Merkblatt «Kantonale Landschaftskonzeption und kohärente Landschaftsqualitätsziele»

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Transkript:

Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK Bundesamt für Umwelt BAFU Abteilung Arten, Ökosysteme, Landschaften Merkblatt «Kantonale Landschaftskonzeption und kohärente Landschaftsqualitätsziele» Erläuterung zum Programmziel 1 im NFA-Programm Landschaft / 04.11.2015 Inhalt 1 Ausgangslage... 3 2 Landschaft hat vielfältige Funktionen... 3 3 Nachhaltige Entwicklung der Landschaft eine Gemeinschaftsaufgabe... 4 4 Landschaft als gesetzlicher Auftrag... 5 5 Definition und Funktion einer kantonalen Landschaftskonzeption... 6 6 Projektorganisation und Vorgehensvorschlag für den Erarbeitungsprozess... 8 7 Weiterführende Informationen... 11 8 Literatur... 11 Ziel und Zweck dieses Merkblatts Dieses Merkblatt erläutert das Programmziel 1 im NFA-Programm Landschaft nach Art. 13 NHG (Siehe Handbuch Programmvereinbarungen im Umweltbereich 2016-2019, Bundesamt für Umwelt BAFU, 2015, http://www.bafu.admin.ch/uv-1501-d) Es zeigt die Erwartungen an eine Landschaftskonzeption und soll die Kantone bei der Erarbeitung ihrer Landschaftskonzeptionen und Landschaftsqualitätsziele unterstützen. Im Faktenblatt werden Begriffe geklärt, der Ansatz der kantonalen Landschaftskonzeption konkretisiert und Formulierungsbeispiele für Landschaftsqualitätsziele gegeben. Die Erarbeitung einer kantonalen Landschaftskonzeption für die gesamte Kantonsfläche soll die Fachstellen Natur und Landschaft in Fragen der Landschaftsqualität stärken und die Zusammenarbeit mit der Raumentwicklung fördern.

Impressum Autoren Christine Meier, raum-landschaft, Zürich Matthias Stremlow, Bundesamt für Umwelt BAFU, Abteilung Arten, Ökosysteme, Landschaften, Bern Angehörte Fachpersonen Daniel Arn, BAFU, Sektion Ländlicher Raum Reto Camenzind, ARE, Sektion Siedlung und Landschaft Claudia Guggisberg, ARE, Sektion Richtplanung Franziska Grossenbacher, BLW, Fachbereich Direktzahlungsprogramme Benoît Magnin, BAFU, Sektion Landschaftsmanagement Oliver Martin, BAK, Sektion Heimatschutz und Denkmalpflege Maria Senn, BAFU, Sektion Landschaftsmanagement Kaspar Sollberger, BAFU, Rechtsdienst Martin Vinzens, ARE, Sektion Siedlung und Landschaft Aus der Konferenz der Beauftragten für Natur- und Landschaftsschutz (KBNL): Kanton Aargau: Thomas Gremminger Kanton Basel-Land: Laura Chavanne Kanton Bern: Flurin Baumann Kanton Glarus: Peter Zopfi Kanton Luzern: Thomas Stirnimann Kanton Waadt: Catherine Strehler-Perrin Kanton Zug: Martina Brennecke Auskunft Bundesamt für Umwelt Abteilung Arten, Ökosysteme, Landschaften Dr. Matthias Stremlow, Sektionschef Tel.: 058 464 84 01 E-Mail: matthias.stremlow@bafu.admin.ch 2/11

1 Ausgangslage Die Kantone haben die herausfordernde Aufgabe, die Landschaft zu schonen, Siedlung, Verkehr und Landschaft aufeinander abzustimmen, für die Erhaltung von naturnahen Landschaften und Erholungsgebieten zu sorgen, sowie die Umsetzung von Bundesinventaren zu unterstützen. Bisher fehlen für Richtpläne, Agglomerationsprogramme, Landschaftsentwicklungskonzepte, Schutzgebietsplanungen, Vernetzungskonzepte oder Landschaftsqualitätsprojekte oft übergeordnete gesamträumliche Landschaftsgrundlagen, die es ermöglichen, für bestimmte Gebiete landschaftsrelevante Ziele abzuleiten. Die kantonale Landschaftskonzeption soll diese Lücke schliessen. Das BAFU sieht in seiner Landschaftsstrategie vor, die Erarbeitung von Landschaftsqualitätszielen zu fördern. Im Handbuch Programmvereinbarungen im Umweltbereich des BAFU für die Programmperiode 2016-19 wurde deshalb im Programm Landschaft (Art. 13 NHG) ein Programmziel formuliert, mit welchem das BAFU die Erarbeitung einer kantonalen Landschaftskonzeption als Grundlage für die Ableitung von kohärenten Landschaftsqualitätszielen unterstützt (vgl. Anhang 1). Heute bestehen auf Bundesebene zahlreiche Instrumente, Grundlagen und Methoden zur Förderung der Landschaftsqualität und zur Formulierung von Landschaftsqualitätszielen (Landschaftsqualität erhalten und entwickeln ein Überblick über die Instrumente der Landschaftspolitik, BAFU 2015). Weitere kommen auf der kantonalen, regionalen und kommunalen Ebene