31. Fachgespräch Mietrechtstage des ESWiD Vertragsgerechte Qualität von Wohn- und Gewerberaum Sicherheit der Mieträume Ruth Breiholdt, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Mietund Wohnungseigentumsrecht, Hamburg S. 1
Vertragsgerechte Qualität - Sicherheit Sachmangel = nachteilige Abweichung der Ist-Beschaffenheit von vertraglich geschuldeter Soll-Beschaffenheit. Soll-Beschaffenheit = zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneter Zustand, 535 I 2 BGB. Ohne Vereinbarung auslegen nach 133, 157, 242 BGB: Geschuldet ist der Standard, der der ortsüblichen Ausstattung vergleichbarer Räume für diesen Nutzungszweck entspricht. Bzgl. Sicherheit vor Einbrüchen: i.d.r. stabile Außentüren, Schließvorrichtungen. S. 2
Anspruch auf Nachrüstung Schließanlage? Bauliche Maßnahme zur Verbesserung Sicherheit = Modernisierung. (OLG Düdo, NZM 2002, 737) Grundsatz: keine allgemeine Modernisierungspflicht! Ausnahme: aufgrund Vermieters Fürsorge- und Sicherungspflicht, wenn nach MV-Abschluss z. B. - illegale Besucher im Gebäude nächtigen + im Bezirk häufige Brandstiftungen, (BGH, NZM 2001, 686), - Pensionsbetrieb Gebäude in HH-St. Georg, Unbefugte + Spritzen im Flur/Treppenhaus. (AG HH, WuM 1994, 200) S. 3
Schlüsselverlust bei Schließanlagen = Mangel der (übrigen) Wohn-/Geschäftsräume im Gebäude? Nachteilige Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit, bzgl. Substanz, nein, bzgl. Benutzbarkeit, nein, bzgl. Funktionalität (Flatow, NZM 2011, 660 (662)), einzelne Räume und Gebäude insgesamt zu versperren, ja, wenn berechtigte Besorgnis, dass Unbefugte mit Schlüssel in das Gebäude eindringen (Missbrauchsgefahr). S. 4
Missbrauchsgefahr, wenn Schlüssel bei Bootsfahrt in Neckar fällt, nein. (LG Mannheim, WuM 1977, 121) in Notebooktasche zusammen mit Geschäftspapieren aus Dienstfahrzeug des Mitarbeiters gestohlen wird, ja. (KG, NJW-RR 2008, 1245). S. 5
Regress beim Mieter Schuldhafte Verletzung der Obhutspflicht, Schlüssel sorgsam zu verwahren und vor Verlust zu schützen. Achtung! Mitverschulden nach 254 II BGB, wenn Vermieter Mieter nicht auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam macht, die Mieter weder kannte noch kennen musste. Praxistipp: Im Vertrag / Übergabeprotokoll festhalten, dass wegen Schließanlage hohe Kosten bei Schlüsselverlust drohen! S. 6
Alarmanlagen Auch Einbruchserie begründet keinen Mangel, der durch bes. Sicherheitsvorkehrungen beseitigt werden muss. (OLG Düdo, NZM 2002, 737; KG NJW-RR 1998, 944) Bes. Einbruchschutzeinrichtungen nur bei Vereinbarung. (OLG Düdo, NZM 2002, 737; Blank, B/B, 3. A., 536 Rn. 59) Achtung Auslegung! Vermietet Laden in HH Neuer Wall gegen extrem hohe Miete zum Betrieb hochwertiges Juweliergeschäft : Alarmanlage = üblicher Standard? Praxistipp: Soll-Beschaffenheit: keine Alarmanlage. S. 7
Videoüberwachung (VÜ) : Verfassungsrecht VÜ = Eingriff in allg. Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 I GG i.v.m. Art. 1 I GG (BVerfG, WuM 2007, 376), Recht am eigenen Bild und auf informationelle Selbstbestimmung = grdsl. selbst entscheiden, wann und in welchen Grenzen persönl. Lebenssachverhalte offenbart und daher persönl. Daten preisgegeben und verwendet werden. Rechtswidrig, wenn Güter- /Interessenabwägung nicht überwiegenden Vorrang verfassungsr. geschützter Positionen anderer ergibt. (BGH, NJW 2010, 1533 (1534)) S. 8
VÜ im Haupteingangsbereich Ausgerichtet auf jeden Benutzer unzulässig... bei Drogenkonsum Treppenhaus + Vandalismus (T 50), keine schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Rechte des Vermieters, denen nicht anders zumutbar abzuhelfen ist, durch Schließ-/Gegensprechanlage mit Videobild. (LG Berlin, GE 2005, 273) Verhinderung der Prostitution überwiegendes Vermieterinteresse. Auch Besucher (Freier) gehören zur Privatsphäre der Mieterin. (LG Darmstadt, NZM 2000, 360) S. 9
