turnaround Newsletter für Unternehmensrestrukturierung ECOVIS Turnaround 1/2012 Insolvenzrecht Allmählich salonfähig Standards Klare Kriterien Sanierung Haftungsrisiken www.ecovis-restrukturierung.de
Das ESUG ist kein Allheilmittel, aber es hilft, nachhaltige Sanierungsmaßnahmen frühzeitig einzusetzen und die Erfolgsaussichten zu erhöhen. Dr. Tobias Schulze, Rechtsanwalt LL.M. bei Ecovis in Rostock und Hamburg, tobias.schulze@ecovis.com INSOLVENZRECHT Allmählich salonfähig Ein neues Bundesgesetz soll die Sanierung von Unternehmen erleichtern. Es schneidet alte Zöpfe ab und stärkt die Gläubiger. Betriebe, die finanziell ums Überleben kämpfen, Geldgeber, die um ihre Einlagen fürchten die Interessenkonflikte zwischen Gläubigern und Krisenunternehmen lassen sich auch an rund 140 Jahren Insolvenzrecht in Deutschland ablesen. Seit 1877 galt die Konkursordnung und ihr Prinzip der gerechten Gläubigerbefriedigung durch Zerschlagung des Unternehmens. Das sollte mit der 1995 in Kraft getretenen Insolvenzordnung anders werden. Grundgedanke war, die Sanierung von Unternehmen stärker in den Mittelpunkt zu rücken. Die Insolvenzordnung sollte ein neues Kapitel in der Restrukturierungspraxis in Deutschland aufschlagen. Entsprechend groß war die Hoffnung, dass mit dem erstmals in Deutschland eingeführten Insolvenzplanverfahren die Restrukturierung von in Not geratenen Unternehmen und damit nicht zuletzt die Sicherung von Arbeitsplätzen erleichtert wird. Doch nach über 15 Jahren Gesetzespraxis fällt das Resümee eher bescheiden aus. Die erhoffte Sanierungswelle ist ausgeblieben. Jedes Jahr vernichtet die Abwicklung von Krisenunternehmen nach wie vor in großer Zahl wertvolle Arbeitsplätze. Unternehmer und Privatpersonen, die in Insolvenz geraten, umgibt vielfach noch immer ein gesellschaftlicher Makel des Scheiterns. Auch heute hält das Stigma der Insolvenz die Geschäftsführung von Unternehmen davon ab, rechtzeitig Sanierungsmaßnahmen einzuleiten, sobald sich erste Krisenanzeichen zeigen. Nach dem Motto Es wird schon gut gehen werden Symptome von Fehlentwicklungen ignoriert. Dabei gilt auch in der Unternehmenskrise der Grundsatz: Je früher mit Sanierungsmaßnahmen begonnen wird und je umfassender sie sind, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Der Bundestag hat nun mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) zahlreiche neue Chancen für die Sicherung von in Not geratenen Unternehmen eröffnet. Erstmals wird dadurch das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren gesetzlich geregelt. Der Bundesrat bestätigte im November 2011 das Gesetz, das in seinen wesentlichen Teilen am 1. März 2012 in Kraft tritt. Die wesentlichen Neuerungen: Schutzschirmverfahren. Mit dem neuen Schutzschirmverfahren wird erstmalig im deutschen Recht der sogenannte Gläubigerschutz eingeführt. Das Verfahren ist aus den USA und aus den europäischen Rechtsordnungen am jüngsten Beispiel der Sanierung des Automobilkonzerns Saab bekannt. Es gibt den in die Krise geratenen Unternehmen die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten unter der Aufsicht eines vorläufigen Verwalters in Eigenverwaltung einen eigenen Sanierungsplan auszuarbeiten. Während dieser Zeit sind sämtliche Einzelvollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern untersagt. Der zu erstellende Sanierungsplan muss den Anforderungen des vom Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) 