Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen

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Transkript:

Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen 05.02.2016 Bericht für die Sitzung des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit am 16.02.2016 Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) A. Problem Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit bittet um einen aussagefähigen schriftlichen Bericht zur Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). B. Lösung Der erbetene Bericht wird hiermit vorgelegt: Seit Juni 2013 verhandeln die EU mit den USA über den Abschluss einer Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Hierdurch könnte die größte Freihandelszone der Welt mit rd. 800 Millionen Einwohnern und Konsumenten entstehen. Der Handel zwischen den USA und Europa macht heute bereits rund ein Drittel des Welthandels aus und die beiden Wirtschaftsräume tragen aktuell zu etwa der Hälfte des weltweiten BIP bei. Beide Wirtschaftsräume erwarten positive Wirkungen eines Abkommens auf Wachstum und Beschäftigung durch den Abbau von Zöllen und v.a. den Wegfall oder die Verringerung so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Weiterhin würde die Freihandelszone insofern eine strategische Bedeutung haben, da eine Vorreiterschaft z.b. bei der Setzung von Normen und auch weltweiter handelspolitischer Regeln entstehen könnte. Die EU-Kommission ist durch das Verhandlungsmandat, das ihr der Handelsministerrat am 14. Juni 2013 erteilt hat, an die Vorgaben der EU-Mitgliedstaaten gebunden. Das Verhandlungsmandat zu TTIP ist seit dem 9. Oktober 2014 veröffentlicht. Der US-Kongress hat Präsident Obama am 24. Juni 2015 im zweiten Anlauf die Trade Promotion Authority (handelspolitische Vollmacht) erteilt. Diese Vollmacht gibt dem US Präsidenten Leitlinien für die Verhandlung von Freihandelsabkommen in den nächsten drei Jahren (mit einer Verlängerungsoption von drei Jahren) vor. Im Gegenzug verzichtet der US-Kongress auf inhaltliche Änderungen von ausgehandelten Abkommen, die ihm zur Abstimmung vorgelegt werden.

Die Verhandlungen über TTIP werden auf europäischer Seite von der EU- Kommission, genauer der Generaldirektion Handel, geführt. EU- Handelskommissarin Cecilia Malmström ist die für die TTIP-Verhandlungen politisch verantwortliche EU-Kommissarin. Ignacio Garcia Bercero aus der Generaldirektion Handel ist der Hauptverhandlungsführer der EU-Kommission. Die EU hat für die mehr als 20 thematischen Arbeitsgruppen jeweils Verhandlungsführer benannt. Die EU-Verhandlungsführer werden von Experten aus den jeweiligen Generaldirektionen der EU-Kommission und den verschiedenen Regulierungsbehörden begleitet. Zusätzlich hat die EU-Kommission Ende Januar 2014 ein 14-köpfiges Beratungsgremium berufen, das sich aus Experten aus dem Verbraucherschutz und den Gewerkschaften sowie verschiedener Wirtschaftsbranchen zusammensetzt. Bei keinem der Themen, über die verhandelt wird, steht das bestehende Schutzniveau im Gesundheits-, Lebensmittel- oder Verbraucherbereich zur Disposition. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ist seitens der Bundesregierung federführend für die Begleitung der TTIP-Verhandlungen zuständig. Auf US-Seite ist der Handelsbeauftragte der USA, Michael Froman (Office of the United States Trade Representative - USTR) politisch verantwortlich. Hauptverhandlungsführer der US-Seite ist Dan Mullaney. Ziel der Verhandlungen von TTIP ist eine stärkere Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks sowie der Abbau von Zöllen und nicht-tarifären Handelshemmnissen. Das endgültige Abkommen soll aus 26 Kapitel bestehen und in die drei Abschnitte 1) Marktzugang, 2) regulatorische Kooperation und 3) Regeln gegliedert sein. Nach Abschluss der Verhandlungen ist die Ratifizierung des Verhandlungsergebnisses durch das Europäische Parlament und den Europäischen Rat erforderlich. Wird TTIP als ein so genanntes Gemischtes Abkommen