Gesellschaftlicher Wandel und die Situation von Kindern und Jugendlichen im Land Brandenburg

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Transkript:

Gesellschaftlicher Wandel und die Situation von Kindern und Jugendlichen im Land Brandenburg 28.9.18 Institut für angewandte Familien-, Kindheits- und Jugendforschung e.v. an der Universität Potsdam Prof. Dr. habil. Dietmar Sturzbecher Tel.: +49 ()172-39 35 249 E-Mail: dietmar@sturzbecher.de

Aufwachsen in Freiheit - Erziehung im Wandel - Seit über Jahren werden Erziehungsstile und ihre Wirkungen systematisch erforscht (Baumrind, 1967): Es gibt autoritäre, nachgiebige, vernachlässigende und autoritative Erziehungsstile. Autoritative Eltern (damals ca. %) sind berechenbar, akzeptierend, emotional zugewandt, klar strukturierend, fordernd und fördernd sowie flexibel kontrollierend. Autoritativ erzogene Kinder haben ein (überdurchschnittlich) hohes Selbstwert- und Selbstwirksamkeitsgefühl, vielfältige soziale Kompetenzen, eine ausgeprägte moralische und prosoziale Haltung sowie ein hohes schulisches Leistungsniveau. Das Verhältnis zwischen Erziehungspersonen und Kindern hat sich in letzter Zeit gewandelt: vom Befehlen zum Verhandeln, von der Unterordnung zur Beteiligung, von der Erziehung zur Beziehung ( Kinderrechte ). Die Kosten des Wandels zu mehr Freiheit in der Erziehung für Erziehungspersonen: höherer zeitlicher Aufwand für Aushandlungsprozesse, hohe sozio-kognitive und kommunikative Anforderungen beim Argumentieren, mehr Geduld und Selbstbeherrschung sowie das Aushalten von Kompromissen, Unsicherheit und Stress. Meine Eltern lassen mich selbst entscheiden 1996 17 Stimmt völlig 43,2 55,8 Stimmt teilweise 45, 35,5 Stimmt kaum 8, 6,3 Stimmt nicht 3, 2,5 Beim Erziehungsverhalten finden wir Liberalisierungs- und Polarisierungseffekte! 2/21

Aufwachsen in Freiheit - Kindliches Steuerungsverhalten und elterliche Restriktion - Erziehen wird schwieriger: Pauls & Johann (1984) sowie 15 Jahre später Hermens & Tismer () haben das Steuerungsverhalten 8- bis 12-Jähriger gegenüber ihren Eltern analysiert; die Analyseergebnisse kann man in der Zeitreihe betrachten. Problematische Steuerungsformen (Bestrafungen, Wutanfälle, Vorwürfe, Ignorieren) traten in der Folgeuntersuchung weitaus häufiger auf als 1984. Es traten im Jahr neuartige Steuerungsformen auf (z. B. Eltern austricksen und Ausweichen auf andere ). Seit 1999 ist der Anteil der Jugendlichen, die noch nie körperliche Gewalt durch die Eltern oder Lebenspartner der Eltern erfahren haben, stetig gestiegen; es zeigen sich aber Polarisierungseffekte. Wurden Sie schon einmal von den unten genannten Personen geschlagen? Nie Selten Manchmal Oft 17 17 17 17 Leiblicher Vater 77,9 79,3 16,4 14,3 4,3 4, 1,4 2,4 Leibliche Mutter 77,4 77,9 17,2 15,8 4,1 3,8 1,3 2,5 Lebenspartner/-in der Mutter Lebenspartner/-in des Vaters 81,5 94, 13,1 3,5 4,5 1,4,9 1,1 96,8 97,9 1,6 1, 1,6,7,,5 3/21