dazu. Schliesslich fliessen die Überlegungen zur Landschaftsqualität auch in die raumplanerischen Instrumente ein und werden dort mittels konkreter Festlegungen und Massnahmen umgesetzt. Die kantonale Landschaftskonzeption soll dem Kanton eine kohärente Gesamtsicht zum Thema und die Abstimmung der verschiedenen Instrumente aufeinander und auf die übergeordneten Ziele hin ermöglichen. Für die kantonale Richtplanung hat die kantonale Landschaftskonzeption den Stellenwert einer Grundlage im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Bst. b RPG, welche für den Kanton flächendeckend erarbeitet wird. Damit sollen kohärente Landschaftsqualitätsziele und abgestimmte Massnahmen in den verschiedenen Aufgabenbereichen und auf den verschiedenen Stufen (Kanton, Regionen, Gemeinden) gefördert, die Kohärenz bei der Umsetzung der Bundesinventare erhöht und Grundlagen für die Berücksichtigung der Landschaft in Bauvorhaben oder bei Interessensabwägungen geschaffen werden. Die Erarbeitung einer kantonalen Landschaftskonzeption ist freiwillig, jedoch Ziel der Bundesbeiträge nach Art. 13 NHG. 2 Landschaft hat vielfältige Funktionen Der Begriff «Landschaft» kommt in der Bundesgesetzgebung in verschiedenen Kontexten vor (BV, NHG, RPG, LwG). Verfassung und Gesetz gehen wie auch die Europäische Landschaftskonvention von einem ganzheitlichen Landschaftsverständnis aus, das neben der Bezeichnung schützenswerter Landschaften generell einen sorgfältigen Umgang mit der Landschaft auf der ganzen Fläche postuliert. Dieses umfassende Landschaftsverständnis umschreibt die Europäische Landschaftskonvention wie folgt: «Landschaft ist ein Raum, wie er vom Menschen wahrgenommen wird und dessen Charakter das Ergebnis der Wirkung und Wechselwirkung von natürlichen und/oder menschlichen Faktoren ist.» 3/11

Landschaften haben zentrale ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Funktionen. Sie sind der Lebensraum für Tiere und Pflanzen und haben damit eine herausragende Bedeutung für die Erhaltung der Biodiversität. Gleichzeitig sind sie Lebens-, Wirtschafts-, Erholungs- und Identifikationsraum für den Menschen sowie räumlicher Ausdruck des kulturellen Erbes. Landschaften erbringen damit wichtige gesellschaftliche Leistungen, insbesondere für die Erholung und Gesundheit, für die Identifikation und Verbundenheit, für den ästhetischen Genuss sowie für die Standortattraktivität der Regionen und der ganzen Schweiz. Landschaftsleistungen sind direkt von der Qualität einer Landschaft abhängig. Landschaftsqualität 1 stellt einen Zustand der Landschaft dar, der sich auf ihren spezifischen Charakter - also die Eigenart, Vielfalt 2 und Schönheit - abstützt und gesellschaftliche Ansprüche an die Landschaft einbezieht. Die Qualität einer Landschaft lässt sich über ihre ökologischen, ästhetischen, kulturellen, wirtschaftlichen und emotionalen Elemente und Werte definieren. Eine hohe Landschaftsqualität ist vorhanden, wenn der Landschaftscharakter und ihre besonderen Werte gut ausgebildet sind und die multifunktionalen Landschaftsleistungen nachhaltig erbracht werden. 3 Nachhaltige Entwicklung der Landschaft eine Gemeinschaftsaufgabe Landschaften sind dynamisch. In ihnen widerspiegelt sich die naturgeschichtliche und kulturelle Entwicklung eines Gebietes. Entsprechend verändern sie sich stetig durch die natürlichen Prozesse, die Eingriffe und Aktivitäten der Menschen, aber auch durch die Veränderung der Wahrnehmung. Dass in diesem Wandel in den letzten Jahrzehnten wesentliche Landschaftsqualitäten verloren gegangen sind, verdeutlichen die Daten aus dem Monitoring Landschaft unter Druck (ARE/BAFU 2007) und der Landschaftsbeobachtung Schweiz (BAFU 2010, 2013). Der anhaltende Druck auf die Landschaft, die rasche Transformation und der Verlust landschaftlicher Qualitäten erweist sich als eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung. Der Wandel der Landschaft ist unausweichlich. Die Landschaftspolitik muss sich dieser Problematik stellen und den Wandel begleiten. Damit die ökologischen und kulturellen Landschaftsleistungen auch für künftige Generationen nachhaltig erbracht werden können, braucht es einen planenden, vorausschauenden Umgang mit Landschaften. Schutz