Warteschlangen. Vier Doppelstunden in der Carl-Bantzer-Schule Ziegenhain von Johannes Becker



Ähnliche Dokumente
geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Informationsblatt Induktionsbeweis

Eva Douma: Die Vorteile und Nachteile der Ökonomisierung in der Sozialen Arbeit

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Repetitionsaufgaben Wurzelgleichungen

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

W-Rechnung und Statistik für Ingenieure Übung 11

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

Zeichen bei Zahlen entschlüsseln

Abituraufgabe zur Stochastik, Hessen 2009, Grundkurs (TR)

9 Auto. Rund um das Auto. Welche Wörter zum Thema Auto kennst du? Welches Wort passt? Lies die Definitionen und ordne zu.

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

Anleitung über den Umgang mit Schildern

Das RSA-Verschlüsselungsverfahren 1 Christian Vollmer

Leichte-Sprache-Bilder

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?


Tipp III: Leiten Sie eine immer direkt anwendbare Formel her zur Berechnung der sogenannten "bedingten Wahrscheinlichkeit".

Schritte 4. Lesetexte 13. Kosten für ein Girokonto vergleichen. 1. Was passt? Ordnen Sie zu.

Das Leitbild vom Verein WIR

Einkaufen im Internet. Lektion 5 in Themen neu 3, nach Übung 10. Benutzen Sie die Homepage von:

Berechnungen in Access Teil I

Anwendungsbeispiele Buchhaltung

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Anhand des bereits hergeleiteten Models erstellen wir nun mit der Formel

1. Man schreibe die folgenden Aussagen jeweils in einen normalen Satz um. Zum Beispiel kann man die Aussage:

Kinderarmut. 1. Kapitel: Kinderarmut in der Welt

Simulation LIF5000. Abbildung 1

Sowohl die Malstreifen als auch die Neperschen Streifen können auch in anderen Stellenwertsystemen verwendet werden.

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Wichtige Forderungen für ein Bundes-Teilhabe-Gesetz

Modellbildungssysteme: Pädagogische und didaktische Ziele

Der Kalender im ipad

Beispiel Zusammengesetzte Zufallsvariablen

Handbuch Fischertechnik-Einzelteiltabelle V3.7.3

Kapitel 4 Die Datenbank Kuchenbestellung Seite 1

Kreativ visualisieren

sondern alle Werte gleich behandelt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Ergebnisse, je länger sie in der Vergangenheit

Kugel-Fächer-Modell. 1fach. 3fach. Für die Einzelkugel gibt es 3 Möglichkeiten. 6fach. 3! Möglichkeiten

Wir arbeiten mit Zufallszahlen

Was ist PZB? Personen-zentrierte Begleitung in einfacher Sprache erklärt

Binnendifferenzierte Aufgaben: Subtrahieren von negativen Zahlen

Übungsaufgaben Prozentrechnung und / oder Dreisatz

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Die Gesellschaftsformen

Meet the Germans. Lerntipp zur Schulung der Fertigkeit des Sprechens. Lerntipp und Redemittel zur Präsentation oder einen Vortrag halten

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

EINFACHES HAUSHALT- KASSABUCH

Mind Mapping am PC. für Präsentationen, Vorträge, Selbstmanagement. von Isolde Kommer, Helmut Reinke. 1. Auflage. Hanser München 1999

Titel der Stunde: TELEFONIEREN, HÖFLICHKEIT

Papa - was ist American Dream?

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

Jede Zahl muss dabei einzeln umgerechnet werden. Beginnen wir also ganz am Anfang mit der Zahl,192.

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Austausch- bzw. Übergangsprozesse und Gleichgewichtsverteilungen

Wie oft soll ich essen?

5. Bildauflösung ICT-Komp 10

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

V 2 B, C, D Drinks. Möglicher Lösungsweg a) Gleichungssystem: 300x y = x + 500y = 597,5 2x3 Matrix: Energydrink 0,7 Mineralwasser 0,775,

Lineare Gleichungssysteme

Urlaubsregel in David

Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung: EFRE im Bundes-Land Brandenburg vom Jahr 2014 bis für das Jahr 2020 in Leichter Sprache

Erklärung zu den Internet-Seiten von

! " # $ " % & Nicki Wruck worldwidewruck

Fotos verkleinern mit Paint

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Zeit lässt sich nicht wie Geld für schlechte Zeiten zur Seite legen. Die Zeit vergeht egal, ob genutzt oder ungenutzt.