Aufwachsen in Freiheit - Beispiele für Überforderungssymptome und Risiken - Die Beurteilung von Erziehungsverhalten verändert sich dynamisch (z. B. durch Gewaltächtung, Kinderrechtsdiskussion), weist ein immer breiteres Spektrum auf und polarisiert sich zunehmend: Beschwerden über Kita-Personal* Fälle in 12 Fälle in 15 Zerren/Schlagen 4 22 Einsperren 1 Unangemessenes Erziehungsverhalten (z. B. Strafsitzen) 1 6 Zwang beim Essen 5 Zwang beim Schlafen 8 Brüllen/Beleidigen 15 Die Einschätzung, ob ein Verhalten als Aggression anzusehen ist, hängt von der Schädigungsabsicht, von den Folgen und von kulturell determinierten sozio-moralischen Bewertungen ab: In interkulturellen Kontexten muss ein sozialer Konsens zum Gewaltverständnis ausgehandelt werden! Die Anzeigebereitschaft bei Gewalttaten ist deutlich höher, wenn der Täter einer anderen ethnischen Gruppe angehört (soziale Kategorisierung, illusorische Korrelation ). *Quelle: Kleine Anfrage Nummer 175 4/21

Aufwachsen in Vielfalt - Kinder mit Migrationshintergrund in Brandenburg - Der Anteil von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist in den letzten Jahren leicht angestiegen, liegt allerdings immer noch auf einem relativ geringen Niveau: Der Anteil der ausländischen Schüler an allgemeinbildenden Schulen beträgt im Schuljahr 17/18 rund 5 % (11/12: 1,44 %; Amt für Statistik Berlin- Brandenburg, 18). Im Vergleich: 35,5 % der Schüler an allgemeinbildenden Schulen haben in Deutschland einen Migrationshintergrund (Mikrozensus, 17). Können Schulen ein integrativer und protektiver Faktor sein? Voraussetzungen: Hohe soziale Lehrqualität, Schülerkern mit Durchschnittsintelligenz und normalem sozialen Hintergrund (Maughan, 1989) Kann man Fremdenfeindlichkeit durch Kontakt reduzieren? In einer Metastudie (Pettigrew & Troop, ) zeigte sich, dass dies nur unter bestimmten Bedingungen möglich ist: Gruppen müssen in der Kontaktsituation den gleichen Status haben. Kooperatives Arbeiten für ein gemeinsames Ziel muss angeboten werden. Mitglieder der beiden Gruppen müssen sich persönlich näher kennen lernen. Kontakte müssen durch Autoritäten und Regeln flankiert werden. 5/21

7 6 Aufwachsen in Vielfalt - Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus - Ausländerfeindliche Aussagen werden 5 17 8,1 5,9 8,4 völlig befürwortet. 19,1 16,4 17, tendenziell befürwortet. 33,9 32, 28,5 tendenziell abgelehnt. 38,9 45,7 46,1 völlig abgelehnt. 7 6 Rechtsextreme Aussagen werden... 5 17 2,8 2,9 2,3 völlig befürwortet. 13,4,4,5 tendenziell befürwortet. 34,1 26,4 34,1 tendenziell abgelehnt. 52,7 6,2,2 völlig abgelehnt. Ausländerfeindliche Einstellungen sind seit 1999 erstmals wieder leicht angestiegen: Mädchen stimmen inzwischen nahezu gleich häufig ausländerfeindlichen Aussagen zu wie Jungen. Der Anteil der 12- bis 14-Jährigen, die ausländerfeindliche Aussagen völlig oder tendenziell befürworten, hat sich beinahe verdoppelt (: 17,2 %; 17:, %). Die Anfälligkeit für rechtsextreme Einstellungen ist erstmals wieder leicht angestiegen: Die Hälfte der Jugendlichen (,2 %) lehnt rechtsextreme Aussagen völlig ab (: 6,2 %). 12- bis 14-Jährige (23, %) stimmen rechtsextremen Aussagen deutlich häufiger zu als 15- bis 17-Jährige (11,5 %) und Jugendliche ab 18 Jahren (11, %). 6/21