2009 veröffentlichten Standards IDW S 6 entsprechen. Er kann dann die Basis für die Sanierung des in Not geratenen Unternehmens und dessen Fortführung bilden. Einen derartigen Antrag auf Gläubigerschutz kann ein Unternehmen allerdings nur stellen, wenn es noch nicht zahlungsunfähig ist, sondern lediglich die Überschuldung bzw. die drohende Zahlungsunfähigkeit erklärt wurde. Die Feststellung der Voraussetzungen für ein derartiges Schutzschirmverfahren muss Bestandteil des Sanierungsgutachtens nach IDW S 6 sein. Vorläufiger Gläubigerausschuss. Darüber hinaus wird das ESUG die Rechte der Gläubiger erheblich stärken. Bereits mit dem Insolvenzantrag und nicht wie bisher erst nach Insolvenzeröffnung ist ein vorläufiger Gläubigerausschuss zu bilden. Dabei muss es sich um Unternehmen handeln, die als mittelgroße oder große Kapitalgesellschaften gemäß 267 Handelsgesetzbuch einzuordnen sind. Dieser vorläufige Gläubigerausschuss gewährleistet vom Tag der Insolvenzantrag- 2 ECOVIS Turnaround 1/2012
Insolvenzrecht: Neu eingeführt wird ein Schutzschirmverfahren und der vorläufige Gläubigerschutz. Das Gesetz stärkt Eigenverwaltung und Gläubigerautonomie. stellung an ein hohes Maß an Transparenz für die Gläubiger, die in der Vergangenheit immer wieder eingefordert wurde. Zudem ist der vorläufige Gläubigerausschuss berechtigt, dem Gericht den künftigen Insolvenzverwalter vorzuschlagen. Diese Mitwirkungsmöglichkeit der Gläubiger ist ein wesentlicher Fortschritt. Denn die bislang vom Gericht bestellten Insolvenzverwalter haben häufig zu dem mangelnden Erfolg der Insolvenzordnung beigetragen. Meist achteten sie und achten nach wie vor! weniger auf die Möglichkeiten der Sanierung, sondern streben eine Abwicklung an, weil sie schneller zu bewerkstelligen ist und entsprechende Gebühren einbringt. Außerdem sind nicht alle Insolvenzverwalter in der Lage, sorgfältige Planverfahren je nach Einzelfall bedarfsgerecht zu entwickeln und durchzuführen. Dem kann der Gläubigerausschuss mit der Auswahl des passenden Insolvenzverwalters nun entgegenwirken. Transparenz und Gläubigerautonomie. Erfolgt der Vorschlag einstimmig, so ist der Insolvenzrichter nur dann berechtigt, den vorgeschlagenen Insolvenzverwalter abzulehnen, wenn dieser nachweislich für die Ausübung des Amtes ungeeignet ist. Mit dieser Neuregelung wird den Gläubigern das Recht eingeräumt, selbst zu bestimmen, wer als Insolvenzverwalter ihre Interessen in einem Insolvenzverfahren vertreten soll. Das ist Premiere in der deutschen Insolvenzgeschichte. Damit zieht die seit Langem geforderte Transparenz und Gläubigerautonomie auch in das deutsche Insolvenzrecht ein. Eigenverwaltung. Schließlich wird durch das ESUG das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung gestärkt. Damit ist der bestehenden Geschäftsführung die Möglichkeit an die Hand gegeben, innerhalb des Insolvenzverfahrens selbst einen eigenen Insolvenzplan unter Aufsicht eines Insolvenzverwalters abzuwickeln. Die Hürden, dies zu unterbinden, sind hoch: Der Antrag auf Eigenverwaltung soll nach der neuen gesetzlichen Regelung nur bei erheblichen Bedenken des Gerichts an der Erfolgsaussicht der Eigenverwaltung abgelehnt werden können. Ein großes Manko bleibt trotz aller Neuerungen dennoch. Denn der Staat eröffnet sich in einem Nebengesetz quasi durch die Hintertür wieder den bevorrechtigten Zugriff. Ein derartiges öffentliches Sonderrecht hat