Teil 1 Sie haben etwas zu vererben Besteht Handlungsbedarf vor Ihrem Tod?

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Transkript:

Teil 1 Sie haben etwas zu vererben Besteht Handlungsbedarf vor Ihrem Tod? I. Das gesetzliche Erbrecht 1. Was bestimmt das Gesetz? Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) regelt u. a. das Erbrecht. Es bestimmt, was mit dem Vermögen des Erblassers, des Verstorbenen, geschieht, d. h., wer ihn beerbt. Mit Ihrem Tod, dem Erbfall, geht Ihr Vermögen, der sog. Nachlass so Sie nicht abweichend von den gesetzlichen Vorschriften etwas geregelt haben automatisch mit allen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten auf den oder die Erben über, unabhängig von einer Annahmeerklärung der Erben und unabhängig davon, ob Ihr Erbe etwas vom Erbfall weiß oder nicht, sog. Gesamtrechtsnachfolge. Erbe wird derjenige, dem Sie durch Testament oder Erbvertrag etwas zugewendet haben oder, wenn Sie als Erblasser kein Testament aufgesetzt haben, derjenige, der als Ihr Verwandter oder Ehegatte nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Erben berufen ist. Voraussetzung ist die sog. Erbfähigkeit, d. h. Ihr Erbe muss zum Zeitpunkt des Erbfalls leben. Ist z. B. ein Kind im Zeitpunkt des 13

Teil 1 Erbfalls bereits gezeugt, aber noch nicht geboren, kann es Sie beerben vorausgesetzt, es wird lebend geboren. Auch juristische Personen, wie eingetragene Vereine, GmbHs oder Stiftungen und Mitglieder von kirchlichen Orden, können erben. Tiere sind nicht erbfähig. Sie können also nicht Ihren Hund oder Ihre Katze als Erben einsetzen. Nachfolgend werden wir Ihnen die gesetzlichen Regelungen des Erb rechts der Verwandten und des Ehegatten im Bürgerlichen Gesetzbuch darstellen. Wenn Ihnen die gesetzliche Regelung zusagt, brauchen Sie nichts zu unternehmen. Ist das nicht oder nur teilweise der Fall, sollten Sie eine letztwillige Verfügung errichten. So lassen sich eventuell unpassende gesetzliche Regelungen des gesetzlichen Erbrechts auf Ihre individuelle Situation anpassen. 1.1 Das Erbrecht Ihrer Verwandten 1.1.1 Wer kommt als Erbe in Betracht? Die gesetzliche Erbfolge greift vor allem dann ein, wenn Sie nichts verfügt haben, d. h. kein Testament oder keinen Erbvertrag aufgesetzt haben, wenn Ihr Testament oder Ihr Erbvertrag vor Ihrem Tod wirksam widerrufen oder von Ihren Erben nach Ihrem Tod wirksam angefochten wurde oder wenn der von Ihnen eingesetzte Erbe die Erbschaft ausgeschlagen hat. Die Regelungen des gesetzlichen Erbrechts gelten auch für (in das Lebenspartnerschaftsregister) eingetragene gleichgeschlechtliche 14

Lebenspartner, nicht jedoch für den überlebenden Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Ausgangspunkt des gesetzlichen Erbrechts ist das Erbrecht Ihrer Verwandten, d. h. Ihrer Kinder und Enkel, Ihrer Eltern und Geschwister, Ihrer Großeltern, Tanten und Onkel. Ihr Ehegatte ist nicht mit Ihnen verwandt, für ihn gelten besondere Regelungen, die im nachfolgenden Kapitel dargestellt sind. Ein rechtliches Kuriosum: Das Gesetz regelt explizit, wer Mutter eines Kindes ist. Unnötig, da selbstverständlich, sagen Sie? Bei näherer Betrachtung eine in heutiger Zeit notwendige Regelung, angesichts von modernen Formen der Kinder zeugung und austragung, z. B. durch eine indische Leihmutter. Mutter ist laut Gesetz diejenige, die das Kind geboren hat, d. h. auch die Leihmutter. Auf die genetische Verwandtschaft kommt es nicht an. Vater ist u. a. der Mann, der bei Geburt mit der Mutter verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkannt hat, unabhängig davon, ob er tatsächlich genetisch mit dem Kind verwandt ist. Weder Ihre Schwiegereltern, Ihre Schwägerin oder Ihr Schwager, noch Ihre Stiefkinder, d. h. die Kinder Ihres Ehegatten oder Lebenspartners, sind gesetzliche Erben. 15