Aufwachsen in Vielfalt - Beispiele für Überforderungssymptome und Risiken - Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund haben an deutschen Schulen im internationalen Vergleich schlechtere Chancen (OECD, 15): Fähigkeiten und Ressourcen von Kindern aus Einwandererfamilien werden seitens der Lehrenden von der Grundschule bis zum Studium systematisch unterschätzt. Gilt dies auch für die Kita? (5-Jährige haben ein vollentwickeltes Tüchtigkeitskonzept) Menschen (mit Migrationshintergrund) verinnerlichen Benachteiligungs- und Abwertungserfahrungen; diese wiederum beeinträchtigen ihre Lernmotivation, ihre Leistungsfähigkeit und ihren Bildungserfolg. Was ist beim Kampf gegen Vorurteile zu beachten? Lange Zeit ging man davon aus, dass ein Vorurteil falsches Denken ist, das auf einer zu starken Generalisierung beruht (Allport, 1971). Heute befasst man sich mit den Funktionen von Vorurteilen und ihrem Nutzen für den Einzelnen: kognitive Funktion: Komplexitätsreduktion und Orientierungshilfe, soziale Funktion: Statuserwerb ohne Aufwand ( Minimal Group Paradigma ) und emotionale Funktion: Sündenbockfindung. Quelle: OECD (15). Bildung auf einen Blick, Ländernotiz. 7/21

Aufwachsen mit Medien - Medienbesitz und Mediennutzung im Wandel - Der Medienbesitz hat bei Kindern und Jugendlichen stark zugenommen: Fast alle 12- bis 19-Jährigen (1998: 8 %, 8: 95 %, 17: 97 %; JIM-Studien) und gut die Hälfte der 6- bis 13-Jährigen (KIM-Studien) besitzen ein Handy bzw. Smartphone. Die Mediennutzung gewinnt in immer früherem Alter an Bedeutung (KIM-Studien). Und welche dieser Geräte, die es bei Ihnen zu Hause gibt, darf Ihr Kind benutzen? (in %) 3 bis 5 Jahre 8 bis 9 Jahre 12 bis 13 Jahre PC/Laptop 18 66 88 Tablet 25 52 Smartphone 21 36 83 * Auch die Mediennutzung und hierbei insbesondere die Onlinenutzung hat sich drastisch verändert: 1998: 12 % der 12- bis 19-Jährigen nutzen das Internet länger als 1 min. täglich. 17: die durchschnittliche tägliche Onlinenutzung (Mo-Fr; Selbsteinschätzung) beträgt derzeit 221 min. Medien erfüllen für Kinder und Jugendliche zunehmend vielfältige Funktionen: soziale Funktion (z. B. Medieninhalte als Gesprächsstoff, Partnersuche); Prestigefunktion (Medienwissen als Expertenwissen ; street credibility); Zeitstrukturierungsfunktion; Identifikationsfunktion (z. B. Impression Management ); affektive Funktion (z. B. Entspannung, Gefühle ausleben); expressive Funktion (z. B. Abgrenzung gegen Erwachsene und andere Jugendgruppen); Eskapismus (Mediennutzung als Rückzugsmöglichkeit) und nicht zuletzt die edukative Funktion (z. B. Medien als Lehr-Lernmittel) 8/21

Aufwachsen mit Medien - Beispiele für Überforderungssymptome und Risiken - Was hat die Medialisierung verändert? Einige Zitate: Mediennutzer verfügen fast unbeschränkt über das Wissen der Welt. Die Weltgesellschaft synchronisiert sich in der Gegenwart; die Koordinationszeit ist fast auf den Moment verkürzt (Luhmann, 1975). Was wir über unsere Welt und die Gesellschaft wissen, wissen wir durch die Massenmedien. Andererseits wissen wir so viel über die Massenmedien, dass wir diesen Quellen nicht trauen können. Man wird alles Wissen mit dem Vorzeichen des Bezweifelbaren versehen und trotzdem darauf aufbauen müssen (Luhmann, 1995). Die unmittelbare synchrone Verbreitung von Informationen über aktuelle Ereignisse und die hohe Mobilisierbarkeit von Interessengruppen führen zur Überforderung (z. B. Fall Chemnitz ). Das Internet wird verstärkt und effizient zur Meinungsmanipulation genutzt: Einsatz von Algorithmen, Automatisierung und menschlicher Kuration zur gezielten Verbreitung irreführender Informationen über soziale Netzwerke (z. B. Beeinflussung von politischen Entscheidungen und Wahlen). Kinder und Jugendliche nutzen das Internet, ohne dass Eltern wissen bzw. einschätzen können, was sie genau machen: z. B. Verbreitung von Fotos, Verletzung der Persönlichkeitsrechte, Cybermobbing, Gewaltspiele, Nazi-Propaganda, Hält die Medienerziehung in der Familie, in der Kita, in der Schule mit der Medialisierung Schritt? 9/21

