Lebensstile im Alternsprozess

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Transkript:

Lebensstile im Alternsprozess Harald Künemund Pia Albers Ann-Kathrin Vaske Hochschule Vechta Institut für Gerontologie Zentrum Altern und Gesellschaft

Hintergrund Zunahme des Anteils und der Anzahl älterer Menschen Steigende durchschnittliche Lebenserwartung Zumindest bislang nur moderat steigende Erwerbsaustrittsalter Der Ruhestand ist heute keine Restzeit mehr, die eine kleine gesellschaftliche Gruppe durchlebt, sondern ein eigenständiger Lebensabschnitt von erheblicher Dauer, in dem sich bald fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung befindet, und zwar mit zunehmend besserer Bildung, besserer Gesundheit und zumindest bislang auch mit besserer materieller Absicherung. Für dieses neue Alter stellt sich die Frage der gesellschaftlichen Partizipation in neuer Weise.

Hintergrund: Erwerbstätigkeiten 100 90 2002 80 70 60 50 40 Männer (West) Männer (Ost) Frauen (West) Frauen (Ost) 1996 30 20 10 0 Männer (West) Männer (Ost) Frauen (West) Frauen (Ost) 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-85 Altersgruppen Quelle: Künemund (2006), Alters-Surveys 1996 und 2002

Hintergrund: Erwerbsquoten Frauen 60 bis 64 Jahre 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1972 1974 1976 Quelle: OECD labour force participation rates 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Germany France UK Italy Sweden Spain USA EU 15

Hintergrund: Erwerbsquoten Männer 60 bis 64 Jahre 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1972 1974 1976 Quelle: OECD labour force participation rates 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Germany France UK Italy Sweden Spain USA EU 15

Hintergrund: Pflegebedarf 80 % 70 % 60 % 50 % 40 % 30 % 20 % 10 % 0 % < 15 15-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90-94 > 94 Männer Frauen Quelle: Pflegestatistik 2005

Lebensstile Wandel des Alters und der gesellschaftlichen Entwicklung structural lag und zunehmende Ausdifferenzierung von Lebensstilen? Neue Formen altersspezifischer Partizipation stoßen auf geringen Zuspruch. Seniorengenossenschaften, -selbsthilfe, politisches Engagement oder selbstorganisierte Bildung usw. sind empirisch betrachtet seltene Ausnahmen. Mitgliedschaften wie auch Engagements konzentrieren sich bei den Männern im traditionellen altersunspezifischen Bereich (z.b. Sportvereine, gesellige Vereinigungen usw.), bei Frauen ebenfalls, wenn auch etwas häufiger im alterspezifischen Bereich (z.b. Seniorentreff, Tanz).

Lebensstile Bislang kaum Anzeichen für neue Freizeitstile im Alter überwiegend ähneln die Tätigkeitsmuster dem traditionellen Altersbild. Die häufigsten Tätigkeiten im Alter sind Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften lesen, Radio hören, Spazierengehen sowie gegenseitige Besuche bei Bekannten und Verwandten, mit zunehmendem Alter häufiger werden nur Fernsehen und das Lösen von Kreuzworträtseln und Denksportaufgaben. Zumindest in jüngeren Altersgruppen unterschiedliche Freizeitmuster, Stilisierungen und distinktive Geschmäcker erkennbar (z.b. Punker, Grufties usw.), im mittleren Alter aber offenbar weniger stark ausgeprägt, im Alter kaum erkennbar. Für Prognosen entscheidend: Alters- oder Kohorteneffekte?

Lebensstile: Bücher lesen - Altersgruppenvergleich 100 % 80 % 60 % 40 % 20 % 0 % Periode: '85'95'05 '85'95'05 '85'95'05 '85 '95'05 '85'95'05 '85'95'05 '85'95 '05 Alter: 14-19 20-29 30-39 40-49 50-59 60-69 70+ Mehrmals pro Woche Mehrmals pro Monat Seltener Quelle: Media Analyse 1985, 1995 und 2005

Lebensstile: Bücher lesen - Kohortenvergleich 100 % 80 % 60 % 40 % 20 % 0 % Periode: '85 '95'05 '85'95'05 '85'95'05 '85'95 '05 '85'95 '05 '85 '95'05 '85 '95'05 Kohorte: '86-'91 '75-'85 '66-'75 '56-'65 '46-'55 '36-'45 < '36 Mehrmals pro Woche Mehrmals pro Monat Seltener Quelle: Media Analyse 1985, 1995 und 2005

Beispiel 1

Lebensstile: Stilpräferenzen Faktorenanalyse ausgewählter Lese- und Fernsehpräferenzen Niveaumilieu Unterhaltungsmilieu Fernsehen: Fernseh-Shows, Quizsendungen -,115,682 Fernsehen: Talk-Shows,199,598 Fernsehen: Unterhaltungsserien -,200,636 Lesen: Neues aus dem Leben bekannter Menschen,036,624 Fernsehen: Kunst- und Kultursendungen,769,032 Fernsehen: Klassische Musik, Oper, Theater,651,013 Lesen: Kultur, Kunst,745,005 Lesen: Klassische oder moderne Literatur,550 -,104 Quelle: Alterssurvey 2002

Lebensstile: Altersgruppenvergleich 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 % 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-85 Niveaumilieu Unterhaltungsmilieu Quelle: Alterssurvey 2002

Lebensstile: Altersgruppenvergleich (Männer) 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 % 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-85 Niveaumilieu Unterhaltungsmilieu Quelle: Alterssurvey 2002

Lebensstile: Altersgruppenvergleich (Frauen) 30 % 25 % 20 % 15 % 10 % 5 % 0 % 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-85 Niveaumilieu Unterhaltungsmilieu Quelle: Alterssurvey 2002

Fazit Es spricht einiges für eine zunehmende Stilisierung und Differenzierung von Lebensstilen. Das Ausmaß jedoch bleibt schwer abzuschätzen, da praktisch noch keine Erfahrungswerte vorliegen. Bislang fehlen verlässliche Daten auf repräsentativer Basis fast völlig die Älteren sind in Lebensstiluntersuchungen noch kaum eine Thema. Es fehlt insbesondere an verlässlichen Längsschnittdaten. Die methodischen Probleme der Klassifikation von Lebensstilen sind noch nicht zufrieden stellend gelöst.

Fazit Wird das durchschnittliche Rentenzugangsalter steigen, könnte sich dies auch zu niedrigeren Partizipationsquoten der jungen Alten führen, die nun wieder weniger Freizeit hätten. Auch die deutliche Absenkung des Rentenniveaus wird sich wahrscheinlich sozial differenziert in geringeren Engagement- und Partizipationsquoten niederschlagen. Ohnehin spricht einiges dafür, dass nicht nur konsumfreudige und -fähige Ältere, sondern auch Benachteiligte quantitativ an Bedeutung gewinnen werden. Töchter ökonomisch Benachteiligter aus den geburtenstarken Jahrgängen wären wahrscheinlich besonders betroffen.