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Transkript:

Rede Datum 5. November 2015 Minister Heiko MaasDeutscher Insolvenzverwalterkongress 2015 ES GILT DAS GESPROCHENE WORT! Sehr geehrter Herr Dr. Niering, meine Damen und Herren, heute ist ein wichtiger Tag: Die Bundesregierung wird heute die Weichen stellen, wie wir die Flüchtlingsaufnahme begrenzen und bewältigen werden. Den ganzen Tag über gibt es dazu heute politischen Gespräch, aber wir ist wichtig, dass die Bundesregierung darüber viele andere Themen, die ebenfalls wichtig sind, nicht vergisst. Und das Insolvenzrecht gehört auch dazu. Deshalb ist es mir wichtig, heute bei Ihnen zu sein, denn es gibt derzeit eine ganze Reihe insolvenzrechtlicher Themen in der politischen Debatte. Einige davon möchte ich heute ansprechen: Vor wenigen Wochen haben sich unsere Überlegungen zur Reform der Insolvenzanfechtung konkretisiert. Es gibt nun einen Regierungsentwurf, der sich im parlamentarischen Verfahren befindet. Dort im Deutschen Bundestag liegt auch noch ein zweites wichtiges Projekt: Der Regierungsentwurf zum Konzerninsolvenzrecht. Und drittens stehen wir vor gewaltigen Herausforderungen im Europäischen Insolvenzrecht. Dies hat in den letzten Jahren eine ungeahnte Dynamik entfaltet. die Europäische Kommission hat vor wenigen Wochen mit ihrem Aktionsplan zur Kapitalmarktunion neue, kraftvolle Impulse gesetzt. Bei diesem Vorhaben geht es zwar eigentlich um die Schaffung eines integrierten europäischen Kapitalmarkts. Es drängt sich deshalb nicht sofort auf, dass auch das Insolvenzrecht betroffen ist. Die Kommission ist allerdings der Auffassung, dass die Unterschiede im Insolvenzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten so gravierend sind, dass sie grenzüberschreitende Kapitalanlagen und Finanzierungen erschweren und verteuern. Um diese Hemmnisse und Kosten zu beseitigen, sollen die nationalen Insolvenzrechte aneinander angeglichen werden. Das ist ein gewaltiges Vorhaben. Da es der Kommission um die Beseitigung der Hindernisse für den freien Kapitalverkehr geht, lässt sich die Reichweite des Vorhabens derzeit wenig ermes-

sen. Dies gilt auch für die möglichen Aus- und Rückwirkungen auf die nationalen Gesetze. Mit der Beseitigung von Hemmnissen für den Kapitalverkehr ließe sich in letzter Konsequenz nicht nur die Totalharmonisierung des Insolvenzrechts, sondern des gesamten Wirtschaftsrechts rechtfertigen. Das ist bis auf weiteres natürlich illusorisch und wohl auch nicht die Absicht der Kommission. Derzeit lässt sich kaum ermessen, in welchen Bereichen die Kommission Fortschritte bei der Rechtsangleichung erzielen möchte. Festgelegt hat sie sich allein in einem Punkt: Sie möchte die im letzten Jahr vorgestellten (unverbindlichen) Empfehlungen zum Unternehmensinsolvenzrecht in einen Legislativakt umsetzen und damit verbindlich ausgestalten. Es geht dabei um zwei Punkte: Zum einen um die Einführung eines verwalterlosen vorinsolvenzlichen Sanierungsverfahrens und zum anderen um die Ermöglichung einer Restschuldbefreiung bei gewerblich oder freiberuflich tätigen Schuldnern nach spätestens drei Jahren. Die Kommission hat dabei sehr konkrete Vorstellungen. Diese beschränken sich nicht auf Grundsätze, sondern umfassen auch die Details. So gibt es zum Beispiel die Vorgabe, dass die neuen Verfahren in einem frühen Stadium der Unternehmenskrise und damit vor der Insolvenz anknüpfen sollen. Vor-insolvenzlich sollen die Verfahren aber auch in dem Sinne sein, dass den Gerichten in der Eingangsphase keine Prüfungs- und Entscheidungskompetenz zukommen sollen. Aus deutscher Sicht sind hier Konflikte mit den rechtspolitischen Entscheidungen der jüngsten Insolvenzrechts-Reformen vorprogrammiert: Die Einführung von vor-insolvenzlichen Sanierungsverfahren steht im Gegensatz zum Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Mit diesem Gesetz hatten dem wir auf die Schaffung solcher Verfahren verzichtet und stattdessen die Sanierungsoptionen im Insolvenzverfahren erweitert und verbessert. Dokument1 Seite 2 von 7

