Retention-Management für High Potentials



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Transkript:

Retention-Management für High Potentials High Potentials sind die Führungskräfte von morgen. Für Unternehmen ist es daher von größter Wichtigkeit, diese Talente an sich zu binden. Anhand einer Befragung von über 500 High Potentials zeigen die Autoren auf, welche kurz- und mittelfristigen Maßnahmen Unternehmen ergreifen können, um für zukünftige Führungskräfte attraktiv zu bleiben. Definition von High Potential Was ist ein High Potential? Was zeichnet ihn aus und woran erkennt man ihn? In der Literatur lassen sich keine einheitlichen Definitionen und auch keine allgemein gültigen Kriterien finden. Das Staufenbiel Institut definiert den High Potential gleichzeitig auch als Right Potential. Das Profil: Top-Nachwuchskraft mit überdurchschnittlichem Hochschulabschluss, kurzer Studiendauer, qualifizierten Praktika, Berufs- und Auslandserfahrung, kann mindestens zwei Fremdsprachen fließend und hat ein überzeugendes Auftreten. Ein High Potential ist ein Einsteiger, der allen Anforderungen der Personalabteilung mehr als gerecht wird (vgl. Staufenbiel, online). Aufgrund der heterogenen Anforderungen an High Potentials, je nach Branche und je nach Situation im Unternehmen, scheint es sinnvoll, auf eine generelle Definition zu verzichten. Kienbaum ist der Ansicht, dass jedes Unternehmen seine eigene Definition einer High Potential-Persönlichkeit erarbeiten sollte. Doch selbst bei einem klar umrissenen Anforderungsprofil bleibt die Schwierigkeit, die entsprechenden Personen mit Prof. Dr. Norbert Thom Direktor des Instituts für Organisation und Personal (IOP), Universität Bern. 1 den geforderten Eigenschaften zu erkennen (vgl. Forum 2001, S. 181). Bei High Potentials handelt es sich um Personen jüngeren Alters eine explizite Altersbegrenzung kann allerdings nicht gegeben werden. Um von einem High Potential zu sprechen, sollten gewisse Eckdaten zweckmäßigerweise erfüllt sein: eine höhere fachliche Ausbildung (z. B. Universität, Fachhochschule oder eine berufliche Vertiefung), eine sehr starke Motivation und Freude an einer herausfordernden Tätigkeit, ein sozial kompetenter Umgang mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten, ein stetiges Bedürfnis nach persönlicher und beruflicher Weiterbildung. Mitarbeitererhaltung (Retention): Versuch einer Begriffsklärung High Potentials zu gewinnen bzw. zu rekrutieren, erweist sich bereits als komplexe Aufgabe. Die eigentliche Herausforderung liegt aber darin, diese Mitarbeitergruppe im Unternehmen zu halten (vgl. Lehmann u.a. 2001, S. 94). Die Erhaltung von High Potentials basiert auf einem Konzept, das sich aus einer notwendigen sowie einer hinreichenden Bedingung zusammensetzt: Die notwendige Bedingung ist der bekundete Wille des Mitarbeitenden, auf längere Sicht im Unternehmen zu verweilen. 1 Co-Autorinnen: Dr. Vera Friedli; Regine Moser, lic.rer.pol; Andrea Saxer, lic.rer.pol. 237

Zielgruppen der Personalentwicklung Die hinreichende Bedingung ist die Empfehlung durch andere Mitarbeitende, ebenfalls in dieses Unternehmen einzutreten (vgl. International Survey Research 2002, S. 4). Der im Englischen verwendete Begriff Retention mutet im deutschsprachigen Raum etwas seltsam an. Auf den ersten Blick scheint dieser, aus der Medizin stammende Ausdruck befremdend und unpassend für das Personalmanagement (vgl. Duden 2000, S. 811: Retention, lat., Med.: Zurückhaltung von auszuscheidenden Stoffen im Körper). Oftmals wird in diesem Zusammenhang von Personalbindung gesprochen, jedoch ist auch dieses Wort nicht unumstritten (vgl. Jochmann 2002, S. 191 ff.; Butler u.a. 2000, S. 70 ff.). Mit dem Begriff Bindung wird im Kontext menschlicher Handlungen oft etwas Negatives assoziiert. Häufig wird argumentiert, dass sich Menschen mit freiem Willen gar nicht binden lassen. Versucht es ein Arbeitgeber dennoch, fördert er möglicherweise Minimalisten und Anpasser. So ist es zweckmässiger, von Erhaltung zu sprechen. Führungskräfte und Spezialisten des Personalmanagements