Vertretung in der Wohnungseigentümerversammlung (Vertreterklauseln) 1. Grundsätze der Teilnahme an der Eigentümerversammlung 1.1 Unverzichtbares Teilnahmerecht Es gehört zu den unverzichtbaren Rechten eines Wohnungseigentümers (der BGH spricht vom unantastbaren Kernbereich des Mitgliedschaftsrechtes eines Wohnungseigentümers 1, an der Eigentümerversammlung teilzunehmen. Das gilt auch bei einem Stimmrechtsverbot ( 25 Abs. 5 WEG). Sogar dann hat ein Eigentümer das Recht, an der Versammlung teilzunehmen, sich an den Diskussionen zu beteiligen und Anträge zu stellen. 2 Sollte ein Wohnungseigentümer mit der Zahlung von Hausgeldbeiträgen in Verzug sein, so kann er trotzdem nicht von der Wohnungseigentümerversammlung ausgeschlossen werden 3. Ein Eingriff in das Teilnahmerecht ist nur statthaft, wenn auf andere Weise die geordnete Durchführung einer Versammlung nicht gewährleistet werden kann (versammlungsspezifischer Bezug) 4. 1.2 Grundsatz der Nichtöffentlichkeit Versammlungen der Wohnungseigentümer sind grundsätzlich nichtöffentlich. Das wird damit begründet, dass die Versammlung von gemeinschaftsfremden Einwirkungen freigehalten
werden soll 5. Die herrschende Meinung leitet daraus auch die Pflicht zur Nichtöffentlichkeit ab. Mit anderen Worten, Ausnahmen von dem Grundsatz der Nichtöffentlichkeit stehen nicht zur Disposition der Eigentümerversammlung. Andere vertreten die Auffassung, dass es Sache der Gemeinschaft ist, nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung ( 21 Abs. 4 WEG) durch Geschäftsordnungsbeschluss darüber zu entscheiden, ob Außenstehende zugelassen oder ausgeschlossen werden 6. 2. Teilnahmeberechtigte Personen Vereinbarte Vertreterklausel wer darf teilnehmen? (c) gerald/pixabay.com 2.1 Wohnungseigentümer Der Wohnungseigentümer ist grundsätzlich berechtigt, an der Versammlung teilzunehmen. Abzustellen ist dabei regelmäßig auf die Eintragung im Grundbuch. Eigentümer ist aber auch der Erbe (beim Erbfall) und der Erwerber in der Zwangsversteigerung (mit Zuschlag), deren Eigentümerstellung sich nicht sogleich aus dem Grundbuch ergibt. 2.2 Werdender Wohnungseigentümer Der werdende Wohnungseigentümer ist ebenfalls
teilnahmeberechtigt 7. Der noch im Grundbuch eingetragene Verkäufer hat weder eine Teilnahme- noch ein Stimmrecht 8. 2.3 Gesetzliche und rechtsgeschäftliche Vertreter Ist ein Wohnungseigentümer nicht geschäftsfähig, so ist der gesetzliche Vertreter teilnahmeberechtigt (z.b. Eltern Minderjähriger; gerichtlich bestellte Betreuer im Rahmen ihres Wirkungskreises). Bei juristischen Personen und bei Personenvereinigungen sind die gesetzlichen Vertreter teilnehmeberechtigt. 2.4 Partei kraft Amtes Testamentsvollstrecker und Nachlassverwalter üben die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zum Nachlass gehörende Wohnungseigentum kraft Amtes aus. Das gilt auch für den Insolvenzverwalter, auf den gem. 80 InsO das Recht des Wohnungseigentümers übergeht. Hat der Insolvenzverwalter allerdings das Wohnungseigentum freigegeben, ist der Schuldner (Wohnungseigentümer) berechtigt. Schwieriger ist die Situation beim Zwangsverwalter. Er ist insbesondere dann allein gefragt und entscheidungsbefugt, wenn mit einer Entscheidung auch die Kostentragung verbunden ist. Geht es aber z.b. um eine Änderung der Teilungserklärung (ohne Kostenbelastung), bleibt der Wohnungseigentümer abstimmungsund damit auch teilnahmeberechtigt. In diesem Fall muss also grundsätzlich vom Teilnahmerecht des Zwangsverwalters und des Eigentümers ausgegangen werden. 2.5 Verwalter Es ist umstritten, ob der Verwalter, der nicht zugleich Wohnungseigentümer ist, in jedem Fall ein Teilnahmerecht hat.