Jojo sucht das Glück - 3 Folge 23: Der Verdacht

Was ich als Bürgermeister für Lübbecke tun möchte

Deine Meinung ist wichtig. Informationen für Kinder und Jugendliche zur Anhörung

1. LINEARE FUNKTIONEN IN DER WIRTSCHAFT (KOSTEN, ERLÖS, GEWINN)

13 Öffentliche Güter

A Lösungen zu Einführungsaufgaben zu QueueTraffic

Grundlagen der Informatik

Mehrere PDF-Dokumente zu einem zusammenfügen

Elma van Vliet. Mama, erzähl mal!

10.1 Auflösung, Drucken und Scannen

Eigenen Farbverlauf erstellen

Stellen Sie bitte den Cursor in die Spalte B2 und rufen die Funktion Sverweis auf. Es öffnet sich folgendes Dialogfenster

Festplatte defragmentieren Internetspuren und temporäre Dateien löschen

Sich einen eigenen Blog anzulegen, ist gar nicht so schwer. Es gibt verschiedene Anbieter. ist einer davon.

WAS finde ich WO im Beipackzettel

Dow Jones Future am im 1-min Chart. Mein Handelsereignis lautet: 3 tiefere Hoch s über dem 50-er GD

4. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN TABELLEN

Evangelisieren warum eigentlich?

Anleitung für Autoren auf sv-bofsheim.de

Zusatzmodul Lagerverwaltung

Regeln für das Qualitäts-Siegel

a n auf Konvergenz. Berechnen der ersten paar Folgenglieder liefert:

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

B: bei mir war es ja die X, die hat schon lange probiert mich dahin zu kriegen, aber es hat eine Weile gedauert.

Alle gehören dazu. Vorwort

SolBenefit. Photovoltaik- Anlagen- Betrachtung und -Auswertung

Die Industrie- und Handelskammer arbeitet dafür, dass Menschen überall mit machen können

Outlook. sysplus.ch outlook - mail-grundlagen Seite 1/8. Mail-Grundlagen. Posteingang

Kurzanleitung. MEYTON Aufbau einer Internetverbindung. 1 Von 11

Transkript:

Warteschlangen Vier Doppelstunden in der Carl-Bantzer-Schule Ziegenhain von Johannes Becker Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung...1 2. Aufgaben...2 3. Simulation einer Warteschlange mit dem Würfel...2 4. Zusammenfassung der Simulation...3 5. Aufgaben...4 6. Experimente mit der Computersimulation...5 7. Vermutete Regelmäßigkeiten in der Simulation...6 8. Vorhersage der nächsten Zeile in der Tabelle...6 9. Der stationäre Zustand...7 10. Relative Häufigkeiten...8 11. Wahrscheinlichkeiten...9 12. Verallgemeinerung...9 13. Rückblick 1: Methoden...10 14. Rückblick 2: Modelle...11 1. Einleitung Im Folgenden beschäftigen wir uns mit den Anfangsgründen der Theorie der Warteschlangen, wie sie z.b von dem Ingenieur Agner Krarup Erlang entwickelt wurde. Unter einem Warteschlangensystem verstehen wir eine Anzahl von Schaltern, an die sich Kunden anstellen. Weitere Beispiele sind Autos, die auf einen Parkplatz warten, Maschinen, die auf Reparatur warten, Telefongespräche auf Freischaltung,... Wenn die Schlangen zu lang werden, verlieren die Kunden das Interesse an der angebotenen Dienstleistung und gehen dem System verloren. Der Anbieter der Dienstleistung stellt sich folgende Frage: Wenn zu viele Schalter geöffnet sind, haben die Bearbeiter hinter dem Schalter nichts zu tun und verursachen Kosten durch Leerlauf. Wenn zu wenige Schalter geöffnet sind, verliert man Kunden. Wieviele Schalter muss man öffnen, um am meisten zu verdienen? Wir werden im Folgenden nicht so weit kommen, dass wir diese Frage wirklich lösen. Schon ein Stück des Weges dahin ist wie ich meine interessante Mathematik. 1