bieten Anreize, damit der Mitarbeitende sich im Unternehmen langfristig engagiert (vgl. Baschek 2001, S. 21). Retention-Instrumente Ein wesentlicher Faktor der Mitarbeitererhaltung ist eine schwer kopierbare, strategieunterstützende Unternehmenskultur. In deren Rahmen lässt sich das Potenzial der Mitarbeitenden bestmöglich entfalten (vgl. Lehmann u.a. 2001, S. 96). Dem Schweizer Hörgerätehersteller Phonak, Stäfa, eilt der Ruf voraus, dass dort eine vorbildliche Unternehmenskultur gelebt wird. In einem Interview mit Peter Pfluger, CEO der Phonak-Gruppe, wurde über den Zusammenhang der Mitarbeitererhaltung und Unternehmenskultur diskutiert. Auf die Frage, was unter einer guten Unternehmenskultur verstanden werden soll, meinte Pfluger:»Eine gute Unternehmenskultur ist ganz einfach eine, die zum Unternehmen passt: zur Aufgabe des Unternehmens, zu den Produkten und Dienstleistungen und zum Profil der Mitarbeiter. Dabei ist Unternehmens- kultur der gemeinsame Nenner von Verhaltensweisen und Einstellungen der Gesamtheit der Mitarbeiter nach außen und nach innen.«(vgl. Bonhage u.a. 2002, S. 6). Wesentliche Gründe, weshalb High Potentials das Unternehmen verlassen, sind: die Abwerbung durch andere Unternehmen, fehlende Entwicklungs- bzw. Karrieremöglichkeiten beim aktuellen Arbeitgeber, lange Entscheidungswege, geringe Internationalität, negatives Unternehmensimage, schlechtes Betriebsklima, ungünstige wirtschaftliche Lage. In jedem Fall sollte schnell reagiert werden, damit die Unzufriedenheit nicht weiter anwächst (vgl. Kinkel u.a. 2000, S. 223 ff.). Dies heißt jedoch nicht, dass Unternehmen Top- Leister um jeden Preis halten sollten. Zusätzliches Geld entschädigt unter Umständen kurzfristig für ein schlechtes Arbeitsklima, jedoch ist es kein wirksames Mittel zur langfristigen Mitarbeiterbindung. Wichtig ist, dass nicht weniger gezahlt wird als dies Wettbewerber tun, aber auch nicht mehr. Es erscheint wirksamer, dieses Geld für andere Retention-Instrumente zu nutzen (vgl. Obermeier 2002). Generell sinkt die Neigung der Mitarbeitenden sich zu binden. Ebenso sind immer häufiger Karrierepläne von Individuen nicht mehr an Firmen gekoppelt (vgl. Lichtenberger 2002, S. 1). Zusätzlich wächst vielerorts das Misstrauen gegenüber der Unternehmensleitung. Diese Vertrauenskrise kam schleichend.»damals, als es den meisten Unternehmen noch gut ging, beklagten sich Kaderleute und Mitarbeiter über die ständigen Umstrukturierungen und die damit verbundenen Personenwechsel. Zwar schien der Erfolg die Veränderungen zu bestätigen, der Grund für die ständigen Umorganisationen blieb aber unverständlich. [...] Resignation, wenn nicht sogar Zynismus machten sich breit.«(vgl. Peer 2002, S. 1). Die Frage nach der Stimmigkeit von Strategie, Vision sowie Unternehmenswerten wird gestellt.»eine Antwort darauf geben verlässliche Vorgesetzte mit einer verbindlichen strategie- und zielorientierten Führung. Grundlage dafür bildet ein Vertrauensklima.«(vgl. Tanner u.a. 2002, S. 1). 238

Retention-Management für High Potentials Kultur Einstellungen Werte Unternehmung Arbeitsmarktfähigkeit Individuum Selbstverantwortung Strategien Ziele Work-Life-Balance Instrumente Methoden Prozesse Strukturen Abb. 1: Modell eines nachhaltigen Personalmanagements (vgl. Zaugg u.a. 2001, S. 3) Nachhaltige Führung gibt es nur durch vorbildliches Verhalten, klares Kommunizieren, aktives Zuhören sowie die verständliche Erläuterung der Vision und Mission des Unternehmens. Vertrauen und Sicherheit lässt sich durch gemeinsame Orientierung erreichen. Wenn Mitarbeitende besser verstehen, welchen Weg ein Unternehmen einschlagen will, dann darf das Unternehmen eher mit deren Einsatz und Begeisterung rechnen.»die Mitarbeitenden werden dadurch motiviert, ihre Talente, ihre Intelligenz, ihr Geschick und ihre Kreativität zum Wohl der gemeinsamen Vision zu nutzen. So entstehen Synergien, die den Erfolg beschleunigen. Das auf diese Art gewonnene Vertrauen bildet auch die Basis, um auf allfällig sich verändernde Marktbedingungen oder kurzfristig anzupassende Ziele offen, lernbereit und flexibel einzugehen.