Fundamentales Image-Problem Die in Deutschland üblicherweise erreichte Bauqualität gilt als relativ hoch. Die Bauwirtschaft hingegen hat einen eher schlechten Ruf. Eine Studie der Bergischen Universität Wuppertal ging diesem merkwürdigen Widerspruch auf den Grund. Von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus und Dipl.-Ing. Berit Offergeld Die Baubranche wird in der Bevölkerung vor allem mit Qualitätsproblemen, Korruption und Schwarzarbeit in Verbindung gebracht. Dieser subjektive Eindruck fand seine Bestätigung in einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2007. Leider bestätigt die aktuelle Studie der Bergischen Universität Wuppertal diesen Eindruck. Dabei arbeitet die Studie zunächst heraus, welche besonderen Herausforderungen die Bauwirtschaft bewältigen muss. Im Unterschied zur sogenannten stationären Industrie, die Güter wie beispielsweise Automobile in Serie herstellt, entstehen im Bauprozess regelmäßig Informationsbrüche zwischen den Phasen der Planung, der Ausführung und der Nutzung: Diese Informationsbrüche sind maßgeblich dem Wechsel der jeweils handelnden Personen geschuldet. Außerdem stellt die Bauwirtschaft Unikate her. In der stationären Industrie wirkt sich die Serienfertigung unter anderem wegen der von ihr ermöglichten intensiven Nutzung von Lernprozessen positiv auf die Produktqualität aus. Diese Lernprozesse sind in der Bauwirtschaft nur bedingt möglich. Dies bedeutet, dass die Produktion hoher Qualität in der Baubranche sowohl durch systemimmanente Wechsel von handelnden Personen als auch durch die branchenspezifische ausschließliche Fertigung von Prototypen erschwert wird. Zudem unterscheidet sich die Bauqualität selbst von ihrer Wahrnehmung. Schon die genannte Allensbach-Studie zeigt, dass die Bevölkerung die technische Leistungsfähigkeit der Baubranche in konkreten Projekten des Hochbaus sowie des Verkehrswegebaus zwar grundsätzlich als hoch einschätzt. Allgemein werden der Branche aber kaum qualitativ hochwertige Leistungen zugetraut. Dagegen wiederum steht, dass die Mehrheit der damals von Allensbach Befragten persönlich noch keine schlechten Erfahrungen in Bezug auf die Bauqualität gemacht hat. Im Rahmen der Studie der Bergischen Universität Wuppertal wurden nun 66 private und 51 öffentliche Bauherren sowie 129 Unternehmen des Bauhandwerks und der Bauindustrie befragt. Die privaten Bauherren verbinden die Baubranche vor allem mit schlechter Qualität, Schwarzarbeit und Korruption. Damit werden die Ergebnisse der Allensbach-Umfrage auch hier bestätigt. Die Einschätzung der professionellen öffentlichen Bauherren ist allerdings im Vergleich dazu wesentlich weniger kritisch. Die öffentlichen Bauherren assoziieren die Baubranche mit hoher Qualität, renommierten Hochbauprojekten, allerdings auch mit Schwarzarbeit. Dieses weitgehend positive Bild lässt sich darauf zurückführen, dass die öffentlichen Bauherren vielfach vom Fach sind und somit eine realitätsnähere Einschätzung der erbrachten Leistungen der Bauunternehmen haben. 1
Abbildung 1: Assoziationen der Befragten mit der Baubranche Eine mögliche Ursache für das negative Bild der privaten Bauherren liegt vermutlich in den eingangs geschilderten Informationsbrüchen. In der Wahrnehmung der privaten Bauherren reduziert sich die Bauqualität aber auf die Qualität der Ausführung. Abhilfe schaffen kann hier nur eine gezielte Informationskampagne, um das Auge der Öffentlichkeit in dieser Hinsicht zu schärfen. Leistungsänderungen Die Umfrage zeigt auch, dass die privaten Bauherren der Auffassung sind, dass die von den Unternehmen zu erbringenden Leistungen von ihrer Seite kaum oder gar nicht verändert worden sind. Die Bauunternehmen hingegen vertreten die Ansicht, dass gerade die privaten Bauherren oftmals Änderungen der Leistungen vornehmen. 2
