Der Wunsch, recht zu behalten, ist beim Menschen viel intensiver ausgeprägt, als das Interesse, zu prüfen, ob man überhaupt Recht hat.



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Transkript:

Weisheit Der Wunsch, recht zu behalten, ist beim Menschen viel intensiver ausgeprägt, als das Interesse, zu prüfen, ob man überhaupt Recht hat. (Ekkard von Hirschhausen) 104 www.planb-bayreuth.de

Kapitel 8 RECHTSBEISTAND UND RECHTSBERATUNG 1. Freie Rechtsanwaltswahl Die Durchsetzung der Rechte von ALG-II-Empfängern darf nicht an den Kosten scheitern! Dies sieht auch der Gesetzgeber so und gewährt daher Unterstützung in Form von Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe. Grundsätzlich können Sie sich Ihren Rechtsanwalt selbst aussuchen. Es ist zu empfehlen, sich vorher zu informieren, welche Rechtsanwälte sich auf Sozialrecht und insbesondere auf das Thema Hartz-IV spezialisiert haben und/oder die Bezeichnung Fachanwalt für Sozialrecht führen. Adressen von Rechtsanwälten sind aus dem örtlichen Telefonbuch ersichtlich oder bei der Rechtsanwaltskammer Bamberg (www.rakba.de) zu erfragen. 2. Beratungshilfe Wer aus welchen Gründen auch immer (siehe dazu nähere Angaben weiter unten) sich veranlasst sieht, etwa gegen einen Bescheid Widerspruch oder gar Klage zu führen, sollte sich auf jeden Fall vorher beraten lassen. Eine solche Beratungshilfe decken bis zu einem gewissen Grad einige der Beratungsstellen der Sozialverbände ab. In vielen Fällen legt sich aber auch eine Rechtsberatung durch eine Anwalts- www.planb-bayreuth.de 105

kanzlei nahe. Dann haben ALG-II-Empfänger und Bürger mit geringem Einkommen für eine solche sog. außergerichtliche Beratung und Vertretung die Möglichkeit, einen Antrag auf Beratungshilfe zu stellen, wenn sie selbst nicht die erforderlichen Mittel haben einen Rechtsanwalt zu beauftragen oder auf andere Weise, wie z.b. über eine bestehende Rechtsschutzversicherung oder einen Sozialverband, Hilfe erhalten können. Hierzu müssen Sie ein Formular ausfüllen, innerhalb dessens sie Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angeben und mit entsprechenden Nachweisen, z.b. ALG-II- Bescheid, belegen. Das hierzu erforderliche Formular mit entsprechenden Ausfüllhinweisen erhalten Sie kostenlos auf der Rechtsantragsstelle Ihres Amtsgerichts oder können es sich z.b. von der Homepage der Kanzlei, mit der PLAN B eng zusammenarbeitet, herunterladen (www.kanzlei-franze.de/downloads). Das Amtsgericht prüft Ihren Antrag und bewilligt Ihnen, wenn alle notwendigen Voraussetzungen vorliegen, die Beratungshilfe, indem Ihnen ein Berechtigungsschein ausgehändigt wird. Diesen Berechtigungsschein legen Sie dem Rechtsanwalt Ihrer Wahl vor, der nach erfolgter Beratung und Vertretung die durch seine Tätigkeit angefallenen Kosten und Gebühren mit der Staatskasse abrechnet. An Ihren Rechtsanwalt müssen Sie maximal 10,- bezahlen. 3. Prozesskostenhilfe Konnte außergerichtlich keine Einigung mit der Gegenseite erfolgen und erging beispielsweise ein Widerspruchsbescheid, mit dem die von Ihnen geltend gemachten Ansprüche abgelehnt werden, dann ist die Erhebung einer Klage geboten, die mit Kosten verbunden ist. Die sog. Prozesskostenhilfe wird für solche Klageverfahren gewährt, wenn der Kläger einen Prozess führen muss, um seine Rechte durchzusetzen und die dafür erforderlichen Kosten nicht aufbringen kann und die beabsichtigte Klage nach Einschätzung des zuständigen Richters auch Aussicht auf Erfolg hat. Ein solcher Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe besteht aber nicht, wenn Sie eine Rechtsschutzversicherung 106 www.planb-bayreuth.de