«(vgl. Tanner 2002, S. 1). Work-Life-Balance Das Thema Work-Life-Balance liegt derzeit im Trend und erfreut sich einer starken Verbreitung. Die Gründe dafür sind unterschiedlich und vielfältig.»veränderte Lebensgewohnheiten und Erwartungen an das geschlechtsspezifische Rollenverhalten, die damit verbundenen Rekrutierungs- und Besetzungsschwierigkeiten (Retention), die Zunahme der Stresserkrankungen und Beziehungsprobleme in Partnerschaft und Familie mit ihrem totalen Aufsaugen psychischer Energien sind einige der Symptome einer beeinträchtigten Work-Life-Balance.«(vgl. Eck 2001, S. 24). Viele qualifizierte Mitarbeitende fordern vermehrt die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit. Das bedeutet nicht, dass sie karrieremüde wären, denn die Arbeit ist nach wie vor ein zentraler Lebensinhalt. Die Ziele einer nachhaltigen Personalpolitik lauten:»den Wert der Mitarbeiter durch konsequente Weiterbildung steigern, ihre Selbstverantwortung durch partizipative Führungssysteme erhöhen und durch Modelle wie Job-Sharing oder Langzeitarbeitskonten eine angemessene Work-Life-Balance gewährleisten.«(vgl. Obermeier 2002a). Auch Zaugg, Blum und Thom gehen nach breiter Literaturrecherche zum nachhaltigen Personalmanagement von einer Konzeption aus, in welcher das Individuum und die Unternehmung als gleichwertige Partner angesehen werden (vgl. Abb. 1). Die Zielsetzungen für nachhaltiges Personalmanagement sind: 239

Zielgruppen der Personalentwicklung Steigerung der Arbeitsmarktfähigkeit, Einsatz partizipativer Führungssysteme zur Erhöhung der Selbstverantwortung, Gewährleistung einer angemessenen Work-Life-Balance (vgl. Zaugg u.a. 2001, S. 2). Etablierung von Life-Balance- Programmen Damit das Management und die Mitarbeitenden von den Möglichkeiten der Work- Life-Balance-Programme profitieren, ist es empfehlenswert, partnerschaftlich nach Lösungen zu suchen. Für die Unternehmensleitung kann sich dies durchaus lohnen, denn Motivation und Zufriedenheit werden durch die Balance der verschiedenen Lebensbereiche gesteigert (vgl. Huber 2001, S. 55). Die Verantwortung dafür liegt aber keinesfalls nur auf Unternehmerseite. Auch die Eigeninitiative der Beschäftigten ist gefragt. Beispielsweise sollen die Mitarbeitenden Bei der Etablierung von Life- Balance-Programmen müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenarbeiten. dazu motiviert werden, ihre Ideen für neue Arbeitsmodelle zu artikulieren und mit konstruktiven Vorschlägen einen Beitrag zur Veränderung der momentanen Situation zu leisten. Grundsätzlich ist es schwierig, die Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu trennen. Neben der Tätigkeit an sich, welche bei den High Potentials klar den dominierenden Faktor für ein erfülltes Arbeitsleben darstellt, erlangt auch der Führungsstil, das Verhältnis zu den Vorgesetzten und zu den Kollegen fundamentale Bedeutung. Ein weiteres Instrument zur Beeinflussung der Zufriedenheit ist die Arbeitszeit. Die Fachleute sind sich einig, dass es keine generell verwendbaren Rezepte zur Steigerung der Leistungsmotivation und Arbeitszufriedenheit der Belegschaft gibt und deshalb die individuellen und unternehmensspezifischen Gegebenheiten immer zu berücksichtigen sind. Der Weg zur Gewährleistung und Umsetzung von Work-Life-Balance ist weit. Einige Unternehmen behandeln das Thema als ein sehr konkretes Konzept. Es werden Fitness- räume eingerichtet, Wellness-Wochenenden oder Anti-Stress-Seminare organisiert. Der Begriff Work-Life-Balance ist jedoch anderen Arbeitgebern viel zu abstrakt. Quer über alle Branchen hinweg erfahren die Konzepte noch viel Ablehnung (vgl. Landwehr 2002). Das Verhältnis von Arbeitslast und Lebenslust ist spannungsreich. Kann der wachsende Arbeitsdruck nicht kompensiert werden, sind Krankheiten und Depressionen die Folge. Verbreitete Konventionen des Erfolges, welche besagen, dass alles mühelos und spielerisch ablaufen soll, lassen die Menschen in so genannte Mentalitätsfallen tappen. Die Herausforderung in der heutigen