2. Aufgaben Nenne ein weitere Beispiele für Warteschlangensysteme. Internetrecherche: a) Wer war Agner Krarup Erlang? Wo und wann hat er gelebt? Wo war er beschäftigt? Wo sind seine Forschungsergebnisse heute wichtig? b)es gibt eine Programmiersprache Erlang. Welche Firma hat sie entwickelt? c) Was bieten http://www.erlang.com, http://www.erlang.org, http://www.erlang-software.com, http://www.erlang.com.br an? 3. Simulation einer Warteschlange mit dem Würfel Für die simulierten Warteschlangen gelten folgende Regeln: Mit einem Wurf ermitteln wir die Veränderung der Warteschlange während einer Minute Es stellen sich höchstens 3 Leute an. Wenn eine 1 oder 2 gewürfelt wird, kommt ein neuer Kunde hinzu (Notiert als '+') Wenn eine 3,4 oder 5 gewürfelt wird, wird ein Kunde abgefertigt und verlässt das System (Notiert als '-') Wenn eine 6 gewürfelt wird, passiert nichts (Notiert als '=') Die Schlangenlänge zum Zeitpunkt 0 ist 0. Wenn wir z.b. zwei Serien würfeln, wobei in der 1. Serie die Augen nacheinander 6,1,4,2,3,5 aufweisen und in der 2. Serie 1,2,2,1,6,4 notieren wir die Ergebnisse in einer Tabelle wie folgt: 2

Zeitpunkt 1. Serie 2. Serie Augen + - = Länge Verloren Augen + - = Länge Verloren 1 0 0 2 6 x 0 1 x 1 3 1 x 1 2 x 2 4 4 x 0 2 x 3 5 2 x 1 1 x 3 x 6 3 x 0 6 x 3 7 5 x 0 4 x 2 Summe 2 3 1 4 1 1 Man liest das wie folgt: Es wird 6 gewürfelt. Es passiert nichts. Die Schlangenlänge bleibt 0. Es wird 1 gewürfelt. Es kommt ein Kunde. Die Schlangenlänge wird 1. Es wird 4 gewürfelt. Es geht ein Kunde. Die Schlangenlänge wird 0. usw. 4. Zusammenfassung der Simulation Wir fassen die Ergebnisse von vielen Würfel-Serien in einer einzigen Tabelle zusammen. Für jeden Zeitpunkt zählen wie, wieviele Schlangen es mit der Länge 0, der Länge 1, usw. gibt und notieren die Anzahl in der Tabelle. Außerdem schreiben wir auf, wieviele Kunden insgesamt warten und wieviele Kunden gerade verloren gehen, weil sie eine zu lange Schlange vorfinden. Im folgenden Beispiel mit 30 Würfelserien deuten die Balken an, wie groß die Zahlen sind. 3

Zeit Anzahl der Schlangen mit der Länge Kunden 0 1 2 3 wartend verloren 30 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 16 14 9 12 9 13 13 4 17 9 2 2 17 8 3 2 11 11 5 3 15 5 4 6 13 7 6 4 10 10 5 5 11 7 7 5 10 9 4 7 15 5 5 5 11 9 4 6 8 10 8 4 11 11 4 4 13 5 9 3 13 11 2 4 14 30 21 19 1 20 1 30 2 31 1 31 3 35 2 36 3 38 3 30 3 35 1 38 2 31 2 32 2 27 3 4