haben, mit der Sie das Prozessrisiko versichert haben. Jedoch kann für die eventuell zu zahlende Selbstbeteiligung Prozesskostenhilfe beantragt werden. Eine Versagung der Prozesskostenhilfe kann auch erfolgen, wenn Ihre Eltern oder Ihr Ehegatte aufgrund von gesetzlichen Unterhaltspflichten die Kosten übernehmen müssen. Bitte beachten Sie, dass auch Wohlfahrtsverbände (z.b. VdK, Caritas) die Vertretung in sozialrechtlichen Angelegenheiten für ihre Mitglieder anbieten. Wenn Sie Mitglied in einem solchen Verband sind, wird Ihnen in der Regel die beantragte Prozesskostenhilfe durch das Gericht mit dem Argument versagt werden, dass Sie sich auch über Ihren Wohlfahrtsverband im Klageverfahren kostengünstig vertreten lassen hätten können und Ihnen daher der von Ihnen frei gewählte Rechtsanwalt nicht im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnet wird. Zur Beantragung der Gewährung von Prozesskostenhilfe müssen Sie eine Erklärung über Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausfüllen, die Sie kostenlos bei Gericht erhalten oder sich von der Homepage unter www.kanzlei-franze.de/downloads herunterladen können. Wichtig ist, dass Sie alle Angaben belegen, z.b. durch Vorlage Ihres letzten ALG-II-Bescheides und Ihrem Kontoauszug. Achten Sie auch darauf, dass Sie alle Angaben vollständig und wahrheitsgemäß abgeben, da bewusst unrichtige oder unvollständige Angaben eine Strafverfolgung nach sich ziehen können.

www.planb-bayreuth.de 107 Die Prozesskostenhilfebewilligung erfolgt durch einen entsprechenden Gerichtsbeschluss innerhalb dessen Ihnen auch der von Ihnen benannte Rechtsanwalt beigeordnet wird. Die Bewilligung bewirkt, dass Sie auf die Gerichtskosten und die Kosten Ihres Rechtsanwalts keine Zahlungen oder Teilzahlungen zu leisten haben. Teilzahlungen sind gegebenenfalls bis zu höchstens 48 Monatsraten zu bezahlen, deren Höhe entsprechend den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen festgelegt wird. Sollten sich Ihre Einkommensverhältnisse bis zum Ablauf von vier Jahren seit dem Prozessende wesentlich verbessern, dann kann die gewährte Prozesskostenhilfe auch nachträglich wieder von Ihnen zurückgefordert werden. Übersehen Sie bitte auch nicht, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit einem gewissen Risiko verbunden ist. Über die Prozesskostenhilfe werden grundsätzlich die Kosten der anwaltschaftlichen Vertretung der Gegenseite nicht gedeckt. Dies bedeutet, dass Sie der Gegenseite, falls Sie den Prozess verlieren, die Rechtsanwaltskosten selbst ersetzen müssen. Allerdings lässt sich das Jobcenter in der Regel nicht durch externe Rechtsanwälte vertreten, sondern vielmehr durch seine Mitarbeiter, so dass auch im Falle des Verlierens eines Verfahrens diese Kosten nicht von Ihnen zu erstatten sind. Beachten Sie bitte auch, dass bei Ihrem Rechtsanwalt auch schon Kosten für das Prozesskostenhilfeverfahren anfallen. Diese Rechtsanwaltskosten sowie die anfallenden Gerichtskosten müssen Sie im Falle der Ablehnung Ihres Prozesskostenhilfeantrages selbst tragen. Über dieses Kostenrisiko wird Sie Ihr Rechtsanwalt jedoch vor Beantragung der Prozesskostenhilfe entsprechend informieren und das Kostenrisiko für Sie berechnen. 4. Rechte von Hartz IV Empfängern Entscheidungen der für Sie zuständigen Behörde müssen Sie nicht hinnehmen, sondern können diese sowohl außerhalb des Gerichts im Rahmen eines sog. Widerspruchsverfahrens als auch im Rahmen eines Klageverfahrens überprüfen lassen. Folgende Möglichkeiten stehen Ihnen dabei zur Verfügung:

