Intoxikation. Bildungszentrum Schule für Anästhesie-, Intensiv-, Notfall- und Operationspflege. UniversitätsSpital Zürich



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Transkript:

UniversitätsSpital Zürich u Bildungszentrum Schule für Anästhesie-, Intensiv-, Notfall- und Operationspflege Intoxikation Lehrbeauftragter: Prof. Dr. Hugo Kupferschmidt Grundmodul 2 2008

Akute Intoxikationen Einführungskurs für die Intensiv-, Anästhesie-, Operation- und Notfallpflege Dozent: Dr. med. Hugo Kupferschmidt Direktor Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum Zürich Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 1

Was ist eine Vergiftung? Philippus Theophrastus Bombastus von Hohenheim PARACELSUS 1493-1541 "Was ist das nit Gifft ist, alle Ding sind Gifft und nichts ohn Gifft. Allein die Dosis macht das ein Ding kein Gifft ist." Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 2

Akute Intoxikationen Übersicht Epidemiologie Diagnostik Vergiftungssymptome Vergiftungssyndrome Therapie allgemeine Prinzipien spezielle Vergiftungsbilder Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 3

Epidemiologie Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 4

Anrufe beim Tox 32 000 Anrufe pro Jahr (90 pro Tag) 60% von Laien 40% von Aerzten Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 5

Anrufe beim Tox 100 95 90 85 80 75 70 65 32 000 Anrufe pro Jahr (90 pro Tag) 7 6 5 4 3 2 1 60 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1011121314151617181920212223242526 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 6

Akute Vergiftungen Herkunft der Anrufe Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 7

STIZ Jahresbericht 1998-2003 Anrufstatistik Anrufe pro Jahr total n = 31 235 25'000 6-Jahresdurchschnitt (pro Jahr im Durchschnitt) 20'000 19'618 15'000 10'000 5'000 6'383 5'294 0 theoretische Anfragen harmlose Fälle potenzielle Gefährdung Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 8

STIZ Jahresbericht 1998-2003 Anrufstatistik Alter der Patienten Kinder 52% Erwachsene 48% n= 143 220 Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 9

STIZ Jahresbericht 1998-2003 Schweregrad Erwachsene Kinder schwer 9% tödlich 0% asympt. 13% mittel 8% schwer 2% tödlich 0% mittel 19% asympt. 48% leicht 42% leicht 59% in der CH: jährlich 400-700 Vergiftungstodesfälle n= 17 422 (Eidg. BA für Statistik) n= 6 565 Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 10

Akute Vergiftungen - das STIZ Noxen Schweiz. Toxikologischen Informationszentrums Statistik 2001 Anrufe Medikamente 9286 37% Haushaltprodukte 5766 23% Pflanzen 2506 10% techn./gewerbl. Stoffe 1894 8% Körperpflege 1103 4% Nahrungsmittel, Getränke 906 4% Genussmittel und Drogen 957 4% Landwirtschaft, Gartenbau 862 4% Pilze 346 1.4% Tiere 450 1.8% andere 774 3% Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 11

Diagnostik und Therapie akuter Vergiftungen Noxen und Schweregrad Schweiz. Toxikologischen Informationszentrums Statistik 1998-2000 asymptomatisch leicht mittelschwer schwer tödlich Medikamente Haushaltprodukte gewerbl. Stoffe Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 12

Akute Vergiftungen - Erste Hilfe Schweregrad Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 13

Akute Vergiftungen - Erste Hilfe Tox-Zentrum Anruf beim Tox-Zentrum 145 (früher 01-251 51 51) fachliche Beratung in Notfällen Tag und Nacht Risikobeurteilung Therapie-Empfehlung Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 14

Akute Vergiftungen - das STIZ Das "Tox" Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 15

