Wasch mich und mach mich nicht nass!



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Transkript:

AGOGIK 4/09 39 Marion Keil Wasch mich und mach mich nicht nass! Wie wirksam kann Diversity Mangement in Unternehmen werden? Diversity Management heute Das Thema Diversity Management hat in den letzten Jahren in Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit in Europa enorm an Bedeutung gewonnen. Best-Practice-Beispiele in KMU und Konzernen werden gesucht und veröffentlicht, EU-Projekte angeschoben und in Deutschland Bundesinitiativen lanciert wie die «Charta der Vielfalt». Schon etwa 1000 Unternehmen haben hier öffentlich eine Willenserklärung abgegeben, sich gemäss der sechs Kriterien zu engagieren. Die mittlerweile steigende Anzahl von Diversity-Managern in grossen Unternehmen haben etliche sogenannte Business Cases entwickelt, die eindeutig belegen sollen, warum Diversity Management für ihr Unternehmen wichtig ist. Die gängigen Begründungen sind hinlänglich bekannt: die demografische Entwicklung, die steigenden internationalen Verflechtungen, die steigende Anzahl von Frauen als Konsumentinnen und Führungskräfte, die Notwendigkeit, dem Fachkräftemangel vorzubeugen, Frauen in technischen Berufen zu unterstützen oder bevorzugter Arbeitgeber im Kampf um die besten Talente zu werden. Es sind schon viele gute Ansätze entwickelt und umgesetzt worden (siehe European Commission). Auffallend ist der permanente Begründungszwang, unter dem Diversity-Manager zu stehen scheinen, sodass man sich die Frage stellen kann, ob die Unternehmensspitzen Diversity Management tatsächlich für so relevant halten, dass es sich «lohnt» in dieses Thema zu investieren. Eine

40 AGOGIK 4/09 Herausforderung für das Thema scheint demnach zu sein, wie die Verknüpfung des Themas mit dem «harten» Geschäft gelingt. Befruchtet ein gutes Diversity Management die Abteilungen Marketing, Forschung und Entwicklung, den Vertrieb, die Produktion spürbar? Bringt es hier einen für das Unternehmen spürbaren «Value added»? Leider findet sich dazu kein betriebswirtschaftlich-empirisches Material, das eine klare Verbindung zwischen getätigten Massnahmen im Diversity Management und gestiegenem ROI (Return on Investment) schafft. Thesen zu den Kinderkrankheiten Mit der Beraterbrille in Unternehmen geschaut, zeigt sich ein differenziertes und ambivalentes Bild in der Umsetzung von Diversity Management. Folgende Hypothesen lassen sich aufstellen: 1. Der Sinnzusammenhang Führungskräfte und Mitarbeiter/-innen vergleichen permanent, was sie zu Diversity Management vom Unternehmen hören, mit ihrer Erfahrungswelt. Überwiegt für sie die Wahrnehmung des Verhaltens der Unternehmensspitze als konträr zur «Predigt», verliert das Thema offenbar seinen Sinn und wird eine Pflichtveranstaltung. 2. Die Quotierungsfrage Bei Frauen wie Männern in Unternehmen in Deutschland scheinen Quotenregeln vehement abgelehnt zu werden. Frauen wollen nicht als Quotenfrauen in Positionen gelangen (obwohl sie ahnen, dass es sonst kaum gelingt), Männer fühlen sich plötzlich benachteiligt. Ihnen fällt es schwer zu akzeptieren, dass sie selbst seit Langem Teil eines wohl unfairen Auswahlprozesses waren. 3. Führungsqualität Die einzelnen Führungskräfte (im Schnitt je nach Branche 80 90% männlich) scheinen sich durch das Thema in mehreren existenziellen Identitätsfeldern hinterfragt zu fühlen als Mann, als Deutscher (ohne Migrationshintergrund) und in ihrer Rolle als Führungskraft. Sie stellen fest,