eingestuft, bei dem die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind, würde das Abkommen sowohl einer Ratifizierung auf europäischer Ebene als auch durch die Mitgliedstaaten bedürfen. Hier greifen die jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften. In Deutschland müssten dann Bundestag und Bundesrat zustimmen (Art. 59 des Grundgesetzes). Die EU-Kommission lehnt es ab, noch vor dem Abschluss der TTIP-Verhandlungen eine Aussage über die Rechtsnatur des Abkommens zu treffen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die EU-Kommission derzeit beim EuGH die Rechtsnatur des bereits ausverhandelten Freihandelsabkommen EUS- FTA (EU-Singapore Free Trade Agreement) überprüfen lässt. Letztlich wird es darauf ankommen, welche konkreten Länderkompetenzen nach Abschluss der Verhandlungen von TTIP betroffen sein werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass bei TTIP (wie auch Handelsabkommen zwischen Canada und der EU CETA) eine Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich sein wird. Seite 2

Zum jetzigen Zeitpunkt haben 11 Verhandlungsrunden stattgefunden. Die 11. Verhandlungsrunde fand vom 19. - 23. Oktober 2015 in Miami statt. Die EU- Kommission legte erstmals einen Textvorschlag für das Kapitel "Handel und nachhaltige Entwicklung" vor. Zentraler Aspekt dieses Kapitels soll das Recht der EU und der USA sein, Umwelt- und Sozialschutz auch zukünftig in ihren Gesetzen auf dem Niveau zu sichern, das ihnen jeweils angemessen erscheint. Des Weiteren sollen Umwelt- und Sozialdumping verboten werden. Schließlich will die EU- Kommission die USA dazu verpflichten, sich zu den acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO (u. a. Recht auf Arbeitnehmervertretung) und zu den Prinzipien internationaler Abkommen über Chemie und Abfall zu bekennen. Die 12. Verhandlungsrunde ist für Ende Februar 2016 geplant und findet in Brüssel statt. Weitere Verhandlungsrunden sollen in engerer Abfolge stattfinden, um Fortschritte zu erzielen. Offiziell kommuniziertes Ziel ist es, die Verhandlungen vor den Präsidentschaftswahlen in den USA im November 2016 abschließen zu können. Vor dem Hintergrund des bisher erreichten Verhandlungsfortschrittes erscheint diese Zielsetzung sehr ambitioniert. Weiterhin ist durch den Abschluss der Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP), ein Freihandelsabkommen zwischen den USA, Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam, am 5. Oktober 2015, Druck auf einen erfolgreichen Abschluss der TTIP- Verhandlungen entstanden. Zwar ist noch keine TPP-Ratifizierung erfolgt (nach derzeitigem Kenntnisstand im US-Kongress im Sommer 2016 denkbar, sonst voraussichtlich erst nach der US-Präsidentschaftswahl im November), aber die Einigung über TPP schafft ein starkes Gegengewicht zum geplanten TTIP-Raum und gerade die mit TTIP verbundenen handelsstrategischen Aspekte könnten gefährdet sein, wenn es absehbar nicht zu einem Abschluss zwischen EU und USA kommt. Länder werden durch das BMWi regelmäßig im Rahmen von Bund-Länder- Arbeitskreisen sowie anlassbezogen mit aktuellen Informationen zum Sachstand der Verhandlungen versorgt. Das BMWi steht auch bei kurzfristigen Fragen aus den Ländern als Ansprechpartner zur Verfügung. Darüber hinaus wird weiterhin regelmäßig im Rahmen der Fachministerkonferenzen zu TTIP informiert und die Fachausschüsse des Bundesrates sowie der Bundesrat selbst beschäftigen sich regelmäßig mit der Thematik (zuletzt zur zukünftigen Ausrichtung der Handelspolitik der EU mit einer Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission Handel für alle Hin zu einer verantwortungsbewussteren Handels- und Investitionspolitik, BR-Drs. 500/15 (Beschluss)). Wichtige Themen im Überblick: a) Öffentliche Daseinsvorsorge Die kommunalen Spitzenverbände Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund sowie der Verband kommunaler Unternehmen haben sich am 11. Juni 2015 gemeinsam mit dem BMWi in einem Positionspapier auf wesentliche Leitplanken verständigt, die aus deutscher Sicht im Zuge der TTIP-Verhandlungen beachtet werden müssen. Darin wird unter anderem Seite 3