Arbeitswelt besteht u. a. darin, diese Fallen zu umgehen. Studie zum Retention-Management Die Verfasser haben im Rahmen ihrer Studie über 500 High Potentials befragt. Das Forschungsdesign wurde dabei in zwei Teilstudien unterteilt: die Managementseite (qualitative Studie), die Mitarbeiterseite (quantitative Studie). Die qualitative Studie sollte die Zusammenhänge der nachhaltigen Personalerhaltung in der Praxis verdeutlichen und vertiefen. Die Leitfadeninterviews mit den jeweiligen Personalverantwortlichen dienten dazu, das personalwirtschaftliche Instrumentarium aus der Sicht des Arbeitgebers zu eruieren. Bei der quantitativen Studie handelte es sich um eine Bestandsaufnahme zur Retention- Thematik aus der Perspektive von High Potentials, die als solche vom Unternehmen identifiziert wurden. Die inhaltliche und formale Gestaltung des Fragebogens ist entscheidend für den Erfolg einer Befragung. Es wurde über Pretests besonders darauf geachtet, eine günstige Reihenfolge der Fragenkategorien zu finden. Mitarbeiterbefragung Befragt wurden High Potentials zweier Unternehmen. Unternehmen A ist in der Chemiebranche tätig. Die Personalleitung hat für die Untersuchung in der Schweiz 357 High Potentials identifiziert. Mitte März 2002 wurden 357 Fragebögen an die Mitar- 240

Retention-Management für High Potentials Bedeutung für das Unternehmen Einsatz gemäss Qualifikation 1.6291 1.7085 1.7085 1.7243 Genügend Handlungsspielraum 1.5794 1.9467 Sinnvoll 1.4019 1.6094 Abw echslungsreich Kompetenz zur Ausführung der Arbeit 1.2844 1.3286 1.3972 1.478 Unternehmen B Unternehmen A 1 1.05 1.1 1.15 1.2 1.25 1.3 1.35 1.4 1.45 1.5 1.55 1.6 1.65 1.7 1.75 1.8 1.85 1.9 1.95 Abb. 2: Charakteristika der Arbeitsstelle oder Aufgaben (Mittelwerte) beitenden versandt (Rücklaufquote: 59,94 Prozent; N=214). Bei Unternehmen B handelt es sich um ein großes Schweizer Finanzdienstleistungsinstitut. Die Befragung der Mitarbeitenden des Unternehmens B fand im Zeitraum vom April bis Mai 2002 via elektronischem Fragebogen statt. Insgesamt wurden 435 Personen durch E-Mail kontaktiert (Rücklaufquote 73,79 Prozent, N=321). Nachfolgend werden ausgewählte Ergebnisse aus den zwei Mitarbeiterbefragungen dargestellt und interpretiert. Eine komplette Auswertung sämtlicher empirischer Befunde und die daraus abgeleiteten Empfehlungen für das Retention-Management erfolgen einerseits in Moser/Saxer (2002) und anderer- seits im Schlussbericht über das gesamte Projekt (vgl. Thom u.a. 2002). Aspekte der Tätigkeit In einem ersten Fragenkomplex wollten die Autoren wissen, wie sich die aktuelle Tätigkeit oder die Aufgabe der Befragten charakterisieren lässt (vgl. Abb. 2). Die tiefen Mittelwerte, d. h. bei der gewählten Skala die hohe Ausprägung der Charakteristika, sprachen für die Sonderstellung der Befragten in ihren Unternehmen. Um die oben genannten Aussagen noch etwas zu vertiefen, wurden in einem weiteren Schritt die Faktoren erörtert, welche bei der Wahl einer Arbeitsstelle wichtig sind und Abb. 3: Wichtigkeit der Faktoren bei der Wahl einer Arbeitsstelle (Mittelwerte) Arbeitsort und -weg Image Arbeits zeit Arbeitsform Arbeitsplatzsicherheit Aus- und Weiterbildung Interne Kommunikation Unternehmenskultur Gehalt Kollegen Vorgesetzte Tätigkeit/Aufgabe 1.1881 1.1542 1.5831 2.0031 1.9906 1.8652 1.9765 1.8433 1.9437 1.8219 1.8873 1.7656 1.8318 1.7981 1.9969 2.5723 2.6573 2.5962 2.4104 2.5252 2.3184 2.2633 2.2358 Unternehmen B Unternehmen A 3.2194 1 1.25 1.5 1.75 2 2.25 2.5 2.75 3 3.25 241

