Gert Hammer M.A. 4.3..2010 Stichworte und Fakten zu Integrationspolitik in Frankreich 1. Geschichte der Einwanderung in Frankreich - seit 18. Jhd. Industrialisierung Vertrag mit Italien 1904 Kriegsverluste 30er Jahre: Zweitgrößtes Einwanderungsland nach USA 1974 Anwerbestopp - Gegensatz Deutschland 1. Anwerbevertrag 1955 aber: Vertriebene DDR-Flüchtlinge Aussiedler Einwanderungsland Deutschland? Diskussion seit 1973 2. Einwanderungspolitik seit 1974 2.1. Zuwanderung Durch Anwerbestopp kaum noch Rückwanderung aus Angst, nicht mehr nach Frankreich zurückkommen zu können Verstärkte Familienzusammenführung - 65% Erwachsene; davon 75% berufstätig - Beispiel 2003: Einwanderung insgesamt 215000 (Saldo 188736; höchstes seit1997) Davon Familienzusammenführung 101000 Studenten 53000 Erwerbstätige 25000 - Migrationssaldo 2008: 62267 (D 4761) 2.2. 1993 Pasqua - Wartezeit seit Eheschließung für Familienzusammenführung von 1 auf 2 Jahre seit Eheschließung verlängert - Keine Arbeitserlaubnis für ausl. Absolventen franz. Hochschulen 2.3. 1997 Jospin spez. Einwanderungsstatus für hochqualifizierte Arbeitnehmer, Wissenschaftler, Künstler 2.4. 2006 Sarkozy Einreise 0 nicht möglich Konzept der ausgewählten Einwanderung neues Einwanderungsgesetz - 3 Jahre Aufenthaltstitel für Menschen, die gebraucht werden - unattraktive Berufsfelder - hochqualifizierte Tätigkeiten (Personen mit Talenten und Kompetenzen ) - Studenten einschließlich Arbeitserfahrungen für die Besten 1
- Familienzusammenführung - Mindestaufenthalt 18 Monate (bisher 12) - Wartezeit seit Eheschließung 3 Jahre (bisher 2) - Einkommen des Antragstellers mindestens SMIC - Ehepartner Aufnahme- und Integrationsvertrag; zivilgesellschaftliche und Sprachkurse - 10 jährige Aufenthaltsgenehmigung - Einbürgerung nach 4 Jahren (bisher 2) - bei Kindern DNA Probe möglich - ab 1.5.07 leichterer Zugang für Bürger der neuen MS der EU zu 61 Berufen; z.b. Landwirtschaft, Baugewerbe 2.5. 23.1.2008 Attali-Bericht Kommission seit Aug. 07 Inhalt: Verbesserung des Wirtschaftswachstums in Frankreich Zuzug von Ausländern steigert Wachstum; Beispiel GB, ES. - Die Immigration hat auch einen positiven Effekt für das Wachstum, wenn der Arbeitsmarkt flexibel genug ist, sie aufzunehmen (absorber) - Zuzug von 5000 bringt 0,1% Wachstum/Jahr - Wenn nicht nachteilig für Lohnniveau und Arbeitsbedingungen - Arbeitskräftemangel in mehreren Bereichen, z.b. Baugewerbe, Handel, Schwerindustrie - Schwierigkeiten Spitzenforscher nach Frankreich zu holen - Um Verhältnis Aktive/Inaktive beizubehalten, wäre Zuzug von 920000 pro Jahr erforderlich keine langfristige Lösung Maßnahmen - Anwerbung von Arbeitskräften, ohne - Integration der unqualifizierten jungen Franzosen zu vernachlässigen - den Herkunftsländern zu schaden - das Lohnniveau in Frankreich zu senken - Leichterer Zugang aus neuen EU-MS en 150 Berufe mit 1,4 Mio Stellen - Leichterer Zugang für Drittstaatler 30 Berufe und Hochqualifizierte; 152000 Stellen - Leichtere Anstellung bei offenen Stellen, wenn 3 Monate keinen Franzosen gefunden - Bezahlende ausländische Studenten aufnehmen - 60% der start up von Silicon Valley wurden von Studenten aus Indien und China gegründet - DE 230000 ausl. Studenten; Einnahmen 2,3 Mrd. - FR sollte ebenso viele ausl. Studenten aufnehmen - 3. Ausländer/Eingewanderte in Frankreich 3.1. Ausländer insgesamt 2008 3.674.000 (D 7.255.000) 3.2. Asyl anerkannt abgelehnt 1973 1620 1989 61000 28,1% 1992 28873 29% (D 438.191) 2007 29160 25800 (D 19.165 12.750) D 2009: 27.700 8.100 als Flüchtlinge anerkannt davon 5.500 aus dem Irak 2