Diagnostik Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 16

Diagnostik und Therapie akuter Vergiftungen Akute Vergiftungen ABKLÄRUNG Anamnese Status Labor apparative Wer Was Wie Wann Wieviel Was sonst Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 17

verräterische Gerüche Azeton Aromatisch Alkohol Ammoniak Bittermandeln Javel Karotten Desinfektion Formaldehyd Heu (frisches) Knoblauch Mottenkugeln Birnen faule Eier Schuhwichse Essig Chloralhydrat, isopropanol, metabol. Azidose. Ethchlorvynol, Toluol, aromat. Kohlenwsserstoffe. Ethanol. Ammoniak, Urämie. Zyanid, zyanogene Pflanzen (Cave!). Natriumhypochlorit. Cicutoxin (Wasserschierling). Phenol, Kreosot. Formaldehyd, Methanol. Phosgen. Arsen, DMSO, Malathion, Parathion, gelber Phosphor, Selen, Tellur, Zinkphosphid. Kampfer, Naphthalin, Paradichlorbenzol. Chloralhydrat, Paraldehyd. Disulfiram, H 2 S, Mercaptane, NAC, Leberversagen. Nitrobenzol. Essigsäure. Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 18

Diagnostik und Therapie akuter Vergiftungen Akute Vergiftungen ABKLÄRUNG Anamnese Status Labor apparative Wer Vitalzeichen Was Neurologie Wie Vegetativum Wann Wieviel Was sonst Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 19

Vergiftungssymptome ZNS-Depression Verwirrung - Psychose ZNS-Erregung (Exzitation), Agitation epileptische Krämpfe vegetative Symptome gastrointestinale Symptome respiratorische Symptome Kreislaufsymptome EKG Veränderungen metabolische Störungen Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 20

Vergiftungssymptome Stoffwechsel Hypoglykämie metabol. Azidose (Alkalose) Hyponatriämie und andere Elektrolytstörungen Nierenfunktionsstörungen Leberschäden und - funktionsstörungen Rhabdomyolyse Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 21

Vergiftungssyndrome «Toxidrome» anticholinerges Syndrom cholinerges Syndrom Opioid-Syndrom Sympathomimetika-Syndrom extrapyramidales Syndrom Alkohol-Syndrom Zellgift-Syndrom malignes Neuroleptika Syndrom Serotonin-Syndrom Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 22

Tox-Zentrum Anruf beim Tox-Zentrum 145 fachliche Beratung in Notfällen Tag und Nacht durch Ärzte, Apotheker, Pflegefachpersonen Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 23

Diagnostik und Therapie akuter Vergiftungen Akute Vergiftungen ABKLÄRUNG Anamnese Status Labor apparative Wer Was Wie Wann Wieviel Was sonst Vitalzeichen Neurologie Vegetativum Blutzucker Elektrolyte Osmolarität ABGA Kreatinin Enzyme Quick Spiegel Screening Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 24

Diagnostik und Therapie akuter Vergiftungen Akute Vergiftungen ABKLÄRUNG Anamnese Status Labor apparative Wer Was Wie Wann Wieviel Was sonst Vitalzeichen Neurologie Vegetativum Blutzucker Elektrolyte Osmolarität ABGA Kreatinin Enzyme Quick Spiegel Screening Paracetamol Alkohole Salizylate Theophyllin Digoxin Lithium Barbiturate CO, CN Drogen Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 25

Diagnostik und Therapie akuter Vergiftungen Akute Vergiftungen ABKLÄRUNG Anamnese Status Labor apparative Wer Was Wie Wann Wieviel Was sonst Vitalzeichen Neurologie Vegetativum Blutzucker Elektrolyte Osmolarität ABGA Kreatinin Enzyme Quick Spiegel Screening Amphetamine Barbiturate Benzodiazepine Cannabis Kokain Opiate Methadon Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 26

Diagnostik Indikationen für Intensivpflege? (IPS oder Notfall) Koma schwere Kreislaufstörungen schwere Atemstörungen schwere metabolische Störungen hohes Risiko für schwere Komplikationen Suizidalität Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 27