Zielgruppen der Personalentwicklung Arbeitsort und -weg Image Arbeits zeit Arbeitsform Arbeitsplatzsicherheit Aus- und Weiterbildung Interne Kommunikation Unternehmenskultur Gehalt Kollegen Vorgesetzte Tätigkeit/Aufgabe 1.3944 1.6761 1.6351 1.735 1.7617 1.8208 2.1365 1.9754 1.8871 2.0698 2.0047 1.9781 2.2689 2.1289 2.243 2.1238 2.271 2.3803 2.4554 2.6804 2.7658 2.7934 Unternehmen B Unternehmen A 2.9652 3.1325 1 1.25 1.5 1.75 2 2.25 2.5 2.75 3 3.25 Abb. 4: Erfüllung der Faktoren in den Unternehmen (Mittelwerte) diese dann auf ihre Ausprägungen im Unternehmen überprüft. In Abbildung 3 ist sehr gut erkennbar, dass der Inhalt der Tätigkeit, also die Aufgabe an sich, der entscheidende Faktor ist, wenn High Potentials sich für eine Arbeitsstelle entscheiden. Dieser jeweils kleinste Mittelwert hebt sich in beiden Unternehmen deutlich von den übrigen ab. Diese Werte (Wunsch der High Potentials) können denjenigen gegenübergestellt werden, welche bezüglich ihrer spezifischen Erfüllung (empfundene Realität) im Unternehmen gemessen wurden (vgl. Abb. 4). Die geforderte Übereinstimmung zwischen Wunsch und Erfüllung ist bei einigen Aussagen vorhanden, bei anderen lässt sich noch Handlungsbedarf erkennen. So z. B. bei Unternehmen A in der internen Kommunikation oder der Unternehmenskultur oder in Unternehmen B in der Unternehmenskultur, internen Kommunikation und beim Image. Immaterielle Anreize Laut Fachliteratur übernehmen die immateriellen Anreize einen immer wichtigeren Stellenwert bei der Gestaltung des Retention-Managements. Deshalb wurden in der quantitativen Befragung verschiedene Aspekte, wie z. B. der Anreiz durch Führung und das Verhältnis zu den Vorgesetzten, Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen oder auch der Anreiz durch die Möglichkeit zur Aus- und Weiterbildung geprüft. Entwicklungsmöglichkeiten Besondere Aufmerksamkeit verdient der Faktor Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, da Personalentwicklung und Karrieremöglichkeiten einen wichtigen Anteil an der Erhaltung von High Potentials ausmachen. In Unternehmen A stufen die Mitarbeitenden das Angebot an Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten allgemein und ihre persönlichen Möglichkeiten als verbesserungswürdig ein. Die angebotenen Karrierepfade sind vergleichsweise intransparent, weshalb auch die Attraktivität der Angebote aus Sicht der Betroffenen leidet. Die Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen B werden unterschiedlich bewertet. Das Angebot wird durchschnittlich als»gut«eingestuft, die Transparenz der Aufstiegsentscheide und der betrieblichen Karriereplanung im Allgemeinen scheint hingegen noch nicht sehr hoch zu sein. Personalentwicklung und Karrieremöglichkeiten bilden einen gewichtigen Faktor bei der Erhaltung von High Potentials. Die Mitarbeitenden sind sich hier nicht ganz einig (relativ große Standardabweichung), was die Verbesserungswürdigkeit des Ange- 242

Retention-Management für High Potentials bots allgemein sowie die persönlichen Möglichkeiten betrifft. Aufgrund dessen leidet auch die Attraktivität unter einer nicht sehr positiven Beurteilung. Es könnte sein, dass es einfach an einer mangelnden Kenntnis über vorhandene Chancen liegt. Diese Aussagen wiederum stehen Erklärungen der beiden Human Resources Abteilungen gegenüber, welche die Möglichkeiten selbst als weitreichend und sehr transparent beurteilen. Beförderungskriterien Fragt man die High Potentials, welche Aspekte ihrer Meinung nach wichtig sind, um aufzusteigen oder sich weiter entwickeln zu können, werden die Faktoren»Beziehungsnetzwerk pflegen«,»initative zeigen«und»qualitativ hochstehende Arbeit leisten«an erster Stelle genannt (vgl. Abb. 5). Die Gegenüberstellung zum Selbstbild der Personalabteilungen ergibt, dass eine weitgehende Übereinstimmung zwischen beiden Perspektiven besteht. Es wird überdurchschnittliche Initiative gefordert, die Arbeit muss konsequenterweise qualitativ hoch stehend sein und was mindestens ebenso wichtig ist, sind die sozialen Kompetenzen. Zusätzliche Auswertungen ergaben, dass Werthaltungen und die aktive Unterstützung der Unternehmenskultur innerhalb des Unternehmens A entscheidende Kriterien für den Förderungsentscheid bilden. Die Seniorität ist bei diesem Arbeitgeber heute kein ausschlaggebender Grund mehr, eine Person zu befördern. Die klassische Laufbahn, basierend auf den absolvierten Dienstjahren, gehört in diesem Unternehmen definitiv der Vergangenheit an. In Unternehmen B sehen die Mitarbeitenden es als ganz besonders wichtig für den Aufstieg und die persönliche Weiterentwicklung an, dass Beziehungsnetzwerke geknüpft