108 www.planb-bayreuth.de Widerspruch Wenn Sie von der für Sie zuständigen Behörde ein Schreiben erhalten, innerhalb dessen eine Entscheidung getroffen wurde, wie z.b. die Ablehnung Ihres Antrages, die Kürzung oder Bewilligung von Leistungen, etc., dann handelt es sich dabei um einen sog. Bescheid. Ein solcher Bescheid muss eine sog. Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, also eine Belehrung mittels derer Sie darüber informiert werden, wie und wo Sie gegen diese Entscheidung einen sog. Widerspruch einlegen können. Einen Widerspruch können Sie selbst schreiben oder bei der für Sie zuständigen Behörde persönlich zu Protokoll geben oder durch Ihren Rechtsanwalt einlegen lassen. Beachten Sie dabei die Widerspruchsfrist von 1 Monat! Diese Frist beginnt mit der Zustellung des Bescheides. Tipp: Heben Sie sich den Briefumschlag auf, in dem Ihnen der Bescheid zugeschickt wurde und auf dem das Zustelldatum erkennbar ist. Stellen Sie auch sicher, dass der Widerspruch fristgerecht innerhalb der 1-Monats-Frist bei der für Sie zuständigen Behörde eingegangen ist, da er ansonsten unwirksam ist. Unsicher ist dabei die Übersendung auf dem Postweg per Einschreiben, da sich die Zustellung verzögern kann. Empfehlenswerter ist die Übermittlung per Telefax oder die persönliche Abgabe in der Widerspruchsstelle der für Sie zuständigen Behörde, wo Sie sich das Abgabedatum auf einer Kopie des Widerspruchs quittieren lassen sollten. Sie müssen Ihren Widerspruch nicht begründen, sondern können diesen zunächst lediglich zur Fristwahrung ohne Begründung einreichen. Es ist jedoch empfehlenswert die Begründung kurzfristig nachzureichen, damit Ihre Argumente, die gegen die behördliche Entscheidung sprechen, überprüft werden können. Ohne Begründung überprüft die Behörde ihren bisherigen Bescheid lediglich noch einmal anhand ihrer bisherigen Unterlagen.

www.planb-bayreuth.de 109 Ihr Widerspruch muss folgende Angaben enthalten: Name, Anschrift Datum des angegriffenen Bescheides Ihre BG-Nummer (Kundennummer) und das Geschäftszeichen Aufgrund Ihres Widerspruches muss die Behörde den Bescheid, mit dem sie die von Ihnen gewünschte Leistung ablehnt, noch einmal überprüfen. Nach Abschluss der Überprüfung ergeht ein Widerspruchsbescheid, innerhalb dessen Ihnen mitgeteilt wird, ob der ursprüngliche Bescheid zu Ihren Gunsten abändert wird oder ob es bei dem bisherigen Bescheid verbleibt. Problematisch kann das Warten auf den Widerspruchsbescheid in den Fällen sein, in denen eine Leistung entzogen oder gekürzt wurde, da der von Ihnen eingelegte Widerspruch diese Entscheidung nicht stoppt, also keine sog. aufschiebende Wirkung entfaltet. In sehr dringenden Fällen, können Sie daher wie unten im Folgenden beschrieben einen Eilantrag beim Sozialgericht stellen, damit diese sog. aufschiebende Wirkung Ihres Widerspruchs wieder hergestellt wird. Alternativ können Sie im Eilverfahren auch einen Antrag auf einstweilige Anordnung der vorläufigen Auszahlung der verweigerten Leistungen stellen, damit Ihre Existenz in einer akuten Notlage gesichert werden kann.

110 www.planb-bayreuth.de Klage Hat Ihr Widerspruch nicht den gewünschten Erfolg gebracht, können Sie gegen den erlassenen Widerspruchsbescheid innerhalb 1 Monats nach dessen Zustellung selbst oder durch Ihren Rechtsanwalt Klage beim zuständigen Sozialgericht einreichen. Dies geschieht entweder durch einen entsprechenden Klageschriftsatz oder zu Protokoll in der Geschäftsstelle des Sozialgerichts. Klagen über Leistungen nach dem SGB II werden grundsätzlich vor den Sozialgerichten verhandelt. Eine Besonderheit liegt hierbei im sog. Amtsermittlungsgrundsatz. Dies bedeutet, dass das Sozialgericht den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Trotzdem müssen Sie den von Ihnen geltend gemachten Anspruch begründen, so dass das Sozialgericht Ihre Argumentation überprüfen kann. Auch sollten Sie den angefochtenen Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid in Kopie beifügen. Der sog. Beibringungsgrundsatz gilt für Sie nur, wenn Sie gegen eine Kürzung Ihrer SGB II-Leistungen klagen. Dann müssen Sie nachweisen, dass ein wichtiger Grund besteht, der einer Kürzung Ihrer Leistungen entgegensteht. Da Sie mit einer Klage unterschiedliche Ziele verfolgen können, gibt es auch unterschiedliche Klageverfahren: Bestätigt der Widerspruchsbescheid, dass Ihnen eine Leistung gekürzt oder verweigert wird, so