Videokamera-Attrappe Ebenfalls Eingriff in allg. Persönlichkeitsrecht, da wegen des Eindrucks von permanenter Kontrolle + Dokumentation aller Bewegungen etc. ein Überwachungsdruck entsteht. S. 10
Videoauge bzw. elektronischer Türspion Videokamera in Klingeltableau, nur aktiviert bei Klingeln, Bildübertragung nur zum Angeklingelten, höchstens 1 Minute, dauerhafte Aufzeichnung unmöglich. Kein unzulässiger Eingriff in allg. Persönlichkeitsrecht übriger WE: - keine Überwachung, - Abbildung nur zufällig, - kein Überwachungsdruck. (BGH, NJW-RR 2011, 949) S. 11
Rauchwarnmelder (RWM) in Wohnungen Bei gesetzlicher Einbaupflicht (10 Bundesländer): - Modernisierungspflicht? Ja, Harting (FAK, 3. A., 536 Rn. 40). - Fehlende RWM = Mangel? Ja, Harting (FAK, 3. A., 536 Rn. 54). Soll-Beschaffenheit: Standard bei MV-abschluss. (BGH, NZM 2010, 356) Im laufenden MV: keine Modernisierungspflicht, da keine neuen Erkenntnisse zur Gesundheitsgefahr kein Mangel. S. 12
Mangel, wenn MV nach Ablauf Nachrüstfrist? Abweichung Ist- zur Sollbeschaffenheit: ja, da nach allg. Verkehrsanschauung RWM üblicher Ausstattungsstandard. Nachteilige Gebrauchsbeeinträchtigung: zweifelhaft, da erst im Brandfall. Ausreichend aber erhebliche Gefahr, die Mietgebrauch unmittelbar beeinträchtigt. Mit aber auch ohne gesetzliche Einbaupflicht: Schadenfall Verstoß gegen Verkehrssicherungspflicht! S. 13
Verkehrssicherung (VKS-pflichten) Mietvertragliche Nebenpflicht, Mietsache im verkehrssicheren Zustand zu erhalten. (BGH, NJW 2009, 143 (144)) Maßstab: Nicht jede abstrakte Gefahr vermeidbar! Vorkehrungen, die umsichtiger und verständiger in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch zum Schutz anderer vor Schäden für notwendig und ausreichend hält. (BGH, NZM 2006, 578) S. 14
Verkehrssicherung in Wohnungen Keine regelmäßige Kontrolle der - Elektroleitungen und geräte; anders bei nahe liegender Gefahr, z.b. ungewöhnliche oder häufige Störungen bei alten Anlagen, (BGH, NJW 2009, 143) - Funktionsfähigkeit und Dichtigkeit der Wandanschlüsse ordnungsgemäß installierter Öfen. (BGH, ZMR 2011, 938) Zimmertür mit Glasausschnitt: kein Sicherheitsglas, wenn baur. nicht vorgeschrieben und keine bes. Umstände (nicht: Kleinkinder). (BGH, NZM 2006, 578) S. 15
Verkehrssicherung im Treppenhaus Treppenhausbeleuchtung: Gesunde erwachsene Person bei durchschnittl. Gehgeschwindigkeit jdf. 2 Geschosse im Hellen, > 20 Sekunden. (OLG Koblenz, ZMR 1997, 77) Treppenhausreinigung: Keine übermäßige Glätte durch Bodenpflege: Wahl des Pflegemittels dem Belag anpassen und sorgfältige Verteilung. (BGH, NJW 1994, 945) Aber: Glatter Natursteinbelag gerade nass gewischt. Verkehr in Wohn-/Geschäftshaus darf nicht mit jederzeit trockenen Böden rechnen, wenn keine Warnhinweise. (LG Gießen, NJW-RR 2002, 1388) S. 16
Zusammenfassung 1. Geschuldet: ortsüblicher Standard bzgl. Sicherheit vor Einbrüchen, 2. bes. Sicherheitsvorkehrungen (z.b.) Alarmanlage nur bei Vereinbarung, auch durch Auslegung (Nutzungszweck). 3. Verlust Schlüssel bei Schließanlage = Mangel der (übrigen) Einheiten bei Missbrauchsgefahr. 4. Videoauge in Klingelanlage zulässig, Videoüberwachung im Übrigen i.d.r. wg. Verletzung allg. Persönlichkeitsrechts unzulässig (RSpr. restriktiv). S. 17
5. Jdf. bei MV-Abschluss nach Ablauf öff.-rechtl. Nachrüstfrist für RWM in Wohnungen gehören diese zur Soll-Beschaffenheit, bei Gesetzesänderung im laufenden MV nicht (keine Modernisierungspflicht). 6. Für Verkehr im Mietobjekt selbst und Gemeinschaftsflächen Sicherheitsstandard gewährleisten, der nach herrschender Auffassung dieses Verkehrs erforderlich. S. 18
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und dem ESWiD für die Organisation der Veranstaltung! S. 19