VERWALTUNGSGERICHT WEIMAR BESCHLUSS In dem Verwaltungsrechtsstreit des Herrn D, W, B, Antragstellers, Prozeßbevollm.: Rechtsanwalt Schacht, Schlüterstraße 22 III, 20146 Hamburg, gegen den Abwasserzweckverband "Luhne", vertreten durch den Leiter, Schulstraße 11, 99976 Bickenriede, Antragsgegner,
wegen Abwasserbeseitigungsgebühren hier: Eilverfahren nach 80 Abs. 5 VwGO hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Weimar durch Richter am Verwaltungsgericht Hofmann, Richterin Siegl und Richter Obhues am 13. Juli 1998 beschlossen: 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Der Streitwert wird auf 107,61 DM festgesetzt.
Gründe: I. Der Antragsteller wendet sich gegen einen Gebührenbescheid des Antragsgegners. Mit Bescheid vom 01.04.1997 zog der Antragsgegner den Antragsteller für das Jahr 1996 zu Abwassergebühren in Höhe von 430,47 DM heran. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 04.04.1997 Widerspruch ein. Nach vorausgegangener Mahnung forderte ihn der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25.09.1997 zur Zahlung der Gebührenschuld innerhalb von zwei Wochen auf. Anderenfalls werde er die Forderung "nach dem ThVwZVG zum Vollzug geben bzw. von einer Inkassogesellschaft beitreiben lassen". Mit Widerspruchsbescheid vom 10.02.1998, zugestellt am 12.02.1998, wies das Landratsamt des Unstrut-Hainich-Kreises den eingelegten Widerspruch zurück. Auf Antrag des Antragsgegners erließ das Amtsgericht Mühlhausen unter dem 10.03.1998 einen Mahnbescheid gegen den Antragsteller über die streitgegenständliche Gebührenforderung. Gegen den Gebührenbescheid hat der Antragsteller am 12.03.1998 vor dem Verwaltungsgericht Weimar Klage erhoben und zugleich um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Der Antragsteller trägt vor, die Zulässigkeitsvoraussetzung des 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO sei erfüllt, da der Antragsgegner mehrfach Vollstreckungsversuche gegen ihn unternommen habe. Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 04.04.1997 gegen den Gebührenbescheid des Antragsgegners vom 01.04.1997 anzuordnen. Der Antragsgegner hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie die den Antragsteller betreffende Verwaltungsakte des Antragsgegners (eine Heftung) verwiesen. II. Der Antrag ist unzulässig. Nach 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Abgaben- und Kostenbescheide keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht kann in diesen Fällen gemäß 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Der Antrag ist jedoch gemäß 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Hieran fehlt es vorliegend. Der Antragsteller hat einen
Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner nicht gestellt. Ein solcher war entgegen seiner Auffassung auch nicht entbehrlich. Die Voraussetzungen des 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO, auf die er sich sinngemäß beruft, liegen nicht vor. Gemäß 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO bedarf es eines vorgängigen Aussetzungsantrags nicht, wenn eine Vollstreckung droht. Das ist der Fall, wenn die Vollstreckung schon begonnen oder wenn die Behörde konkrete Vorbereitungshandlungen für die Durchführung der Vollstreckung getroffen hat und aus der Sicht eines objektiven Betrachters diese zeitlich so unmittelbar bevorsteht, daß es dem Antragsteller nicht zumutbar ist, sich zunächst an die Verwaltungsbehörde zu wenden (VGH BW, Beschluß vom 09.03.1991-2 S 3215/91 -, VBlBW 1992, 374 [375]; ebenso - für die vergleichbare Regelung im finanzgerichtlichen Verfahren - Tipke/Kruse, FGO, Stand: Oktober 1997, 69 Tz. 78 f.). Vollstreckung im Sinne des 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO ist dabei die Verwaltungsvollstreckung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: 2/98, 80 Rdn. 349; vgl. auch VGH BW, Beschluß vom 09.03.1991, a.a.o., S. 374). Eine Vollstreckung auf zivilrechtlicher Grundlage wird dagegen von 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht erfaßt. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Vorliegen der Voraussetzungen des 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO für die hiesige Fallgestaltung zu verneinen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung beim Verwaltungsgericht drohte dem Antragsteller keine Vollstreckung im Sinne dieser Vorschrift. Weder hatte eine solche bereits begonnen noch stand sie im relevanten Zeitpunkt unmittelbar bevor. Eine Vollstreckung hat "begonnen", wenn sie die Behörde durch Erteilung eines Vollstreckungsauftrags an den Vollziehungsbeamten ( 23 Abs. 1 Satz 1 ThürVwZVG) eingeleitet hat (vgl. VG Gera, Beschluß vom 25.01.1996-4 E 866/95 -, LKV 1996, 432). Die Abgabe eines solchen Vollstreckungsauftrags durch den Antragsgegner ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Soweit der Antragsteller auf