und Gestaltung sollen dabei zu Landschaften führen, die ökologisch tragfähig sind, Verbundenheit schaffen, gefallen und langfristig ihre wirtschaftlichen Leistungen erbringen können (Stremlow 2007). Dies zu erreichen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Der Kreis derer, die Landschaft prägen und mitgestalten, ist sehr gross. Sie reichen von den Nutzungen der Landschaft (z.b. Land- und Forstwirtschaft, Energieproduktion, Siedlungs- und Infrastrukturbau), den Schutz der Landschaft (z.b. Denkmalpflege, Naturschutz), über die Inwertsetzung der Landschaft (Standortmarketing, Tourismus), bis zur Veränderung der inneren Landschaftsbilder durch Kunst und Werbung. Auch die Konsumentinnen und Konsumenten beeinflussen durch ihre Entscheide die Landschaftsentwicklung zumeist unbewusst. Die Summe all dieser Aktivitäten und Handlungen prägt, neben den natürlichen Prozessen, massgeblich die Landschaftsqualität. 1 Lateinisch 'qualitas' meint Beschaffenheit, Eigenschaft, Zustand und beinhaltet keine Wertung. Der Messung und Bewertung von Landschaftsqualitäten muss daher eine Definition von Qualitätsmassstäben vorausgehen. 2 Die Charaktereigenschaft Vielfalt muss in Zusammenhang mit dem initialen Charakter einer Landschaft verstanden und bewertet werden. 4/11

Eine nachhaltige Entwicklung der Landschaft erfordert deshalb ein Zusammenarbeiten aller staatlichen Ebenen, ein gutes Zusammenspiel der verschiedenen raumwirksamen Politiken und den Dialog zwischen den verschiedenen Landschaftsakteuren (Landschaftsexperten und Bevölkerung). Das BAFU postuliert deshalb in seiner Landschaftsstrategie eine integrale Landschaftspolitik, die auf die aktive Verknüpfung der Akteure abzielt und die unterschiedlichen landschaftsbezogenen Instrumente der Planung und Finanzierung mit Aspekten der Landschaftsqualität verbindet. Zudem soll das Verständnis für die vielfältigen Landschaftsfunktionen gefördert werden. 4 Landschaft als gesetzlicher Auftrag 1962 wurde der Natur-, Heimat- und Landschaftsschutz in die Bundesverfassung aufgenommen. In der Schweiz ist der Landschaftsschutz in Art. 78 der Bundesverfassung vom 18. April 1999 (BV, SR 101), im Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz vom 1. Juli 1966 (NHG, SR 451), in der Verordnung über den Natur- und Heimatschutz (NHV, SR 451.1) und in verschiedenen Spezialverordnungen geregelt. Gemäss Art. 78 Abs. 1 der Bundesverfassung sind die Kantone für den Natur- und Heimatschutz zuständig. Die jeweiligen rechtlichen und institutionellen Regelungen zur Landschaft fallen in den Kantonen sehr unterschiedlich aus. Der Bund hat gemäss Verfassung bei der Erfüllung seiner Aufgaben Rücksicht auf die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes zu nehmen. Das NHG enthält als ein Instrument zum Schutz der Landschaft die Bundesinventare, in denen der Bund Objekte von nationaler Bedeutung benennt und unter besonderen Schutz stellt. Gemäss Art. 13 NHG kann er zudem Finanzhilfen für die Erhaltung schützenswerter Objekte sprechen. Ein qualifiziertes Instrument zur Entwicklung besonderer Landschaften stellen zudem die Pärke von nationaler Bedeutung, die UNESCO Welterbestätten sowie die UNESCO Biosphärenreservate dar. Neben dem NHG enthält auch das Raumplanungsgesetz vom 22. Juni 1979 (RPG, SR 700) eine Reihe wichtiger Bestimmungen zur Landschaft. Der Zweckartikel Art. 1 RPG verpflichtet Bund, Kantone und Gemeinden, den Boden haushälterisch zu nutzen und das Baugebiet vom Nichtbaugebiet zu trennen. Zudem soll die Raumplanung dazu beitragen, dass die Landschaft geschützt und die Siedlungsentwicklung nach innen gelenkt wird, und dass kompakte Siedlungen geschaffen werden. In Art. 3 RPG sind die Planungsgrundsätze zur Landschaft festgehalten. Mit der Ratifizierung der Europäischen Landschaftskonvention (ELK, SR 0.451.3) im Jahr 2012 hat sich die Schweiz dazu verpflichtet, die Landschaft zum Bestandteil ihrer Raum- und Stadtplanungspolitik, ihrer Kultur-, Umwelt-, Landwirtschafts-, Sozial- und Wirtschaftspolitik sowie anderer Politiken zu machen. Im Speziellen sieht dabei Art. 6 Bst. D ELK die Erarbeitung von Landschaftsqualitätszielen vor. Diese Ziele können nur erreicht werden, wenn landschaftsrelevante Akteur/innen ihre Verantwortung für die Qualität der Landschaft wahrnehmen, und die landschaftsrelevanten Sektoralpolitiken aufeinander abgestimmt und die Instrumente optimal genutzt werden. Dazu kann die kantonale Landschaftskonzeption beitragen. 5/11

