Zur Bedeutung der Komplementärmedizin für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem



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Transkript:

Positionspapier der Hufelandgesellschaft anlässlich der Koalitionsverhandlungen (November 2013) Zur Bedeutung der Komplementärmedizin für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem Die Hufelandgesellschaft vertritt als Dachverband der Ärztegesellschaften für Naturheilkunde und Komplementärmedizin 20.000 Ärzte und ÄrztInnen in Deutschland. Sie ruft zu einer Neubewertung der Komplementärmedizin und zum Umdenken in der Politik auf. Sie fordert im Namen der von ihr vertretenen Ärztinnen und Ärzte: die Einbindung der Komplementärmedizin in die Erstattung der GKV eine angemessene Honorierung des ärztlichen Gesprächs die Verbesserung der Forschungsbedingungen durch öffentliche Forschungsförderung eine umfassende Integration der Komplementärmedizin in Lehre und Wissenschaft

Einleitung In Deutschland ist ein gesundes Leben zum Trendthema geworden (Ernährung, Bewegung, Entspannung, Medizin). Dabei spielt die Komplementärmedizin eine große Rolle. Während chronisch Kranke schon immer verstärkt Hilfe bei naturheilkundlichen Verfahren gesucht haben, ist seit einigen Jahren zu beobachten, dass sich immer mehr gesellschaftliche Gruppen dafür öffnen: Junge Familien beginnen häufig mit dem ersten Kind nach komplementärmedizinischen Behandlungsalternativen zu suchen, bei vielen jungen Erwachsenen gehört es bereits zum Lifestyle und selbst Senioren entwickeln immer mehr Interesse daran, möglichst viel dazu beizutragen, um gesund alt zu werden. Sie alle suchen nach: einem individuellen und ganzheitlichen Ansatz, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt Verfahren und Arzneimitteln, die wenig oder keine negativen Begleiterscheinungen haben einer Behandlung, welche die Patienten als Handelnde mit einbezieht Verbesserung der Lebensqualität Anleitung und Unterstützung zur Änderungen des Lebensstils Dabei hat sich gezeigt, dass ein großer Teil der Bevölkerung weiterhin auch an einer schulmedizinischen Versorgung interessiert ist. Integrative Medizin das bedeutet, optimale Behandlungsansätze aus konventioneller Medizin und wissenschaftlich evaluierte Verfahren aus der Komplementärmedizin zu verbinden, wie sich dies über 70% der Bevölkerung wünscht. Die Entwicklung im Gesundheitssystem der letzten zwanzig Jahre war davon geprägt, dass die Finanzierung teurer, sogenannter Innovationen im Bereich der Medizintechnik und im Arzneimittelmarkt die Kosten extrem nach oben getrieben haben. Der Nutzen vieler neuer (und teurer) Therapien ist dabei nicht nur mit hohen Kosten für das Gesundheitssystem, sondern auch mit für die Patienten nachweislich nachteiligen Folgen verbunden. Die in vielen Fällen kostengünstigere Behandlung mit Verfahren der Komplementärmedizin dagegen wird auch bei gegebenem Nachweis oft nicht im Rahmen der GKV erstattet. Die Hufelandgesellschaft ruft daher zu einer Neubewertung der Komplementärmedizin und zum Umdenken in der Politik auf. Seite 2 von 7

Einbindung der Komplementärmedizin in die Erstattung der GKV Zahlreiche Umfragen bestätigen das große Interesse und die vielfache Anwendung von Komplementärmedizin in der deutschen Bevölkerung. Zum größten Teil müssen diese Leistungen allerdings von den Versicherten selbst bezahlt werden. In der Regel sind die Arzneimittel der Komplementärmedizin nebenwirkungsarm bzw. ohne Nebenwirkungen. Diese im Gesundheitswesen eigentlich wünschenswerte Eigenschaft ist allerdings der Grund für die fehlende Erstattung im Rahmen der GKV. Mit dem Gesundheitsreformgesetz wurden 2004 fast alle Arzneimittel der Komplementärmedizin aus der Erstattung durch die GKV ausgeschlossen. Einige wenige Verfahren haben Eingang in den normalen Leistungskatalog der GKV gefunden: Akupunktur wird bei bestimmten Symptomenkomplexen als Kassenleistung erstattet. Allerdings war der Aufwand beträchtlich: eine der weltweit größten Patientenstudien, durchgeführt mit 500 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und finanziert durch die GKV, war dafür notwendig. Auch einige wenige Arzneimittel werden im Rahmen einer Ausnahmeliste (OTC-Liste) von der GKV erstattet. Das große Interesse und die Nachfrage nach komplementärmedizinischen Arzneimitteln und Therapien haben die Versicherer erkannt. Sowohl GKV als auch PKV bieten deshalb über neue Satzungsleistungen und Zusatztarife die Erstattung von Verfahren und Arzneimitteln der Komplementärmedizin an. Diese Angebote gibt es, weil die Bevölkerung sich solche Angebote wünscht und nutzt! Einige Therapien und Verfahren der Komplementärmedizin sind Individuelle Gesundheitsleistungen, die auch Kassenärztinnen und ärzte anbieten. Auch diese müssen von den Patienten selbst bezahlt werden. Forderungen der Hufelandgesellschaft: Einbindung der Komplementärmedizin in die Erstattung der GKV Die Verfahren und Therapien der Komplementärmedizin sind aufgrund ihres Ansatzes oft nachhaltiger wirksam, die Arzneimittel haben keine oder geringe Nebenwirkungen. Besondere Stärken und Erfolge zeigt die Komplementärmedizin im Bereich chronischer Krankheiten. All diese Vorteile sind bisher nur für eine zahlungskräftige Bevölkerungsgruppe nutzbar. Wir wissen, dass insbesondere arme Menschen häufiger, schwerer und auch eher chronisch erkranken. Gerade diese Bevölkerungsgruppe ist aber durch die bisherige Erstattungspraxis der GKV von den Therapien und Arzneimitteln der Komplementärmedizin ausgeschlossen. Es ist notwendig, auch diese Bevölkerungsgruppe an den Erfolgen einer ganzheitlichen, nebenwirkungsarmen und damit letztendlich nachhaltigeren Komplementärmedizin teilhaben zu lassen. Dies ist nur möglich, wenn Arzneimittel der besonderen Therapierichtung sowie Verfahren und Therapien bei nachgewiesener Wirksamkeit verordnungsfähig und im Rahmen der GKV erstattungsfähig sind. Seite 3 von 7