in der Vergangenheit leider Sanierungen scheitern lassen oder zumindest erschwert. Mit dem nun wieder auferstandenen Fiskusprivileg dürfte dies in Zukunft nicht besser sein. Wegen der ständigen Interessenkonflikte, die jede Insolvenzthematik mit sich bringt, hat das ESUG bereits im Vorfeld für heftige Debatten gesorgt. Doch bei allen zugegebenen Schwächen räumt es doch mit einer Reihe alter Zöpfe im Insolvenzrecht auf und stärkt den Einfluss der Gläubiger. FAZIT: Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) eröffnet neue Chancen für in Not geratene Unternehmen. Wesentliche Fortschritte bringen das Schutzschirmverfahren, der vorläufige Gläubigerausschuss, die Gläubigerautonomie und die Möglichkeit der Eigenverwaltung. ECOVIS Turnaround 1/2012 3
Trotz aller Kritik schafft der Standard IDW ES 6 eine seriöse, durch die Gerichte bestätigte Entscheidungsgrundlage für alle Adressaten eines Sanierungskonzepts. Joachim Wieker, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei Ecovis in Rostock und Hamburg, joachim.wieker@ecovis.com ENTSCHEIDUNGSGRUNDLAGEN Sanierungsstandard setzt sich durch Wann ist eine Sanierung von Krisenunternehmen erfolgreich? Klare Kriterien sorgen für Sicherheit beim Planen und Umsetzen. Erst waren sie nur etwas für eine eingeschworene Expertengemeinde, jetzt erfahren sie breite Akzeptanz: Die Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten, die der Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) im Jahr 2009 veröffentlichte, haben sich seitdem über den Berufsstand hinaus als Marktstandard durchgesetzt. Unter dem kryptisch anmutenden Kürzel IDW S 6 stellen sie wesentliche Grundsätze und Richtlinien für die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens auf. Sie behandeln die objektive und schlüssige Überprüfung sowie die Konzeption, entwickelt aus den in Theorie, Praxis und Rechtsprechung vertretenen Auffassungen. Der IDW S 6 ist inzwischen zu einem praktikablen Standard von Sanierungskonzepten geworden, auch wenn er rechtlich nicht bindend ist. wurde am 7. September 2011 veröffentlicht und stellt einen deutlicheren Bezug zwischen den Anforderungen des Standards und der BGH-Rechtsprechung her. Unter anderem wurde klargestellt, dass die Einschätzung zur Sanierungsfähigkeit ein Pflichtbestandteil der Schlussbemerkung des Sanierungskonzepts ist. Damit wird ein wichtiger neuer Aspekt explizit festgehalten, der aus Sicht der Beratungspraxis sehr zu begrüßen ist. Zudem muss im Konzept angegeben werden, welche Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet und realisiert sind. Das IDW hat überdies einer weiteren BGH- TIPP Über die erwähnten Haftungsrisiken erfahren Sie Näheres auf Seite 5. Dennoch gab es dauerhafte Kritik an dem Regelwerk. So wurde in der Literatur insbesondere die Auffassung vertreten, dass der Standard die vom Bundesgerichtshof (BGH) in verschiedenen Urteilen fixierten Anforderungen an Sanierungskonzepte nicht vollständig erfüllt (Entscheidungen vom 4.12.1997, X ZR 47/97, und vom 21.11.2005, II ZR 277/03). Dabei sind diese BGH-Anforderungen in vollem Umfang ohnehin zu beachten, da sich andernfalls nicht nur die Ersteller der Konzepte erheblichen Risiken ausgesetzt sehen. Scheitert eine Sanierung, besteht nämlich die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter oder Dritte Schadensersatzansprüche gemäß 826 BGB wegen angeblich sittenwidriger Insolvenzverschleppung geltend