Sofern er die Versammlung leitet, ist das eindeutig 9. 2.6 Bevollmächtigte Wenn es keine Vereinbarung gibt, die die Teilnahme beschränkt, hat jeder Wohnungseigentümer das Recht, sich in der Eigentümerversammlung durch einen rechtsgeschäftlichen Vertreter vertreten zu lassen. Dem Vertreter kommt anstelle des Eigentümers das Teilnahmerecht zu. Ob der Wohnungseigentümer sich durch mehrere Bevollmächtigte vertreten lassen kann, wird in der Literatur bestritten, vom BGH aber angenommen 10. Durch eine Vertretung wird nicht gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit verstoßen 11. 2.6.1 Vertreterklauseln In der Praxis finden sich in Vereinbarungen (Gemeinschaftsordnungen) häufig sog. Vertreterklauseln. Meist wird die Vertretung auf bestimmte Personen (Ehegatten, andere Wohnungseigentümer oder den Verwalter) beschränkt. Derartigen das Vertretungsrecht beschränkenden Klauseln sind zulässig 12. Der BGH begründet das im Wesentlichen wie folgt:»sie [die Vertreterklausel] beschränkt nicht das Recht der Miteigentümer, ihr Stimmrecht persönlich auszuüben. Auch für den Verhinderungsfall beläßt sie jedem Miteigentümer ausreichende Möglichkeiten, sein Stimmrecht persönlich auszuüben. Aus der Sicht von Kapitalanlegern, die ihre Eigentumswohnung vermieten und selbst an einem entfernten Ort wohnen, mag eine unbeschränkte Vertretungsmöglichkeit allerdings wünschenswert sein. Wenn sie [ ] nicht den Verwalter bevollmächtigen wollen, mag es ihnen im Einzelfall Mühe machen, die Möglichkeit der Beauftragung anderer Miteigentümer zu erkunden. Grundsätzlich aber bedeutet dies
weder rechtlich noch tatsächlich einen Ausschluss von der Ausübung des Stimmrechts 13.«Das soll gelten, um gemeinschaftsfremde Einwirkungen aus der Versammlung fernzuhalten 14. Greiner vertritt hier eine völlig andere Auffassung:»Solche die Wohnungseigentümer bevormundenden Klauseln stammen i.d.r. vom Bauträger, der dadurch vor allem im eigenen Interesse Rechtsanwälte und andere Berater von der Versammlung fern halten will 15.
Vertreterklauseln in Teilungserklärung sind zulässig, so der BGH geralt/pixaby.com Die Vertretungsbeschränkung betrifft nicht nur die Stimmabgabe, sondern jede aktive Beteiligung (also das Teilnahmerecht) 16. Dazu wird die Auffassung vertreten, dass eine Vertretungsbeschränkung dazu führt, dass die Versammlungleitung einen Vertreter zurückweisen muss, der nach der Gemeinschaftsordnung nicht zur Vertretung berechtigt ist 17. 2.6.2 Unwirksame Vertreterklauseln (Einzelfälle) In Einzelfällen kann die Gemeinschaft nach Treu und Glauben gehalten sein, auf eine vereinbarte Vertretungsbeschränkung nicht zu bestehen 18. Wann das gelten soll, lässt sich nur anhand von wenigen Einzelentscheidungen erschließen. Die Möglichkeit der Vertretung allein durch den Verwalter ist nicht zulässig, so das OLG Düsseldorf 19. Das OLG Braunschweig vertritt die Auffassung, dass das jedenfalls dann zu gelten habe, wenn in einer 3er-Gemeinschaft die Vollmacht an einen Miteigentümer erteilt werden müsste, mit dem der Eigentümer zerstritten ist 20. Das OLG Düsseldorf nimmt das dann an, wenn der Ehegatte aus gesundheitlichen Gründen zur Vertretung nicht in der Lage ist, der Wohnungseigentümer mit den übrigen Wohnungseigentümern zerstritten ist und erst unmittelbar vor der Versammlung ein neuer Verwalter bestellt worden ist 21. Das OLG Karlsruhe hat unter bestimmten Voraussetzungen die Vertretung eines im Ausland lebendenden Wohnungseigentümers durch einen zur Verschwiegenheit verpflichteten Angehörigen trotz einschränkender Vertretungsregelung zugelassen. Das soll
