Professor Dr. Peter Krebs Vorlesung: Einführung in die (unternehmerische) Vertragsgestaltung WS 2011/2012 Thema: Inhaltskontrolle von B2B-Verträgen Literatur: Becker, Die gebotene Grenze zwischen AGB und Individualvereinbarung im unternehmerischen Geschäftsverkehr, Münster 2010; Stoffels, AGB-Recht, München 2009; Kommentare: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Köln 2011; v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, München 2011; Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB- Recht, München 2009; Aufsätze: Berger NJW 2010, 465 470; v. Westphalen NJW 2009, 2977-2982. A. AGB im unternehmerischen Geschäftsverkehr Das AGB-Recht findet auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr (business to businnes, B2B) Anwendung. Die dargestellten Prinzipien gelten daher, bis auf einige Abschwächungen, ebenso für die Inhaltskontrolle zwischen Unternehmen. Dies ist weitaus weniger selbstverständlich als im Verhältnis Unternehmer-Verbraucher. Gerechtfertigt wird die AGB-Kontrolle im B2B Bereich aber mit der dort ebenfalls herrschenden Ungleichgewichtslage (vgl. v. Westphalen ZGS 2006, 81). Diese ergibt sich aus der die Vorformulierung, durch den Verwender. Es ist jedenfalls für kleinere Beträge unökonomisch über AGB zu verhandeln. AGB betreffen zudem tendenzielle Randbedingungen und einen intransparenten Markt, der als Akerlof- Markt eingeordnet werden kann. In anderen europäischen Ländern hingegen wird weitgehend auf die Inhaltskontrolle im B2B Verkehr verzichtet. Dies, sowie die sehr strenge Handhabung der Inhaltskontrolle auch im B2B-Verkehr hat dazu geführt, dass deutsche Unternehmen im internationalen Geschäftsverkehr bewusst eine andere Rechtsordnung als die deutsche vereinbaren. Besonders beliebt ist die Schweizer Rechtsordnung, die als neutral gilt, jedoch dem deutschen Recht außerhalb der AGB-Inhaltskontrolle eng verwandt ist. National und international führen aber auch bei der Vereinbarung deutschen Rechts sog. Schiedsvereinbarungen zu einer Abschwächung der Inhaltskontrolle, da Schiedsrichter i.d.r. AGB deutlich großzügiger betrachten. Da Schiedsurteile nur auf ganz grobe Verstöße vor 1
2 Fakultät III ordentlichen gerichten kontrolliert werden können, führt dies zu einer spürbaren Milderung der Inhaltskontrolle. Das Vorliegen von AGB beurteilt sich auch zwischen Unternehmen nach 305 Abs. 1 BGB. Neben regelmäßig verwendeten Ein- und Verkaufsbedingungen (häufig general terms and conditions of sale, delivery or payment) erfüllen vor allem Rückgriffe auf Musterverträge oder Textbausteine die Voraussetzungen der mehrfachen Verwendungsabsicht. Soweit sich solche Klauseln dem Unternehmer zurechnen lassen, gelten sie als von ihm gestellt. Dies kann der Fall sein, wenn sich der Unternehmer solcher Klauseln bedient, die von der Fachliteratur entworfen wurden (z.b. Formularkommentare) oder von Dritten in seinem Interesse eingebracht werden (z.b. Notarvertrag der auf der Einbringung von Formularen und Dokumenten des Unternehmers beruht). Lassen sich die Vertragsbestimmungen keiner Seite zurechnen, weil sie von einem unparteiischen Dritten (z.b. Notar) eingebracht wurden, fallen sie nicht in den Anwendungsbereich der 305 ff. BGB. Vor allem aber werden die strengen Anforderungen an die Annahme von Individualvereinbarungen durch ein Aushandeln i.s.d. 305 Abs. 1 S. 3 BGB aus Unternehmenssicht verbreitet als völlig unangemessen empfunden. Die in der Praxis übliche Vorgehensweise, den auf einem Muster basierenden Vertragsentwurf der anderen Partei für Änderungsvorschläge zu überreichen, stellt noch kein Aushandeln dar. Dass generell mit größeren Verhandlungsdelegationen über den Vertrag verhandelt wird und einzelne Punkte geändert werden, belegt noch nicht das Aushandeln der übrigen Punkte. Die Anwendung der Inhaltskontrolle selbst in diesen Fällen begegnet deutlicher Kritik (vgl. Berger NJW 2010, 465 ff.; ders. NJW 2001, 2152 ff.) In der Praxis ist es oftmals nicht möglich oder nicht wirtschaftlich detailliert um jede einzelne Vertragsklausel zu ringen. Darüber hinaus herrscht oftmals Unsicherheit darüber, ob ein Vertrag noch der Inhaltskontrolle unterliegt oder bereits eine Individualvereinbarung ist. Ein Beweis seitens des Verwenders, dass ein Aushandeln vorliegt, stellt diesen vor schwer erfüllbare Probleme bezüglich der Protokollierung des Verhandlungsprozesses. Und selbst dies ist nur möglich, wenn sich der Verwendungsgegner überhaupt auf Verhandlungen einlässt. Erkennt er hingegen, dass eine Klausel gem. 305 ff. BGB unwirksam ist, kann er diese ohne weitere Verhandlungen akzeptieren. Damit eröffnet sich die Möglichkeit der sog. AGB-gestützten Verhandlungsstrategie, nach der man derartige Klauseln