Therapie Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 28

Therapie Sicherstellen der Vitalfunktionen allgemeine Prinzipien Hemmung der Resorption 1 Dekontamination Beschleunigung der Elimination 2 Dekontamination spezifische (antidotale) Therapie Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 29

Therapie Vitalfunktionen Atmung Achtung: Vergiftungspatienten neigen zu Erbrechen und Aspiration! Kreislauf Volumen, Katecholamine, Bikarbonat, Pacemaker. daher: Primärversorgung: Lagerung, Sauerstoff, i.v.-zugang; ev. Intubation. Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 30

Prehospital Care Vitalfunktionen! Aspiration Lagerung, Intubation Hypovolämie Volumen (Infusion) Rhythmusstörungen Herzmonitor Krampfanfall Benzodiazepine Agitation Benzodiazepine ZNS-Depression primär keine Massnahmen (nicht antagonisieren) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 31

Therapie Emesis (Ipecac) (ist verlassen) Magenspülung (bei gefährlichen Vergiftungen innerhalb der 1. Stunde nach Einnahme) 1 Dekontamination (gastrointestinale) Aktivkohle (1 Dosis) 60-100g bzw. 1-2 g/kg (bei allen potentiell gefährlichen Vergiftungen innerhalb der ersten 1-2 Stunden nach Einnahme) Ganzdarmspülung (Vergiftungen mit Metallen, Retardpräparaten) kutane Dekontamination Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 32

Therapie Aktivkohle (wiederholt) 30-50g bzw. 0.5-1 g/kg, 2-4 stdl. alkalische Diurese (mit NaHCO 3 ) (keine forcierte Diurese!) 2 Dekontamination Hämodialyse wirksam bei wasserlöslichen Stoffen mit tiefem Verteilungsvolumen (<1 L/kg), kleinem Molekulargewicht, geringer Plasmaeiweissbindung Hämoperfusion wie HD, aber bei Stoffen mit höherer Plasmaeiweissbindung, die an Aktivkohle binden Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 33

Therapie spezifische Therapie Schweiz. Antidotliste (siehe <http://www.toxi.ch>) Antidote N-Acetylcystein Natriumbikarbonat Glukagon Ethanol Physostigmin Atropin und viele andere Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 34

Therapie Zyanid Amylnitrit spezifische Notfallmassnahmen Methanol, Ethylenglykol Ethanol oder Fomepizol (4-MP) Kohlenmonoxid Sauerstoff 100% Flussäure Calciumglukonat (lokal und i.v.) Opiate (Benzodiazepine) Naloxon (Flumazenil) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 35

einzelne ausgewählte Vergiftungen Paracetamol Antidepressiva Pilze GHB Barbiturate Kohlenmonoxid Zyanide Pilze Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 36

Paracetamol (Acetaminophen) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 37

Vergiftung mit Paracetamol Mechanismus Glukuronidierung Paracetamol CYP2E1 CYP1A2/3A4 tox. Metabolit (NAPQI) Sulfatierung GSH Mercaptursäure kovalente Proteinbindung Nekrose Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 38

Paracetamol Verlauf tox. Dosis dreiphasig 1. Nausea, Erbrechen, Unwohlsein 2. symptomarmes Intervall 3. Lebernekrose oder -versagen 7.5 g bzw. 150 mg/kg (Ausnahme: Risikofaktoren) Risikofaktoren Lebererkrankungen Malnutrition Medikamente, die den Metabolismus induzieren chron. Alkoholismus Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 39

Paracetamolvergiftung: Das Matthew-Rumack-Nomogramm 1000 mg/l 300 hoch wahrscheinlich möglich für Risikopatienten µmol/l Umrechnung: 1 mg/l = 6.61 µmol/l 1 µmol/l = 0.151 mg/l 200 100 1320 660 Toxicity Line: 4h 12h 1323 µmol/l 331 µmol/l 4h 12h 200 mg/l 50 mg/l 10 0 4 8 12 16 20 24 Treatment Line: 25% tiefer Zeit seit der Einnahme (h) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 40