machen. Auch kann der Insolvenzverwalter die Nichtigkeit des Kreditvertrags und der Bestellung der Sicherheiten gemäß 138 BGB geltend machen oder die Bestellung der Sicherheiten und die Kreditrückführung nach 133 Insolvenzordnung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung anfechten. Die Diskussionen um den Standard hat der Hauptfachausschuss des IDW mit dem Entwurf einer Neufassung aufgegriffen. Das überarbeitete Regelwerk IDW ES 6 Anforderung entsprochen und bestimmt, dass bei kleineren Unternehmen das Ausmaß der Untersuchungen und die Berichterstattung an die Größenverhältnisse anzupassen sind. Die Kritik am IDW ES 6 dürfte aber dennoch nicht verstummen. Denn auch der Entwurf der Neufassung lässt die Antwort auf die Frage offen, wie ein entsprechend angepasstes Ausmaß der Untersuchungen und Berichterstattung bei kleineren Unternehmen auszusehen hat, um dennoch die Erwartungen des BGH zu erfüllen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Forderung, die bereits eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen darzustellen. Hier ergibt sich ein Zirkularitätsproblem: Sofern bereits eingeleitete Sanierungsmaßnahmen und damit konkrete Umsetzungsschritte dargestellt werden sollen, obgleich die Umsetzung der Maßnahmen erst auf der 4 ECOVIS Turnaround 1/2012
Wer nachhaltig sanieren und erfolgreich restrukturieren will, braucht interdisziplinäre Berater mit profunder wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise. Sebastian Knarse, Rechtsanwalt LL.M. bei Ecovis in Rostock und Hamburg, sebastian.knarse@ecovis.com Grundlage des zu erstellenden Konzepts erfolgen soll, dreht sich der Sanierungsprozess im Kreis. Auch vermag der IDW ES 6 bestehende Zeitprobleme nicht zu beheben. Nach der Systematik des IDW wird der Nachweis der Sanierungsfähigkeit nur durch ein Vollkonzept geleistet; dieses ist wiederum die Grundlage für die Entscheidung der Hausbank bzw. des Bankenpools. Doch nachdem Sanierungskonzepte in der Regel erst bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit in Auftrag gegeben werden, kann die verbleibende Frist von drei Wochen bis zum Insolvenzantrag kaum ausreichen, um ein umfassendes Konzept mit einem interdisziplinären Expertenteam auszuarbeiten. Hier schafft zwar regelmäßig ein Zwischenkonzept mit den Kreditgebern etwa durch eine Brückenfinanzierung erste Abhilfe. Aber damit werden bereits entscheidende Weichen für das später vorzulegende Sanierungskonzept gestellt. Die heftig geführte Diskussion über den IDW ES 6 wird also nicht abreißen. Dennoch stellt das IDW mit diesem überarbeiteten Standard eine seriöse und durch die Rechtsprechung bestätigte Entscheidungsgrundlage für die Adressaten des Konzepts, insbesondere die Banken, zur Verfügung. Es dürfte schwer werden, überzeugende Alternativen zu finden. SANIERUNG Haftungsrisiken für Gläubigerbanken Sanieren statt liquidieren ist im Krisenfall für Gläubiger meist die beste Verteidigungsstrategie. Doch sie birgt Haftungsrisiken. Bei Unternehmen in Existenzkrisen können herkömmliche Insolvenzverfahren auch für die Gläubiger hart werden. Nur selten führen sie zu einer erfolgreichen Sanierung. Wird ein Krisenunternehmen zerschlagen, kann das für die Gläubiger den Totalausfall ihrer sämtlichen Forderungen bedeuten. Oft empfiehlt sich statt einer harten eine geschmeidige Vorgehensweise, die auf eine außergerichtliche und freie Sanierung und Restrukturierung