können Sie diese Entscheidung anfechten (sog. Anfechtungsklage). Wird mit dem Widerspruchsbescheid die Gewährung von Leistungen abgelehnt, so können Sie mit dem Ziel klagen, dass die Behörde zur Gewährung der Leistungen verpflichtet wird (sog. Verpflichtungsklage). Haben Sie einen Antrag auf die Gewährung von Leistungen gestellt und wurde dieser nicht innerhalb von 6 Monaten nach Antragsstellung verbeschieden oder wurde seitens der zuständigen Behörde 3 Monate nach Ihrer Widerspruchseinlegung noch immer kein Widerspruchsbescheid erlassen, so können Sie das Jobcenter wegen seiner Untätigkeit verklagen (sog. Untätigkeitsklage). www.planb-bayreuth.de 111 Möglichkeiten nach Fristversäumnis Nun kann es passieren, dass Sie die Frist zur Einlegung des Widerspruchs gegen den Bescheid oder zur Einreichung einer Klage gegen den Widerspruchsbescheid versäumt haben, weil Sie beispielsweise erst später durch einen Zeitungsartikel feststellen, dass Ihnen die zustehenden Leistungen nicht gewährt wurden. Für diesen Fall gibt der Gesetzgeber dem Hartz-IV-Empfänger auch nach Versäumen der Frist die Möglichkeit noch gegen den zu seinen Lasten unrichtig ergangenen Bescheid vorzugehen. In 44 Absatz 1 SGB X ist geregelt, dass der Hartz-IV- Empfänger einen Anspruch auf Korrektur einer unrichtigen Entscheidung hat. Es können danach bestandskräftige "Hartz-IV-Bescheide", also Bescheide, bei denen die Widerspruchsfrist schon abgelaufen ist, noch nachträglich überprüft werden. Damit haben Sie als ALG-II-Empfänger die Möglichkeit rechtswidrige, bestandskräftige Bescheide korrigieren zu lassen und damit eventuell Nachzahlungen zu erhalten! Um Ihre Rechte zu sichern, müssen Sie einen sog. Überprüfungsantrag stellen. Diesen Antrag können Sie

selbst schreiben oder bei der für Sie zuständigen Behörde persönlich zu Protokoll geben oder durch Ihren Rechtsanwalt einlegen lassen. Hieraufhin muss von der für Sie zuständigen Behörde ein sog. Überprüfungsbescheid erlassen werden. Falls dieser ablehnend ist, also mitgeteilt wird, dass der ursprüngliche Bescheid in Ordnung sei, dann muss hiergegen binnen eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Für die Durchführung des Überprüfungsverfahrens bzw. für das sich anschließende Widerspruchsverfahren können Sie anwaltliche Hilfe über die sog. Beratungshilfe in Anspruch nehmen. 112 www.planb-bayreuth.de Beispiele für häufig fehlerhafte Bescheide Natürlich sind Bescheide nicht generell fehlerhaft. Es hat sich aber in der Praxis gezeigt, dass in einigen Bereichen häufiger Fehler auftreten. Deshalb lohnt es sich, diese im Zweifel überprüfen zu lassen. 1Unvollständige Bewilligung von Unterkunfts- und Heizkosten Sie sollten alle Bescheide überprüfen lassen, in welchen: die Übernahme der Nachzahlung aus Betriebskostenabrechnungen abgelehnt, Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung leistungsmindernd angerechnet oder die Kosten der Unterkunft nicht in tatsächlicher Höhe übernommen wurden. 2Sanktionsbescheide Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II mittels eines sog. Sanktionsbescheides ist nur dann rechtmäßig, wenn ein Hilfebedürftiger zuvor eine ordnungsgemäße individuelle Belehrung über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung erhalten hat. Maßgeblich ist nicht, dass überhaupt eine Belehrung erfolgte, sondern wie diese erfolgte. Die Rechtsmäßigkeit dieser Belehrung und damit der Bescheid sollte überprüft werden!