und auch gut gepflegt werden. Die Seniorität wird im Unternehmen B angesichts des Zeitgeistes erstaunlich hoch bewertet. Weiterbildung Die Motivation unter den Befragten, sich in Zukunft beruflich weiterzubilden, ist in beiden Unternehmen hoch. Es ist nicht nur das eigene Engagement gefordert, sondern auch die aktive Unterstützung der Vorgesetzten. Dabei ist den Mitarbeitenden das laufende Feedback besonders wichtig, d. h. sie brauchen kontinuierlich Anhaltspunkte bezüglich ihrer Leistung und ihres Verhaltens und nicht nur beim alljährlichen Mitarbeitergespräch. Eine gezielte Förderung durch den Vorgesetzten, die Chance auf Weiterbildung sowie periodisch geführte Mitarbeitergespräche weisen in beiden Unternehmen ungefähr ähnlich hohe Mittelwerte in der Rangliste der Faktoren auf, welche den Mitarbeitenden wichtig sind, um sich weiterzuentwickeln (Unternehmen A: zwischen 1.84 und 1.94; Unternehmen B: zwischen 1.68 und 2.05). Abb. 5: Wichtige Aspekte bezüglich Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten (in Prozent) Seniorität Kritisch sein Viel arbeiten Auslandsaufenthalte vorweisen Gute Sozialkompetenzen aufweisen Qualitativ hochstehende Arbeit leisten Initiative zeigen Beziehungsnetzwerke pflegen 24.5 36.3 42.3 48.3 60.0 60.0 60.1 70.8 71.1 72.8 Unternehmen B Unternehmen A 84.4 74.2 87.6 84.5 90.7 80.7 0.0 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 60.0 70.0 80.0 90.0 100.0 243

Zielgruppen der Personalentwicklung Vorgesetzte Die Vorgesetzten erhalten von den Befragten verhältnismäßig gute Noten hinsichtlich der gewährten Chancen zur Weiterbildung, den periodisch geführten Mitarbeitergesprächen und dem laufenden Feedback (Unternehmen A: Mittelwerte zwischen 2.39 und 2.87, Unternehmen B: zwischen 2.05 und 2.46). Deutlich schlechter bewertet wird allerdings die direkte Förderung durch die Vorgesetzten (Unternehmen A: Mittelwert von 3.09, Unternehmen B: von 3.51). Hier liegt ein Gefahrenpotenzial für den Verbleib der High Potentials. Unternehmenskultur Ein weiterer wichtiger Bindungsfaktor für High Potentials ist die Kultur im Unternehmen. Im Mittelpunkt der Unternehmenskultur stehen Vertrauen und Handlungsfreiheit der Mitarbeitenden. Dies wird nach offizieller Einschätzung erreicht, indem: die Förderung der Mitarbeitenden erste Priorität hat, die Werte und nicht die Regeln die Handlungen leiten, die Firma authentisch und glaubwürdig ist, die Firma sich über die Kunden und die Märkte definiert, die Chancen genutzt werden und unternehmerisch gehandelt wird, die Führungskräfte wirklich führen. Unter dem Titel Unternehmenskultur beschreiben 70,6 Prozent der Befragten in Unternehmen A (Unternehmen B: 69 Prozent) das Umfeld hinsichtlich Arbeitskollegen und dem jeweiligen Team als geprägt von Vertrauen und Wertschätzung. In Unternehmen A wirkt die Atmosphäre innerhalb der Firma vorwiegend motivierend und identifikationsstiftend, was sich Die Unternehmenskultur ist ein wichtiger Motivations- und Bindefaktor für Mitarbeiter. auch darin bestätigt, dass 58,5 Prozent aller Befragten dieser Aussage wiederum entweder»voll zustimmen«oder»zustimmen«. Die Wertvorstellungen der Firma harmonieren zu 49,5 Prozent mit denjenigen der Mitarbeitenden und werden top down gelebt. Die Atmosphäre in Unternehmen B könnte im Vergleich dazu sicherlich noch deutlich motivierender und identifikationsstiftender sein, was sich darin bestätigt, dass lediglich 26,9 Prozent aller High Potentials oben genannten Aussagen wiederum»voll zustimmen«oder»zustimmen«. Und nur zu 27,9 Prozent harmonieren die Wertvorstellungen der Firma mit denjenigen der befragten Mitarbeitenden. Ausserdem sind 27,9 Prozent der Befragten der Meinung, dass Unternehmen B und deren Führung klare Visionen für die Zukunft des Unternehmens haben. Dass erfolgreiche Strategien zur Realisierung dieser Visionen entwickelt werden und dann zur Umsetzung motivieren, davon sind lediglich 16,5 Prozent überzeugt. Für Unternehmen B besteht in diesem Bereich deutlicher Handlungsbedarf. Wunsch nach einem Stellenwechsel Auf die Frage:»Denken Sie manchmal daran, die Stelle zu wechseln?