5. Aufgaben Es liegt folgende Warteschlangenstatistik vor: Zeit Anzahl der Schlangen mit der Länge 0 1 2 3 4 1 0 10 4 6 5 2 2 9 5 7 3 s 0 s 1 s 2 s 3 s 4 a) Wieviele Schlangen wurden zum Zeitpunkt 1 betrachtet? b) Wieviele Kunden warten zum Zeitpunkt 1? c) Welche Zahl muss am Ende der 2. Zeile stehen, damit die Statistik stimmt, d.h. damit in der 2. Zeile genausoviele Warteschlangen eingetragen sind wie in der 1.? d) Wieviele Kunden warten zum Zeitpunkt 2? e) Gib eine Gleichung an für w 3, die Anzahl wartenden Kunden zum Zeitpunkt 3. 6. Experimente mit der Computersimulation Viele Programmiersprachen haben die Möglichkeit, Zufallszahlen mit einem Zufallsgenerator zu erzeugen. Damit kann man die Simulation durch Würfeln mit einem Computerprogramm nachbilden und viel schneller Statistiken erzeugen. Man nennt das die Monte-Carlo-Methode oder Monte Carlo Simulation (Warum? Was findet man im Internet unter den Stichworten?). Eine solche Simulation findet man unter http://www.uni-giessen.de/~g013/schlangen/. (Das Quellprogramm sieht man unter http://www.uni-giessen.de/~g013/schlangen/index_code.txt ) a) Nimm alle voreingestellten Werte, außer Punkt 3 (Anfangszustand der Warteschlangen). Stelle beim Punkt 3 einmal 100 Schlangen mit der Länge 0 ein und 0 Schlangen bei den anderen Längen. Betrachte das Ergebnis. Stelle (am besten in einem 2. Fenster) jetzt 100 Schlangen mit der Länge 3 ein und 0 Schlangen bei den anderen Längen. Welche Gemeinsamkeiten stellt man in den Simulationsergebnissen fest? Bleiben die Gemeinsamkeiten für andere Startwerte erhalten? b) Nimm einen festen Anfangszustand mit 100 Schlangen und ändere die Regeln für Punkt 2 (Ankunft/Abfertung). Welche Tendenzen zeigen sich? 7. Vermutete Regelmäßigkeiten in der Simulation Wir betrachten folgende typischen Beispiele, bei denen immer die Regel Es stellen sich höchstens 5 Leute an gilt. (Die absoluten Zahlen sind hier weggelassen.) 5

Schlangenlängen zum Zeitpunkt 1: 100,0,0,0,0 Ankunft in 2 Fällen Abfertigung in 3 Fällen Schlangenlängen zum Zeitpunkt 1: 0,0,0,0,100 Ankunft in 2 Fällen Abfertigung in 3 Fällen Schlangenlängen zum Zeitpunkt 1: 100,0,0,0,0 Ankunft in 3 Fällen Abfertigung in 2 Fällen Wir vermuten folgende Regelmäßigkeiten: 1.)Am Anfang der Tabellen ändert sich mehr als am Ende der Tabellen. 2.)Am Ende der Tabellen schwanken die Zahlen relativ wenig um stabile Werte. 3.)Das Ende der Tabellen hängt nicht von der Verteilung der Warteschlangenlängen zum Zeitpunkt 1 ab, sondern nur von den Regeln für die Ankunft- und Abfertigung: Wenn mehr Abfertigung als Ankunft stattfindet, gibt es mehr kurze Warteschlangen als lange (und umgekehrt.) 8. Vorhersage der nächsten Zeile in der Tabelle Die Würfel-Regeln für die Warteschlangen seien wie folgt: Ankunft eines Kunden, wenn eine 1 oder 2 gewürfelt wird. Abfertigung eines Kunden, wenn eine 3,4 oder 5 gewürfelt wird. Nichts, wenn eine 6 gewürfelt wird. Wenn wir einmal testweise annehmen, dass beim Würfeln alle 6 möglichen Ergebnisse gleich oft auftreten, bekommen wir eine Vorhersage für die nächste Zeile der Tabelle. Wir nehmen also an, 6