setzt. Ihr Ziel ist es, zwingende Insolvenzantragsgründe zu beseitigen oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Doch die Gestaltungsfreiheit und die meist größeren Erfolgsaussichten einer außergerichtlichen Sanierung haben ihren Preis: Risiken für den Fall des Scheiterns, haftungsrechtliche Folgen, die über den Eintritt des Kreditausfallrisikos weit hinausgehen. Diese auszuschließen oder zumindest deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu minimieren ist eine Herausforderung für jeden Sanierungs- und Restrukturierungsberater. Zentraler Punkt für solche Haftungsrisiken ist die Grundsatzentscheidung der Kreditgeber über ihren Sanierungsbeitrag: Wollen sie neue Kredite zum Zweck der Sanierung gewähren oder stillhalten und die bereits vereinbarten Kredite weiterlaufen lassen? Variante 1: Die Vergabe neuer Kredite Werden als Sanierungsmittel neue Darlehen ausgereicht, können den finanzierenden Instituten die Ansprüche anderer Gläubiger drohen. Begründung: sittenwidrige vorsätzliche Schädigung nach 826 BGB in Gestalt der Insolvenzverzögerung. Dabei sehen sich die Kreditgeber allerdings dem Vorwurf ausgesetzt, durch die Neugewährung die anderen Gläubiger über die Kreditwürdigkeit des Krisenunternehmens getäuscht zu haben. Ist der Vorwurf berechtigt, haftet das Kreditinstitut somit den weiteren Gläubigern auf Schadensersatz. Drittgläubiger, die erst nach dem vermeintlichen Verzögerungseintritt zu Gläubigern wurden, können dann verlangen, von der Bank so gestellt zu werden, als wären sie niemals Gläubiger geworden. In harter Konsequenz haftet die Bank auch für deren vollen Forderungsausfall. Ein weiteres Problem entsteht, wenn eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die finanzierende Bank ECOVIS Turnaround 1/2012 5
Nur kenntnisreiche und einfühlsame Sanierungsberater können das labile Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Chancen und rechtlichen Risiken austarieren. zu Recht angenommen wird. Dann sind die zur Besicherung des neuen Kredits erfolgten Bestellungen der Sicherheiten wegen Sittenwidrigkeit nichtig ( 138 BGB). Zu der Inanspruchnahme durch Drittgläubiger kommen noch Forderungen des Insolvenzverwalters, der eingesetzt wird, wenn die Sanierung scheitert. Der Insolvenzverwalter dürfte dann von der Bank die Rückgabe der Sicherheiten verlangen, da deren Bestellung sittenwidrig und damit nichtig war und Schadensersatzansprüche erheben. Diese Risiken lassen sich über ein unabhängiges Sanierungsgutachten vermeiden, in dem bestät i g t wird, dass die Neukreditvergabe für die Sanierung objektiv geeignet ist. Die Gläubigerbank kann damit eine Inanspruchnahme wegen Insolvenzverzögerung abwehren. FAZIT: Gläubiger von Krisenunternehmen fahren oft besser, wenn sie einer drohenden Insolvenz vorbeugen und die frühzeitige Sanierung unterstützen. Sie müssen bei der Entscheidung, bereits vereinbarte Kredite weiterzuführen oder neue Kredite zu gewähren, alle Haftungsrisiken konsequent ausloten. Variante 2: Die Weitergewährung vereinbarter Kredite Verhält sich die Gläubigerbank vollkommen passiv und gewährt die vereinbarten Kredite und Kreditlinien weiter, lässt sich kein Vorwurf der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung begründen. Etwas anderes gilt, sobald die Bank in die unternehmerischen Entscheidungen eingreift. Dann hat sie bzw. haben ihre handelnden Personen eine zivil- und strafrechtliche