Anorexia nervosa - Ernährungstherapeutische Strategien im stationären Setting. Sarah Ulrich Dipl. Ernährungsberaterin HF

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Transkript:

Anorexia nervosa - Ernährungstherapeutische Strategien im stationären Setting Sarah Ulrich Dipl. Ernährungsberaterin HF Klinisches Ernährungsteam KET, Inselspital Bern Oktober 2014

Inhalt Fallbeispiel Rolle der Ernährungsberatung im interdisziplinären Behandlungs-Konzept auf der Psychosomatik im Inselspital

Voraussetzungen für die Ernährungstherapie/ - beratung bei Anorexia nervosa Krankheitseinsicht Interdisziplinäre Zusammenarbeit Verbindlichkeit Kleine Schritte, kleine Ziele Angst nehmen, Sicherheit geben Vertrauen

Fallbeispiel Frau B., Jg. 1993 Zuweisung: BMI bei Eintritt: Soz. Situation: Amb. Behandlung: Ziel des Aufenthaltes: durch Hausarzt und auf Wunsch der Eltern bei zunehmender Schwäche und kontinuierlicher Gewichtsabnahme 12 kg/m 2 (Gewicht: 36Kg, 172cm) Aktuell arbeitssuchend nach abgeschlossener Ausbildung zur Kleinkindererzieherin und Auslandaufenthalt. Wohnt bei den Eltern. Hausarzt, bisher keine Ernährungsberatung oder psychologische Betreuung BMI 14 kg/m 2 als Voraussetzung für ein ambulantes Setting

1. Vertragsgespräch (Refeeding-Stufe) Teilnehmer: Patient/in, OA, AA, Pflege, ERB Orale Ernährung für die erste Woche: - ¼ P. Vegi-Menü (Prävention Refeeding- Syndrom -> max. 15 kcal/kg KG) - ohne Suppe, Dessert und Zwischenmahlzeiten (ZMZ) - auf Wunsch von Frau B. ohne Polenta, Teigwaren - Nach den Mahlzeiten 1 Std. Ruhezeit - Essprotokoll durch Pflege Besprechung der Essensbestellung - die/der Pat. hat die Wahl zwischen Vollkost-Menü oder Vegi-Menü - max. 5 Abneigungen werden berücksichtigt Das Essen wird bis zum nächsten Vertragsgespräch durch ERB bestellt.

2. Vertragsgespräch (Refeeding-Stufe) Verlauf: Gewicht: 35 Kg Frau B. konnte sich nicht an Ruhezeiten halten und hat jeweils die Stärkebeilagen nicht gegessen. Zufuhr: max. 400kcal Ernährung für die nächste Woche: - ¼ P. Vegi ohne Suppe, Dessert und Zwischenmahlzeiten - Ziel im Vertrag: Essen der ¼ Port., Gewichtsstabilisierung, ansonsten Einlage einer nasogastralen Sonde - Evaluation des Essprotokolls zur Vorbesprechung für das Vertragsgespräch - Besprechung der Essensbestellung Änderungswünsche und Abneigungen werden nach Ermessen der ERB und Ärzte einbezogen.

3. Vertragsgespräch (Refeeding-Stufe) Verlauf: Gewicht: 34.5 Kg Frau B. konnte sich besser an Ruhezeiten halten. Von den Stärkebeilagen hat sie jeweils nur gabelweise probiert. Zufuhr ca. 400-500kcal Ernährung für die nächste Woche: Berechnung des enteralen Kostaufbaus gemäss Refeeding-Richtlinien und Erstellen des Sondenplanes. - ¼ P. Vegi ohne Suppe, Dessert und Zwischenmahlzeiten - Im Verlauf der nächsten Woche enteraler Kostaufbau mit 50-100ml Sondenkost (1.5 kcal/ml) jeweils nach den Mahlzeiten

4. Vertragsgespräch (Refeeding-Stufe Verlauf: Gewicht: 35 Kg Frau B. hält sich an Ruhezeiten. Die orale Zufuhr bleibt unverändert. Zufuhr: ca. 950 Kcal (500 oral + 450 enteral) Ernährung für die nächste Woche: Anpassung/Steigerung der Sondenkost je nach Refeeding-Monitoring und Rücksprache mit OE/AA - ¼ P. Vegi ohne Suppe, Dessert und Zwischenmahlzeiten - Im Verlauf der nächsten Woche Steigerung der enteralen Ernährung auf 150-200ml Sondenkost jeweils nach den Mahlzeiten

5. Vertragsgespräch (Refeeding-Stufe) Verlauf: Gewicht: 35.7 Kg Frau B. isst ganze ¼ P. auf. Zufuhr: ca. 1600 Kcal (700 oral + 900 enteral) Ernährung für die nächste Woche: - ¼ P. Vegi ohne Suppe und Dessert - Zvieri: 1 Frappée angereichert - Auf Anliegen von Fr. B. keine weitere Steigerung der Sondenkost, mit dem Ziel die orale Zufuhr zu steigern. Anliegen und Wünsche der/des Pat. werden für die Planung des Procedere nach Ermessen der involvierten Betreuungspersonen einbezogen

11. Vertragsgespräch (Stufe 2) Verlauf: Gewicht: 39 Kg (BMI 13 kg/m 2 ) Frau B. isst ganze 1/2 P. und 3 Zwischenmahlzeiten. Die Sondenkost ist seit einer Woche pausiert. Zufuhr: ca. 2200 kcal Ernährung für die nächste Woche: - ½ P. Vegi - 3 ZMZ: (1 Frappée angereichert, Fruchtquark, Darvida) - Neu: Dessert beim Mittagessen - Sonde ziehen Zusätzliche Gespräche mit ERB ausserhalb des Vertragsgespräches, bei erfolgreicher Gewichtszunahme und Krankheitseinsicht. Mögliche Themen: - Bedarf und Funktion einzelner Nährstoffe (Kcal, Proteine, Calcium, ) - Mahlzeitenrhythmus und -zusammenstellung - Strategien nach Austritt -

16. Vertragsgespräch (Stufe 3) Verlauf: Gewicht: 42 Kg (BMI 14 kg/m 2 ) Frau B. isst ganze 1/2 P., Dessert, 3 ZMZ Zufuhr: ca. 2300 kcal Organisation für den Austritt: - Infoweiterleitung an die zukünftige ERB des ambulanten Setting - Austrittsberatung - Ambulante interdisziplinäre Weiterbetreuung im ZAEP - Infoweiterleitung an die weiterbetreuende Ernährungsberaterin Austrittsberatung: Auf Wunsch von Frau B. findet die Austrittsberatung gemeinsam mit ihren Eltern statt, folgende Themen werden besprochen: - Konkrete Menü-Beispiele für zu Hause und Definierung der ZMZ - Einkaufsliste - Vereinbarung der Ziele bis zum ersten ambulanten Termin in der ERB