3.3. Flüchtlinge 1993 Bosnier < 1000 Deutschland 280000 Davon Berlin 18000 Ffm 12000 2003 insgesamt 9790 davon Dem.Rep.Kongo 1141 3.4. Illegale 1982 Mitterand Legalisierungsprogramm 132000 1997 Jospin (nach Protesten der sans papiers) 87000 2002 2007 Sarko - Abschiebungen 2002 20000 2006 47000 2007 25000-2006 - Abschaffung der automatischen Legalisierung nach 10 Jahren - Legalisierung von Familien, deren Kinder die Schule besuchen 7000 Illegale Schüler auf 50000 geschätzt 3.5. Einbürgerung - Eingebürgerte mit Geburt in Frankreich 800.000 (1999) im Ausland 1.970.000 (2005) - ca. 25% = 15 Mio. Franzosen mit ausländischen Wurzeln - Einbürgerungen 2006 147.868 (D 124.566) - Einbürgerungsrecht - ius soli ius sanginis - geltendes Recht Erwachsene - nach 5 Jahren Aufenthalt oder nach Heirat mit einem Franzosen (4 J.) - ausreichendes Einkommen (SMIC) - Wohnung - Assimilation Jugendliche, die in FR geboren sind - mit 18 J. 5 Jahre Aufenthalt nach dem 11. Lebensjahr - mit 16 J. auf Antrag - mit 13 J. auf Antrag der Eltern; 5 Jahre Aufenthalt nach dem 8. Lebensjahr - Annäherung franz. und dt. Einbürgerungsrecht 3.6. Herkunft der Einwanderer - früher aus Europa; z.b. 1962 79% - 2005: Europa 40% Afrika 42,2% Asien 13,9% - Herkunft aller immigrés in Mio EU 1,7 Europ. nicht EU-Staaten 0,25 Maghreb 1,5 Sonstiges Afrika 0,57 Asien 0,69 3
- einige Herkunftsstaaten 1999 2005 Portugal 571874 567000 Algerien 574208 679000 Marokko 522504 625000 Türkei 174160 222000 3.7. Geographische Verteilung in FR Regionen mit dem größten Ausländeranteil Ile de France 16,7% 40% der Neugeborenen mit Migrationshintergrund (NRW U6: ca. 4 Mio = 38% mit Migrationshintergrund; in großen Städten 48%) Alsace 10% Regionen mit dem niedrigsten Ausländeranteil Bretagne 2,2% Basse Normandie 2,4% Pays de la Loire 2,6% 3.8. Soziologische Daten Portugal Algerien Marokko Türkei Männer 51 54 53 54 Frauen 49 46 47 46 Berufstätig 70 53 60 61 Davon Männer 38 31 37 42 Frauen 32 22 23 19 Alter Bis 19 4 8 8 9 20 39 25 32 39 53 40 64 60 44 44 34 ab 65 11 16 9 4 3.9.. Religion 5 Mio Muslime; ca. 1500 Moscheen (D 4 Mio; 2500 Imame) 2003 Nationaler Islamrat - Vertretung aller Muslime - Ausbildung der Imame seit 2008 25 Studenten/Jahr; 2 Jahre am Institut Catholique (D Kurs Imame für Integration ; Träger: Türkisch-Islamische Union Ditib, Goethe-Institut, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; Köln; 15 Teilnehmer; Voraussetzung der Teilnahme: Aufenthalt von 3 Jahren in D vorgesehen; Finanzierung: Bundesamt) 2004 Verbot religiöser Zeichen in Schulen (Kopftuchverbot) 2010 Beschluß einer Kommission der Nationalversammlung, das Tragen der Burka in öffentlichen Einrichtungen (Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Schulen, öffentliche Transportmittel etc.) zu verbieten. Betroffen in ganz Frankreich 1000 bis 2000 Frauen. 4
3.10. Hautfarbe 2-4 Mio schwarzhäutige Einwohner 4. Integrationspolitik 4.1. modèle républicain Identitätsdebatte 4.2. Stadtvertrag seit 90er Jahre 2000 2006: 247 Kommunen mit 1500 quartiers défavorisés 2007 contrats urbaines de cohésion sociale 3 Jahre Laufzeit; kann 1mal verlängert werden Berlin: Quartiersmanagement 4.3. Plan de Cohésion; 2004 (Borloo) 20 Programme, 107 Einzelmaßnahmen, 13 Mrd. für 5 Jahre - Beschäftigung - Wohnungsbau - Chancengleichheit (Schule, Antidiskriminierung) Diskriminierung - Hautfarbe - Wohnort - Name 4.4. Gesetz für die Chancengleichheit (31.3.06) und Gesetz über Immigration und Integration (24.7.06) - Integrationsvertrag - Maßnahmen zur Verhinderung der Diskriminierung - Beispiel: Stade de France 800 neue Firmen mit 18000 neuen Arbeitsplätzen dennoch: ALQu im Département St. Denis 17% deshalb: Zusammenschluß