Paracetamol primäre Dekontamination nur in besonderen Fällen Therapie N-Acetylcystein (Fluimucil ): SH-Donator korrigiert die Glutathion-Depletion Dosis: initial 140 mg/kg i.v. oder p.o. Erhaltung 70 mg/kg i.v. oder p.o. 4-stdl. 12x (i.v.) oder 17x (p.o.) Abbruch der Therapie bei subtoxischem Spiegel Kind B. et al. Schweiz Rundsch Med Prax 1996, 85, 935-938 Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 41

Antirheumatika nichtsteroidale Antirheumatika NSAR Salizylate Mefenaminsäure Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 42

Salizylate Azetylsalizylsäure (Aspirin) Methylsalizylat Toxizität: ZNS, Stoffwechsel Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 43

Salizylate Verlauf leichte Symptome: Tinnitus, Nausea, Erbrechen, Hyperventilation, Lethargie tox. Dosis Therapie schwere Symptome: Koma, Konvulsionen, metabol. Azidose, El störung <150 mg/kg leichter Verlauf 300-500 mg/kg schwerer Verlauf Vitalfunktionen, Dekontamination mit Aktivkohle repetitiv, Alkalinisieren des Urins, ev. Hämodialyse, bei Krampfanfällen Benzodiazepine i.v. Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 44

Mefenaminsäure Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 45

Mefenaminsäure Verlauf leichte Symptome: Abdominalsymptome, Nierenfunktionsverminderung; tox. Dosis schwere Symptome: Koma, Konvulsionen, metabol. Azidose ab 3.5 g (schwere Symptome) Therapie Sicherstellen der Vitalfunktionen, bei Krampfanfällen Benzodiazepine i.v. Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 46

Antidepressiva (trizyklische) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 47

Antidepressiva (trizyklische) typische Vertreter Amitriptylin (Saroten, Tryptizol ) Imipramin (Tofranil ) Trimipramin (Surmontil ) Clomipramin (Anafranil ) Lofepramin (Gamonil ) Opipramol (Insidon ) Notriptylin (Notrilen ) Doxepin (Sinquan ) tetrazyklische Maprotilin (Ludiomil ) Mianserin (Tolvon ) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 48

Antidepressiva (trizyklische) Verlauf tox. Dosis Therapie anticholinerge Symptome ZNS-Depression ZNS-Exzitation (Agitation, Krampfanfälle) Kardiotoxizität (Hypotonie, kardiogener Schock, QRS- Verbreiterung, ventr. Tachykardie, QT-Verlängerung, Rechtsdrehung des terminalen 40ms-Vektors) 500-1000 mg (je nach Substanz) Sicherstellen der Vitalfunktionen, Korrektur der Elektrolyte bei Krampfanfällen Benzodiazepine i.v. beim Auftreten kardiotoxischer Symptome: NaBic 8.4% 50-100mL bolusweise i.v. (Ziel-pH 7.50-7.55). Kein Flumazenil, kein Physostigmin! Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 49

Pilzvergiftungen Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 50

Knollenblätterpilzvergiftung Amanita phalloides Knollenblätterpilz α-amanitin Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 51

Knollenblätterpilzvergiftung Klinik Phase I (5-24h) Phase II Phase III Phase IV keine Symptome Gastroenteritis symptomarmes Intervall Leberinsuffizienz, Coma hepaticum, Nierenversagen Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 52

Knollenblätterpilzvergiftung Therapie 1. Magenspülung (>1h), Aktivkohle 2. Aktivkohle repetitiv oder Duodenalsonde (mit Absaugen der Galle) Hohe Einläufe (2x/d), forc. Diurese (?) 3. Silibinin i.v. (20 mg/kg tgl., 3-5 Tage) Penicillin i.v. (1 Mio. IE/kg tgl., 3 Tage) 4. Lebertransplantation Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 53