«antworteten in Unternehmen A 44, 8 Prozent mit Ja (Unternehmen B: 37, 7 Prozent) und 55,2 Prozent mit Nein (Unternehmen B: 62,3 Prozent). Die Frage war sehr allgemein formuliert und es können verschiedene Faktoren zu diesem Resultat beitragen. Es ist durchaus denkbar, dass jemand am Tag des Ausfüllens unzufrieden war und die Frage mit Ja beantwortete, obwohl er nicht konkret an einen Wechsel denkt. Es ist aber auch plausibel, dass wohl sehr viele Personen in der Vergangenheit einmal an einen Stellenwechsel gedacht haben. Die Angaben der möglichen Kündigungsgründe könnten für die Interpretation der oben genannten Zahlen hilfreich sein. Bei dieser Frage konnten mehrere Antworten genannt werden. Die in beiden Unternehmen am häufigsten genannten Gründe für einen Stellenwechsel sind: unbefriedigende Arbeitsinhalte, fehlende Perspektiven, Mobbing (vgl. Abb. 6). Es besteht jedoch auch die Angst, dass mit fortgeschrittenem Alter keine andere, adäquate Position mehr gefunden und deshalb 244

Retention-Management für High Potentials Andere 4.7 12.7 Arbeitsw eg/auslandsaufenthalte/unbez. Urlaub 6.5 12.0 Unternehmen B Arbeitsform Überlastung/zu viel Arbeit 8.4 16.5 13.6 16.8 Unternehmen A Generelle Unzufriedenheit Entlöhnung Fixierte Strukturen 33.6 32.6 33.6 34.5 40.2 56.1 Mobbing 57.9 56.1 Keine Perspektiven mehr 64.9 65.0 Führung 48.1 66.5 Unbefriedigender Arbeitsinhalt 72.2 70.1 0.0 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 60.0 70.0 80.0 Abb. 6: Mögliche Kündigungsgründe (in Prozent) auf eine Kündigung verzichtet wird. Die wichtigsten Kündigungsgründe stehen in Übereinstimmung mit den Attraktionsgründen, die in anderen Fragen artikuliert wurden, nämlich dem Arbeitsinhalt, dem unmittelbaren sozialen Umfeld und den weiteren Entwicklungsperspektiven (vgl. Abb. 4). Gestaltungsempfehlungen Angeregt durch die Ergebnisse der Befragung werden nachfolgend einige Gestaltungsempfehlungen für das Personalmanagement im Sinne eines Retention-Managements formuliert. Je nach Branche und Unternehmen stehen unterschiedliche Kriterien eines High Potentials im Vordergrund, weshalb unbedingt eine unternehmensspezifische Definition empfohlen wird. Unternehmensspezifische Definition Zur Findung dieser Definition für High Potentials sind folgende Eckdaten wesentlich: höhere fachliche Ausbildung, starke Motivation und Freude an herausfordernder Tätigkeit, sozial kompetenter Umgang mit Arbeitskollegen und Vorgesetzten, stetiges Bedürfnis nach beruflicher und persönlicher Weiterbildung. Dabei handelt es sich oft um vielseitig interessierte Menschen, die sich nicht nur auf den Beruf konzentrieren, sondern evtl. auch nebenberufliche Tätigkeiten ausüben, jedoch verfolgen sie alles auf einem qualitativen hohen Niveau. Bedürfnisse identifizieren Ein wirksames Anreizsystem umfasst sowohl materielle, immaterielle als auch soziale Anreize. Die Abstimmung der Anreize auf die Bedürfnisse der High Potentials in jeweiligen Unternehmen ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Ein branchen-, funktions- und standortübliches Gehalt wird von High Potentials vorausgesetzt. Weitere, massive materielle Anreize darüber hinaus können aber Negativeffekte auslösen. Es stellt sich ein Verdrängungs- bzw. ein Korrumpierungseffekt ein. Dieser besagt, dass durch die Hinzufügung einer finanziellen Prämie, welche als Motivation von außen kommt, der innere Antrieb oder die Freude an der Tätigkeit verringert wird. Die Erfüllung der Arbeit ist nur noch Mittel zum Zweck, um an die Belohnung zu gelangen. Das weit verbreitete Prinzip der leistungsabhängigen Entlohnung birgt (abhängig von der Bezugsgröße) dieses Risiko in sich. Nach Erreichen der Belohnung sinkt die Motivation und es braucht stets neue Anreize. Die materielle Dimension wirkt somit relativ kurzfristig und dient der langfristigen, nachhaltigen Personalerhaltung kaum. Bei der Wahl der Arbeitsstelle steht für den High Potential die Tätigkeit bzw. der Ar- 245