Gesund leben - Gesund leben und Substanzmittelgebrauch - Die Wertorientierung Gesund leben hat in den letzten Jahren einen starken Bedeutungszuwachs erfahren: Für fast drei Viertel der brandenburgischen Jugendlichen ist Gesund leben 17 ein sehr bedeutsames Ziel. Gesund leben 1993 17 Stimmt völlig 58,2 59,8 73,1 Stimmt teilweise 36,5 33,6 22,2 Stimmt kaum 4,7 5,6 4,1 Stimmt nicht,6 1,,6 Der Anteil rauchender undalkohol konsumierender Jugendlichen ist gesunken. 8 7 6 26,9 15,7 Ja, regelmäßig. Rauchen Sie? 17 15,3 12,1 Ja, gelegentlich. 8 7 6 17 Trinken Sie Alkohol? 67,4 53,2 9, 8, Ja, regelmäßig. Ja, gelegentlich. /21

Gesund leben - Beispiele für Überforderungssymptome und Risiken - Tendenzen aus den KiGGS-Studien im Vergleichszeitraum 3/6 vs. 14/17: Der Anteil an Rauchern ist stark gesunken. Der durchschnittliche Obst- und Gemüseverzehr ist gestiegen. Der tägliche Konsum zuckerhaltiger Getränke hat sich deutlich verringert. Es gibt keinen Anstieg der Übergewichts- und Adipositasprävalenzen. Diese Tendenzen sowie die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind immer noch stark vom sozio-ökonomischen Status der Eltern abhängig! Die Langzeiteffekte von Frühförderprogrammen und ihr volkswirtschaftlicher Nutzen resultieren aus der Verbindung von Bildungsförderung mit Elternpartizipation, Familienförderung, Gesundheitsfürsorge und Ernährungsberatung: Effekte sind eine geringere Gesundheitsgefährdung, bessere Schulleistungen, eine gute sozio-emotionale Persönlichkeitsentwicklung sowie eine geringere spätere Kriminalitätsgefährdung und Sozialhilfeabhängigkeit Quelle: Head Start-Evaluation; Barnett & Escobar, 1987; Zigler & Styfco, 1993 11/21

Wertorientierungen Wie bedeutsam ist jedes der unten genannten Ziele für Ihr persönliches Leben? Aktiv am politischen Leben teilnehmen 2,32 2,22 2,45 Für andere da sein Eine Familie gründen Das Leben genießen 3,43 3,48 3,54 3,42 3,51 3,49 3,53 3,53 3,54 Ohne Anstrengungen angenehm leben 2,76 2,73 2,85 Eine erfüllende Arbeit haben 3,65 3,65 3,64 Viel Geld verdienen Materiell abgesichert sein 3,1 3,31 3,23 3,47 3,38 3,31 5 17,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 (Mittelwerte einer Skala von 1 = Überhaupt nicht bedeutsam, 2 = Kaum bedeutsam, 3 = Bedeutsam, 4 = Sehr bedeutsam ) Politisches Engagement hat einen starken Bedeutungszuwachs erfahren. Die Bedeutsamkeit materieller Wertorientierungen ist rückläufig. 12/21

Soziale Lehrqualität und Schulstress Soziale Lehrqualität Schulstress / Schulangst 6 56,7 57,8 54,8 5 17 35, 43,5 38,8 17 31,2 18, 18,6 21,6 17,7 23,5 28,7 17,2 11,4 3,8 5,9 2,7 4,3 9, Hoch Eher hoch Eher niedrig Niedrig Hoch Eher hoch Eher niedrig Niedrig Die Soziale Lehrqualität (u. a. Binnendifferenzierung, soziale Responsivität, Gerechtigkeit, Notentransparenz) ist deutlich angestiegen. Der Schulstress / die Schulangst ist stark gestiegen. Gleichzeitig haben die Jugendlichen mehrheitlich Spaß in der Schule: Hoch / Eher hoch : 92,8 % (: 93,6 %). 13/21