Teil 1 Sollten alle Ihre Verwandten im Zeitpunkt Ihres Todes schon verstorben oder nicht mehr ermittelbar sein und ist auch kein Ehegatte (mehr) vorhanden, erbt der Staat, d. h. dasjenige Bundesland, in dem Sie im Todeszeitpunkt Ihren letzten Wohnsitz hatten. Dadurch ist sichergestellt, dass niemand ohne Erben stirbt. 1.1.2 Einteilung Ihrer Verwandten in Ordnungen Um die Erbquoten und die Rangfolge der Erbberechtigung Ihrer Verwandten zu ermitteln, werden diese vom Gesetz in sog. Ordnungen eingeteilt. Diese schematische Einteilung ist nicht weiter schwierig; mit einem Blatt Papier und einem Stift ausgestattet, können Sie selbst eine Stammtafel erstellen und entsprechend nachstehender Vorgaben Ihre noch lebenden Verwandten kategorisieren: Verwandte der ersten Ordnung sind Ihre Kinder und deren Abkömmlinge. Jedes Kind bildet zusammen mit seinen Abkömmlingen einen sog. Stamm, der zu gleichen Teilen erbt. Verwandte der zweiten Ordnung sind Ihre Eltern und deren Abkömmlinge. Ihr Vater und Ihre Mutter bilden zusammen mit ihren Abkömmlingen jeweils eine sog. Linie, die je die Hälfte des Nachlasses erbt. Ihre Eltern sind erbberechtigt, unabhängig davon ob sie geschieden sind oder nicht. 16

Verwandte der dritten Ordnung sind Ihre Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits sowie deren Abkömmlinge. Leben im Zeitpunkt Ihres Todes alle Großeltern noch, erbt jeder Großelternteil 1/4 des Nachlasses, d. h. jedes Großelternpaar insgesamt 1/2. Diese Einteilung der Verwandten in Ordnungen lässt sich beliebig fortsetzen, je nachdem, ob noch in entfernteren Ordnungen Verwandte vorhanden sind. Zur Verdeutlichung nachstehende Grafik: 17

Teil 1 1.1.3 Welcher Ihrer Verwandten erbt laut Gesetz vorrangig? Sie haben nun einen ordentlichen Stammbaum gezeichnet und sich klargemacht, welche Verwandten welcher Ordnung angehören. So weit so gut. Was bedeutet das jetzt für die Erbquoten Ihrer Verwandten? Grundsätzlich gilt: Verwandte einer näheren Ordnung schließen Verwandte einer entfernteren Ordnung aus. Solange Ihre Verwandten der ersten Ordnung leben, gelangen keine lebenden Verwandten der nachfolgenden zweiten, dritten oder weiteren Ordnung zur Erbfolge, sog. Sperrwirkung. 18

Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Angenommen, zum Zeitpunkt Ihres Todes leben noch Ihr Vater und Ihre Mutter als Verwandte der zweiten Ordnung sowie Ihr Urenkel als Verwandter der ersten Ordnung. Da Erben der ersten Ordnung solchen einer nachfolgenden Ordnung vorgehen, erbt Ihr Urenkel Ihr gesamtes Vermögen und schließt Ihre Eltern von der Erbfolge aus. Ähnlich funktioniert es auch innerhalb einer Ordnung: Es gilt das sog. Repräsentationsprinzip, d. h. die zum Zeitpunkt Ihres Todes lebenden Kinder schließen nachfolgende Abkömmlinge, wie z. B. Ihre Enkel, von der Erbfolge aus. 19