Zielgruppen der Personalentwicklung beitsinhalt an sich im Vordergrund. Die Arbeit soll sinn- und identifikationsstiftend sein und ein Gefühl von Wertschätzung und Anerkennung vermitteln. Die Chance zum eigenständigen Setzen von Zielen und ein genügend großer Handlungsspielraum unterstützen dabei die Motivation der High Potentials zusätzlich. Karrieremöglichkeiten bieten Je höher die Chancen auf dem internen Arbeitsmarkt sind, desto geringer ist die Gefahr eines möglichen Stellenwechsels. Dieser Gefahr kann mit einem gut strukturierten und durchlässigen Karrieresystem entgegengewirkt werden. Die Ausgestaltung der Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Weiterbildungen on-the-job und off-the-job sollte auf die jeweilige Persönlichkeit abgestimmt werden können. Dies erfordert Flexibilität seitens der Unternehmung. Dabei ist zu beachten, dass sowohl für Fach- als auch für Führungskräfte ein Angebot besteht, also verschiedene Karrieremodelle (Linien-, Fach- und Projektkarrieren; vgl. Friedli 2002) angeboten werden. Häufig umfasst die Karriereplanung eine interne Nachfolgeplanung für ausgewählte Schlüsselpositionen. Fördern und fordern Das Verhältnis zu Vorgesetzten ist ein Ansatzpunkt des Retention-Managements im immateriellen Bereich. Die Schwierigkeit für die Führungsperson liegt darin, den High Potential in einem optimalen Ausmaß zu fordern und zu fördern. Zudem sollten Vorgesetzte den Zeitpunkt für einen weiteren Schritt in der Entwicklung der High Potentials frühzeitig erkennen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Vorgesetzte sollte man für ihre Personalentwicklungsarbeit bei dieser Zielgruppe belohnen, z. B. dadurch, dass ihnen auch zukünftige High Potentials zugeordnet werden. Offene Kommunikation Will das Unternehmen seine besten Mitarbeitenden nicht verlieren, gilt es, offen, rechtzeitig und ehrlich mit ihnen vorhande- ne Unternehmensprobleme zu diskutieren und sie auch in die Problemlösungen mit ein zu beziehen. High Potentials erfahren im Unternehmen viel Förderung, dennoch ist es möglich, dass sie als erste das Unternehmen verlassen, weil die Anreizstruktur und das anspruchsvolle Anreiz-Beitrags-Gleichgewicht nicht mehr stimmen. Daher ist es wichtig, einmal vom Unternehmen definierten High Potentials ihre Position und internen Aufstiegsmöglichkeiten zu erläutern, sie als dem Unternehmen wichtige Mitarbeitende anzusprechen. Zur Motivation der betroffenen High Potentials bedarf es unbedingt der intensiven Pflege dieses Pools: Den Mitarbeitenden muss klar kommuniziert werden, für welche Stelle sie in der Anwärterposition sind und in welchem Zeitraum ein Stellenwechsel ins Auge gefasst wird. Angesichts der enormen Kostenfolgen, die ein ungeplanter Weggang von High Potentials verursacht, lohnt sich ein durchdachtes Anreizkonzept für diese Personengruppe bei allen Unternehmen, die sich im Wettbewerb überdurchschnittlich positionieren wollen. Literaturverzeichnis Baschek, Eckhard: Motivation zahlt sich aus. In: Handelszeitung, 140. Jg. 2001, Nr. 8, S. 19-21. Bonhage, Almut; Gagnebin, Philippe; Aeberhard, Urs: Erfolgsfaktor Unternehmenskultur. Interview mit Peter Pfluger, CEO der Phonak-Gruppe. In: Vision. Das Schweizer Magazin für Wissenschaft und Innovation, Nr. 1/2002, S. 6-10. Butler, Timothy; Waldroop, James: Wie Unternehmen ihre besten Leute an sich binden. In: Harvard Businessmanager, 22. Jg. 2000, Nr. 2, S. 70-78. Eck, Claus D.: Herausforderungen der Work-Life-Balance. In: persorama. Magazin der Schweizerischen Gesellschaft für Personal-Management SGP, Nr. 2/2001, S. 24-27. FORUM Verlagsgruppe (Hrsg), High-Potentials. Kult oder Notwendigkeit? In: Praxisführer. Der nützliche Karriereplaner mit vielen wichtigen Unternehmen und Branchen, 14. Aufl., Kreuzlingen 2001. Friedli, Vera: Die betriebliche Karriereplanung. Konzeptionelle Grundlagen und empirische Studien aus der Unternehmensperspektive, Bern/Stuttgart/Wien 2002. Huber, Daniel: Familien-Audit öffnet Horizonte. In: persorama. Magazin der Schweizerischen Gesellschaft für Personal-Management SGP, Nr. 2/2001, S. 53-55. 246

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