AGOGIK 4/09 41 dass Diversity Management viel damit zu tun hat, wie Mitarbeiter/-innen in offener Weise miteinander kommunizieren, Probleme offen ansprechen und miteinander lösen sowie selbstorganisiert sein können. Jede/-r soll sich einbringen (Inclusion). Gerade in eher hierarchischen Unternehmen widerspricht das Führungsverhalten diesem Anspruch. 4. Einzelmassnahmen Trotz hoher Investitionen in das Thema Diversity Management scheint bei den Mitarbeitern, Mitarbeiterinnen und Führungskräften häufig der Eindruck des Stückwerks vorzuherrschen. Viele Unternehmen setzen auf halb- oder ganztägige Informationsveranstaltungen oder Trainings für die Führungskräfte. So reiht sich Diversity Management ein in die Vielzahl anderer, vielleicht als viel relevanter angesehener Themen, die man konsumiert. Oft folgt darauf für lange Zeit gar nichts mehr. Das Thema bekommt und hält so kein Momentum. 5. Eigene Relevanz finden Führungskräfte und Mitarbeiter/-innen scheinen sich eher auf Diversity Management einzulassen, wenn sie es inhaltlich mitgestalten könnten. Sobald sie merken, sie sollen lediglich Zielvorgaben umsetzen (z. B. 5 % mehr Frauen einstellen, einen Workshop zum Thema durchführen), ist ihr Engagement verflogen. Sie hätten aber vielleicht mit Feuer und Flamme in ihrer Abteilung daran mitgearbeitet, innovative Lösungen für eine demografieangepasste Personalentwicklung zu entwickeln. 6. Human Resources HR-Abteilungen scheinen bisher nicht als strategische Speerspitzen des Diversity Management zu wirken. Diversity Management wird manchmal strukturell bei HR angesiedelt, manchmal als Stabsstelle direkt bei der Geschäftsführung angesiedelt. HR ist immer irgendwann mit im Boot, denn weder lassen sich neue Einstellungskriterien und -verfahren noch Karriereentwicklungen oder Mentoringmassnahmen ohne HR durchführen. Je weniger HR als strategischer Business Partner der Geschäftsführung wahrgenommen wird, desto schwächer ist HR bei der Umsetzung im Diversity Management.

42 AGOGIK 4/09 Im Vergleich zu anderen strategischen Themen ist das Diversity Management noch jung, die Kinderkrankheiten verständlich. Wie können sie überwunden werden? Wasch mich und mach mich nass! mit einem klaren Change-Management-Konzept Die Einführung von Diversity Management ist in jedem Fall ein profunder Veränderungsprozess. Es geht um einen Strategiewechsel, um Verhaltensänderungen und um einen deutlichen Unternehmenskulturwechsel, um die veränderte Anwendung von Auswahlprozessen, um transparente Kriterien, um veränderte Imagekampagnen. Bei keiner Veränderung geht es nur darum, Menschen zu einem neuen Thema zu informieren und zu schulen. Schon gar nicht, wenn es auch um unternehmensstrategischen und kulturellen Wandel sowie persönliche Haltungsveränderungen geht. Die reichhaltige Literatur und Erfahrung rund um die systemische Herangehensweise an Unternehmensveränderungen gibt hier viele wertvolle Einsichten (Königswieser und Hillebrand, 2007). Es ist umso erstaunlicher, in Unternehmen häufig relativ isolierte Interventionen nebeneinander zu beobachten. Es sind wenig sogenannte «Change-Architekturen» beobachtbar, wo, basierend auf einer transparenten Situationsdiagnose, Interventionen gebündelt und von einer Steuergruppe begleitet und reflektiert werden. Übertragen auf das Diversity Management erscheint es dringend geboten, systematisch «systemisch» vorzugehen, um dem Thema die gebührende Durchschlagskraft zu geben. Besonders vordringlich ist es, Diversity Management strategisch, kulturell und strukturell parallel anzugehen. Da Zukunftsthemen hier eine besondere Rolle einnehmen, ist eine Vorgehensweise empfehlenswert, die dem Rechnung trägt. Schrittweise dargestellt sieht ein klar strategisch orientierter Diversity-Management-Prozess dann so aus: Schritt 1: Steuergruppe Diversity In der Strategieentwicklung besteht immer die grösste Gefahr, dass die Zukunftsanalyse aufgrund zu grosser Homogenität des Analyseteams zu eingeschränkt durchgeführt wird. Um diese Einschränkungen auszuschliessen und die Perspektive zu erweitern, wird vom Top-Management