Entscheidende Einflussfaktoren auf die Schulmotivation Das unerlaubte Fernbleiben vom Unterricht ist stark rückläufig: 72,5 % (: 59,1 %) der Schüler haben 17 noch nie tageweise bzw. 61,4 % (: 49,1 %) noch nie stundenweise den Unterricht geschwänzt. 39,3 % der Jugendlichen bringen für das Schulschwänzen anderer Schüler Verständnis auf (: 43,4 %). Tab. 2: Hierarchische Regressionsmodell zu Einflussfaktoren auf die Schulmotivation: Persönlichkeit, Familie, Schule r ic ß p Varianzaufklärung: 34.4 % Ausgangswert: Schulunlust 1999.47.31. Externale Kontrollüberzeugung.47.. Elterliche Vernachlässigung.31.13. Soziale Lehrqualität -.23.11.1 R =.59 F (4, 628) = 297.39; p =.1 Die Bildungsambitionen Jugendlicher stehen auch im Zusammenhang mit ihren Wahrnehmungen der Trends beim ökonomischen und sozialen Wandel in der Gesellschaft (Flanagan, 199). Quelle: Sturzbecher, D. (2). Jugendtrends in Ostdeutschland: Bildung, Freizeit, Politik, Risiken. Opladen: Leske + Budrich. 14/21

Lebenszufriedenheit Die Jugendlichen in Brandenburg sind mit ihrer Lebenssituation (z. B. Wohnen, Freunde, Schule) Zufrieden (56,1 %) bzw. Eher zufrieden (31,5 %). Insbesondere die Zufriedenheit mit der finanziellen Situation und den Freizeitmöglichkeiten ist in den letzten 12 Jahren gestiegen: Finanzielle Situation Zufrieden / Eher zufrieden : 79,3 % (5: 61,5 %; : 63,8 %) Freizeitmöglichkeiten Zufrieden / Eher zufrieden : 81,3 % (5: 73,3 %; : 78,4 %) Finanzielle Situation Freizeitmöglichkeiten 28,9 29, 46,1 34,8 32,6 33,2 27,2 24,4 14,9 11,3 11,7 5 17 5,8 39,39,8 48,2 34,3 38,6 33,1 21,4 17,8 16,1 5,3 3,9 5 17 2,7 Zufrieden Eher zufrieden Eher unzufrieden Unzufrieden Zufrieden Eher zufrieden Eher unzufrieden Unzufrieden 15/21

Gewalterfahrungen An der Schule beobachten die meisten Jugendlichen Fast nie (71,5 %) Gewalt (5: 73,2 %; : 72,6 %): 9,2 % der Schüler beobachten mehrmals pro Woche Gewalt (5: 7,8 %; : 9,3 %). An Oberschulen beträgt der entsprechende Wert 17, % (5: 15,6 %; :,8 %). Im Freizeitbereich erfahren die Jugendlichen immer weniger Gewalt ( Fast nie : : 49,9 %; 17: 59,9 %). 49,1 % der Jugendlichen sind absolut gegen jegliche Gewaltaktionen (5: 44,9 %; : 47,3 %). Wie reagieren Ihre Lehrer im Allgemeinen auf Gewalt in der Schule? Sie informieren die Erziehungsberechtigten. Sie schimpfen. 3,1 3,2 3,1 3, 5 Sie bestrafen die Beteiligten. 2,9 2,9 2,8 17 Sie gehen dazwischen. 2,6 2,7 2,8 Sie sehen weg. 1,6 1,7 1,6, 1, 2, 3, 4, (Mittelwerte einer Skala von 1 = Stimmt nicht, 2 = Stimmt kaum, 3 = Stimmt teilweise, 4 = Stimmt völlig ) 16/21