betont, TTIP dürfe keine weitergehenden Marktöffnungsverpflichtungen im Bereich der Daseinsvorsorge enthalten, als sie bereits im WTO-Dienstleistungsabkommen von 1995 (General Agreement on Trade in Services GATS) eingegangen worden sind. In die gleiche Richtung zielte bereits ein gemeinsames Positionspapier des BMWi und der Bundesgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege zu TTIP vom 23. Februar 2015. Tatsächlich werden einige Sektoren, die für die Daseinsvorsorge relevant sind, grundsätzlich von TTIP abgedeckt, wie z.b. die Wasserversorgung, soziale Dienste, Gesundheitsdienstleistungen oder Bildung. Im TTIP-Verhandlungsmandat heißt es zum Thema Daseinsvorsorge in Ziffer 19: Die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU sollte im Einklang mit dem AEUV (der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), insbesondere dem Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse, und unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der EU in diesem Bereich, einschließlich des GATS-Abkommens, gewahrt werden. Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden, sind von den Verhandlungen explizit ausgeschlossen (Ziffer 20). Die EU-Kommission hat mehrfach zugesichert, dass die öffentliche Daseinsvorsorge von TTIP nicht negativ betroffen sein werde. Sie hält einen förmlichen Ausschluss der Daseinsvorsorge aus den TTIP-Verhandlungen für nicht angezeigt, da die Daseinsvorsorge durch verschiedene Vertragsregelungen in den Annexen zum Dienstleistungskapitel umfassend geschützt werde. TTIP werde wie alle bisherigen Handelsabkommen der EU (einschließlich CETA) eine allgemeine Ausnahme von Verpflichtungen für den gesamten Bereich der Daseinsvorsorge in der rechtlichen Form eines Vorbehalts enthalten (sog. public utilities -Klausel). Dies erlaube es, öffentliche Monopole oder Konzessionen für bestimmte inländische private Anbieter zu unterhalten. Eine Verpflichtung zur Privatisierung bestehe nicht. Über diese allgemeine Ausnahme hinaus werde es spezifische Vorbehalte für bestimmte Daseinsvorsorge-Bereiche geben. Diese so genannten sektorspezifischen Ausnahmen gestatteten es, Anbietern von außerhalb der EU in den genannten Sektoren den Zugang zum EU-Markt zu verwehren. Regierungen und Behörden würden durch TTIP auch nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in nicht diskriminierender Weise zu regulieren. Die genannten Vorbehalte für die Daseinsvorsorge gestatteten auch etwaige Rekommunalisierungen. Schließlich könnten diese Dienstleistungen auch weiter subventioniert werden, ohne gleichzeitig ausländische Anbieter subventionieren zu müssen. Dies folge aus dem umfassenden Ausschluss von Subventionen von den Dienstleistungs- und Investitionskapiteln. Die genannten Sicherungen der Daseinsvorsorge würden unabhängig davon, ob ein Positiv- oder Negativlistenansatz verfolgt wird, gelten. b) Öffentliche Beschaffung: Die von der EU-KOM angestrebte Öffnung der US-amerikanischen Märkte ermöglicht Unternehmen aus der EU die diskriminierungsfreie Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen in den USA. Das ist vor allem im Interesse der EU, da es europäische Unternehmen bisher sehr schwer haben, sich um öffentliche Aufträge in den USA zu bewerben. Mit TTIP sollen Einschränkungen für kommerzielle Dienst- Seite 4