Teil 1 Ist Ihr Ehegatte im Zeitpunkt Ihres Todes schon verstorben und hinterlassen Sie zwei Söhne, erben diese Ihren Nachlass je zur Hälfte. Ihre Söhne repräsentieren ihren Stamm, die weiter entfernten Enkel sind von der Erbfolge ausgeschlossen. Umgekehrt gilt: Sind Ihre Kinder im Zeitpunkt Ihres Todes schon verstorben, treten Ihre Enkel bzw. Ihre Urenkel an deren Stelle. Die Abkömmlinge des Vorverstorbenen rücken nach, sog. Eintrittsrecht. 20

Angenommen zum Zeitpunkt Ihres Todes ist Ihr Ehegatte schon verstorben. Sie hinterlassen einen Sohn Max, Ihr Sohn Moritz ist schon vorverstorben. Max erbt 1/2, die Hälfte von Moritz wird an Ihre zwei noch lebenden Enkel vererbt, und zwar zu je 1/4. Die dargestellten Grundsätze der Sperrwirkung der vorhergehenden Ordnung, das Repräsentationsprinzip sowie das Eintrittsrecht gelten grundsätzlich für alle Ordnungen. Geschafft: Sie haben die ersten Hürden zum Verständnis des gesetzlichen Erbrechts gemeistert. Jetzt können wir gemeinsam in kompliziertere Gefilde vordringen. 1.2 Das Erbrecht Ihres Ehegatten Viele von Ihnen werden nun sagen: Und was ist mit meinem Ehegatten? Soll der denn gar nichts bekommen? Keine Angst, Ihr Ehegatte geht auch im gesetzlichen Erb recht nicht leer aus. Aber: Da Ihr Ehegatte nicht mit Ihnen verwandt ist, steht er außerhalb des Systems der Ordnungen. Für Ihren Ehegatten gelten folglich besondere Regelungen. 1.2.1 Vorliegen einer wirksamen Ehe Voraussetzung des Ehegattenerbrechts ist, dass Sie im Zeitpunkt Ihres Todes noch mit Ihrem Ehegatten verheiratet sind. 21

Teil 1 Haben Sie sich von Ihrem Ehepartner getrennt, hat das keine Auswirkung auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht. Das Erbrecht Ihres Ehegatten bleibt bestehen. Wollen Sie das Erbrecht Ihres getrennt lebenden Ehegatten ausschließen, müssen Sie ihn testamentarisch enterben. Das Pflichtteilsrecht als meist unabänderlichen Geldanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den oder die Erben im Falle einer testamentarischen Enterbung können Sie dadurch allerdings nicht umgehen. Wollen Sie auch das Pflichtteilsrecht Ihres getrennt lebenden Ehegatten ausschließen, müssen Sie einen notariellen Pflichtteilsverzichtsvertrag schließen dafür benötigen Sie allerdings die Zustimmung Ihres Ehegatten. Hierzu im Kapitel Das Pflichtteilsrecht mehr. Erst ab dem Scheidungsverfahren entfällt das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht. Da vor Stellung eines Scheidungsantrags vielfältige Aspekte gegeneinander abzuwägen sind, sollten Sie sich nicht vorschnell dazu entschließen, sondern zunächst anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. Ist Ihre Scheidung schon rechtskräftig, ist Ihr geschiedener Ehegatte ohne weiteres von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen und hat auch kein Pflichtteilsrecht mehr. 22

1.2.2 Bestimmung der Erbquote Ihres Ehegatten Dies vorausgeschickt können wir nun an die Ermittlung der Erbquote gehen. Hierzu müssen Sie in zwei Schritten prüfen: Zum einen: Neben welchen Verwandten erbt Ihr Ehegatte? Grundsätzlich erbt Ihr Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung: 1/4 des Nachlasses, neben Verwandten der zweiten Ordnung: 1/2 des Nachlasses, neben Großeltern: 1/2 des Nachlasses, im Übrigen den gesamten Nachlass. Zum anderen: In welchem Güterstand haben Sie während der Ehe gelebt? Schon wieder eine neue, juristische Begrifflichkeit? Ja, das Erbrecht macht es uns leider nicht leicht, getreu dem Motto Erst die Umwege führen ans Ziel. Was müssen Sie wissen? Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt drei Güterstände: die Gütergemeinschaft, die Gütertrennung sowie die Zugewinngemeinschaft. Nachfolgend wollen wir Ihnen den Einfluss der Zugewinngemeinschaft und der Gütertrennung auf die Erbquote Ihres Ehegatten 23

