Möglichkeit eingeräumt hat, dass ehemalige Bankbeschäftigte weiter freiwillige Beiträge leisten können, hebt die systembedingten Unterschiede zwischen Direktversicherung mit Unterstützung des Arbeitgebers und betrieblicher Altersversorgung über eine Pensionskasse nicht auf. Das BSG hat sich festgelegt; das Verfahren ist als Musterverfahren geführt worden. Deshalb ist zu erwarten, dass der Kläger das Urteil des Bundessozialgerichts beim BVerfG angreifen wird. In dieser Lage kann es für die Betroffenen sinnvoll sein, ihre laufenden Widerspruchs- oder Klageverfahren gegen die Abführung von Beiträgen aus den gesamten Zahlungen von Pensionskassen, soweit diese teilweise auf eigenen Beiträgen beruhen, bis zu einer abschließenden Entscheidung aus Karlsruhe offen zu halten. Eine Möglichkeit, gegenüber der Krankenkasse durchzusetzen, dass diese einstweilen auf den Einzug solcher Beiträge verzichtet, besteht nach dem Urteil aus Kassel nicht mehr. Sozialhilfeleistungen für volljährige behinderte Menschen BSG 23. 07. 2014 B 8 SO 12/13 R u.a. Bei Zusammenleben in einer WG oder mit den Eltern besteht grundsätzlich Anspruch auf Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1 Seit dem 01. 01. 2011 sieht das SGB XII nach der Anlage zu 28 für volljährige Leistungsempfänger drei Regelbedarfsstufen vor. Stufe 1 für alleinstehende oder alleinerziehende Personen (Höhe des Bedarfs zurzeit 391 ), Stufe 2 für jeweils zwei erwachsene Personen, die als Partner einen gemeinsamen Haushalt führen (353 ) und
Aktuelle Rechtsprechung des BSG 7 Stufe 3 für Personen, die weder allein noch mit einem Partner einen Haushalt führen (313 ). Diese Stufe 3 erfasst nach allgemeiner Praxis der Sozialhilfeträger vor allem behinderte Menschen, die mit ihren Eltern (oder einem Elternteil) in einem Haushalt leben oder zusammen mit anderen behinderten Personen eine WG etwa im Rahmen des betreuten Wohnens bilden. Diese Zuordnung hat der für das Sozialhilferecht zuständige 8. Senat des BSG am 23. 07. 2014 beendet. Neue Zuordnung zur Regelbedarfsstufe 1 Behinderte Menschen, die sich nach ihren Möglichkeiten an der Haushaltsführung beteiligen, haben grundsätzlich Anspruch auf Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1. Das Bundessozialgericht fasst den Begriff der Führung eines Haushalts sehr weit. Führung eines Haushalts Es ist nicht erforderlich, dass der Betroffene den Haushalt ganz oder im Wesentlichen allein führt oder auch nur führen könnte. Grundsätzlich reicht für die Haushaltsführung jedes Mitwirken im Haushalt mit einer anderen Person Eltern, Freund/in, WG-Kollegen aus. Die Zuordnung eines erwachsenen Behinderten zur Regelbedarfsstufe 3 kommt danach nur in Betracht, wenn der Betroffene keinerlei Haushaltsführung leistet oder leisten kann; zudem muss der Sozialhilfeträger darlegen, dass ein behinderter Mensch keinerlei Leistungen zur gemeinsamen Haushaltsführung erbringt. Lässt sich dieser Ausschlusstatbestand für den Anspruch auf Leistungen nach Stufe 1 nicht feststellen, geht das zu Lasten des Sozialhilfeträgers. Gleichbehandlungsgebot Die Bundesrichter begründen ihre Auffassung vor allem damit, dass das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG nur bei diesem Verständnis der»haushaltsführung«gewahrt werden kann. Leben mehrere behinderte Menschen in einem Haushalt zusammen, von denen keiner allein einen Haushalt ohne Unterstützung durch die anderen Bewohner und/oder durch Betreuer führen könnte, stünde keinem Haushaltsangehörigen ein Regelbedarf nach Stufe 1 zu: Jeder wäre auf Stufe 3 (80% beschränkt), obwohl alle in einem Haushalt leben, der ersichtlich auch geführt wird. Das überzeugt, wirft aber die eher methodische Frage auf, ob sich der 8. Senat des BSG mit dieser Auslegung, die erkennbar vom Verständnis des Gesetzgebers abweicht, nicht außerhalb der Möglichkeiten einer verfassungskonformen Auslegung bewegt und statt dessen die Frage der Vereinbarkeit der Stufe 3 mit dem GG dem BVerfG zur Entscheidung hätte vorlegen müssen. Für die Betroffenen wie für die Sozialhilfeträger ist das ohne Bedeutung: Die behinderten Menschen sich begünstigt und die Sozialhilfeträger haben keine Grundrechtsposition inne, kraft derer sie das BVerfG mit einer Verfassungsbeschwerde anrufen könnten.