Abbildung 2: Wahrnehmung zu Leistungsänderungen An dieser Stelle wird deutlich, dass Unternehmen und private Bauherren nicht auf derselben Ebene kommunizieren. Es scheint so, als wäre dem privaten Bauherrn nicht klar, ob und wann er Änderungen an den Leistungen vornimmt. Aus diesem Grunde ist er sich möglicherweise auch nicht darüber bewusst, dass mit selbst veranlassten Leistungsänderungen Mehrkosten beziehungsweise Terminverschiebungen einhergehen können. Am Ende des Bauvorhabens stellt er dann womöglich verwundert fest, dass das Projekt zum einen teurer geworden ist und zum anderen später fertig gestellt wurde als ursprünglich geplant. Private Bauherren arbeiten bei ihren Bauvorhaben zudem häufig von vornherein an der Grenze ihrer finanziellen Kapazität. Das birgt weiteres Potenzial für Konflikte. Auch hier liegt die Lösung in einer angemessenen Betreuung. Der Bauherr muss darüber unterrichtet werden, welche Qualität er für den gebotenen Preis erhalten wird und dass Änderungen nicht in diesem Preis inbegriffen sind. Der Anbieter von Bauleistungen muss transparent machen, welche Konsequenzen Änderungswünsche für den Geldbeutel des Kunden haben. Nur so lässt sich verhindern, dass der Kunde am Ende des Bauvorhabens das Gefühl bekommt, vom Unternehmen hintergangen worden zu sein. Aber wollen die Unternehmen überhaupt, dass die Bauherren über Änderungen der Leistungen genauer nachdenken? Denn solche Änderungen bedeuten im Allgemeinen einen höheren Umsatz für das jeweilige Unternehmen. Für eine Verbesserung der Kommunikation spricht auf jeden Fall das daraus entstehende Vertrauen zwischen Bauherrn und Bauunternehmer, das Letzterem möglicherweise neue Aufträge sichern kann. Kommunikation und Kundenfreundlichkeit Gerade die privaten Bauherren verbinden die Baubranche mit schlechter Kommunikation. Umgekehrt sind die Unternehmen der Ansicht, dass die Kenntnisse sowohl der privaten als auch der öffentlichen Bauherren in der Regel nicht ausreichend sind. Offensichtlich besteht 3
ein Unterschied zwischen dem Kenntnisstand, den ein Unternehmen voraussetzt, und dem, den ein Bauherr als notwendig erachtet. Allerdings kann von einem fachfremden Bauherrn nicht erwartet werden, dass er weitreichende Vorkenntnisse mitbringt. Kurzum: Der Erfolg eines Bauvorhabens darf deshalb in keiner Korrelation zum Fachwissen des Bauherrn stehen. Die Unternehmen müssen daher die verschiedenen Bauprozesse so vorbereiten und gestalten, dass sie auch mit tendenziell sachunkundigen Bauherren erfolgreich zusammenarbeiten können. Deshalb müssen die Führungskräfte der Unternehmer diese unterschiedlichen Perspektiven bewusst machen. Sodann müssen sie dafür Sorge tragen, dass Missverständnisse und die daraus resultierende Unzufriedenheit möglichst selten vorkommen. Dies geschieht am besten dadurch, dass die Vorstellungen und Planungen möglichst detailliert beschrieben und vereinbart werden. Die Qualitätsmerkmale und Qualitätsdefinitionen müssen von Beginn des Bauvorhabens an genau diskutiert und definiert werden. Hilfreich für Bauunternehmen kann hier auch der Check Bauen sein, der nationale Qualitätsstandard für Bauherren zum wirtschaftlichen und qualitätsbewussten Bauen der Initiative Neue Qualität des Bauens (INQA-Bauen). In diesem Standard