von Firmen Bei gleicher Qualifikation hat Bewerber aus einem Quartier Vorrang vor anderen Bewerbern - Charta der Vielfalt 200 Unternehmen mit 1,5 Mio Arbeitsplätzen - Anonymer Lebenslauf bei Unternehmen ab 50 Mitarbeiter Foto, Namen, Herkunft, Geschlecht, Adresse - Programme zur Bildungs- und Arbeitsmarktförderung - Förderung der professionellen Integration (Berufsausbildung, Praktika) z. Zt. 10% Ausländer - Förderung ausländischer KMU-Gründer (Unterstützung, Information) - Zones d Educations Prioritaires (schon in den 80er Jahen eingeführt) 911 ZEP betr. 18% aller Grundschüler, 21,4% der Schüler in Collèges Grund: 160000 Schulabgänger pro Jahr ohne Abschluß - Beispiel Sciences Po Partnerschaft mit 33 Gymnasien der Quartiers Stipendium; sonst 5000 /Jahr Studiengebühr 1. Jahr: Tudor, Studentenheim Probleme: Wohnung ab 2.J., Anstellung nach Abschluß 5
4.5. Plan Espoir Banlieue vom 20.6.2008 Situation der Zones urbaines sensibles: - ALQu 2007 17,9% - national 8,1% - ALQu Jugendliche 15-24 Jahre über 30% - Bei gleichwertiger Qualifikation ALQu für Menschen der ZUS doppelt so hoch wie für andere Franzosen - Jahreseinkommen 59% des nationalen Durchschnitts Finanzvolumen: 1 Mrd. EUR Inhalt: - Arbeitsplatzbeschaffung - Große Unternehmen sollen Jugendliche aus den ZUS einstellen; 40.000 bis 2010 Bis Ende 2008: 11500 Jugendliche erhielten Arbeitsverträge für mehr als sechs Monate - Autonomie-Vertrag ; individualisierte Betreuung bis 12 Monate für 45.000 Jugendliche in drei Jahren bei Arbeitsplatzsuche und Berufseinstieg; monatliches Stipendium von 300.-EUR Bis Ende 2008: 3500 Verträge - Neugründung von je 10.000 Unternehmen in den Jahren 2009 und 2010 mit Sitz in den ZUS - Bildung - Kampf gegen hohe Schulabbrecherquote - Schulen der zweiten Chance einrichten bzw. erweitern - Täglicher Bustransport zu Schulen außerhalb der ZUS Bis Ende 2008: In 7 Kommunen eingerichtet - Praktikums-Banken - 30 Schulen als Orte der Exzellenz Bis Ende 2008: Zugang für Schülerelite der Banlieues zu den Vorbereitungskursen für Elite-Universitäten geschaffen - 4000 Plätze an Elite-Internaten Bis Ende 2008: 1500 Internatsplätze geschaffen - Prioritäre Bildungszonen (zusätzliche Personal- und Finanzressourcen); zurzeit 32% der Schulen im Großraum Paris Bis Ende 2008: Lernhilfen und andere Bildungsunterstützung in den Schulferien an 200 weiterführenden Schulen - ÖPNV bessere Anbindung an die Stadtzentren insbesondere Ile-de-France für 500 Mio. EUR, andere Regionen 260 Mio. EUR Bis Ende 2008: Planung für Ile-de-France abgeschlossen; Fertigstellung 2014 bis 2017 - Größere Sicherheit - Vermehrte Polizeipräsenz; 4000 zusätzliche Polizisten über drei Jahre Bis Ende 2008: 8 zusätzliche polizeiliche Einheiten - Besseres Verhältnis Polizei - Bevölkerung - Größere Lebensqualität in den Vorstädten; Mittel der Stadtsanierungsagentur ANRU - Stärkere staatliche Präsenz durch Einsetzung von 350 Délégués du Préfet als Ansprechpartner und Kontaktpersonen für die Bevölkerung Bis Ende 2008: 132 ernannt 5. Europapolitik Im 2. Halbjahr 2008 hatte Frankreich die Präsidentschaft der EU. Schon im Vorfeld hatte der französische Präsident angekündigt, die Ausländerpolitik zu einer Priorität der Präsidentschaft zu machen. Beschluß des Europäischen Rates vom 15./16.10.2008: Europäischer Pakt zu 6
Einwanderung und Asyl - Politik der legalen Einwanderung gestalten - Schaffung eines Europa des Asyls - Bekämpfung der illegalen Einwanderung - Stärkung der Wirksamkeit der Grenzkontrollen - Schaffung einer umfassenden Partnerschaft mit den Herkunfts- und Transitländern, die die Synergien zwischen Migration und Entwicklung fördert. 7