390 Bodenfeuchte in Österreich hydrologische Simulation, Fernerkundung und in situ Messung Jürgen KOMMA, Stefan HASENAUER, Wolfgang WAGNER und Alexander EDER Die Bodenfeuchte spielt bei der Abflussentstehung in Einzugsgebieten eine wichtige Rolle, da sie sehr häufig der maßgebende Faktor für die Entstehung von oberflächlichem Abfluss ist. Die Berücksichtigung des Bodenwassergehalts ist somit ein entscheidender Bestandteil in der Modellierung hydrologischer Prozesse für Bilanzierungsaufgaben, Bewirtschaftungspläne und Hochwasservorhersagen. Am häufigsten kommen in diesem Zusammenhang kontinuierliche Niederschlag-Abflussmodelle zum Einsatz, die die Komponenten des Wasserhaushaltes eines Einzugsgebietes als Funktion der Bodenfeuchte behandeln. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegt auf der Beurteilung des Potenzials der satellitenbasierten Messung von Bodenfeuchtemustern als zusätzliche Informationsquelle bei der Identifikation einer realistischen Modellstruktur und geeigneter Parameter. 1 Daten und Methoden In dieser Arbeit werden Bodefeuchte-Daten aus drei unterschiedlichen Quellen miteinander verglichen. Bei der ersten Methode handelt sich um die direkte Messung der Bodenfeuchte durch in den Boden eingebrachte Sonden. Bei der in situ Messung der Bodenfeuchte ist heute das Time-Domain-Reflectometry-Verfahren (TDR) weitverbreitet. Dabei werden Stäbe (wave guides) in den Boden eingebracht und eine Laufzeitmessung von elektromagnetischen Wellen mittels Sensoren im Bodenkörper durchgeführt. Daraus wird auf die Bodenfeuchtigkeit geschlossen. Da die in situ Messwerte immer nur eine Punktaufnahme im Raum darstellen und die Bodenfeuchte generell eine sehr ausgeprägte räumliche Variabilität aufweist (Western et al. 2002), ist der Rückschluss von der Punktmessung auf das weitere Umfeld der Messstelle schwierig. Um Aussagen über räumliche Muster der Bodenfeuchte treffen zu können, ist eine Verdichtung des Messnetzes notwendig. Dies ist aber mit großem Aufwand verbunden und somit nur für kleine experimentelle Testgebiete möglich. Die zweite Möglichkeit zur Bestimmung der Bodenfeuchte ist die Verwendung von Methoden der Fernerkundung. Fernerkundungsgestützte Aufnahmesysteme lassen sich grundsätzlich in bodengestützte, luftgestützte und satellitengestützte Systeme unterteilen. In dieser Arbeit werden ausschließlich Bodenfeuchtemuster von satellitengestützten aktiven Mikrowellensysteme verwendet. Aktive Sensoren senden elektromagnetische Pulse aus und messen die von der Erdoberfläche reflektierte Strahlung. Der große Vorteil der satellitengestützten Bodenfeuchtedaten ist die globale Verfügbarkeit der Messwerte. Die Nachteile liegen in der groben räumlichen Auflösung, mehrere Kilometer, und den geringen Eindringtiefen, wenige Zentimeter, der Sensoren. Die Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) betreibt das Advanced Scatterometer (ASCAT), Strobl, J., Blaschke, T. & Griesebner, G. (Hrsg.) (2012): Angewandte Geoinformatik 2012. Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-520-1.
