Schmerztherapie in der Palliativmedizin Dr. med. Roland Kunz, Bezirksspital Affoltern a. Albis
Akutspital 73 Betten mit den Disziplinen: Innere Medizin Chirurgie Gynäkologie und Geburtshilfe Rettungsdienst Zentrum für Palliative Care (Eröffnung 2009) Total 234 Betten Psychiatrie Stützpunkt Haus Lindenberg 14 Plätze Akutpsychiatrie 6 Plätze Mutter-Kind-Abt. 6 Plätze Tagesheim (Mo-Fr) Haus Rigi Langzeitpflege Sonnenberg 128 Pflegeplätze stationär 17 Plätze Tagesheim Haus Pilatus Tagesheim Geriatrie
Übersicht 1. Grundsätzliche Vorbemerkungen 2. Schmerztherapie in der Praxis 3. Fragen
Symptome im letzten Lebensjahr Pain Loss of appetite Trouble breathing Constipation Cancer Vomiting Patient anxiety Family anxiety Other terminal illnesses Percentage with symptom 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 Prevalence of symptoms in the last year of life. Higginson I. Radcliffe Medical Press 1997
Total Pain / Total Symptom Körperlicher Schmerz Spiritueller Schmerz Totaler Schmerz Seelischer Schmerz Sozialer Schmerz Nichtsomatische Ursachen nehmen mit Nähe zum Tod zu
Grundsätze Schmerztherapie I Schmerzerfassung Schmerzanalyse Realistisches Ziel definieren Kausale Therapiemöglichkeiten prüfen (inkl. Radiotherapie, Chemotherapie) Nichtsomatische Schmerzkomponenten mitbehandeln!
Multimorbidität komplexe Schmerzerfassung Herausforderung Schmerzanalyse Krankheit A Krankheit B Krankheit C Sz-Typ A Sz-Typ B Sz-Typ C Lokalisation 1 2 3 Krankheit = Metastasen beim Krebspatienten
Aber: Terrorisieren Sie den Patienten nicht mit der Schmerzmessung!
Grundsätze Schmerztherapie II WHO-Konzept: By the mouth: geeignete Galenik (Tbl., Tropfen, Supp., Pflaster), wenn möglich nicht parenteral. Handling überprüfen! By the clock: prophylaktisch statt reaktiv, Dauertherapie statt auf Verlangen By the ladder: Stufenleiter zum Aufsteigen, nicht stehen bleiben
Die richtige Wahl
Leber Niere
Stufe II+III: opioide Analgetika Schwache Opiate: Tramadol: ~ 1/10 Morphinäquivalent Gute Titrierbarkeit (Trpf), Retardformen NW-Rate mit steigender Dosierung Wechsel des Opiates Codein: wird grösstenteils zu Morphin demethyliert durch P450 2D6 (Enzymmangel bei 10% der Bev.) Anwendung v.a. in Kombination mit Stufe I Dihydrocodein (Codicontin retardiert) 60mg ~ 15mg Morphin
starke Opiate Referenzsubstanz ist Morphin: μ-agonist. Gute Steuerbarkeit, langjährige Erfahrung, billig Individuelle Unterschiede durch unterschiedliche Receptoren-Verteilung individuelle Dosierung (alle Opiate) Verschlechterung von Nieren- und Leberfunktion berücksichtigen
Opiat Therapieeinleitung Start low go slow: Titration der Dosis: Morphin Trpf. 2% (1Trpf.=1mg) Beginn mit 5 Trpf. alle 4 Std (Alternativ mit MST 2x10mg beginnen) Je nach Verträglichkeit Dosen um 3-5 Trpf. steigern Titrieren der notwendigen Tages-Dosis Umrechnung auf retardiertes Morphin Letzte Dosis Trpf. mit erster Retarddosis
Morphin in ret. Galenik MST continus alle 12 Std: Tbl., Suspension, im Einzelfall rectal Nicht mörsern oder teilen Sevre-long alle 24 Std Kps. bei Bedarf öffnen Kapanol Kps alle 12 (-24) Std Kps. bei Bedarf öffnen
Reserve-Verordnung 1/6 bis 1/10 der Tagesdosis als kurzwirksames Morphin (Trpf. oder Sevredol) Wiederholung bei Bedarf nach 1 Std. Bei reg. Reserve-Bedarf: Tagesdosis um verabreichte mg erhöhen
Äquianalgetische Umrechnung Oral =1 s.c. / i.m. :2 i.v. :3
Opiatdosis toxisch (Atemdepression) Muskelkrämpfe Halluzinationen / Verwirrung Hyperalgesie / Allodynie Kognitive Einschränkungen Somnolenz Nierenfunktion, Hydratation Zieldosis Analgesie therapeutisches Fenster Obligate NW (Pruritus) (Harnverhalten) Übelkeit / Erbrechen Verstopfung Antihistaminica vorübergeh. Dosis Kath. Paspertin, Haldol (5 Tage) Laxantien (dauernd)
Opiat-Rotation Bei ungünstigem Verhältnis von Wirkung / Nebenwirkungen Ungenügende Analgesie inakzeptable NW Schnelle Toleranzentwicklung Äquivalenzdosen beachten Mit 20-30% kleinerer Dosis einsteigen
Alternative Opiate Hydromorphon (Palladon ret. 12 stdl.) μ-agonist Kapseln können geöffnet werden Palladon kurzwirsam zur Titrierung/Reserve 7:1 zu Morphin Oxycodon (Oxycontin 12 stdl.) μ- und κ-agonist. Oxynorm Trpf. zur Titrierung/Reserve 2:1 zu Morphin Methadon (NMDA-Antag.,HWZ!)