5 Definition und Funktion einer kantonalen Landschaftskonzeption Gesamträumliche Grundlage Landschaft: Eine kantonale Landschaftskonzeption ist eine fachliche Grundlage für die nachhaltige Entwicklung der Landschaft. Sie umfasst den gesamten Raum eines Kantons und geht von einem ganzheitlichen Landschaftsverständnis aus, welches sowohl den Umgang mit der gesamten Landschaft und ihren vielfältigen Landschaftsfunktionen beinhaltet wie auch die Erhaltung und Aufwertung der geschützten und schützenswerten Landschaften im Kanton. Die landschaftsrelevanten kantonalen Fachstellen werden bei der Erarbeitung einbezogen. Dies ist eine wichtige Basis für die zukünftige Akzeptanz und Anwendung der fachlichen Grundlage bei verschiedenen Aufgaben. Charakteristische Teilräume bzw. Landschaftstypen: Die Landschaftskonzeption baut auf den bestehenden Grundlagen und Inventaren des Bundes und des Kantons im Landschaftsbereich auf. Ebenso berücksichtigt sie bestehende regionale und kommunale Konzepte oder Planungen und verdichtet, respektive ergänzt die verschiedenen Grundlagen zu einer konzisen Konzeption für die gesamte Fläche des Kantons. Die Landschaftskonzeption benennt die charakteristischen Teilräume oder Landschaftstypen eines Kantons flächendeckend. Sie beschreibt sie mit ihren typischen und prägenden naturkundlichen, kulturräumlichen und siedlungsspezifischen Landschaftsaspekten. Nutzungsspezifische Leistungen und Aspekte werden ebenso festgehalten. Dabei bezieht die Landschaftskonzeption auch Aspekte der Wahrnehmung und Identifikation mit ein. Landschaftsqualitätsziele: Für die Gesamtlandschaft und die Teilräume oder Landschaftstypen werden Landschaftsqualitätsziele formuliert (siehe das Glossar im nächsten Abschnitt), welche als Grundlage für die kantonale oder regionale Richtplanung, für Landschaftsqualitätsprojekte, für Vernetzungskonzepte, für Agglomerationsprogramme oder für die Schutzgebietsplanung im Kanton verwendet werden können. Die Ergebnisse werden in Bericht und Karte dargestellt. Die Landschaftsqualitätsziele werden aus den erarbeiteten Landschaftscharakterisierungen abgeleitet. In Schutzgebieten werden diese Ziele auf die Schutzziele der Landschaften von nationaler Bedeutung (BLN), der Moorlandschaften und weiterer Schutzgebiete wie zum Beispiel Landschaften von kantonaler Bedeutung abgestimmt. Ebenfalls werden die Ziele der Pärke von nationaler Bedeutung (Charta) und der aussergewöhnliche universelle Wert der UNESCO-Welterbegebiete sowie bereits bestehende regionale Landschaftsqualitätsziele berücksichtigt. Hinzu kommen die landschaftsrelevanten Siedlungen und Ortsbilder sowie die ebenfalls landschaftsrelevanten historischen Verkehrswege von nationaler Bedeutung (ISOS und IVS). Bereits bestehende Landschaftsziele oder Inhalte der kantonalen oder regionalen Richtplanung, der Agglomerationsprogramme oder der Schutzgebietsplanungen im Kanton werden dabei berücksichtigt und in einen Gesamtkontext gestellt. Anwendung aufzeigen: Die Landschaftskonzeption zeigt in einem Umsetzungskapitel auf, mit welchen Massnahmen, Instrumenten und Verantwortlichkeiten die Landschaftsqualitätsziele erreicht werden sollen, wie eine allfällige Regionalisierung erarbeitet wird, und wie eine weitere Abstimmung zwischen den verschiedenen landschaftsrelevanten Tätigkeiten erfolgen soll (Kap. 6, Arbeitsschritt 8). 6/11