AGOGIK 4/09 43 Diversity Management als Veränderungsprozess 1 Strategie 2. Zukunftsszenarien 5. Unternehmensziele 6. Diversity-Management-Interventionen Vision 3. Vision und Strategie 4. Systemdiagnose = Diversity-Audit 1. Steuergruppe Diversity Struktur Kultur ein Projektteam (eine sogenannte Steuergruppe Diversity) aus Personen mit unterschiedlichem Hintergrund eingesetzt (Abteilungen, Niederlassungen, Hierarchie, Alter, Geschlecht, Zugehörigkeit zum Unternehmen, Nationalitäten usw.). Die Steuergruppe Diversity erhält einen klaren Auftrag vom Top-Management und steht in engem, regelmässigem Kontakt. Klare Projektstrukturen sind ebenfalls zentral. Schritt 2: Zukunftsszenario Die Steuergruppe Diversity, das Top-Management und weitere Vertreter bestimmter Schlüsselgruppen des Unternehmens (Unternehmensentwicklung, Marketing/Vertrieb, Forschung und Entwicklung, Produktion, Betriebsrat, ) führen gemeinsam einen «Scenario Building Workshop» durch. Als Daumenregel sollten drei unterschiedliche Szenarien entwickelt werden, wie die Umwelt des Unternehmens in 10 Jahren aussehen könnte mit klarem Fokus auf Auswirkungen und Einfluss von Diversity- Faktoren. Ziel ist es, das Unternehmen für unterschiedliche Alternativen vorzubereiten. Am Ende wird ein Szenario ausgewählt, auf das sich das Unternehmen konzentrieren will, weil es dieses für das wahrscheinlichste hält (Aries de Geus, 1998). 1 Quelle: synetz die Unternehmensberater, www.synetz.de

44 AGOGIK 4/09 Schritt 3: Vision und Strategie Aus dem gewählten Szenario werden eine Vision und eine Mission für das Unternehmen formuliert. In diese Aufgabe sind das Top-Management und die Schlüsselpersonen intensiv eingebunden. Sie konzentrieren sich auf die Stärken, Schwächen, Möglichkeiten und Risiken für das Unternehmen, die sich aus dem Szenario ergeben. Am Ende werden Vision und Leitbild formuliert und auf dieser Basis die Unternehmensstrategie mit der Betonung auf Diversity Management. Wo Vision/Mission und die Strategie bereits bestehen, werden sie aufgrund des Szenarios angepasst. Diese Vision und Mission wird in Grossgruppenveranstaltungen einer breiten Unternehmensöffentlichkeit vorgestellt und so der Sinnzusammenhang für das Unternehmen dargestellt und intensiv diskutiert: Aufgrund welcher Annahmen über die Zukunft entscheiden wir uns für Diversity Management? Ausserdem wird hier die erste Phase einer Change-Architektur vorgestellt, damit die Mitarbeiter/-innen über den weiteren Verlauf im Bild sind. Schritt 4: Diversity-Audit Der erste grosse Schritt im Rahmen der ersten Phase der Change-Architektur ist das Diversity-Audit als eine Systemdiagnose. Es ist ein nützliches und zentral notwendiges Instrument, um die aktuelle Situation des Unternehmens zu analysieren. Fragen, die gestellt werden sollten, beinhalten: Welche Einstellung haben Top-Management und Mitarbeiter/-innen gegenüber Diversity? Wie sieht die aktuelle Unternehmenskultur aus? Wie einbeziehend und offen sind die Strukturen, Prozesse usw.? Das Diversity- Audit wird mit Hilfe von semistrukturierten, persönlichen Interviews mit allen unternehmensrelevanten Gruppen durchgeführt und kann von einer standardisierten Fragebogenerhebung, um die Einstellungen gegenüber Vielfalt zu erheben, begleitet werden. Die Ergebnisse des Diversity-Audits werden von der Steuergruppe in Hypothesenform verwendet, um die Schlüsselerkenntnisse über den Status quo für eine breitere Zielgruppe zu präsentieren und als Ausgangspunkt für die Entwicklung geeigneter «Interventionen» im Rahmen der zweiten Phase der Change-Architektur eingesetzt. Ganz besonders aber dient das Diversity-Audit im systemischen Vorgehen der Schaffung eines gemeinsamen Bildes im Unternehmen über die Ist-Situation und die Notwendigkeit der Soll-Situation.