verschiedene konkrete Vollstreckungsversuche verweist, hat der Antragsgegner ausweislich der zur Verfügung stehenden Unterlagen offensichtlich den Versuch unternommen, die durch den Gebührenbescheid vom 01.04.1997 titulierte Forderung auf zivilrechtlichem Wege einzutreiben, was schließlich den Erlaß des Mahnbescheides vom 10.03.1998 zur Folge hatte. Diese Vollstreckungsversuche werden jedoch - wie dargelegt - von 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht erfaßt. Im Zeitpunkt der Antragstellung beim Verwaltungsgericht stand eine Vollstreckung auch nicht unmittelbar bevor. Zwar waren - soweit ersichtlich - die Voraussetzungen für eine Verwaltungsvollstreckung ( 19, 33 f. ThürVwZVG) erfüllt. Insbesondere hat der Antragsgegner den Antragsteller zuletzt mit Schriftsatz vom 25.09.1997 unter Androhung der Verwaltungsvollstreckung gemahnt. Jedoch hat er zugleich angedeutet, daß er die Gebührenforderung unter Umständen auf zivilrechtlichem Wege beitreiben wolle und hat im weiteren Verlauf diesen Weg tatsächlich auch beschritten. Bei dieser Sachlage kann von einer drohenden unmittelbar bevorstehenden Verwaltungsvollstreckung im Zeitpunkt der gerichtlichen Antragstellung und damit mehr als fünf Monate nach dem Mahnschreiben vom 25.09.1997 aber nicht (mehr) die Rede sein. Für den anwaltlich vertretenen Antragsteller war vielmehr objektiv erkennbar, daß der Antragsgegner die Forderung auf zivilrechtlichem Wege zu realisieren suchte, wogegen er sich mit den einschlägigen zivilprozessualen Möglichkeiten zur Wehr setzen konnte. Der Antragsteller mußte nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen dagegen nicht damit rechnen, daß der Antragsgegner noch vor Abschluß seiner zivilrechtlichen Vollstreckungsversuche zugleich auf die Möglichkeiten des Verwaltungsvollstreckungsrechts zurückgreifen würde. Im Zeitpunkt der Stellung seines Eilantrags beim Verwaltungsgericht war es ihm angesichts dieser Besonderheiten zumutbar, vor Einreichung des Eilantrags den von 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO grundsätzlich geforderten Aussetzungsantrag bei der Behörde zu stellen. Daß er einem solchen Antrag angesichts des bisherigen Verhaltens des Antragsgegners möglicherweise keine Erfolgsaussichten beigemessen hat, ist unerheblich (vgl. OVG Rh.-Pf., Beschluß vom 16.03.1995-6 B 10422/95 -).
Mangels Vorliegens der im hiesigen Verfahren auch nicht nachholbaren (vgl. BayVGH, Beschluß vom 25.11.1991-6 CS 91.2214 -, BayVBl. 1992, 148 f.) Zugangsvoraussetzung des 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO war der Antrag damit abzulehnen. Die Kostenentscheidung folgt aus 154 Abs. 1 VwGO; die Festsetzung des Streitwerts aus 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Gemäß dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 1996, 563 ff.) hat die Kammer den Streitwert auf ¼ des in dem Gebührenbescheid geforderten Betrags festgesetzt, um dessen Suspension es dem Antragsteller geht (vgl. ThürOVG, Beschluß vom 23.04.1998-4 EO 6/97 -). Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluß steht den Beteiligten die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Zulassung der Beschwerde kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar, Rießnerstr. 12 b, 99427 Weimar, zu stellen. Gegen die Festsetzung des Streitwertes in dem Beschluß steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht zu, wobei es insoweit einer Zulassung nicht bedarf. Die Streitwertbeschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Weimar einzulegen. Sie ist nur zulässig, wenn die Beschwerde innerhalb von sechs Monaten eingelegt wird, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat. Hinweis: Für das Beschwerdeverfahren (mit Ausnahme der Streitwertbeschwerde) besteht Vertretungszwang nach Maßgabe des 67 Abs. 1 VwGO; dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Beschwerde.
Hofmann Siegl Obhues