Glossar Landschaftsqualitätsziele In der Praxis werden heute unterschiedliche Begriffe verwendet. Dies führt zu Unsicherheiten. Zur Harmonisierung der fachlichen Diskussionen werden nachfolgende Begriffsdefinitionen verwendet. (Nota bene: Es handelt sich hierbei um eine begriffliche Unterscheidung und nicht um eine räumliche) Abb. 1: Landschaftsqualitätsziele werden in Erhaltungs- und in Entwicklungsziele differenziert. Landschaftsqualitätsziele: Die Europäische Landschaftskonvention definiert Landschaftsqualitätsziele als «die von den zuständigen staatlichen Stellen formulierten Ansprüche der Öffentlichkeit an die Landschaftsmerkmale ihrer Umgebung.» (ELK, SR 0451.3). Die Landschaftsqualitätsziele zeigen einerseits die vorhandenen Qualitäten und andererseits landschaftliche Potenziale auf, die unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Bevölkerungen hinsichtlich der erwünschten landschaftlichen Qualitäten und Leistungen weiterentwickelt werden. Die Ziele dienen dazu, die Landschaft unter Wahrung ihres Charakters weiter zu entwickeln sowie ihre multifunktionalen Leistungen dauerhaft zu sichern und zu stärken. Landschaftserhaltungsziele werden für die charakteristischen Landschaftsqualitäten definiert, die in einer bestimmten Landschaft erhalten und im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung der Landschaft gefördert werden sollen. Sie werden in der Regel mit Massnahmen erreicht, welche charakteristische, seltene, typische und prägende Landschaftsaspekte (dazu gehören z.b. auch Ruhe, Abgeschiedenheit, regionaltypische Nutzungen und Bauten) in ihrem Bestand schützen, erhalten und fördern. Landschaftsschutzziele: In Schutzgebieten gelten die bestehenden Schutzziele als Landschaftserhaltungsziele, welche sich aus den gesetzlichen Rahmenbedingungen ableiten. Sie sind bei den nationalen Schutzgebieten in den Objektblättern der Inventare festgelegt, bei den kantonalen Schutzzonen im Schutzbeschluss und bei den kommunalen Schutzgebieten im Zonenreglement. Landschaftsschutzziele geben den Spielraum respektive die Anforderungen an landschaftsbezogene Nutzungen und Entwicklungen vor. Landschaftsentwicklungsziele zielen darauf, den Wandel der Landschaft so zu gestalten, dass ihre Leistungen auch für künftige Generationen nachhaltig erbracht und Landschaftserhaltungsziele erreicht werden können. Landschaftliche Vielfalt, Schönheit und Eigenart, die den Charakter einer Landschaft stärken, sind dabei Werte, die es durch vorausschauendes Handeln und die Sensibilität für das Besondere jeder Landschaft zu fördern gilt. Dies gilt auch für die urbanen und periurbanen Räume. Stadterweiterungen oder - verdichtungen sollen beispielswiese auf die naturräumlichen Gegebenheiten achten und diese in ihrer städtebaulichen Anlage widerspiegeln. Die Landschaftsentwicklungsziele werden in der Regel mit aktiv gestaltenden Massnahmen erreicht, welche charakteristische Landschaftsqualitäten fördern und aufwerten sowie nachhaltige Nutzungen anstreben, welche dem Charakter der Landschaft entsprechen. Dies kann durch das Berücksichtigen der landschaftlichen Besonderheiten in Planungsprozessen, durch die Beseitigung bestehender Beeinträchtigungen, durch die Aufwertung von Qualitäten oder das Neuschaffen und Neuinterpretieren von charakteristischen Landschaftsaspekten u.a.m. erreicht werden. Den Wandel zu gestalten bedeutet, bei Nutzungen den richtigen Standort zu wählen, eine angepasste Dimensionierung zu gewährleisten und eine Gestaltung, die die landschaftliche Schönheit, Eigenart und Vielfahrt wahrt. 7/11

6 Projektorganisation und Vorgehensvorschlag für den Erarbeitungsprozess Für die Erarbeitung einer kantonalen Landschaftskonzeption ist es sinnvoll, die Projektleitung bei der für Natur und Landschaft zuständigen Abteilung oder Fachstelle anzusiedeln. Die für landschaftsrelevante Themen wie Denkmalpflege, Archäologie und Ortsbildschutz, Gewässer, Landwirtschaft, Raumplanung, Wald und Wirtschaftsförderung zuständigen Amtsstellen sind in geeigneter Form in den Erarbeitungsprozess einzubinden. So kann die sektorübergreifende Konzeption und Zusammenarbeit im Bereich Landschaft gefördert und etabliert werden. Zudem ist die kantonale Landschaftskonzeption als Ergebnis des verwaltungsinternen Prozesses zwischen den betroffenen Amts- und Fachstellen bereits diskutiert und wenn möglich abgestimmt. Das Verankern des Projekts von Beginn weg auf Departementsstufe fördert das aktive Mittragen innerhalb der kantonalen Verwaltung. Analog zur Förderung einer sektorübergreifenden Konzeption und Zusammenarbeit im Bereich Landschaft, empfiehlt sich, je nach Lage und Grenzziehung eines Kantons, auch eine kantonsübergreifende oder sogar bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten. Eine Region wird stark über die sie verbindende Landschaft definiert und eine Orchestrierung der landschaftsrelevanten Politiken - auch über Kantonsgrenzen hinweg - ist von grosser Bedeutung. Dies soll bei den folgenden, aus der Praxiserfahrung heraus formulierten Empfehlungen für das Vorgehen bei der Erarbeitung und Konsolidierung einer kantonalen Landschaftskonzeption mitbedacht werden: 1. Bestehende Grundlagen, Inventare, Aufgaben und Instrumente zusammenstellen und analysieren; Schnittstellen zu Aufgaben und Instrumenten definieren; Handlungsfelder vorschlagen. 