Ganz ähnlich ist es mit der Empfehlung der Kommission, redliche Privatschuldner spätestens nach drei Jahren von verbleibenden Schulden zu befreien. In Deutschland knüpft die vorzeitige Restschuldbefreiung an die Bedingung, dass ein Mindestanteil der Schulden und die Verfahrenskosten beglichen werden. zu den Ambitionen der Kommission im Insolvenzrecht habe ich mich mehrfach geäußert, und ich bleibe dabei: Wir unterstützen das Ziel, Hemmnisse für den grenzüberschreitenden Wirtschafts- und Kapitalverkehr abzubauen. Zu solchen Hemmnissen können auch Unterschiede in den nationalen Insolvenzrechten führen, und deshalb ist es sinnvoll, hier auf eine Rechtsangleichung hinzuwirken. Aber bei der Festlegung des Weges, der uns zu diesem Ziel führen soll, ist nach wie vor ein umsichtiges Vorgehen angezeigt. Hier sollte man nicht den zweiten oder gar den dritten Schritt vor dem ersten gehen. Im Insolvenzrecht müssen Harmonisierungen wohlüberlegt sein. Ein einheitliches Insolvenzrecht müsste beim derzeitigen Stand der Entwicklungen zwangsläufig zu Friktionen und Widersprüchen mit den nationalen Regelungen in anderen Rechtsgebieten führen: Mit dem Wirtschaftsrecht, aber auch dem Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht, die ja selbst nicht oder nur unzureichend europaweit harmonisiert sind. Das aber kann nicht im Sinne eines verbesserten EU- Kapitalmarkts sein. Deshalb überrascht es, dass Harmonisierungserfolge ausgerechnet in einem Bereich gesucht werden, bei dem die Gemeinsamkeiten in den Mitgliedstaaten nicht gerade ausgeprägt sind: Während alle Mitgliedstaaten über Insolvenzverfahren und über Sanierungsmöglichkeiten im Rahmen dieser Insolvenzverfahren verfügen, verlegt sich die Kommission auf die sog. Vorinsolvenzverfahren. Die gibt es aber nicht in allen Mitgliedstaaten, und dort, wo es sie gibt, unterscheidet sie sich sehr deutlich von denen anderer Länder. Die Mitgliedstaaten haben offensichtlich unterschiedliche Wege beschritten, so dass es an einer gemeinsamen Grundlage fehlt, an die eine Rechtsangleichung anknüpfen könnte. Dokument1 Seite 3 von 7

Ohne eine solche gemeinsame Grundlage, bleiben viele Fragen mit möglicherweise schweren Implikationen offen: Wie lässt sich bei vor-insolvenzlichen Sanierungsverfahren sicherstellen, dass nur solche Unternehmen die Sanierungsoption ansteuern, die sanierungsfähig sind? Und wie, dass unproduktive, wertvernichtende oder gar missbräuchliche Sanierungsversuche unterbleiben? Wie sorgt man dafür, dass die verbliebenen Ressourcen nicht für unproduktive Berateraufträge im Zusammenhang mit dem Sanierungsvorhaben verschleudert werden? Wie wird sichergestellt, dass verfassungsrechtlich unzulässige Eingriffe in vollwertige Forderungsrechte unterbleiben? Wie werden die Rechte der Arbeitnehmer gewahrt, für die das Insolvenzrecht mit dem Insolvenzgeld und den 120 ff. der Insolvenzordnung besondere Schutz-Bestimmungen enthält? Wie erreicht man, dass die Bezieher und Anwärter auf Betriebsrenten nicht übermäßig an den Kosten der Sanierung beteiligt werden? Hier gibt es eine Menge offener Fragen und bei der Restschuldbefreiung ist das übrigens ganz genauso: Da stellt sich nicht nur die Frage nach der Kapitalmarktrelevanz, sondern auch, ob und wie sich die Interessen der Gläubiger gewahrt bleiben, wenn eine Quote für die Mindestbefriedigung, wie sie das deutsche Recht kennt, wegfallen soll. Den Empfehlungen und sonstigen Verlautbarungen der Kommission lässt sich zu all diesen Fragen leider nichts Substantielles entnehmen. Dies verdeutlicht, dass es hier noch einen großen Diskussionsbedarf gibt.bedauerlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Kommission im Aktionsplan angekündigt hat, dass sie schon Ende des nächsten Jahres den Entwurf für einen Legislativakt vorlegen will. Das ist ein Zeitpunkt, zu dem das BMJV die Reform der Restschuldbefreiung und das ESUG und noch nicht evaluiert haben wird. Diese Evaluationen werden aber zweifelsohne wichtige Erkenntnisse liefern. Aufgrund des ambitionierten Zeitplans der Kommission, müssen wir nun schon vor der Evaluation in Erfahrung bringen, wie die Dokument1 Seite 4 von 7