Haftung zu fürchten. Nun gelten sie als faktische Geschäftsführer, die ohne formal dazu berufen zu sein die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich wie ein Geschäftsführungsorgan betreiben. Hängt das Krisenunternehmen am finanziellen Tropf, liegt in den Augen des Insolvenzverwalters und der Strafverfolgungsbehörden eine faktische Geschäftsführung nahe. Die Rechtsprechung hierzu sagt klar: Die Gläubigerbank besitzt bereits einen durch die finanzielle Abhängigkeit gegebenen Einfluss auf Entscheidungen der eigentlichen Geschäftsführung. Übt sie diesen dann noch in vermeintlich erheblicher und nach außen wahrnehmbarer Weise aus, soll sie auch die zivil- und strafrechtliche Insolvenzverschleppungshaftung treffen. Der Bank kann obendrein eine Anstifter- oder Gehilfenhaftung drohen, sofern der rechtlich gebotene Eigeninsolvenzantrag nicht oder nicht rechtzeitig gestellt wurde. Staatsanwälte und Gerichte nehmen erfahrungsgemäß schnell an, dass die Beteiligten die Insolvenzverschleppung billigend in Kauf genommen haben. Oft sind Zeugenaussagen hierzu unkalkulierbar. Die komplexe Materie macht deutlich, dass hier kenntnisreiche und einfühlsame Sanierungs- und Restrukturierungsberater notwendig sind. Nur sie können den erheblichen strafrechtlichen Risiken durch maßvolles Agieren und angemessenes Reagieren entgegenwirken und das labile Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen Chancen und rechtlichen Risiken für die Beteiligten immer wieder austarieren. 6 ECOVIS Turnaround 1/2012
Vorsicht bei Mezzanine-Kapital: Hier kann die Anerkennung als Eigenkapital entfallen. Dann wird die Neuordnung der gesamten Passivseite erforderlich. Prof. Dr. Bernd Romeike, Vorstand der GLC Glücksburg Consulting AG und Kooperationspartner von Ecovis in Rostock und Hamburg, bernd.romeike@ecovis.com MEZZANINE Bedrohlicher Engpass Viele Unternehmen suchen Alternativen zum klassischen Kredit. Bei Mezzanine-Lösungen laufen sie nicht selten in ein Desaster. Die Eigenkapitalquote zählt zu den Schwachpunkten des sonst zu Recht gelobten deutschen Mittelstands. Sie ist häufig alarmierend niedrig. Als wäre die Situation für die Unternehmen nicht schon schwierig genug, reagieren die Banken auf die verschärften Vorschriften von Basel II mit einer wesentlich strengeren Kreditvergabe. Deshalb haben viele Unternehmer eine Alternative zum klassischen Kredit gesucht und sich neue Finanzierungsquellen erschlossen. Eine davon sind Mezzanine, eine besondere Mischform zwischen Eigen- und Fremdkapital, bei der den Kapitalgebern keine Mitbestimmungsrechte eingeräumt werden. 3,1 Milliarden Euro von den ursprünglich ausgegebenen 3,2 Milliarden Euro zur Rückzahlung an. Banken und Aufkäufer der vermeintlich sicheren Kredite stehen ebenfalls vor einem gewaltigen Verlustgeschäft. Der Grund: Die sogenannte Standard-Mezzanine-Finanzierung war ein Schritt in jene fremde Welt der Kapitalmärkte, die nicht börsennotierten Mittelständlern normalerweise verschlossen bleibt. Die Mezzanine-Kredite wurden gebündelt, verbrieft und am Kapitalmarkt verkauft. Mit Zusammenbruch des Verbriefungsmarkts infolge der Finanzkrise begann auch der Die Finanzierung über Mezzanine kann durchaus sinnvoll sein. Anlass ist etwa, wenn ein hoher Kapitalbedarf durch herkömmliche Eigenoder Fremdmittel nicht gedeckt werden kann oder gezielt Eigenkapital beschafft werden soll, ohne Anteile an Dritte abzugeben. Auch