Teil 1 darstellen. Dies sind die häufigsten Güterstände, die fast alle Ehen in Deutschland kennzeichnen. Sollten Sie in einer Gütergemeinschaft leben oder einen ausländischen Güterstand haben, empfehlen wir eine juristische Beratung, da sich die dargestellten Grundsätze nicht bzw. nicht vollständig auf andere Güterstände übertragen lassen. Wollen Sie mehr zu den einzelnen Güterständen wissen, empfehlen wir Ihnen unseren Ratgeber Trennung, Scheidung, Scheidungsfolgen, den Sie über unsere Kanzlei beziehen können. Zugewinngemeinschaft Wenn Sie ohne einen notariellen Ehevertrag geheiratet und einen solchen auch später nicht vor einem Notar errichtet haben, sind Sie automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Dies betrifft ca. 90 % der Ehen in Deutschland. Gütertrennung und Gütergemeinschaft können folglich nur dann vorliegen, wenn Sie einen notariellen Ehevertrag haben. Zugewinngemeinschaft bedeutet: Ihr Vermögen bleibt auch während der Ehe getrennt. Es kann jedoch im Falle der Scheidung ein sog. Zugewinnausgleichsanspruch entstehen, wenn ein Ehegatte während der Ehe mehr Vermögen erworben hat als der andere. In der Zugewinngemeinschaft wird die Erbquote Ihres Ehegatten pauschal um ein 1/4 erhöht, sog. erbrechtliche Lösung. Dies gilt unabhängig davon, wie viele Kinder Sie haben und ob tatsächlich ein Zugewinn im Sinne des Familienrechts erzielt wurde. 24

Bei der Zugewinngemeinschaft erbt Ihr Ehegatte auf Grund der pauschalen Erhöhung der Erbquoten folglich: neben Verwandten der ersten Ordnung: 1/2 neben Verwandten der zweiten Ordnung und neben Großeltern: 3/4 im Übrigen: den gesamten Nachlass Den Restnachlass erben Ihre Verwandten der ersten bzw. zweiten Ordnung oder Ihre Großeltern. Zur Verdeutlichung folgendes Schaubild: Damit es nicht zu einfach wird, hat es der Gesetzgeber nicht bei dieser Regelung belassen, sondern hat Ihrem Ehegatten ein Wahlrecht eingeräumt: 25

Teil 1 Ihr Ehegatte kann an Stelle der erbrechtlichen Lösung durch Ausschlagung der Erbschaft, d. h. Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht, die Erbschaft nicht annehmen zu wollen, die sog. güterrechtliche Lösung wählen und den Zugewinn ausgleich sowie den Pflichtteil verlangen. Vor Ausübung des Wahlrechts sollte Ihr Ehegatte juristischen Rat einholen, um überprüfen zu lassen, welche Lösung am vorteilhaftesten ist. Gütertrennung Haben Sie in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung vereinbart, bestimmt sich die Erbquote Ihres Ehegatten neben Ihren Verwandten der ersten Ordnung nach der Anzahl der Kinder: Haben Sie nur ein Kind, erben Ihr überlebender Ehegatte und Ihr Kind je 1/2, bei zwei Kindern erben alle 1/3. Ab drei Kindern bleibt es zu Gunsten Ihres Ehegatten bei einer Erb quote von 1/4, diese Grundquote wird nicht weiter abgeschmolzen. Neben Verwandten der zweiten Ordnung und neben Großeltern erbt Ihr Ehegatte 1/2 des Nachlasses, eine Erhöhung der Erbquote 26

findet bei Gütertrennung nicht statt. Ansonsten erbt Ihr Ehegatte den gesamten Nachlass. Wenn Sie die gesetzlichen Erbquoten Ihrer Verwandten berechnen, müssen Sie immer mit der Bestimmung der Erbquote Ihres Ehegatten anfangen. Der danach verbleibende Rest wird auf Ihre Verwandten nach obigen Grundsätzen verteilt. 27