Überdies geht man davon aus, dass jährlich rund 200.000 Menschen wegen Nebenwirkungen von erstattungsfähigen Medikamenten stationär behandelt werden müssen, mit den entsprechenden volkswirtschaftlichen Folgekosten in Milliardenhöhe. Die Erstattung von Arzneimitteln und Therapien der Komplementärmedizin könnten auch hier sowohl die direkten als auch die Folgekosten wesentlich senken, wie eine Vielzahl von Studien der Versorgungsforschung bereits deutlich gemacht hat. Ausbau von sektorübergreifenden Leistungen Komplementärmedizin lebt von multimodalen Konzepten und vernetzten Versorgungsstrukturen. Daher sind gerade sektorübergreifende Versorgungsformen wichtig für die Realisierung ( 116 und 140 SGB V). Im Rahmen von Selektivverträgen können für Teile der ambulanten ärztlichen (und zahnärztlichen) Versorgung für gesetzlich Krankenversicherte Versorgungsinhalte außerhalb der sogenannten Regelversorgung vereinbart werden. Bisher gibt es Selektivverträge für ausgewählte Bereiche der Besonderen Therapierichtungen, für die Homöopathie und für die Anthroposophie. Der Ausbau der Selektivverträge auch für andere Bereiche der Komplementärmedizin macht diese allen GKV-Versicherten zugänglich. Wahltarife verursachen für die Versicherten zusätzliche Kosten. Selektivverträge sind im Rahmen der GKV-Leistungen abgedeckt und können zudem, bei erfolgreichen Verhandlungen auch zu einer besseren Vergütung der entsprechenden Leistungen für die Ärzte führen. Angemessene Honorierung des ärztlichen Gesprächs Derzeit gibt es in der Honorierung niedergelassener Ärzte ein Missverhältnis zwischen der sprechenden Medizin und der apparativen Diagnostik. Dies wird auch von Haus- und Allgemeinärzten immer wieder kritisiert. Forderung der Hufelandgesellschaft: Angemessene Honorierung des ärztlichen Gesprächs Das ärztliche Gespräch ist für die (Komplementär-) Medizin über die Anamnese hinaus von zentraler Bedeutung. Dies muss sich in der Bewertung ärztlicher Leistungen wiederspiegeln. Seite 4 von 7