Giftschlangen (einheimische und exotische) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 54

Giftschlangen (einheimische) Vipera aspis (Juraviper) Vipera berus (Kreuzotter) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 55

Giftschlangen Therapie 1. Ruhigstellen Hochlagern. 2. kein Abbinden, aussaugen, ausschneiden etc. 3. Antivenin in schweren Fällen ViperaTab, Viperfav (Antivenine für exotische Giftschlangen: ANTIVENIN-CH Netzwerk Schweiz. Antivenin-Depots; Tox fragen 145) 4. plastisch-chirurg. Konsilium Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 56

GHB (Gammahydroxybuttersäure) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 57

GHB GABA H 2 N-CH 2 -CH 2 -CH 2 -COOH Gamma Hydroxy Butyrat GHB OH-CH 2 -CH 2 -CH 2 -COOH Analog des inhibitorischen neurotransmitters GABA 1960 synthetisiert, in der Anästhesie verwendet ab 1990 verboten, in der Szene missbraucht (illegale Labors) Verbreitung via Internet in der Schweiz starke Zunahme seit 1998 Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 58

GHB Synonyme Strassennamen verwandte Substanzen GHB (Gammahydroxybutyrat) 4-Hydroxybutyrat, Natriumoxybat. Liquid X, Liquid E, Liquid XTC, Sodium oxybutyrate, Somatomax PM, Growth Hormone Booster, Cherry Meth, Easy Lay, G Caps, Gamma Hydrate, Georgia Home Boy, Grievous Bodily Harm, G- Riffick, Liquid Ecstasy, Natural Sleep-500, Organic Quaalude, Oxy-Sleep, Scoop, Fantasy, Soap, Salty Water, Vita G, Gamma OH, Somsanit. GBL (Gammbutyrolacton) Renewtrient, Blue Nitro, GH Revitalizer, Revivarant G, Blue Nitro Vitality, Gamma G, Remforce. 1,4-BD (1,4-Butandiol) Borametz, Biocopia PM, pine needle extract, Promusol, BVM. Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 59

GHB Symptome therapeutische Breite ist schmal! Nebenwirkungen Komplikationen Euphorie rauschartiger Zustand Sedation und Entspannung Dauer: 0.75-1.5 Stunden Koma Nausea, Erbrechen Bradykardie, Hypotension Muskelzuckungen Atemdepression Cave: Kombination mit Alkohol, Opiaten, etc. Suchtentwicklung Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 60

GHB Therapie Monitoring (Vigilanz, Kreislauf, Atmung) Sicherung der Atemwege (ev. Intubation) bei Krämpfen: Benzodiazepine kein Antidot verfügbar! Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 61

GHB: Legal - illegal? früher als Chemikalie: Giftklasse 2 Gesetz als Medikament: behördliche Registrierung seit 1.1.2002 Betäubungsmittelgesetz Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 62

Alkohole Ethanol Methanol Ethylenglykol Isopropanol Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 63

Alkohole Quellen Symptome Therapie Methanol: Ethylenglykol: Frostschutz techn. Lösungsmittel, Entwickler, Verdünner Trunkenheit, ZNS-Depression, metabolische Azidose, erhöhte Osmo- und Anionenlücke. Methanol: Neurotoxizität, Sehstörungen Ethylenglykol: Nephrotoxizität Antidot: Ethanol, Fomepizol Hämodialyse Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 64

Barbiturate Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 65

Barbiturate unterscheide: kurzwirksame mittellang wirksame lang wirksame (zb. Phenobarbital = Luminal ) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 66

Barbiturate Symptome ZNS-Depression Ataxie, Schwindel, Verwirrung, Nystagmus Atemdepression (!) art. Hypotonie, Schock Haut: Blasenbildung, Drucknekrosen Rhabdomyolyse Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 67