Bodenfeuchte in Österreich 391 dessen Bodenfeuchtemuster mit einer räumlichen Auflösung von ca. 25 km und und ca. täglicher Wiederholungsfrequenz seit 2007 zur Verfügung stehen. Die dritte Methode für die Abschätzung der Bodenfeuchte ist die Simulation mittels eines hydrologischen Modells. In dieser Arbeit wird ein bestehendes konzeptuelles, hydrologisches Modell zur Berechnung der Bodenfeuchtemuster herangezogen. Basierend auf der Struktur des hydrologischen Modells für die Hochwasservorhersage im Kamptal (Blöschl et al. 2008; Reszler et al. 2008) wurde an der TU Wien ein Zwei-Schicht-Modell zur Simulation der Bodenfeuchtedynamik in der obersten Bodenschicht entwickelt. Bei der ursprünglichen Modellversion handelt es sich um ein konzeptionelles, flächendetailliertes Niederschlags-Abfluss-Modell. Die räumliche und zeitliche Diskretisierung des Modells beträgt 1 1 km und 15 Minuten. Die Modellparameter sind unterschiedlichen Hydrotopen (Bereiche mit ähnlichen hydrologischen Eigenschaften) zugeordnet und wurden in einem fünfstufigen Prozess unter Zuhilfenahme unterschiedlicher Informationsquellen identifiziert (Reszler et al. 2008). Da bei dieser ursprünglichen Modellversion der Bodenfeuchtehaushalt nur für die gesamte Wurzelzone erfolgt, wurde das Modell um einen zusätzlichen Bodenspeicher zur Berücksichtigung der obersten Bodenschicht erweitert. Bei der Parametrisierung des Zweischicht-Modells wird auf die realistische Simulation der zeitlichen Bodenfeuchtedynamik in der obersten Schichte geachtet. Als Anhaltspunkt dienen hierfür die Bodenfeuchtemessungen in unterschiedlichen Tiefen von verschiedenen in situ Messstellen. Die räumliche Lage der in situ Messstellen, der Einzugsgebietsgrenzen für die hydrologische Modellierung sowie der ASCAT Bodenfeuchte Stützstellen ist in Abbildung 1 dargestellt. Der Auswertungszeitraum für die vergleichenden Analysen beginnt mit Jänner 2007 und endet mit Oktober 2010. Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebiets und der in situ Messstationen (rote Punkte) mit TDR-Sensoren in verschiedenen Tiefen. Die dicke und dünne rote Linie zeigt die Einzugsgebietsgrenze des gesamten Kampeinzugsgebiets (1550 km²) bzw. des Teileinzugsbebiets für den Pegel Zwettl (622 km²). Die schwarzen Kreuze markieren die Stützstellen des ASCAT-Bodenfeuchterasters.
392 J. Komma, S. Hasenauer, W. Wagner und A. Eder 2 Ergebnisse Von großem Interesse beim Vergleich der unterschiedlichen Methoden zur Beschreibung der Bodenfeuchte ist das Potenzial zur Beschreibung von räumlichen Bodenfeuchtemustern. Da bei der in situ Messung nur punktuelle Aussagen über die aktuelle Bodenfeuchte möglich sind, beschränkt sich der räumliche Vergleich auf die fernerkundeten ASCAT- Muster und die simulierten Bodenfeuchteverteilungen. Abbildung 2 zeigt den Vergleich von solchen Bodenfeuchtemustern für zwei unterschiedliche Zeitpunkte im Juni 2009. Die linke Seite von Abbildung zeigt die Bodenfeuchte im Kampgebiet nach einer trockenen Phase (kein Niederschlag innerhalb der letzten 12 Stunden siehe oberer Teil der Abbildung). Rechts sind die Bodenfeuchtemuster nach bzw. während eines Niederschlagsereignisses dargestellt. In beiden Fällen stimmen die räumlichen Feuchtigkeitsverteilungen der Modellsimulation und der ASCAT-Bodenfeuchte gut überein. Generell wird die Tendenz von feuchteren Verhältnissen in den höher gelegenen westlichen Gebietsteilen sowohl durch das hydrologische Modell, als auch von den fernerkundeten Daten angezeigt. Abb. 2: Oben: Vorregen der letzten 12 Stunden, Mitte: ASCAT Bodenfeuchte (oberste Bodenschicht), Unten: simulierte Bodenfeuchte (oberste Bodenschicht), Links: Zeitpunkt unmittelbar vor einem Ereignis (5-jährliches Hochwasser), Rechts: Zeitpunkt während des Ereignisses.