2. Analysegrundlagen aufbereiten und mit Begleitgruppe Landschaftsverständnis, Instrumente, Potenziale und Defizite sowie Handlungsfelder diskutieren (Analyseworkshop). 3. Sinnvolle Landschaftstypen oder -teilräume für den gesamten Kanton erfassen, charakterisieren und räumlich (nicht parzellenscharf) bezeichnen. Die Landschaftstypen oder homogen wirkenden Teilräume werden auf der Basis vorhandener Grundlagen kategorisiert und mit Hilfe von Feldbegehungen, Expertenwissen, Flugbildern oder softwarebasierten Rauminformationen räumlich bezeichnet (Karte, 3D Modelle, etc.). Bei dieser Arbeit empfiehlt es sich, vom wahrgenommenen Landschaftscharakter auszugehen (Beispiele für die Typisierungen siehe den nachfolgenden Kasten und den Abschnitt «Weiterführende Informationen»). 4. Prioritäre Handlungsfelder für die Gesamtlandschaft und die einzelnen Teilräume festlegen. 5. Bericht- und Planentwurf erstellen (Zwischenprodukt Analysephase) und mit Begleitgruppe diskutieren (Konkretisierungsworkshop). 6. Landschaftsqualitätsziele definieren, die auf den charakteristischen Landschaftsbeschreibungen und auf den festgelegten Handlungsfeldern aufbauen. Dabei können generelle Ziele, die für die Gesamtlandschaft gelten, und Ziele für die einzelnen Landschaftstypen definiert werden. 7. Landschaftsqualitätsziele mit Begleitgruppe diskutieren und abstimmen (Zielworkshop), interne «Echorunde» bei den betroffenen Amts- oder Dienststellen. 8/11

8. Anwendung aufzeigen: Darstellen, mit welchen Massnahmen und Instrumenten die angestrebten Landschaftsqualitätsziele erreicht werden können und wie die Koordination erfolgt, welche Zuständigkeiten bestehen und wie eine allfällige Differenzierung und Konkretisierung der Ziele auf regionaler Ebene 3 vorgenommen werden soll. Die kantonale Landschaftskonzeption soll dabei soweit wie möglich über bestehende Instrumente umgesetzt werden, insbesondere den kantonalen Richtplan und die kommunalen Nutzungspläne sowie auch die Agglomerationsprogramme, Landschaftsqualitätsprojekte und Landschaftsentwicklungskonzepte. 9. Syntheseworkshop mit der Begleitgruppe 10. Verwaltungsinterne Vernehmlassung und anschliessend Konsenssitzung zu deren Ergebnissen, Ausarbeitung der definitiven kantonalen Landschaftskonzeption sowie Verabschiedung durch geeignete Behörde. An die Erarbeitung einer Landschaftskonzeption schliesst die Phase der Anwendung an, die zu einer Verankerung und Konkretisierung im kantonalen Richtplan sowie in den Regionen oder Gemeinden führen soll, inklusive Abstimmung mit den landschaftsrelevanten Sektoralpolitiken. Dieser Prozess erfolgt in der Regel über bereits bestehende Instrumente. Beispiel einer Typisierung der Landschaften eines Kantons Landschaften sind das Ergebnis verschiedener natürlicher und kultureller Prozesse, die sich als zeitliche, sich überlagernde Schichten verstehen lassen. Ihr Erscheinungsbild ist durch das Zusammenwirken dieser verschiedenen Schichten entstanden und wird durch sie weiter gestaltet. Ähnlich wie bei Textilstoffen entsteht dadurch eine Textur, die neben der strukturellen Beschaffenheit auch die ästhetischen und emotionalen Qualitäten, die wir wahrnehmen, miteinbezieht. Die spezifische Gestalt einer Landschaft kann somit als «Gesamttextur» verstanden werden, die sich aus verschiedenen geschichteten, natürlich und kulturell modellierten «Gewebeteilen», das heisst spezifischen Aspekten der Landschaft, ergibt, die wir als Landschaftstexturen bezeichnen (Meier/Bucher 2010). Je nach Landschaft dominieren zum Beispiel Wasser, Landwirtschaft, Wald oder Siedlung als Texturen mit ihren natürlichen und anthropogenen Einflüssen. Sie prägen den spezifischen Charakter und wie wir ihn wahrnehmen. Für