leistungen verringert, Investitionssicherheit und Wettbewerbschancen verbessert und ein gleichberechtigter Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen staatlichen Ebenen, vor allem auch auf der Ebene der Bundesstaaten, ermöglicht werden. Unternehmen aus den USA können sich schon jetzt an öffentlichen Vergabeverfahren in Deutschland beteiligen. Die Öffnung der US-amerikanischen Märkte für europäische Unternehmen soll in der 12. Verhandlungsrunde thematisiert werden. Schwierigkeiten sind hier insbesondere bei der Öffnung von Ausschreiben auf bundesstaatlicher Ebene in den USA für europäische Unternehmen zu erwarten. c) Kultur und Medien Im Verhandlungsmandat (Ziffer 21) kapitelübergreifend ausgenommen sind lediglich audiovisuelle Dienstleistungen (Fernsehen, Radio, Film). Nach derzeitigem Stand wird TTIP keine darüber hinausgehende allgemeine, kapitelübergreifende Ausnahmeregelung für den Kultur- und Medienbereich enthalten. Die EU-Kommission hat aber mehrfach versichert, dass im Abkommenstext umfassend Vorsorge getroffen werde, um negative Auswirkungen auf Kultur und Medien zu vermeiden. Laut EU-Kommission und BMWi wird TTIP die Instrumente der Kulturförderung in Deutschland unberührt lassen. Gleiches gelte für nichtdiskriminierende Maßnahmen wie die deutsche Buchpreisbindung, die Künstlersozialversicherung und das Urheberrecht. In einem Positionspapier vom 7. Oktober 2015 hat die Bundesregierung nochmals klar gestellt, dass sie im Rahmen der TTIP-Verhandlungen dafür eintritt, dass das Abkommen keine Bestimmungen enthält, die geeignet sind, die kulturelle und mediale Vielfalt in Deutschland zu beeinträchtigen. Jedenfalls für Deutschland dürften keine weiteren Verpflichtungen für Kultur und Medien aufgenommen werden, als ohnehin bereits in GATS übernommen worden seien. Der Schutz von Kultur und Medien müsse in TTIP zukunftsfest ausgestaltet werden, d.h. auch zukünftige technologische Entwicklungen müssten erfasst sein (Erhalt des Right to Regulate ). Schließlich sei eine horizontale Ausnahmeklausel für Beihilfen bei Dienstleistungen erforderlich zur Sicherung von Fördermöglichkeiten im Sinne der Kulturund Medienvielfalt. In diesem Zusammenhang ist ergänzend auf die Antwort der Bundesregierung vom 29.05.2015 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum bereits ausverhandelten CETA-Abkommen (BT-Drs. 18/5043) hinzuweisen. Danach ist die Bundesregierung der Auffassung, dass in CETA keine weiteren Marktöffnungsverpflichtungen für den Kulturbereich enthalten seien als in dem WTO- Dienstleistungsabkommen GATS aus dem Jahre 1995. d) Bildung Laut EU-Kommission sieht das von ihr an die USA übermittelte Angebot im Dienstleistungsbereich vor, dass Marktöffnungsverpflichtungen (Positivliste) im Bildungssektor nur in dem Maße enthalten sind, wie dies bereits im GATS-Abkommen der Fall ist. Für den Bereich der Inländerbehandlung sei ein EU-Vorbehalt für Bildungsdienstleistungen vorgesehen (Negativliste). Die Bundesregierung führt in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 18/5676) am 26.08.2015 aus, TTIP werde keine Auswirkun- Seite 5

gen auf den Bildungssektor haben. In TTIP würden keine Marktöffnungsverpflichtungen eingegangen, die über die für Deutschland seit 20 Jahren geltenden Verpflichtungen aus GATS hinausgehen. Wie GATS werde TTIP hoheitliche Träger nicht daran hindern, bestehende Bildungsangebote beizubehalten und dort neue öffentliche Angebote bereitzustellen, wo private Anbieter bereits tätig sind. Staatliche Stellen könnten die Tätigkeit privater Anbieter auch künftig im Rahmen geltenden Rechts beschränken und beenden. Die in TTIP vorgesehene horizontale Subventionsausnahme erlaube die Förderung von Bildungseinrichtungen, ohne dass damit ausländische Anbieter gleichermaßen Anspruch auf Förderung hätten. Dies gelte auch für subventionierte Angebote in der Erwachsenenbildung. e) Regulatorische Kooperation: Sowohl in der EU als auch in den USA gibt es eigene Normen und Regeln für eigene Produkte und Dienste. Regulatorische Kooperation meint die engere Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden in der EU und den USA, um doppelte oder auch unnötige Vorschriften im Handel zu vermeiden und bessere Vereinbarungen zu erreichen. Für den Bereich regulatorische Kooperation liegen derzeit noch keine konsolidierten Verhandlungstexte vor. Die EU-Kommission hat nach der achten Verhandlungsrunde einen Vorschlag in englischer Sprache zum Bereich der regulatorischen Kooperation