AGOGIK 4/09 45 Schritt 5: Unternehmensziele Als nächsten Schritt erstellt das Management gemeinsam mit der Diversity-Steuergruppe unternehmensumfassende Ziele für die Implementierung eines Diversity Management. Die Ziele müssen klar in Beziehung zur zuvor formulierten Strategie stehen und stellen die Mitwirkung von allen relevanten Abteilungen und Bereichen sicher. Achtung vor zu eingeschränkten Zieldefinitionen nur im Hinblick auf personalorientierte Ziele. Es braucht einen guten Mix auch von markt- und umsatzbezogenen Zielen. Im Sinn der Führungsverantwortung werden die Ziele dann für jeden Bereich und jede Abteilung an ihren eigenen Kontext angepasst und klare, messbare Kriterien für die Erreichung definiert. Schritt 6: Implementierung von Diversity Management Während der Umsetzung der Change-Architektur spielt die Steuergruppe eine entscheidende Rolle: Sie steuert, begleitet und reflektiert die unterschiedlichen Aktivitäten. Sie dient als zentrale Schnittstelle für Kommunikation. Die Mitglieder agieren als Change Agents. Die Steuergruppe sorgt dafür, dass Führungsentwicklungsprogramme für das Top- und mittlere Management mit einem klaren Fokus auf Diversity Management eingerichtet werden. Grossgruppen-Events für die Belegschaft zur regelmässigen Kommunikation des Diversity-Management-Change-Prozesses stattfinden. an den Zukunftsmärkten orientierte Innovationen gepusht werden. in allen Bereichen des Unternehmens regelmässig Veranstaltungen stattfinden, in denen die Tagesbelange der Mitarbeiter/-innen und Führungskräfte mit dem Thema Diversity Management verbunden werden und eigene Ziele definiert werden können. Schnittstellenworkshops stattfinden, in denen Abteilungen und Bereiche, deren Vielfalt bisher noch nicht synergiestiftend war, miteinander neue Wege finden. Leistungsbewertungen angepasst werden, um Diversity Management zu unterstützen und messbar zu machen. Personal-Management-Tools für Einstellung und Bindung einer vielfältigen Belegschaft entwickelt werden.

46 AGOGIK 4/09 Diversity-Teamentwicklungsveranstaltungen in jeder Unternehmenseinheit stattfinden, in denen die realen Teams die Relevanz des Themas für ihr Team überprüfen (Lüthi und Oberpriller, 2009). eine ständige Rückkoppelung mit dem Top-Management über Erfolge und Rückschläge und die gemeinsame Steuerung eingerichtet wird. Dieser kleine Ausschnitt an möglichen Interventionen, die permanent in ihrer Wirkung von der Steuergruppe und dem Top-Management reflektiert werden, mag zeigen, um wie viel breiter der Ansatz des Diversity Management gefahren werden muss, um echte Breitenwirksamkeit zu erlangen. Jeder, der Veränderungsprozesse begleitet hat, weiss um den langen Atem und das Rückgrat, die es braucht, um solche Veränderungsprozesse zu steuern. Was sind nun die Erfolgsbedingungen, an denen ein Unternehmen selbst feststellen kann, ob es auf dem richtigen Weg ist? Checkliste der Erfolgsbedingungen für Diversity Management Allein der Versuch, im eigenen Unternehmen Kriterien für den Erfolg der eingeleiteten Diversity-Management-Massnahmen zu entwickeln, ist in sich eine starke Intervention. Es ist anzuraten, die Kriterien in der Unternehmensspitze zu definieren, sie unternehmensweit zu kommunizieren und jährlich die Erfolge und Schwächen zu veröffentlichen. Die Nachhaltigkeit ist wichtig für den langfristigen Erfolg. Und nach unseren Erfahrungen sind dafür folgende Bedingungen zentral: Die Unternehmenskultur wertschätzt, wünscht und fördert die Vielfalt der Mitarbeiter/-innen, ihrer Talente, Kompetenzen, Herkunft, Religionen, körperlichen Zustände, sexuellen Orientierungen, ihrer Geschlechtszugehörigkeit und ihres Alters. Um eine starke, vielfältige Unternehmenskultur zu entwickeln, braucht es eine klar formulierte Unternehmensstrategie und Vision, die Diversity als unabdingbare Komponente beinhaltet. Für ein gutes Diversity Management braucht ein Unternehmen ein transparentes Diversity-Management-Bewertungssystem, das in Kooperation mit verschiedenen Interessengruppen im Unternehmen methodisch entwickelt wurde. «Woran messen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind?»