schlicht ignoriert, anstatt über eine Abänderung zu verhandeln und der Klausel somit u.u. zu ihrer Wirksamkeit zu verhelfen. Dafür können eventuell an anderer Stelle eigene Interessen durchgesetzt werden. B. Einbeziehung in den Vertrag 310 Abs. 1 S. 1 BGB ordnet an, dass gegenüber Unternehmern sowie juristischen Personen des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtlichen Sondervermögen die Einbeziehungsvoraussetzungen des 305 Abs. 2 und Abs. 3 BGB nicht gelten. Bei Unternehmern genügt damit zur Einbeziehung der AGB jede Willenserklärung (auch die konkludente!) unabhängig von den Voraussetzungen des 305 Abs. 2, Abs. 3 BGB. Insbesondere eine Beifügung der AGB ist keinesfalls erforderlich. Es reicht der Hinweis auf die Existenz. AGB können im Übrigen auch quasi nachträglich über ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben und ein Schweigen darauf einbezogen werden. Dies gilt allerdings nicht im grenzüberschreitenden Handel zwischen zwei Staaten, die das UN-Kaufrecht (CISG) ratifiziert haben. Im Bereich des CISG bedarf es einer ausdrücklichen Einbeziehung der AGB. Die wirkt sich insbesondere auch dann aus, wenn in den AGB erst die Anwendung des CISG ausgeschlossen werden soll. Denn sind die AGB nicht wirksam einbezogen, ist auch der Ausschluss des CISG unwirksam. Die im Baugewerbe häufig verwendete Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) stellen ebenfalls AGB i.s.d. 305 BGB dar. Werden sie aber ohne jedwede inhaltliche Abweichung übernommen, sind sie im B2B- Bereich gem. 310 Abs. 1 S. 3 BGB von der Inhaltskontrolle im engeren Sinne ( 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) ausgenommen. C. Inhaltskontrolle gem. 307 BGB Werden AGB gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet, so sind die 308, 309 BGB nicht (!) anwendbar ( 310 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Inhaltskontrolle richtet sich in diesem Fall formell allein nach 307 BGB. Da den (meisten) Verboten in 308, 309 BGB herrschend Indizwirkung auch unter Unternehmern zugemessen wird, führt dies nur unter besonderen Umständen dazu, dass die in 308, 309 genannten Klauseln zwischen Unternehmern wirksam sind. 3
4 Fakultät III Es muss einzeln begründet werden, dass kaufmännische Besonderheiten, wie z.b. Schnelligkeit und Leichtigkeit des Verkehrs, stärkere Betonung der Rechtssicherheit, Üblichkeit von wirtschaftlichem Druck, Üblichkeit von Versicherungen etc. eine abweichende Bewertung zulassen. Beispielhaft können für die Inhaltskontrolle zwischen Unternehmern folgende Klauselverbote angeführt werden: 309 Nr. 7 BGB hat nach der Rspr. des BGH Indizwirkung für die Kontrolle im B2B-Verkehr. Das Freizeichnungsverbot für Verletzungen von Leben, Körper und Gesundheit (Nr. 7a) gilt dabei in vollem Umfang. Das Ausschlussverbot für grobes Verschulden (Nr. 7b) gilt zumindest soweit, als dadurch eine umfassende Freizeichnung erreicht werden soll (BGH NJW 2007, 3774). Auf das Erfordernis einer Mahnung und Fristsetzung kann auch zwischen Unternehmern grundsätzlich nicht verzichtet werden (vgl. 309 Nr. 4 BGB). Dies gilt zumindest dann, wenn dies die Voraussetzung für Rücktrittsrechte und Schadensersatzansprüche darstellt. Unzulässig ist es daher durch Formularbestimmung Schadensersatz und Rücktritt allein vom Ablauf der Liefer- oder Zahlungsfrist abhängig zu machen. Praktisch relevant sind insbesondere auch Vertragsstrafeklauseln. In Verbraucherverträgen unterliegen diese den Einschränkungen des 309 Nr. 6 BGB, der aber auf Unternehmerebene keine Indizwirkung i.r.d. 307 BGB entfaltet. Für Vertragsstrafen bleibt daher im B2B-Verkehr ein wesentlich weiterer Spielraum als im Verbraucherverkehr. Die Angemessenheitsprüfung konzentriert sich vor allem auf die Höhe der Vertragsstrafe. Im Bauwesen dürfte eine Vertragsstrafe für Verzug i.h.v. 0,3% der Bausumme pro Tag zulässig sein, 0,5% der Bausumme pro Tag werden hingegen auch bei der Vereinbarung einer Obergrenze (cap-klauseln) als unzulässig angesehen (vgl. BGH NJW 2002, 2322). Die zulässige Obergrenze der Vertragsstrafe liegt bei 10% der Bausumme (BGH NJW 2003, 1805). Neben der Inhaltskontrolle erfolgt auch zwischen Unternehmern eine strenge Transparenzkontrolle gem. 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Besondere Kritik hat dabei die Rspr. des BGH zur Intransparenz des Begriffes der Kardinalpflichten erfahren (BGH NJW-RR 2005, 1496, 1505). Nach ständiger Rechtsprechung des BGH darf die Haftung selbst für einfache Fahrlässigkeit nicht eingeschränkt werden, soweit es sich bei der betroffenen Pflicht um eine vertragswesentliche Pflicht i.s.d. 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB handelt. Verwendet der Unternehmer aber in seinen
Klauseln den vom BGH selbst gebrauchten Begriff der Kardinalpflicht zur Bezeichnung derartiger vertragswesentlicher Pflichten, sei dies selbst im B2B- Bereich intransparent, weil sich dem durchschnittlichen Händler nicht erschließe, was mit Kardinalpflichten gemeint sei. Möglich und ausreichend soll dagegen eine abstrakte (!) Definition des Begriffs der Kardinalpflicht sein (zur Kritik vgl. Kappus NJW 2006, 15 ff.). 5