in Einzelfällen selbst dann gelten, wenn in einer kleinen Gemeinschaft wegen Zerstrittenheit oder Personalunion Geschwister bevollmächtigt werden sollen 22. Das OLG Hamburg sieht einen Ausnahmefall begründet, wenn der Eigentümer in England lebt, kein Deutsch spricht und sich von der in seiner Wohnung lebenden Schwester vertreten lassen will 23. Das AG Siegen entscheidet schlicht, dass eine Gemeinschaft nach Treu und Glauben gehalten ist, nicht auf eine vereinbarte Vertretungsregelung zu bestehen, wenn sich ein Eigentümer aufgrund seines Gesundheitszustandes oder aufgrund hohen Alters von einem»außenstehenden, gemeinschaftsfremden Dritten«[konkret handelte es sich um einen Sohn, der nicht zum Kreis der nach der Teilungserklärung vertretungsberechtigtem Personen gehörte] vertreten lassen will 24. Sonderfall»Ehegatte«Es ist davon auszugehen, dass auch der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (als»ehegatte«) vertretungsberechtigt ist 25.Das gilt jedenfalls dann, wenn die Beziehung unstreitig ist, auf längere Dauer angelegt und nach außen dokumentiert wird und die Festlegung der Regelung viele Jahre zurückliegt 26. 3. Vertreterklauseln sind i.d.r. wirksam Eine vereinbarte Regelung zur Beschränkung der Vertretungsmöglichkeit in der Wohnungseigentümerversammlung ist aus gutem Grund zulässig. Sie gewährleistet, dass in einer Eigentümerversammlung überwiegend Miteigentümer teilnehmen und damit gemeinschaftsfremde Einwirkungen fern bleiben. Ist einem Wohnungseigentümer im Einzelfall nicht zumutbar, einen
Vertreter zu wählen, der den Vorgaben entspricht, ist es ihm erlaubt, einen anderen Vertreter zu wählen. In einem solchen Ausnahmefall sind die Wohnungseigentümer nach Treu und Glauben gehalten, nicht auf eine vereinbarte Vertretungsbeschränkung zu bestehen. Allein Beschwernisse, die damit verbunden sind, einen Vertreter im Kreis der zugelassenen Personen zu suchen und zu finden reichen nicht. Es müssen deutlich gewichtigere Argumente vorliegen. Beispiele dafür finden sich in den erwähnten Entscheidungen der Oberlandesgerichte. Das erwähnte Urteil des AG Siegen berücksichtigt die obergerichtliche Rechtsprechnung nicht, der Entscheidung kann deshalb nicht gefolgt werden. 1) BGH, Urteil vom 10.12.2010, V ZR 60/10, Rz. 4 2) OLG München, Beschl. vom 15.09.2010, ZWE 2010, 463; OLG Köln, NZM 2004, 793; OLG Zweibrücken, Beschl. vom 21.11.2002, ZMR 2004, 66; BGH Urteil vom 10.12.2010, V ZR 60/10, Rz. 8. 3) BGH, Urteil vom 10.12.2010, V ZR 60/10, ihm kann nicht einmal das Stimmrecht entzogen werden. 4) BGH, a.a.o., Rz. 8. 5) BGH, V ZB 24/92, ZMR 1993, 287; Greiner, D., Wohnungseigentumsrecht, 3. Auflage, 7 Rn 793. 6) Greiner, D., Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl., 7 Rn 793. 7) BGH, ZWE 2012, 369; OLG Hamm, ZMR 2007, 712; OLG Düsseldorf, ZMR 2007, 126; OLG Köln, NZM 2006,301=ZMR 2006, 383; OLG Hamm, Beschl. vom 10.05.2007, ZMR 2007, 713. 8) OLG Hamm, Beschl. vom 10.05.2007, ZMR 2007, 712; BGH, Urteil vom 11.05.2012, V ZR 196/11, ZWE 2012, 369. 9) LG Düsseldorf, ZWE 2012, 328 vertritt die Auffassung, dass
der Verwalter immer teilnahmeberechtigt ist. 10) So wohl BGH, ZWE 2013, 87. 11) OLG München, ZMR 2005, 728. 12) BGH, Beschl. v. 11.11.1986, V ZB 24/92, WM 87, 92; bestätigt mit Urteil vom 29.01.1993, V ZB 24/92, Rz. 11. 13) BGH, a.a.o., Rz 23. 14) BGH, a.a.o. 15) Greiner, D., Wohnungseigentumsrechts, 3. Auflage, 7 Rn 811 Wir stimmen dieser Auffassung nicht zu. 16) BGH, ZMR 1993, 287 ff.; Greiner, D., Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl., 7, Rn 811. 17) Wangemann, Richard, Die Eigentümerversammlung nach WEG, München 1994, C Rn 59. 18) Becker/Ott/Suilmann, Wohnungseigentümer, Köln 2015, 6 RN 535. 19) OLG Düsseldorf, ZMR 1996, 221. 20) OLG Braunschweig, WM 90/71, zitiert nach Wangemann, a.a.o., S. 153, Fn13. 21) Becker/Ott/Suilmann, a.a.o. 22) Nachweise in Schneider, Wolfgang, Wohnungseigentumsrecht für Anfänger, München 2017, H Rn54. 23) OLG Hamburg, ZMR 2007, 477 m.w.n. 24) AG Siegen, Urteil vom 21.12.2017, 17 C 12/17. 25) Schneider, Wolfgang, Wohnungseigentumsrecht für Anfänger, München 2017, H Rn 53 mit Hinweis auf ablehnende Entscheidung des BayObLG aus 1996.
26) OLG Köln, ZMR 2004, 378.