zwischen EU und den USA veröffentlicht (Initial Provisions CHAPTER [ ] Regulatory Cooperation vom 10.Februar 2015). Für Bundesregierung und EU-Kommission ist es von hoher Bedeutung, dass es bei der regulatorischen Kooperation keine Abstriche bei den Schutzniveaus geben darf. Grundsätzlich sollte der jeweils höhere Standard gewahrt bleiben. Die Bundesregierung befürwortet die diskriminierungsfreie, breite Einbindung von Beteiligten - darunter Nichtregierungsorganisationen, Verbraucherschutzverbänden und Gewerkschaften bei der weiteren Beratung des Kommissionsvorschlags. Das Ziel der regulatorischen Kooperation ist vor allem die engere Zusammenarbeit der Regulierungsbehörden und die Förderung internationaler Standards. Für die Ausgestaltung der regulatorischen Zusammenarbeit werden verschiedene Modelle diskutiert. Für die Ausführung der regulatorischen Zusammenarbeit wird ein sogenannter Regulatory Council zuständig sein. Dieser Regulatory Council soll kein Entscheidungsgremium werden. Es ist hierbei nicht vorgesehen, bestehende rechtsstaatliche und demokratische Regulierungsverfahren in der EU zu unterlaufen, diese bleiben bestehen. Vielmehr ist eine Abstimmung im Vorfeld von Neufestsetzungen bei Standards. f) Investitionsschutz und Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren Grundsätzlich sieht die Bundesregierung in Bezug auf die USA keine Notwendigkeit für ein Investitionsschutzkapitel und Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS). Zwar können Investitionsschutzabkommen mit anderen, weniger entwickelten Staaten ein durchaus sinnvolles und für die deutsche Wirtschaft bewährtes und notwendiges Instrument sein. Sowohl für deutsche Investoren in den USA als auch für amerikanische Investoren in Deutschland besteht jedoch über den Rechtsweg zu den nationalen Gerichten hinreichender Rechtsschutz. Die deut- Seite 6

schen Gerichte sind in der Lage, rasch, kompetent, effektiv und kostengünstig über Investor-Staat-Streitverfahren zu befinden. Der Bundesrat hält in seiner Entschließung anlässlich des Konsultationsverfahrens über die Modalitäten eines Investitionsschutzabkommens mit Investor-Staat- Schiedsgerichtsverfahren (BR-Drs. 295/14 (Beschluss)) spezielle Investitionsschutzvorschriften und Streitbeilegungsmechanismen zwischen der EU und den USA für verzichtbar und mit hohen Risiken verbunden. Die EU-Kommission, eine Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten und die USA sprechen sich allerdings für einen Investitionsschutz in TTIP aus. Aufgrund der Widerstände einiger Mitgliedsstaaten (vor allem Deutschland) hatte die EU-Kommission im Frühjahr 2014 die Verhandlungen zu diesem Kapitel auf Eis gelegt und auf Basis einer Konsultation zum Investitionsschutz in TTIP auch einen Reformprozess für künftige EU-Investitionsschutzabkommen angestoßen. Am 16.September 2015 hat die Kommission einen Vorschlag für ein neues Schiedsgerichtsverfahren veröffentlicht, das das Investor-Staat Schiedsgericht (ISDS) ersetzen soll. Das neue Investment Court System (ICS) sieht eine erste Instanz und eine Berufungsinstanz vor und soll mit öffentlich bestellte Richterinnen und Richtern besetzt werden. Zudem soll geregelt werden, welche Fälle vor Gericht zugelassen werden. Am 12. November 2015 hat die Kommission den USA offiziell ihren Vorschlag für die Investitionsgerichtsbarkeit vorgelegt. Die neue Investitionsgerichtsbarkeit soll das Schiedsgericht zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staat (ISDS) ersetzen. Die Kommission hatte hierzu im September einen Vorschlag vorgelegt und diesen zwischenzeitlich mit Rat und Parlament abgestimmt. Das neue Modell greift viele Aspekte auf, die in der öffentlichen Debatte gefordert wurden. Der den USA unterbreitete Vorschlag wurde veröffentlicht. Inwieweit die Vorschläge der EU-Kommission noch in der Rechtsförmlichkeitsprüfung beim ausverhandelten CETA-Abkommen berücksichtigt werden können, ist derzeit noch offen. g) Transparenz Die Bundesregierung