Bodenfeuchte in Österreich 393 Die saisonale Analyse der Bodenfeuchte aus der hydrologischen Simulation und der ASCAT Scatterometer-Bodenfeuchte ergibt deutliche unterschiede der Korrelationen für die Sommer und Wintermonate. Die unterschiede sind dabei für die kälteren Regionen am Kamp größer als bei den Bodenfeuchtemessstellen in Petzenkirchen und im Osten. Die Maskierung und Elimination von Messungen welche durch Schnee oder gefrorenen Boden beeinflusst sind, führt zu einer deutlichen Verbesserung der Korrelationen (R ~ 0.8). In dieser Arbeit wurde die Maskierung der ASCAT-Daten basierend auf Beobachtungen der Schneebedeckung, simulierten Schneehöhen und verschiednen Indizes der Lufttemperatur untersucht. Der Vergleich der ASCAT Bodenfeuchte mit in situ Messungen an drei unterschiedlichen Standorten zeigte, dass sich in diesem Fall etwas geringere Korrelationen (R ~ 0.4) als beim Vergleich mit der simulierten Bodenfeuchte ergeben. Dies ist vor allem auf die unterschiedliche zeitliche Dynamik in der obersten Bodenschichte (ASCAT) und in einer Tiefe von 10 cm (in situ Messung) zurückzuführen. Deutliche bessere Korrelationen (R ~ 0.7) können beim Vergleich der in situ Daten mit dem zeitlich gefilterten SWI-Wert (Wagner et al., 1999), welcher auf die Beschreibung der Bodenfeuchte in tieferen Bodenschichten abzielt, erreicht werden. Ähnliche Aussagen lassen sich auch für den Vergleich der in situ Messwerte mit der modellierten Bodenfeuchte treffen. Auch hier zeigte die Auswertung der simulierten und gemessenen Bodenfeuchte für den Zeitraum von 2007 bis 2010 geringere Korrelationen R (R ~ 0.5) als beim Vergleich von ASCAT-Bodenfeuchte und simulierter Bodenfeuchte. Auch in diesem Fall ergeben sich deutlich bessere Korrelationen (R ~ 0.8), wenn die in situ Messwerte mit der simulierten Bodenfeuchte in der Wurzelzone verglichen werden. 3 Schlussfolgerungen Im Rahmen der hydrologischen Modellierung stellen Bodenfeuchtedaten eine wertvolle Zusatzinformation dar. Die räumliche Bodenfeuchteinformationen können die Identifikation von realistischen Modellparametern erleichtern und die Gefahr von systematischen Fehleinschätzungen bei der Simulation des modellinternen Bodenfeuchtehaushalts reduzieren. Die realistische Wahl der Modellstruktur und Parameter stellt eine Voraussetzung für die zutreffende Beschreibung von Extremsituationen dar, die im Regelfall nicht im Eichdatensatz enthalten sind. Weiters kann die Verwendung von geeigneten Maskierungskriterien zu einer deutlichen Verbesserung der Datenqualität der ASCAT Bodenfeuchte führen. Damit werden operationelle Hochwasservorhersagen auf eine solide methodische Basis gestellt, und die Anwendbarkeit für außerordentliche hydrometeorologische Situation erhöht. Danksagung Die Studie wurde vom Austrian Space Application Programme (ASAP) durch die Projekte Global Monitoring of Soil Moisture for Water Hazards Assessment, GMSM I (Proj. No. 819748) und GMSM II (Proj. No. 828338) gefördert.
394 J. Komma, S. Hasenauer, W. Wagner und A. Eder Literatur BLÖSCHL, G., RESZLER, C. & KOMMA, J. (2008), A spatially distributed flash flood forecasting model. Environmental Modelling and Software, 23 (4), 464-478. RESZLER C, KOMMA J, BLÖSCHL G, GUTKNECHT D (2008) Dominante Prozesse und Ereignistypen zur Plausibilisierung flächendetaillierter Niederschlag-Abflussmodelle. In: Hydrologie und Wasserbewirtschaftung, 52 (3), 120-131. WAGNER, W., LEMOINE, G. & ROTT, H. (1999), A method for estimating soil moisture from ERS Scatterometer and soil data. In: Remote Sensing of Environment, 70 (2), 191-207. WESTERN, A. W., GRAYSON, R. B. & BLÖSCHL, G. (2002), Scaling of soil moisture: A hydrologic perspective. In: Annual Review of Earth and Planetary Sciences, 30, 149-180.