3Anrechnung von Kindergeld bei den Eltern Oft wird das sog. übersteigende Kindergeld bei den Eltern angerechnet. Dabei erfolgte häufig eine fehlerhafte Bereinigung des Anrechnungsbetrages mit der Folge, dass bei den Eltern zu viel Kindergeld angerechnet wurde. Lassen Sie diese Bescheide überprüfen! 4Mietkaution / Genossenschaftsanteile Sind Sie während des Leistungsbezuges umgezogen und haben die Übernahme der Mietkaution/Genossenschaftsanteile für die neue Wohnung beantragt, welche versagt wurde, oder musste der bewilligte Darlehensbetrag ratenweise zurückgezahlt werden, ist dies möglicherweise www.planb-bayreuth.de 113 rechtswidrig. Lassen Sie alle Darlehens- und Ablehnungsbescheide für Mietkaution und Genossenschaftsanteile prüfen! 5Einmalige Sonderleistungen, z.b. Wohnungserstausstattung Regelmäßig werden Leistungen z.b. für die Wohnungserstausstattung nach Trennung vom Partner versagt. Die Versagung der Leistungen in einem solchen Fall ist oft rechtswidrig und eine Bewilligung nachträglich noch realisierbar. Lassen Sie alle Bescheide prüfen, mit welchen Anträge auf einmalige Sonderleistungen abgelehnt wurden! 6Bedarfsgemeinschaft ab Zusammenzug in eine Wohnung Die Behandlung als Bedarfsgemeinschaft ab dem Zusammenzug ohne weitere behördliche Ermittlungen ist im ersten Jahr des Zusammenlebens u.u. rechtswidrig. Sie sollten also Bescheide prüfen lassen, in welchen Sie sofort als Bedarfsgemeinschaft geführt wurden! 7Aufhebungs- und Erstattungsbescheide Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden wurden regelmäßig nur an eine Person adressiert und nur diese Person zur Rückzahlung der Leistung verpflichtet. Dies ist rechtswidrig.

Lassen Sie deshalb alle Bescheide überprüfen, mit welchen Leistungen zurückgefordert werden! Rechtsmittel gegen Urteile des Sozialgerichts Sind Sie mit einem Urteil des Sozialgerichts nicht einverstanden, so können Sie hiergegen Berufung ( 143 ff SGG) bei dem jeweils zuständigen Landessozialgericht einlegen. Das Landessozialgericht prüft in dem Berufungsverfahren den Rechtsstreit im gleichen Umfang wie das Sozialgericht und muss auch neu vorgebrachte Tatsachen berücksichtigen. Gegen Urteile der Landessozialgerichte kann man unter bestimmten Voraussetzungen Revision beim Bundessozialgericht einlegen. Einzelheiten erfahren Sie bei Ihrem Rechtsanwalt. 114 www.planb-bayreuth.de 6. Eilverfahren In Notsituationen, in denen Sie als Hartz-IV-Empfänger dringend auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen sind, besteht die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutz durch die Einleitung eines Eilverfahrens zu erhalten. Wie bereits oben ausgeführt, kommt ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren immer dann in Betracht, wenn die sog. aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs oder einer Klage wieder hergestellt oder angeordnet werden muss, damit der Widerspruch bzw. die Klage die Wirkung des angegriffenen Bescheides stoppt. In der Praxis häufiger sind jedoch die Fälle, in denen es um die Gewährung der beantragten bzw. abgelehnten Leistungen geht. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann erreicht werden, dass diese Leistungen vorläufig gewährt werden. Beachten Sie aber, dass ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren nicht eine Klage ersetzt! Sie müssen daher Ihre Klage neben dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren innerhalb der Klagefrist einreichen! Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entscheidet das Sozialgericht in der Regel ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, da die Angelegenheit sehr eilig ist.

Entspricht der Beschluss nicht Ihrem Antrag, so können Sie hiergegen innerhalb einer Monatsfrist nach Zugang des Beschlusses Beschwerde einlegen, falls der Streitwert des Verfahrens 750,- übersteigt. Möglich ist auch einen Antrag auf Abänderung des Beschlusses zu stellen, falls nachträglich Änderungen im Einkommen auftreten oder neue Informationen vorliegen. (Dorrit Franze) www.planb-bayreuth.de 115