Gewaltakzeptanz und Gewalthandeln Gewaltakzeptanz Gewalthandeln 17 39,4 41,3 41,7,4 8 7 6 17 61,2 68,5 15,1 15,5 27,9 23,4 3,7 2,8 Hoch Eher hoch Eher niedrig Niedrig 8,4 7, 2,5 1,1 Oft Manchmal Selten Nie Die Gewaltakzeptanz hat sich gegenüber dem Jahr kaum verändert. An den Polen der Skala ist eine leichte Abnahme zu verzeichnen: Niedrig :,4 % (: 41,7 %) Hoch : 2,8 % (: 3,7 %) Der Anteil der Jugendlichen, die sich nie an gewalttätigen Aktionen beteiligen, ist deutlich gestiegen (: 61,2 %; 17: 68,5 %): Hier wurde seit 1996 ein neuer Höchstwert erreicht. Die Gewaltakzeptanz sinkt mit zunehmendem Alter (r p = -.11, p <.1). 17/21

Erwartungen an die EU Einstellungen brandenburgischer Jugendlicher gegenüber der EU: 93,6 % der Jugendlichen äußern, dass Deutschland EU-Mitglied bleiben soll (68,3 % Sehr wichtig / 25,4 % Eher wichtig ). Die Verbundenheit mit Europa (65,7 %) ist unter den Jugendlichen annähernd so stark ausgeprägt wie die Verbundenheit mit Deutschland (7,4 %) ( Stimmt völlig / Stimmt teilweise ). Jeweils etwa drei Viertel der Jugendlichen sind stolz, Europäer völlig / Stimmt teilweise ). Wie wichtig ist Ihnen die Beschäftigung der EU mit den folgenden Themen? (77,8 %) bzw. Deutsche (75,7 %) zu sein ( Stimmt Bekämpfung von Terrorismus Schutz der Umwelt Verringerung der Folgen des Klimawandels Verringerung der Jugendarbeitslosigkeit Stärkung der Demokratie Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich Abbau von Fremdenfeindlichkeit Eingliederung von Geflüchteten 31,8 67,2 61,1 53,7 43,1 43,2 45,2 79,4 42, 44,7 43,9 38,7 37,9,5 26,9 16,6 Sehr wichtig Eher wichtig 6 8 18/21

Migrationspläne 72,8 % der Jugendlichen können sich vorstellen, in Zukunft ihren Wohnort auf Dauer zu verändern: Immer weniger umzugsbereite Jugendliche zieht es in eine Großstadt (: 21,2 %; 17: 17,2 %) oder Millionenstadt (: 32,8 %; 17: 21,1 %). Die Attraktivität von Dörfern oder Kleinstädten als Wohnort ist hingegen gestiegen (: 17,2 %; 17: 22,1 %). Die meisten Jugendlichen, die aus ihrem Wohnort wegziehen möchten, wollen in Brandenburg bleiben (34,4 %): 17,5 % der umzugsbereiten Jugendlichen wollen nach Berlin. 31,7 % möchten in eine andere Region Deutschlands ziehen. 16,4 % möchten in ein anderes Land auf der Welt ziehen. 19/21

Berufsbezogener Zukunftsoptimismus Der berufsbezogene Zukunftsoptimismus ist in den letzten 12 Jahren angestiegen und befindet sich auf dem höchsten Stand seit 1993: Hoch / Eher hoch : 88,8 % (5: 72,7 %; : 86,9 %) 83,2 % der Jugendlichen in Brandenburg erwarten, dass ihr Berufswunsch in Erfüllung geht. 7 65,4 67,2 5 6 59,4 17 25,2 21,5 21,6 13,3 12,5,6 2,2,7,6 Hoch Eher hoch Eher niedrig Niedrig /21

Ergebnisse, die Mut machen Die Attraktivität des Landes Brandenburg als Lebensort und die Zufriedenheit mit der Landespolitik sind deutlich gewachsen. Aber nur 52,3 % der Jugendlichen sind mit dem Umweltschutz und 47,6 % mit der Eingliederung Geflüchteter zufrieden. Das politische Interesse und die Bedeutung von politischer Partizipation sind deutlich gewachsen; eine stärkere Beteiligung am politischen Leben ist von den Jugendlichen beabsichtigt. Brandenburgische Lehrkräfte genießen eine hohe Wertschätzung; sie gehen auf die einzelnen Schüler ein und gelten als gerecht. Unsere Ausgangspositionen und Herausforderungen sind klar: Machen wir was daraus! Die Liste der verwendeten wissenschaftlichen Literatur kann beim Referenten angefordert werden. 21/21