AGOGIK 4/09 47 Die Leistungsbeurteilungen werden unabhängig von Alter, Herkunft/ Hautfarbe, Geschlecht, Religion usw. gemacht. Das ist besonders schwierig, da sich die meisten Menschen nicht bewusst sind, dass sie gefiltert wahrnehmen. Hierfür muss eine Menge an Sensibilisierungsarbeit geleistet werden. Wenn Diskriminierungen oder Abwertungen aufgrund persönlicher Eigenschaften in Bewertungen/Rückmeldungen von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen oder in der täglichen Arbeit auftauchen, wird dies angesprochen und bei Bedarf auch sanktioniert. Diversity-orientierte Unternehmen haben ein innovatives Personaleinstellungs- und Auswahlverfahren entwickelt, das nicht nur Fragen zu den nötigen Kompetenzen unabhängig von Alter, Geschlecht und Nationalität stellt, sondern auch Ideen hat, wo diese Talente zu finden sind und wie nach ihnen gesucht werden soll. In einem nach den Grundsätzen von Diversity Management geführten Unternehmen ist die Zusammensetzung der Personen in den Abteilungen, Teams und Projekten bekannt und bewusst gesteuert. Damit sind die Kompetenzen, Talente, Erfahrungen, persönlichen Attribute wie auch die Merkmale Alter, Geschlecht, Migrationshintergrund usw. der einzelnen Mitarbeiter/-innen gemeint. Dieses Detailwissen wird die mögliche Bildung innovativer Teams und die Entwicklung neuer Ideen unterstützen. Zur Unterstützung des optimalen Zusammenspiels der Mitglieder einer Abteilung, eines Teams oder Projekts werden Methoden der Diversity-Teamentwicklung angewendet. (siehe: www.diversity-teamentwicklung.com) Die Führungskräfte sind authentische Vorbilder für Diversity. Sie sind überzeugt, dass Vielfalt den Unternehmensbedürfnissen dient, und dass sie ein essenzieller Bestandteil der Unternehmensidentität ist. Zusammen mit Führungskräften und Mitarbeiter/-innen werden in den Abteilungen die dort relevanten Diversity-Themen definiert, mit Erfolgskriterien unterlegt und in Massnahmen übersetzt. Kein Unternehmen entwickelt sich automatisch in einen «Diversity Champion». Viele Unternehmen reden mehr über ihr gewünschtes Image als die praktizierte Realität. Deshalb ist jeder ehrliche Schritt in die Richtung eines gelebten Diversity Management ein guter Schritt.

48 AGOGIK 4/09 Die Autorin Dr. Marion Keil, Dipl. Soziologin, ist systemische Change-Beraterin und internationale Expertin für Veränderungsprozesse in Unternehmen. In Europa, den USA, Asien und Afrika begleitet sie Unternehmen und soziale Organisationen bei strategischen, strukturellen und kulturellen Veränderungen. Internationale Führungskräfteentwicklungen, Teamprozesse und Grossgruppenmoderationen, Diversity Management sowie die Beratung von Human-Resources-Abteilungen gehören zu ihrem Portfolio. Kontakt: www.synetz-international.com Literatur de Geus, Aries: Jenseits der Ökonomie. Stuttgart: Klett Cotta, 1998. Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration: Vielfalt als Chance. Charta der Vielfalt Berlin, 2008. Keil, M. et. al.: Trainings Handbuch Diversity Management. Europäische Kommission, Generaldirektion für Beschäftigungspolitik, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit. Brüssel, September 2007. Königswieser, R.; Hillebrand, M.: Einführung in die systemische Organisationsberatung. Carl Auer Systeme Heidelberg, 3. Auflage, 2007. Lüthi, Erika; Oberpriller, Hans: Teamentwicklung mit Diversity Management. Haupt Verlag, Bern, Stuttgart, Wien: 2009. The Business Case for Diversity: Good practices in the workplace. European Commission Directorate General for Employment, Social Affairs and Equal Opportunities Unit D3. September, 2005. Webseiten: http://ec.europa.eu/employment_social/fundamental_rights/index_en.htm Website der Anti-Diskriminierungs-Abteilung in der DG Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleicheit der Europäischen Kommission. www.stop-discrimination.info EU-Informationskampagne «Für Vielfalt gegen Diskriminierung». http://ec.europa.eu/employment_social/fundamental_rights/public/pubst_en.htm Publikationen der Europäischen Kommission zu Anti-Diskriminierung und Diversity. http://ec.europa.eu/employment_social/fundamental_rights/pdf/arc/stud/cbfullrep_en.pdf Studie zu Methoden und Messindikatoren für Kosten-Nutzen-Rechnungen von Diversity-Strategien in Unternehmen (Oktober 2003). http://ec.europa.eu/employment_social/emplweb/publications/publication_de.cfm?id=45 Geschäftsnutzen von Vielfalt Bewährte Verfahren am Arbeitsplatz (November 2005). www.idm-diversity.org www.migration-boell.de/web/migration/46_937.asp www.synetz-international.com