Reformgesetze in der Praxis ankommen und welche Folgerungen aus den bisherigen Erfahrungen zu ziehen sind. Diese Erkenntnisse werden nicht nur für die rechtspolitische Diskussion in Deutschland, sondern auch in Europa wertvoll sein. Das ist übrigens kein übertriebenes Selbstbewusstsein, denn dass Deutschland beim Insolvenzrecht gut aufgestellt ist, bescheinigen uns auch andere: Die EU-Kommission hat die Rangliste der Weltbank über die nationalen Insolvenzrechte zum Maßstab für die Leistungsfähigkeit der nationalen Insolvenzrechte gemacht. Anhand dieser Liste identifiziert sie die Länder, deren Insolvenzrechte sich als Modell für eine Rechtsvereinheitlichung eignen. In diesem weltweiten Vergleich steht das deutsche Insolvenzrecht auf Platz 3. Das ist ein bemerkenswertes Resultat. Deutschland wird damit in Europa allein von Finnland überholt. Und deshalb werden wir in Europa auch sehr deutlich machen, dass unser Recht hervorragend informiert und wir werden auch darauf achten, dass diese Funktionstüchtigkeit nicht beeinträchtigt wird. meine Ausführungen heute wären unvollständig, wenn ich nicht auch über die Reform des Insolvenzanfechtungsrechts reden würde. Das Bundeskabinett hat Ende September den Gesetzentwurf zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz verabschiedet. In diesen Entwurf sind die Erkenntnisse aus mehr als 80 Stellungnahmen zum Referentenentwurf eingeflossen. Dank dieser Stellungnahmen ist der Regierungsentwurf noch ein gutes Stück besser geworden. Bei allen, die sich in die Diskussion eingebracht haben, möchte ich mich deshalb herzlich bedanken. Die Resonanz, die wir auf den Referentenentwurf erhalten haben, hat uns im Übrigen in unserer Auffassung bestätigt, dass es bei diesem Vorhaben unbedingt notwendig ist, die beteiligten Kreise einzubeziehen und die Erfahrungen der Praxis sorgfältig zu gewichten. An der Zielsetzung und der Grundkonzeption der vorgeschlagenen Regelungen hat sich nichts Wesentliches geändert. Nach wie vor ist Dokument1 Seite 5 von 7

es das zentrale Anliegen, dem Wirtschaftsverkehr sowie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Rechtssicherheit zu geben. Das einzige echte Novum gegenüber dem Referentenentwurf besteht darin, dass der Regierungsentwurf auch das Insolvenzantragsrecht der Gläubiger stärken will. Dahinter steht der Gedanke, dass sich Verluste durch Insolvenzanfechtungen auch dadurch vermindern lassen, dass Gläubiger bei sich abzeichnender Insolvenzreife das Verfahren einleiten können. Im Übrigen stehen die Einschränkungen der Vorsatzanfechtung von sogenannten Deckungshandlungen weiterhin im Mittelpunkt des Vorhabens. Insbesondere sollen Zahlungen, die auf bestehende Schuld erfolgen, nur noch dann angefochten werden können, wenn der Gläubiger erkannt hat, dass der Schuldner schon zahlungsunfähig war. Die Kenntnis der bloß drohenden Insolvenz soll nicht mehr genügen. Auch soll sich ein Gläubiger nicht ohne weiteres eine Zahlungserleichterung entgegenhalten lassen müssen, mit der er seinem Schuldner über einen Engpass hinweggeholfen hat. Deshalb soll künftig vermutet werden, dass der Gläubiger, eine solche Erleichterung gewährt, eine etwaige Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners noch nicht kannte. Der Beweis des Gegenteils steht dann dem Insolvenzverwalter offen, aber der kann sich nicht allein auf die Zahlungsvereinbarung stützen. Noch weiter soll der Schutz dann gehen, wenn der Gläubiger eine Zahlung in unmittelbarem Austausch für eine gleichwertige Gegenleistung erhält. Bei einem solchen Bargeschäft, der als Tausch von Vermögenswerten keine unmittelbaren Verluste nach sich zieht, soll eine Anfechtung nur dann möglich sein, wenn der Schuldner unlauter handelt und wenn der Gläubiger das erkennt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten weiteren Schutz dadurch, dass wir uns der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anschließen: Die Anfechtung von Lohnzahlungen ist danach ausgeschlossen, wenn zwischen Zahlung und der Tätigkeit nicht mehr als drei Monate vergangen sind. wir sind sehr zuversichtlich, dass wir mit diesen Regelungen die Belastungen für den Wirtschaftsverkehr auf ein erträgliches Maß reduzieren können. Dokument1 Seite 6 von 7

Aber eines ist auch klar: Das ist kein Freibrief für unredliche Vermögensverschiebungen und Bankrotthandlungen. Wer bei so etwas mitmacht, der verdient keinen Schutz. Deshalb bleibt es für solche Fälle bei der Schärfe des bisherigen Rechts. Ich weiß, dass der VID in einigen Punkten anderer Auffassung ist. Ich bin mir aber sicher, dass wir mit diesem Regierungsentwurf ausgewogene Lösungen gefunden haben. Ich danke Ihnen für alle Anregungen, die wir aus Ihren Reihen bekommen haben. Ihr Rat und Ihre praktische Erfahrungen helfen uns dabei, gute Gesetze zu machen. Ich bin sicher, dass auch von diesem Kongress wieder viele wertvolle Impulse ausgehen werden. Unsere Fachleute aus dem Ministerium rund um Frau Graf-Schlicker und Herrn Dr. Wimmer sind deshalb wie stets sehr aufmerksame Beobachter. In diesem Sinne wünsche Ihnen noch einen erfolgreichen Kongress! Dokument1 Seite 7 von 7