Unternehmenskäufe, Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen, Konsolidierungen oder Umfinanzierungen werden immer wieder über Mezzanine abgewickelt. Die ersten Mezzanine-Programme wurden 2004 aufgelegt; Geldgeber waren Institute wie die HypoVereinsbank, HSBC Trinkaus, Deutsche Bank, IKB Deutsche Industriebank oder Commerzbank. Seit 2011 müssen die meisten Unternehmen die Einlagen zurückzahlen oder sich um eine Anschlussfinanzierung kümmern. Doch das wird schwierig, weil sie nach Vorlage der Bilanzen aus den Jahren 2009 und 2010 nicht mehr kreditwürdig genug sind, um problemlos auf normale Bankkredite umsteigen zu können. Dazu kommt, dass sich gerade von der Finanzkrise besonders betroffene Branchen über Mezzanine finanziert haben. Das kann für viele in einem Desaster enden. Denn was finanzschwachen mittelständischen Betrieben eigentlich das Leben erleichtern sollte, treibt sie nun womöglich in die Insolvenz. Allein bis 2014 stehen nach Angaben der IKB bei deutschen Unternehmen noch rund Rückgang der Mezzanine-Finanzierungen. Ab 2008 gab es viele Finanzierungszusagen, die nicht ausgezahlt wurden. Man braucht kein Prophet zu sein, um festzustellen, dass die Probleme auch auf Investorenseite noch zunehmen werden. Dazu kommt: Die Anerkennung des Mezzanine-Kapitals als wirtschaftliches Eigenkapital droht in den bankinternen Ratingsystemen bereits bis zu zwei Jahre vor Fälligkeit zu entfallen. Damit wird die Anschlussfinanzierung für viele Unternehmen nur im Zusammenspiel mit ihren Hausbanken lösbar. Sie dürfte je nach Sachstand sogar die Neuordnung der gesamten Passivseite erfordern. In vielen Fällen ist das oft nur über die Erstellung eines Sanierungskonzepts nach Anforderungen des IDW S 6-Standards umsetzbar. TIPP Näheres zum Sanierungsstandard (IDW S 6) finden Sie auf Seite 4. ECOVIS Turnaround 1/2012 7
Über ECOVIS Ecovis ist ein Beratungsunternehmen für den Mittelstand und zählt in Deutschland zu den Top 10 der Branche. In den mehr als 130 Büros in Deutschland sowie den über 60 internationalen Partnerkanzleien arbeiten etwa 3.800 Mitarbeiter. Ecovis betreut und berät Familienunternehmen und inhabergeführte Betriebe ebenso wie Freiberufler und Privatpersonen. Um das wirtschaftliche Handeln seiner Mandanten, darunter 20.000 gewerbliche Kunden, zu sichern, bündelt Ecovis die nationale und internationale Fach- und Branchenexpertise aller Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte und Unternehmensberater. Jede Ecovis-Kanzlei kann auf diesen Wissenspool zurückgreifen. Die ECOVIS Akademie ist zudem Garant für eine fundierte Ausbildung sowie eine kontinuierliche und aktuelle Weiterbildung. Damit ist umfassend gesichert, dass die Mandanten vor Ort persönlich gut beraten werden. www.ecovis-restrukturierung.de Herausgeber: ECOVIS AG Steuerberatungsgesellschaft, Ernst-Reuter-Platz 10, 10587 Berlin, Tel. +49 (0)30-31 00 08 55, Fax +49 (0)30-31 00 08 56 Konzeption und Realisation: EditorNetwork Medien GmbH, 80336 München Redaktionsbeirat: Sebastian Knarse, Dr. Tobias Schulze (Rechtsanwälte), Prof. Dr. Bernd Romeike (Unternehmensberater), Joachim Wieker (Steuerberater und Wirtschaftsprüfer), Josef Häusler, Rainer Priglmeier, Sabine Winter (Mittelstandsberater). ECOVIS Turnaround basiert auf Informationen, die wir als zuverlässig ansehen. Eine Haftung kann jedoch aufgrund der sich ständig ändernden Gesetzeslage nicht übernommen werden.