dass in genau 2 von 6 Fällen jemand kommt dass in genau 3 von 6 Fällen jemand abgefertigt wird. dass in genau einem von 6 Fällen nichts passiert. Dann erhält man folgendes Beispiel: Anzahl der Schlangen mit der Länge Zeit 0 1 2 3 1 90 / \ 45 15 30 0 210 / \ 105 35 70 2 60 135 35 70 0 9. Der stationäre Zustand Gegen Ende der simulierten Tabellen ändern sich die Zahlen relativ wenig. Gibt es eine Tabellenzeile, die sich selbst als nächste Zeile genau voraussagt? Beispiel: Wir setzen zum Anfang 270 Schlangen mit der Länge 0 ein. Von diesen werden nach Voraussage 90 einen Kunden dazu bekommen. Wenn sich nichts ändern soll, müssen diese 90 Kunden ausgeglichen werden durch 90 abgefertigte Kunden von Schlangen mit der Länge 1. Also muss es 180 Schlangen mit der Länge 1 geben. Wie geht es weiter? Anzahl der Schlangen mit der Länge Zeit 0 1 2 3 1 270 / \ 135 45 90 180 / \ 90 / \ / \ 2 270 Das allgemeine Prinzip für die Zahl in der nächsten Spalte erhält man aus der Überlegung, dass die Anzahl der Schlangen, die länger werden, ausgeglichen werden muss durch eine gleiche Anzahl der Schlangen, die kürzer werden. Also: 270 3 =180 2, 180 3 =120 2, 120 3 =80 2 10. Relative Häufigkeiten Die bisher in den Warteschlangenstatistiken notierten Zahlen nennt man absolute Häufigkeiten. 7

Wenn man aus einer solchen Statistik eine Idee dafür gewinnen will, auf welche Wartezeit man sich beim Anstellen gefasst machen muss, sind die absoluten Häufigkeiten noch kein direkter Hinweis, was man an folgendem Beispiel sieht: In regelmäßigen Abständen wurde die Länge der Warteschlange vor zwei Eisdielen notiert. Die Statistiken sehen so aus: Eisdiele Antonio : Anzahl der Schlangen mit der Länge 0 1 2 3 Wartende 10 10 15 20 Eisdiele Bartolo : Anzahl der Schlangen mit der Länge 0 1 2 3 Wartende 50 40 20 10 a) Wieviele Wartende wurden bei den Eisdielen registriert? b) Wo kriegt man schneller sein Eis? Um zwei Statistiken besser vergleichen zu können, bei denen die Anzahl der Warteschlangen a 1 und a 2 verschieden sind, berechnet man aus den absoluten Häufigkeiten die relativen Häufigkeiten, in dem man die absoluten Häufigkeiten durch die Anzahl der beobachteten Ereignisse (hier: Anzahl der Warteschlangen) dividiert. a) Berechne die relativen Häufigkeiten für die beiden Eisdielenbeispiele. b) Notiere die relativen Häufigkeiten auch in der Schreibweise als Prozentzahlen. c) Überprüfe an Beispielen, ob die relativen Häufigkeit in der Computersimulation richtig berechnet wird. d) Welche anschauliche Bedeutung hat die relative Häufigkeit der Wartenden. Lösung: Die Anzahl der Wartenden bei den Stichproben vor der Eisdiele Antonio summiert sich zu w 1 =10 0+10 1+15 2+20 3=90 Die Anzahl der Schlangen ist a 1 =10+10+15+20=55 Wir dividieren die Häufigkeiten in der Tabelle durch 55 und erhalten: Eisdiele Antonio : Anzahl der Schlangen mit der Länge 0 1 2 3 Wartende 10 10 15 20 90 0,18 0,18 0,27 0,36 1,64 18% 18% 18% 36% 8

Die Zahl 1,64= w 1 wartende Kunden = a 1 Anzahl der Schlangen deuten wir als mittlere bzw. durchschnittliche Schlangenlänge. (Sie wird nach demselben Prinzip wie der Notendurchschnitt berechnet.) Für die Eisdiele Bartolo ergibt sich: Eisdiele Bartolo : Anzahl der Schlangen mit der Länge 0 1 2 3 Wartende 50 40 20 10 110 0,42 0,33 0,17 0,08 0,91 Die durchschnittliche Schlangenlänge (0,91) ist kleiner als die bei der Eisdiele Antonio (1,64). 11. Wahrscheinlichkeiten Wir werfen noch einmal einen Blick auf die Tabelle des stationären Zustandes aus Kapitel 9 und berechnen die dazugehörenden relativen Häufigkeiten: Anzahl der Schlangen mit der Länge Zeit 0 1 2 3 270 180= 2 1 3 270 120= 2 3 2 3 270 120= 2 3 2 3 2 3 270 0,42 0,28 0,19 0,12 Warten d 660 1,02 Sprechweise: Theoretische Schätzwerte für absolute Häufigkeiten nennt man Erwartungswerte. Theoretische Schätzwerte für relative Häufigkeiten nennt man Wahrscheinlichkeiten. Wahrscheinlichkeiten werden wie relative Häufigkeiten oft als Prozentzahlen geschrieben. 12. Verallgemeinerung Wir sind nun in der Lage, die Ergebnisse zu verallgemeinern. 1.)Wenn wir festgelegt hatten, dass bei 2 Fällen von 6 im Würfelexperiment ein Kunde ankommt, bedeutet das, dass die durchschnittliche Anzahl der ankommenden Kunden in der Zeiteinheit gleich 1/3 ist. (z.b. kommen 900 Zeiteinheiten etwa 300 Kunden). Ebenso stellen wir fest, dass die durchschnittliche Anzahl der Abfertigungen gleich ½ ist. 9