Barbiturate Abklärung Anamnese (Medikation? Packungen?) Drogenscreening (Urin) Plasmaspiegel (Plasma) Therapie supportiv (IPS) sekundäre Dekontamination (rep. Kohle, ev. Urin alkalinisieren) ev. Hämodialyse (nur bei Phenobarbital) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 68

Sedativa und Tranquilizer Benzodiazepine Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 69

Benzodiazepine Abklärung Anamnese (Medikation? Packungen?) Drogenscreening (Urin) Therapie supportiv (Monitoring) ausschlafen lassen Antidot (Flumazenil = Anexate ) nur in speziellen Situationen (cave Entzug!) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 70

Kohlenmonoxid (CO) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 71

Kohlenmonoxid Eigenschaften: farb- und geruchloses Gas Quellen: Toxizität: Kochgas, Verbrennungsprozesse Rauchgase, Abgase, schadhafte Heizungen Affinität zum Hämoglobin für CO 300x grösser als für O 2 Sauerstofftransport-Störung Gewebe-Hypoxie Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 72

Kohlenmonoxid Symptome: Therapie: Dyspnoe, Kopfschmerzen, koronares Syndrom, Muskelschwäche, Bewusstseinsstörung, Kreislaufkollaps, Atemstillstand. ev. Spätsyndrom Sauerstoff 100% (Maske) (reduziert HWZ des COHb von 5-6h auf 0.5-1h) bis Pat. asymptomatisch oder COHb < 15% hyperbarer Sauerstoff (HBO) Indikationen: COHb > 40% Koma neurologische Ausfälle Schwangerschaft und COHb >20% oder fötaler Distress Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 73

Zyanide und andere Gifte der Zellatmung (zb. Schwefelwasserstoff H 2 S) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 74

Zyanide Eigenschaften: Quellen: Toxizität: gasförmig (Blausäure, HCN) Salz (zb. Zyankali) Industrie (zb. galvanische Betriebe) Rauchgase, Nitrile, zyanogene Glykoside Affinität zu den Cytochromen der mitochondrialen Atmungskette. Zusammenbruch der zellulären Energiegewinnung Laktatazidose Zelltod Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 75

Zyanide Symptome: Kopfweh, Schwindel, Atemnot, Herzklopfen, Engegefühl, Erbrechen, Kratzen im Hals. Später Koma, Lungenödem, Kreislauf- und Atemversagen, Krampfanfälle, Tod. Therapie: primäre Dekontamination Sicherung der Vitalfunktionen, Sauerstoff Antidotale Therapie: Methämoglobinbildner (Amylnitrit, 4-DMAP, Na-Nitrit) Förderer des CN-Abbau (Natriumthiosulfat) Komplexbildner (Hydroxocobalamin) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 76

Korrosiva Säuren Laugen Oxidationsmittel Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 77

Verätzungen Säuren und Laugen Salzsäure, Schwefelsäure, Ameisensäure, Essigsäure; Kali-, Natronlauge, Ammoniak Oxidationsmittel Chlorgas, Ozon, Kaliumpermanganat, etc. Unterscheide: 1) korrosiver Effekt 2) Toxizität durch das Anion/Kation (v.a. bei Flusssäure!) Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 78

Flusssäure mehr Vergiftung als Verätzung Effekte kommen ev. verzögert! Gewebs-Nekrosen ev. ohne oberflächliche Läsion. Flussäure penetriert die Haut sehr gut. toxisch ist das Fluorid-Ion (F ) führt zur Kalzium-Ausfällung und damit zum Kalziummangel im Gewebe und systemisch. Folge: Gewebsnekrose, Gerinnungsstörung, Kammerflimmern. Therapie: Calcium-Zufuhr lokal: Kalziumglukonat-Hydrogel; Unterspritzungen; intraarterielle Infusionen. systemisch: aggressive Kalzium-Zufuhr. Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 79

Akute Intoxikationen weiterführende Lektüre Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 80

Akute Intoxikationen ENDE Schweiz. Toxikologisches Informationszentrum 81