die Typisierung der Landschaften eines Kantons mit Landschaftsräumen im Mittelland und in den Voralpen lassen sich als Beispiel die folgenden Texturen als wesentlich herauskristallisieren: Gesteinstextur: Gesteinslandschaften (z.b. Gipfel- und Karstlandschaften) Wassertextur: Gewässerlandschaften (z.b. Seen-, Fluss- und Moorlandschaften) Waldtextur: Waldlandschaften Land- und Alpwirtschaftstextur: Agrarlandschaften (z.b. Alplandschaften, Agrarlandschaften mit ländlicher Siedlungsstruktur, Agrarlandschaften mit periurbaner Siedlungsstruktur) Siedlungstextur: Siedlungslandschaften (z.b. Suburbane Siedlungslandschaften, Stadtlandschaften) Kulturerbetextur: Kulturerbelandschaften (z.b. Sakral-, Park-, Identifikations-, Tourismuslandschaften oder Industrielandschaften mit kulturhistorischen Elementen) Die Landschaften eines Kantons werden nach ihrer jeweils prägendsten Textur gegliedert (obwohl sich die verschiedenen Texturen meistens überlagern) und anschliessend in verschiedene Landschaftstypen differenziert (Meier/Steiger 2014). Diese Gliederung basiert auf der wahrgenommenen heutigen Landschaft und eignet sich gut, sowohl naturkundliche als auch kulturelle Prägungen einzubeziehen. Sie hat zudem den grossen Vorteil, dass sie auch durch Nichtfachleute nachvollzogen werden kann. 3 Für die Wertschätzung der Landschaft ist die Sicht der Bevölkerung sehr wichtig. Um die Akzeptanz von Massnahmen und Instrumenten zu fördern, haben sich breiter angelegte Partizipationsprozesse mit den Regionen, Gemeinden und wichtigen Akteursgruppen bewährt. Das zeigen bisherige Erfahrungen mit ähnlichen Planungsprozessen. Indem die wichtigen Partnerinnen und Partner aktiv in den Erarbeitungsprozess zur Konkretisierung und Regionalisierung der Landschaftskonzeption eingebunden werden, können sie von Betroffenen zu Beteiligten werden. Dialogorientierte, partizipative Methoden und moderierte Prozesse unterstützen dabei das gemeinsame, effektive Arbeiten. Ebenso ist die Sensibilisierung der Bevölkerung für die Bedeutung und den Wert der Landschaft, ihre Qualitäten und Gefährdungen eine wichtige Aufgabe. 9/11

Beispiel Landschaftscharakterisierung kantonale Ebene am Beispiel Luzern (Auszug) : Die Seenlandschaften des Kantons Luzern sind einerseits geprägt durch naturnahe Bereiche mit Riedgebieten und natürlichen Uferbestockungen und andererseits durch ihre kulturhistorischen Strukturen wie historische Ortsbilder, Hotelbauten, Schlösser, Promenaden, Villen und Parkanlagen sowie Uferbereiche, welche mit Alleeansätzen, Baumreihen und prägenden Einzelbäumen einen hohen Erlebnis- und Identifikationswert haben. Die naturnahe, zum Teil aus mächtigen Bäumen bestehende Uferbestockung zeichnet das Seeufer nach und lässt in den Lücken den Blick auf den See offen. Die Ufergehölze der Bachzuflüsse bereichern als zum See hinführende Strukturen die Gestalt und Lesbarkeit der Seenlandschaften und dienen der ökologischen Vernetzung. Hochstammobstgärten und Streuobstbestände tragen in den noch bäuerlich geprägten Bereichen zur Attraktivität der Kulturlandschaften bei. Das Zusammenspiel von naturnahen und kulturhistorischen Elementen am See steigert die landschaftsästhetische Qualität und den Erlebniswert. Prioritäre Handlungsfelder: Schutzinventare Gewässerschutz/Hochwasserschutz Naturnahe Erholung Integrale Siedlungs- und Freiraumentwicklung Siedlungsstruktur und -gestaltung innerhalb Siedlungsgebiete Infrastrukturen Beispiel Landschaftserhaltungsziel: Kulturhistorische Elemente erhalten und von standortfremden Ergänzungsbauten freihalten; der Einpassung neuer Bauten in den Uferhängen hohe Priorität geben; alte Baumbestände, Alleeansätze und Pärke erhalten und pflegen. Beispiel Landschaftsentwicklungsziel: Naturnähe der zufliessenden Bäche und ihrer Ufergehölze fördern, weil sie als zum See hinführende Strukturen die Gestalt und Lesbarkeit der Seenlandschaften betonen und der ökologischen Vernetzung dienen (Quelle: Meier, Christine und Urs Steiger, Strategie Landschaft Kanton Luzern, unveröffentlichter Entwurf, 2014) Anleitung für die Formulierung guter Landschaftsqualitätsziele auf kantonaler Ebene: Gute Landschaftsqualitätsziele basieren auf der Charakterisierung spezifischer