2.)Für den stationären Zustand spielt das Verhältnis durchschnittliche Anzahl von Ankünften je Zeiteinheit r= durchschnittliche Anzahl von Abfertigunen je Zeiteinheit eine Rolle. (Im Beispiel war es 2/3). 3.)Die Tabelle des stationären Zustands sieht dann so aus: Anzahl der Schlangen mit der Länge Zeit 0 1 2 3 1 A r A r r A r r r A Daraus kann man die Erwartungswerte für die durchschnittliche Schlangenlänge, verlorende Kunden usw. berechnen. Das machen wir aber aus Zeitmangel jetzt nicht mehr. 13. Rückblick 1: Methoden Wir haben über 3 verschiedene Weisen nachgedacht, wie man Aussagen über Warteschlangen gewinnen kann: 1.)Statistiken erstellen, indem man Warteschlangen in der Wirklichkeit beobachtet. 2.) Monte-Carlo-Simulation mit einem Computer. 3.)Wahrscheinlichkeitsrechnung, wie sie sich Agner Krarup Erlang ausgedacht hat. Zu 1.) Das wird z.b. in Verkehrszählungen an Straßen oder Kundenzählungen in Zügen gemacht, braucht aber viel Zeit. Außerdem kann man da selten experimentieren. (Man kann nicht nur testweise die Straße umbauen oder den Fahrplan ändern.) Man beachte, dass in einer Statistikschon sehr viel aus der Wirklichkeit weggelassen wird, z.b. wird nicht notiert, weshalb ein Kunde gerade jetzt kommt, oder weshalb die Abfertigung gerade so und so lange gedauert hat. Zu 2.) Diese Methode ist heutzutage viel billiger. Man muss aber prüfen, inwieweit das Modell des Computerprogramms mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Zu 3.) Das ist, vom mathematischen Standpunkt gesehen, der Knüller. Die Vorhersagen sind mit einfachen Mitteln zu berechnen. (A.K. Erlang hatte Anfang des 20. Jahrhunderts natürlich noch keine Computer zur Verfügung.) Es bleibt aber auch hier die Frage, wo das mathematische Modell auf wirkliche Warteschlangen angewandt werden kann. 14. Rückblick 2: Modelle In unserem Modell haben wir Warteschlangen vor einem Schalter mit zufälliger Ankunft und zufälliger Abfertigung betrachtet. Es funktioniert sicher nicht bei folgenden Warteschlangensystemen: 10

1.)Parkhaus, Telefonzentrale: Es gibt mehrere Schalter (Parkpätze, Beantworter) 2.)Verkehrsampel: Die Abfertigung ist regelmäßig. 3.)Wartezimmer beim Arzt: Die Ankunft ist regelmäßig (wenn Patienten bestellt sind). Unser Modell kann leicht für den Fall mehrerer Schalter mit unregelmäßiger Ankunft und Abfertigung verallgemeinert werden. (Genau das war das Problem bei der Bereitstellung von Telefonleitungen, mit dem A. K. Erlang berühmt wurde.) Wenn aber Abfertigung oder Ankunft regelmäßig sind, muss man sich ganz neue Gedanken machen. Bei wirklichen Warteschlangensystemen ändert sich die durchschnittliche Ankunftsoder Abfertigungsrate im Laufe der Zeit. (Es gibt geschäftige und ruhige Tageszeiten.) Man muss in unserem Modell zu verschiedenen Zeiten verschiedene Raten in die Rechnung einsetzen. 11