wird für Bauherren beschrieben, warum das detaillierte Abstimmen der Vorstellungen und die kontinuierliche Kommunikation Voraussetzung für Qualität und Wirtschaftlichkeit der Bauausführung sind. Unterstützung der Bauherren Das vor allem bei den fachfremden privaten Bauherren eingetrübte Vertrauensverhältnis kann durch die fachliche Begleitung und Beratung eines den Bauprozess Architekten oder andere Sachverständige verbessert werden. Verbesserungsansätze sehen die Bauherren selbst vor allem in einer verbesserten Planung und vermehrten Kontrollen, dem erhöhten Einsatz von qualifizierten Arbeitskräften sowie einer besseren Kommunikation zwischen den einzelnen Parteien. Der Bauherr hat ohnehin in seiner Bauherrenfunktion nicht nur das Recht, sondern auch die Verpflichtung, die Leistungen der Architekten, Fachplaner und Unternehmen zu überprüfen. Oftmals kann er die komplexen Anforderungen an ein Bauwerk fachlich gar nicht überschauen. Eine professionelle Unterstützung ist in diesem Fall ratsam. Diese Unterstützung können je nach Art und Umfang der Beauftragung prinzipiell Architekten, Fachplaner sowie der Unternehmen aus Bauhandwerk, Baugewerbe und Bauindustrie gewährleisten. Aus- und Weiterbildung Innerhalb der Umfrage sind die Bauunternehmen zum Ausbildungsniveau der Fachkräfte in der Baubranche befragt worden. 44 Prozent der Befragten geben an, dass die Fachkräfte zwar ausgebildet sind, aber nicht ausreichend gut. Ein Viertel der Befragten ist der Meinung, dass zu wenige Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sind. Dies weist auch auf ein Nachwuchsproblem hin: Das Image der Arbeit am Bau und der Ausbildung in sämtlichen baulichen Berufen verbessert werden. 4
Abbildung 3: Wahrnehmung des Ausbildungsniveaus durch die befragten Bauunternehmen (n = 129) Neben der Gewinnung neuer qualifizierter Mitarbeiter ist die Bindung und Förderung der eigenen Beschäftigten ein wichtiger Punkt, um den Anforderungen nach Kundenzufriedenheit und Bauqualität gerecht werden zu können. Letztlich gilt gleiches für die zielgenaue Auswahl und den kooperativen Umgang mit Nachunternehmern, da auch diese, wie die eigenen Mitarbeiter, den Erfolg und das Image des eigenen Unternehmens signifikant mit beeinflussen. Mit einer Geiz-ist-geil -Haltung schaden sich Unternehmen der Bauwirtschaft an dieser Stelle selbst. Ergebnisse Generell scheint unter den am Bau Beteiligten eine Verzerrung der Wahrnehmung vorzuliegen; gerade die Wahrnehmungen der privaten Bauherren und der Bauunternehmen erweisen sich innerhalb der Umfrage oftmals als völlig verschieden. Die Auftragnehmer schätzen die von ihnen erbrachte Beratung und Leistung oft positiver ein, als es vor allem die privaten Bauherren tun. Es muss demnach von Seiten der Unternehmen an ihrer Kundenfreundlichkeit und Beratung gearbeitet werden. Die wesentlichen Ergebnisse dieser Studie lassen sich abschließend in drei Thesen zusammenfassen: 1. These Das Bauprodukt an sich, das heißt Wohn- und Bürohäuser, Hotels und Shoppingcenter, Schwimmbäder und Fußballstadien, aber auch alle Infrastrukturprojekte, werden in der Bevölkerung im Allgemeinen positiv wahrgenommen. Diametral dazu steht die Wahrnehmung der Baubranche durch die Bevölkerung. Die Wahrnehmung des Produktes und die Wahrnehmung des dazugehörigen Herstellers scheinen vollständig voneinander entkoppelt. Diese Feststellung offenbart das fundamentale Imageproblem der Baubranche, dem es kurz- und mittelfristig mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen gilt. 5