Landschaftstypen oder -teilräume. Sie nehmen daraus die wesentlichen Charakteristika der prägenden Natur- und Kulturelemente, sowie der Nutzungs- und Siedlungsstruktur auf und formulieren dafür Zielzustände. Sie machen konkrete Aussagen zu den prioritären Handlungsfeldern für die verschiedenen Landschaftstypen oder -teilräume und bewahren so die besonders wertvollen, gefährdeten und für Veränderung sensiblen Qualitäten einer Landschaft. Gute Landschaftsqualitätsziele sind anhand der Charakterisierung einer Landschaft nachvollziehbar und decken alle ihre wesentlichen Qualitäten ab. Sie sind so konkret, dass sie bei Interessenabwägungen oder Baugesuchen zur Begründung eines Entscheids herangezogen oder als Grundlage für Landschaftsqualitätsprojekte verwendet werden können. Landschaftserhaltungsziele bewahren in erster Linie vorhandene Qualitäten einer Landschaft, während Landschaftsentwicklungsziele vor allem dynamische Aspekte oder Potenziale einer Landschaft fördern. 10/11

7 Weiterführende Informationen Landschaftsstrategie BAFU: http://www.bafu.admin.ch/landschaft/index.html?lang=de Landschaftstypologie Schweiz ARE, BAFU, BFS: http://www.are.admin.ch/themen/raumplanung/00244/04456/index.html?lang=de Moorlandschaften von nationaler Bedeutung: http://www.bafu.admin.ch/schutzgebieteinventare/07845/08207/index.html?lang=de Pärke BAFU: http://www.bafu.admin.ch/paerke/04405/04407/index.html?lang=de Landschaftsqualitätsprojekte BLW: http://www.blw.admin.ch/themen/00006/01714/index.html?lang=de Richtlinien Landschaftsqualitätsbeiträge BLW: http://www.blw.admin.ch/themen/00006/01714/01760/index.html?lang=de BLN-Konzept Kanton Nidwalden: http://www.nw.ch/de/onlinemain/dienstleistungen/?dienst_id=2685 Katalog der charakteristischen Kulturlandschaften der Schweiz, Stiftung Landschaftsschutz Schweiz: http://www.sl-fp.ch/index.php?bereich=forschung&sprache=d&bild=1 Les Atlas de paysage, Méthode pour l identification, la caractérisation et la qualification des paysages (République Française. Ministère de l Écologie, du Développement durable et de l Énergie): http://www.developpement-durable.gouv.fr/img/pdf/methode_atlas_des_paysages_2015- francais_version_web_cle7f9e61.pdf 8 Literatur ARE (Hg.), Leitfaden für die Richtplanung, Bern 1996. ARE / BAFU (Hg.), Landschaft unter Druck, 3. Fortschreibung 1989 2003, Bern 2007. BAFU (Hg.) Zustand der Landschaft in der Schweiz. Zwischenbericht Landschaftsbeobachtung Schweiz (LABES), Bern 2010. BAFU (Hg.), Landschaftsstrategie, Bern 2011. BAFU (Hg.), Neue Ansätze zur Erfassung der Landschaftsqualität. Zwischenbericht Landschaftsbeobachtung Schweiz (LABES), Bern 2013. BAFU (Hg.), Handbuch Programmvereinbarungen im Umweltbereich 2016-2019, Bern 2015. BAFU (Hg. in Vorbereitung), Landschaftsqualität erhalten und entwickeln ein Überblick über die Instrumente der Landschaftspolitik, Bern 2015. BfN / BBSR (Hg.), Den Landschaftswandel gestalten, Bern 2014. BLW (Hg.), Richtlinie Landschaftsqualitätsbeitrag, Bern 2013. Haber, Wolfgang, «Kulturlandschaften und die Paradigmen des Naturschutzes», in: Stadt + Grün, 55 (2006), Nr. 12, S. 20-25. Kanton Nidwalden, BLN-Konzept Nidwalden. Differenzierung der Schutz- und Entwicklungsziele zu den BLN- Gebieten im Kanton Nidwalden, Stans 2006. Kräuchi, Adrian., Projekt Landschaftsqualität Landschaftspark Binntal (= Bericht im Auftrag des Kanton Wallis, Departement für Volkswirtschaft, Energie und Raumentwicklung und des Landschaftsparks Binntal, Onlineressource www.blw.admin.ch/themen/00006/01714/01839/index.html), Binn 2014. Meier, Christine und Annemarie Bucher, Die zukünftige Landschaft erinnern. Eine Fallstudie zu Landschaft, Landschaftsbewusstsein und landschaftlicher Identität in Glarus Süd, Bristol-Schriftenreihe 27, Bern: Haupt Verlag 2010. Meier, Christine und Urs Steiger, Strategie Landschaft Kanton Luzern, unveröffentlichter Entwurf, Luzern 2014. Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (Hg.), Katalog charakteristischer Kulturlandschaften der Schweiz. Grundlage zur Ermittlung von Landschaftsentwicklungszielen (Onlineressource www.sl-fp.ch), Bern 2014 Stremlow, Matthias, «Landschaftskultur der Achtsamkeit - ein Modell», in: anthos, 46 (2007), Nr. 3, S. 14-19. 11/11