und die EU-Kommission setzen sich dafür ein, Wirtschaftsverbände, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Vertreter weiterer gesellschaftlicher Gruppen und die Öffentlichkeit während der TTIP-Verhandlungen über das geplante Abkommen umfassend zu informieren. Da die EU-Kommission die Verhandlungen zu TTIP führt, ist sie für die Information der Mitgliedstaaten zuständig. Bislang haben nur Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten sowie die Mitglieder des EP in Leseräumen Einsicht in die konsolidierten Texte (Dokumente, in denen die Verhandlungspositionen der EU und der USA zusammengefasst sind). Konsolidierte Texte können auch in Leseräumen der US-Botschaften eingesehen werden. Die Bundesregierung hat sich sowohl gegenüber der EU-Kommission als auch gegenüber den USA für eine Übermittlung von konsolidierten Texten und US Pa- Seite 7

pieren an die Mitgliedstaaten und Zugang der nationalen Parlamentarier zu den Leseräumen eingesetzt. Konsolidierte TTIP-Verhandlungstexte sind weiterhin nicht veröffentlicht und stehen den Regierungen der Mitgliedstaaten nur in Leseräumen zur Verfügung. Den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und Mitgliedern des Bundesrates steht ab dem 1. Februar 2016 ein TTIP-Leseraum für konsolidierte Verhandlungstexte im BMWi in Berlin zur Verfügung. Die von der EU-Kommission an die Bundesregierung übermittelten TTIP- Dokumente (z.b. Stellungnahmen der Mitgliedsstaaten, Non-Papers der EU- Kommission, Berichte über Sitzungen des Handelspolitischen Ausschusses und Drahtberichte) werden von der Bundesregierung an den Bundestag und den Bundesrat weitergeleitet und sind für die zuständigen obersten Landesbehörden über EUDISYS einsehbar. Konsolidierte Textfassungen sind den Ländern bislang nicht zugänglich. Für die Allgemeinheit frei zugänglich sind auf der Website der EU-Kommission: (englische) Textvorschläge der EU zu verschiedenen Themen und Positionspapiere der EU zu vielen Bereichen. Der gesamte Text der TTIP-Vereinbarung soll nach Abschluss der Verhandlungen veröffentlicht werden vor der Rechtsförmlichkeitsprüfung, seiner Unterzeichnung und Ratifizierung. h) Bewertung Bremen als Hafen- und Handelsstandort mit sehr intensiver internationaler Vernetzung profitiert von freiem und liberalem Handel. Der Senat befürwortet daher die Bemühungen zum Abschluss der DOHA-Runde und einer damit verbundenen einheitlichen Regelung des weltweiten Handels. Solange der DOHA-Prozess stockt, ist der Abschluss bi- und multilateraler Abkommen ein sinnvoller Weg, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft zu sichern. Die im Herbst 2015 veröffentlichte Investitions- und Handelsstrategie der EU-KOM und die darin beabsichtige Schaffung von einem nachhaltigen und fairen Handelssystem wird grundsätzlich befürwortet, ebenso wie der Vorschlag der EU-KOM zur Neuregelung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Der von der EU verfolgte Ansatz sollte in TTIP wie auch bei CETA seinen Niederschlag finden. Wie auch die anderen deutschen Länder unterstützt Bremen alle Initiativen zur Erhöhung der Transparenz des TTIP-Verhandlungsprozesses sowie die Forderung, dass TTIP soziale, umweltpolitische, kulturelle, arbeits- und verbraucherrechtliche oder demokratische Errungenschaften nicht aushebeln darf. Weiterhin muss das Right to Regulate weiter im vollen Umfang gewährleistet sein. Private Schiedsgerichte werden abgelehnt. Inwieweit diese Rahmenbedingungen bei den TTIP-Verhandlungen eingehalten werden, kann erst nach vollständigem Abschluss der Verhandlungen beantwortet werden. C. Finanzielle und personalwirtschaftliche Auswirkungen, Gender-Prüfung Die Anfertigung des Berichts hat keine finanziellen, personalwirtschaftlichen und genderrelevanten Auswirkungen. Seite 8

D. Beschlussvorschlag Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit nimmt den Bericht des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen vom 05.02.2016 zur Kenntnis. Seite 9