2. These Die Bauqualität setzt sich zusammen aus der Qualität der Planung, der Qualität der Ausführung und der Qualität der Nutzung. In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Bauqualität jedoch reduziert auf die Qualität der Ausführung, wie mit der Umfrage bei privaten Bauherren nachgewiesen werden konnte. 3. These Die besonderen Randbedingungen der Bauproduktion in Verbindung mit den bauspezifischen Informationsbrüchen zwischen den Phasen der Planung, der Ausführung und der Nutzung sorgen dafür, dass die spezielle und regelmäßige Fertigung von Unikaten besonders schwierigen Randbedingungen unterworfen ist. Es gilt aber auch festzustellen, dass auch die stationäre Industrie immer dann, wenn es um die Fertigung von Unikaten geht, in vergleichbare Schwierigkeiten hinsichtlich der Sicherung von Kosten, Terminen und Qualitäten gerät. Die Produktion des Airbus A 380 oder die Entwicklung des Mautsystems für Autobahnen sind dafür Beispiele. Ausblick Die Unternehmen der Bauwirtschaft müssen die qualitativ einwandfreie Leistungserbringung zum vorrangigen Unternehmensziel machen, um die gehegten und teilweise berechtigten Vorurteile gegen die Baubrache durch faktisch mängelfreie Leistungen zu entkräften. Darüber hinaus müssen auch die Soft skills stimmen. Der baufachliche Laie beurteilt die erbrachten Leistungen nicht ausschließlich nach Abnahmeprotokollen und Dichtigkeitsprüfungen. Deshalb ist die subjektiv empfundene Servicequalität ausschlaggebend für die Nachhaltigkeit des Eindrucks. Die Bauwirtschaft muss deshalb ihre Beratungskompetenz und ihr Kommunikationsverhalten verbessern, um die Prozesse für einen laienhaften Kunden verständlich zu machen, so dass der Kunde einen positiven Eindruck vom Unternehmen und damit vom Bauvorhaben bekommt. Viele Mängel auf der Baustelle resultieren aus der in der Baubranche stark verbreiteten Schwarzarbeit und Korruption. Unternehmen sollten diese Probleme deshalb gemeinsam mit den Gewerkschaften und dem Gesetzgeber angehen. Dies würde sowohl die bauliche Qualität als auch das Image der Bauwirtschaft verbessern helfen. Die Studie Bauqualität und Wahrnehmung von Bauqualität wird durch INQA Bauen veröffentlicht. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus Dipl.-Ing. Berit Offergeld 6
helmus@uni-wuppertal.de Herr Prof. Helmus studierte Bauingenieurwesen in Dortmund und Stuttgart, Vertiefung im konstruktiven Ingenieurbau. Erfahrungen in der Bauleitung sowie in der Geschäftsführung mittelständischer Unternehmen. Berufsbegleitende Promotion an der TU Darmstadt. Herr Prof. Helmus leitet seit 1992 das LuF Baubetrieb und Bauwirtschaft der Bergischen Universität Wuppertal. offergeld@uni-wuppertal.de Frau Offergeld studierte Bauingenieurwesen an der RWTH Aachen, Vertiefung Baubetrieb / Massivbau. 5 Jahre Erfahrung im Projektmanagement. Seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am LuF Baubetrieb und Bauwirtschaft der Bergischen Universität Wuppertal. [KASTEN) Online-Informationen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach Im Rahmen der Studie Leitbild Bau (herausgegeben durch die Verbände der Wertschöpfungskette Bau im Auftrag des BMVBS, aus 03/2009) wurde durch das Institut für Demoskopie Allensbach eine Studie zum Image der deutschen Bauwirtschaft erstellt (Köcher, Renate: Das Image der deutschen Bauwirtschaft, Institut für Demoskopie, Allensbach, 2007). http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/27546/publicationfile/10477/dasimage-der-deutschen-bauwirtschaft.pdf www.inqa-bauen.de www.check-bauen.de 7