Verbesserung der Forschungsbedingungen durch öffentliche Forschungsförderung Auch den Vertretern der naturheilkundlichen bzw. komplementärmedizinischen Verfahren ist es ein Anliegen, wissenschaftliche Nachweise zur Wirksamkeit der Verfahren und Therapien zu erbringen. - Ein Grundproblem dabei ist die Forschungsförderung. Die 420 vorwiegend mittelständischen Hersteller naturheilkundlicher Arzneimittel ohne Möglichkeiten des Patentschutzes ihrer Arzneimittel haben nicht die notwendigen finanziellen Möglichkeiten, Forschung angemessen zu fördern. Einzelne Studien wurden von privaten Stiftungen finanziert. Die Komplementärmedizin in Deutschland benötigt daher dringend eine öffentliche Forschungsförderung, um der berechtigten Forderung nach wissenschaftlichen Studien nachkommen zu können. Von Seiten der Politik wird immer wieder auf die Forschungsförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie im Rahmen einschlägiger Fördermaßnahmen der Bundesregierung hingewiesen. Es wird behauptet, dass komplementärmedizinische Forschungsprojekte in diesem Rahmen gleichberechtigt Förderanträge stellen können. Betrachtet man aber z. B. die Struktur und Förderpolitik der DFG näher, wird deutlich, dass komplementärmedizinische Projektanträge kaum eine Chance haben. Knapp 90 Prozent der DFG-Bewilligungen, also knapp 2,25 Mrd. Euro flossen in den Hochschulsektor. Bei lediglich 10 privat finanzierten komplementärmedizinische Professuren gegenüber insgesamt 3569 Professoren im Bereich Humanmedizin /Gesundheitswissenschaften wird deutlich, wie unverhältnismäßig gering die Chancen für Forschungsanträge zur Komplementärmedizin stehen. Zudem hat die DFG im Bereich Lebenswissenschaften/ Medizin kein Fachkollegium Komplementärmedizin und damit auch keine Fachkompetenz zur Begutachtung der Anträge. Die postulierte Gleichberechtigung muss auch angesichts konkreter Zahlen in Frage gestellt werden. Insgesamt wurden in den letzten fünf Jahren gerade einmal rund 1,75 Mio. Euro für Forschungsprojekte aus der Komplementärmedizin eingesetzt für insgesamt DREI Forschungsprojekte! Ein weiteres wurde durch die GKV finanziert und ein einziges mit DFG- Mitteln. Zum Vergleich: allein für die sogenannte Personalisierte Medizin sind im April dieses Jahres für die nächsten drei Jahren 100 Mio. Euro in einem eigenen Forschungsprogramm auf den Weg gebracht worden. Forderungen der Hufelandgesellschaft: Einrichtung eines Forschungsprogramms Komplementärmedizin Nur ein eigenständiges Forschungsprogramm ermöglicht eine unabhängige Forschung für die Komplementärmedizin. Seite 5 von 7

Die bisherigen größeren Studien, finanziert häufig durch private Geldgeber, haben nicht nur die Wirksamkeit vieler Therapien gezeigt, sondern teilweise auch die Überlegenheit gegenüber der konventionellen Vergleichstherapie. Weitere Studien sind notwendig, um mehr Datenmaterial zu sammeln und dann die entsprechenden Therapiemethoden zum Nutzen aller Patienten im Rahmen der GKV einsetzen zu können. Beteiligung von Vertretern komplementärmedizinischer Verfahren in Entscheidungsgremien Im Bereich bisheriger Forschungsinstitutionen wie der DFG fehlt es an der notwendigen Expertise. Deshalb müssen Verbände bzw. Vertreter komplementärmedizinischer Verfahren auch in den Vergabekommissionen von DFG und BMBF sitzen. Integration der Komplementärmedizin in Lehre und Wissenschaft Derzeit gibt es 10 Lehrstühle im Bereich Komplementärmedizin von insgesamt 3569 Professuren im Bereich Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften. Alle komplementärmedizinischen Lehrstühle werden bisher ausschließlich durch Stiftungen, das heißt durch privates Engagement finanziert. Forderungen der Hufelandgesellschaft: Einrichtung von mit öffentlichen Mitteln finanzierten Professuren und Fachbereiche an Universitäten und Kliniken Nur durch die Einrichtung öffentlich finanzierter Strukturen (W2/W3 Professuren) ist die akademische Verankerung der Komplementärmedizin an den Universitäten und in das Medizinstudium möglich. Zum einen ermöglichen diese Professuren dann eine kontinuierliche Forschung für die Komplementärmedizin. Zum anderen ist so eine umfassendere Integration ins Medizinstudium und eine Erhöhung der Anteile Naturheilverfahren/Komplementärmedizin im Studium sämtlicher 3 Medizinrichtungen (sowie der Pharmazie) möglich. Die große Nachfrage und Inanspruchnahme der Komplementärmedizin in der Bevölkerung muss sich in einer adäquaten Repräsentanz auch an den Universitäten in Forschung und Lehre widerspiegeln. Dauerhafte Verankerung in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung Nur durch den bedarfsorientierten Erhalt und Ausbau der Weiterbildungen zu Zusatzbezeichnungen in der Komplementärmedizin ist eine Qualitätssicherung in der ärztlichen Weiterbildung gewährleistet. Seite 6 von 7

Komplementärmedizin: Zahlen und Fakten Ein Großteil der deutschen Bevölkerung (Zweidrittel laut einer Allensbach-Umfrage), unabhängig vom Einkommen und sozialen Status, wünscht sich in der gesundheitlichen Versorgung eine Behandlung mit Naturheilverfahren und anderen Verfahren der Komplementärmedizin. Rund 60.000 Ärzte haben eine oder mehrere Zusatzbezeichnungen (Akupunktur, Homöopathie, Manuelle Medizin, Naturheilverfahren, Physikalische Therapie und Balneologie, Umweltmedizin). Fast 60 Prozent der Hausärzte (rund 36.000 Ärzte) praktizieren eine oder mehrere komplementärmedizinische Methoden. Rund 4.500 Apotheker haben eine Weiterbildung Homöopathie und Naturheilverfahren. Diese Zahlen sprechen für sich und müssen bei der Gestaltung einer erfolgreichen Gesundheitspolitik der Zukunft berücksichtigt werden! Die Hufelandgesellschaft fordert eine nachhaltige und umfassende Verankerung der Besonderen Therapierichtungen im Sozialgesetzbuch SGB V. Seite 7 von 7