Behinderung und Alter

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2. Menschen mit geistiger Behinderung - besondere Menschen Das Forschungsprojekt... 23

Der demografische Wandel bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung

Transkript:

Behinderung und Alter Christoph Landtwing, Mitarbeiter Fachbereich Erwachsene Menschen mit Behinderung von CURAVIVA Schweiz 1

«Behinderte Menschen werden alt alte Menschen werden behindert» «Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.» (UN- Behindertenrechtskonvention Art.1, Abs. 2) Zu Menschen mit Behinderung zählen Personen, denen «es eine voraussichtlich dauernde körperliche, geistige oder psychische Beeinträchtigung erschwert oder verunmöglicht, alltägliche Verrichtungen vorzunehmen ( ).» (BehiG, Art. 2, Abs. 1) Personen mit einer lebensbegleitenden Behinderung im Fokus 2 2

1 800 000 Personen mit Behinderung leben in der Schweiz (SILC 2015) Ältere Personen mit einer Behinderung in der Schweiz 518 000 Personen mit Behinderung über 65 Jahre lebt in Privathaushalt (SILC 2015) 101 000 Personen mit einer starken Beeinträchtigung über 65 Jahre lebt in Privathaushalt (SILC 2015) 122 000 Personen mit Behinderung leben in einem Alters- und Pflegeheim (SOMED 2015) 5 600 Personen über 60 Jahre leben in einer Institution der Behindertenhilfe (SOMED 2015) 3 3

Demographischer Wandel in Einrichtungen der Behindertenhilfe Anzahl ältere Klienten in Institutionen für Behinderte 60-79 80+ 201 5'404 175 4'764 195 184 4'216 3'810 179 3'141 384 386 2'063 1'812 234 1'355 2015 2013 2011 2009 2007 2005 2003 2001 SOMED - Statistik der sozialmedizinischen Institutionen (eigene Darstellung) 4 4

Neue Herausforderungen Höhere Lebenserwartung mit Behinderung? Medizinischer Fortschritt, verbesserte Wohn- und Betreuungsverhältnisse führen zu höherem Lebensalter trotz Behinderung 6-12 Jahre tiefere Lebenserwartung bei Personen mit einer kognitiver Behinderung (Dieckmann 2016) «Gesundes oder gutes» Altern mit Behinderung? Grösseres Krankheitsrisiko und Multimorbidität Altersprozess beginnt früher und verläuft schubweise Demenz bei kognitiver Behinderung (Trisomie 21) Palliative Care und Entscheidungen am Lebensende Betreuungs- und Pflegeaufwand in Wohnheimen nimmt zu! 5 5

Stufe der erhaltenen Hilflosenentschädigung (HE) bei Bewohnerinnen und Bewohnern in Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderungen im Kanton BS (Wicki 2018) 6 6

Tendenzen für das Wohnen im Alter mit Behinderung Von ambulant zu stationär Rund die Hälfte der Bewohnerinnen und Bewohner in Einrichtungen für Erwachsene mit Behinderung sind >50 Jahre 1/3 der Neueintritte in Wohneinrichtungen für Personen mit einer Behinderung sind >50 Jahre (Quelle: Wicki, M. (2018) Behinderung und Alter im Kanton Basel-Stadt) Diskurs betreffend Wohnen im Alter mit Behinderung «Aging in Place» vs. «Aging in Progression» Wahlfreiheit des Wohnortes (UN-BRK) Öffnung von Pflegeheimen Alternative Betreuungs- und Pflegeangebote 7 7

Themenkreise «Behinderung und Alter» Geriatrie Biographie-Arbeit Tagesstruktur Interdisziplinäre Teams Demenz Palliative Care Trauer-Arbeit Gerontologie Kooperation mit Ärzten und Diensten Aktivierung 8 8

Wohnheim «XY» Beispiel aus der Praxis Entwicklung Altersstruktur Wohnheim für Erwachsene mit einer kognitiven und mehrfachen Behinderung (40 Plätze) 1976 gegründet, mit 20 Jahren eingetreten 2007 waren 5 Bewohnerinnen und Bewohner >50 Jahre 2015 waren 19 Bewohnerinnen und Bewohner >50 Jahre Handlungsbedarf und offene Fragen Altersspezifische oder altersdurchmischte Wohngruppen? Umgang mit Belastungen im Team aufgrund höherer Pflege und Unterstützung? Geeignete Tagesstruktur und Tagesgestaltung im Alter? Begleitung am Lebensende und Sterben im Heim? 9 9

Wohnheim «XY» - Beispiel aus der Praxis Personal Bildung interdisziplinärer Teams Einbindung Pflegefachpersonal Definieren von Kompetenzen (z.b. medizinaltechnische Verrichtungen) Agogische Grundsätze in der Pflege «Gute Durchmischung der Teams» Interne Weiterbildungen für alle MA (Demenz, Geriatrie, Palliative Care etc.) Bereichsübergreifende Arbeitsgruppen Betriebliche Leitfaden, Materialkoffer Zusammenarbeit Hospitationen von Auszubildenden aus Geriatrie Zusammenarbeit mit Spitex und Ärzten Wir holen uns das Knowhow ins Haus 10 10

Wohnheim «XY» - Beispiel aus der Praxis Tagesstruktur Aktivierungsprogramm eingeführt aufgrund Altersentwicklung Fliessende Übergänge vom «Produktiven Arbeiten» zur Aktivierung Wahl- und Gestaltungsfreiheiten (Atelier, frei, Physiotherapie) Sozialraumorientierung (Bildungsklubs, Altersturnen) Hospitationen Auszubildende Aktivierungstherapie Begleitung Persönliche Zukunftsplanung Offizielle Verabschiedung in Pension Weiterbildung für Bewohnende zu Tod und Abschied, Älter werden, Demenz Einführung von Ritualen z.b. bei Tod und Abschied Zusammenarbeit mit Angehörigen Adäquate Angebote für ältere Bewohnerinnen und Bewohner 11 11

Wohnheim «XY» - Beispiel aus der Praxis Künftige Herausforderungen «Manchmal kommen wir schon an Grenzen in der Betreuung und Pflege». «Wie breit können wir uns altersmässig aufstellen?» «Personen mit Behinderung über 65 Jahren können nicht mehr eintreten». «Lohnt es sich noch Personen mit hohem Pflegebedarf im Wohnheim zu betreuen?» (Voraussetzungen Finanzierung von Pflegeleistungen) «Eine Zusammenarbeit mit Alters- und Pflegeheimen gibt es bisher nicht, aufgrund der verschiedenen Kulturen, Schwerpunkten und MA». «Wir sind situativ unterwegs, schauen von Jahr zu Jahr» 12 12

Implikationen für Berufsgruppen im Sozial- und Gesundheitswesen Relevanz der Thematik «Behinderung und Alter» Vermehrt interdisziplinäre Teams und Zusammenarbeit Gelingende interdisziplinäre Zusammenarbeit Klare Haltung und Grundverständnis klären (verschiedene Berufskulturen) Bestimmung Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten Wissen über Disziplinen, deren Ausbildungen und Professionsverständnis Wissenstransfer ermöglichen Sensibilisierung für «Behinderung und Alter» und Interdisziplinarität 13 13

Danke für Ihre Aufmerksamkeit! 14 14