Alternative Opiate TTS (Pflaster): Buprenorphin (Transtec ) 35 μg/h ~ 70-80 mg Morphin/d 96 Std Wirkdauer Fentanyl (Durogesic und Generica) 12 μg/h ~ 40-50 mg Morphin/d 72 Std Wirkdauer Probleme bei TTS: TTS erlauben keine Titration (zerschneiden?) Hautatrophie / Kachexie: Resorption+Freisetzung? Alternative in stabilen Situationen Vorsicht Wärmeexposition (Coiffeur) Problematisch am Lebensende
Kombinationen Stufen 2 und 3 können sinnvoll mit Stufe 1 kombiniert werden Die Kombination von verschiedenen Opiaten macht keinen Sinn, Ausnahme Reserven (TTS: Reserve Mo-Trpf) Adjuvante Medikamente bei Bedarf Antidepressiva (Tricyclische, dual wirkende) Antikonvulsiva (Carbamazepin, Gabapentin, Pregabalin) Corticosteroide
Opiate bei Niereninsuffizienz Ausser Buprenorphin (fast ausschliesslich hepatisch metabolisiert) und Methadon (50% hepatisch) werden alle Opiate vorwiegend renal eliminiert Kritisch sind Opiate mit aktiven Metaboliten, welche kumulieren können, diese sollten bei einer GFR < 30ml vermieden werden
Ungeeignet bei Niereninsuffizienz: Morphin: mehrere aktive Metaboliten, welche kumulieren können Oxycodon: Der aktive Metabolit Oxymorphon (ca 5% der Oxycodon-Dosis) kann bei GFR < 30ml kumulieren Dosis muss angepasst werden. Datenlage noch unklar.
Geeignet auch bei Niereninsuffizienz: Hydromorphon (Palladon): Kaum aktive Metaboliten (sehr wenig Hydromorhon-3- Glucuronid). Kann deshalb auch bei GFR<30ml vorsichtig eingesetzt werden. Erste Alternative zu Morphin bei geriatrischen Patienten! Buprenorphin-TTS: hepatische Elimination Fentanyl: kaum aktive Metaboliten, aber verzögerte Elimination (Sedation)
Opiate bei terminalen Patienten Probleme Oft wechselnder Bedarf Opiate mit kurzer Wirkdauer, TTS zu statisch (und Resorption ev. eingeschränkt) Zunehmend eingeschränkte Nierenfunktion ZNS-NW! Hydrierung Schluckprobleme alternative Applikationswege: Rectale Verabreichung (Sevredol Supp, Methadon-Lösung) s/c-zugang: Butterfly infraclaviculär, wiederholte Injektionen oder besser Perfusor. Kein Vorteil von i/v-zugang, aber mehr Risiken.
Opiatresistenz Der Patient klagt über starke Schmerzen die Opiatdosis wird erhöht Schmerzen nehmen zu... Ursachen: vorwiegend neuropathische Schmerzen oder Hyperalgesie / Allodynie als zentrale NW bei hohen Opiatdosen Retter in der Not : Ketamin (NMDA-Antagonist) 0,5-2.0 mg/kg/tag s/c, kombiniert ev. mit Dormicum (wegen häufiger Halluzinationen unter Ketamin) Häufig kann anschliessend wieder mit tieferen Opiatdosen weiter behandelt werden
Schmerzmanagement ist ein interdisziplinärer Prozess: Pflegende, Aerzte, Physiotherapie,Psychologie, Seelsorge
Methadon μ-agonist und NMDA-Antagonist, geeignet v.a. bei neuropathischen Schmerzen Variable Halbwertszeit (13-72 Std) schwierige Dosistitrierung, nur unter stationären Bedingungen Beginn mit 2 x 2,5mg bis 5mg /d bei opiatnaiven, Äquivalenzdosis zu anderen Opiaten unklar. Erhaltungsdosis auf 2 bis 3 Gaben verteilen, bei häufigerer Verabreichung Kumulationsgefahr. Kann bis zu einer GFR von 10ml eingesetzt werden