Vorlesung Medienrecht 09. Juni 2015 Persönlichkeitsrecht und Rechtsschutz gegenüber Medien I. Allgemeines In welchem Gesetz sind die Grundrechte geregelt? Im Grundgesetz, Art. 1 ff. GG! Wo ist die Meinungsfreiheit geregelt? In Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG! Wo ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht geregelt? Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht explizit kodifiziert, sondern leitet sich aus den Grundrechten der Art. 2 Abs.1 i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG ab! Im Medienrecht spielen immer wieder Konflikte zwischen der Meinungsfreiheit, die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 GG garantiert wird, und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eine Rolle. Beispiel: Berichterstattung über Prominente Um dieses Thema ging es zum Beispiel in der Sendung Günther Jauch vom 13. April 2014 in der ARD unter dem Titel: Wie geht es Michael Schumacher? Prominente und die Grenzen der Berichterstattung Auf der ARD-Internetseite fand sich zu dieser Sendung seinerzeit folgende Beschreibung:
Die Nachricht kommt kurz vor Silvester und geht binnen Minuten um die Welt: Rekordweltmeister und Ex-Formel-1-Pilot Michael Schumacher hat sich bei einem Skiunfall in Frankreich lebensgefährlich verletzt. Kaum ist die Nachricht durchgesickert, schwappt eine riesige Schumi-Sympathie- Welle um den Globus und Medien mobilisieren alle Kräfte, um im Sekundentakt über den Gesundheitszustand Schumachers zu berichten. Kamerateams und Fotografen versammeln sich vor der Klinik, Fans pilgern nach Grenoble, im Internet posten Tausende Menschen ihr Mitgefühl, Weggefährten Schumachers melden sich zu Wort sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel drückt in einem kurzen Statement ihr Bedauern aus. Auch heute, mehr als 100 Tage nach Schumachers Unfall, sind die Zeitschriften, TV- Beiträge und Internetseiten noch immer voll mit Berichten und Meldungen über das Schicksal des Ausnahmesportlers. Während sich die Familie und das Management zurückziehen und nur wenig über die Genesung des Koma-Patienten preisgeben, überschlagen sich einige Boulevard-Medien geradezu mit Spekulationen, Mutmaßungen und reißerischen Schlagzeilen. Wie geht es Michael Schumacher? Ist die Reaktion der Presse auf Schumachers Schicksal angemessen? Wie arbeiten Boulevardmedien? Welches Recht haben Prominente auf Privatleben? Darüber diskutiert Günther Jauch am Sonntagabend mit seinen Gästen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist ein im Laufe der Jahre von der Rechtsprechung weiterentwickeltes Rechtsinstitut, dass dem Schutz des Individuums und seiner Persönlichkeit vor Angriffen Dritter dient. Wie oben bereits erwähnt, ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht explizit kodifiziert, sondern leitet sich aus den Grundrechten der Art. 2 Abs.1 i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG ab. Hierbei zeigt sich auch der hohe Stellenwert des Persönlichkeitsrechtes und das mögliche Konfliktpotential mit anderen Grundrechten wie der Meinungsfreiheit. Der BGH hat in den 1950er Jahren erstmals festgestellt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht im Sinne des 823 Abs. 1 BGB zu qualifizieren
ist. Damit ist 823 Abs. 1 BGB im Zivilrecht, d.h. im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen zwischen Personen des Privatrechts Anspruchsgrundlage für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Wo im BGB ist ein einzelner Aspekt der Persönlichkeit durch eine spezialgesetzliche Regelung geschützt? II. Namensrecht Der Schutz des Namens in 12 BGB! Das BGB schützt einzelne Aspekte der Persönlichkeit durch spezialgesetzliche Regelungen. Dazu gehört der Schutz des Namens in 12 BGB. Der Name ist ein äußeres Kennzeichen einer Person zur Unterscheidung von anderen Personen. 12 BGB schützt den bürgerlichen Namen einer natürlichen Person. Er gilt über seinen Wortlaut hinaus auch für den Namen juristischer Personen. Spezialgesetze gewähren darüber hinaus besonderen Schutz: - 37 HGB (=Firma des Kaufmans) - 5, 14 ff. MarkenG Das Namensrecht wird gemäß 12 BGB auf verschiedene Arten geschützt: Fall: Karl Krause (K 1) betreibt in der Gemeinde D die Gastwirtschaft Zum Treppchen. Ein anderer Karl Krause (K 2) eröffnet in derselben Gemeinde eine Wirtschaft, die er ebenfalls Zum Treppchen nennt. K 2 beschuldigt K 1 in einer Zeitungsanzeige, sich unberechtigt Karl Krause zu nennen und entfernt dessen Türschild. Was kann K 1 unternehmen?
Lösung: K 2 bestreitet K 1 den Gebrauch des Namens in der Zeitungsanzeige sowie durch Entfernen des Türschildes. Gemäß 12 Satz 1 BGB kann K 1 von K 2 Berichtigung in einer weiteren Zeitungsanzeige und Wiederanbringung des Türschildes verlangen. Dagegen besteht kein Beseitigungsanspruch insoweit, als K 2 sich auch Karl Krause nennt. Denn er benutzt diesen Namen berechtigterweise. Stattdessen kann K 1 aber verlangen, dass K 2 seine Wirtschaft nicht Zum Treppchen nennt. Denn diese Bezeichnung führt K 2 unberechtigt und K 1 hat ein berechtigtes Interesse an deren Entfernung. Sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass K 2 auch in Zukunft dem K 1 das Recht bestreitet, sich Karl Krause und seine Wirtschaft Zum Treppchen zu nennen, hat eine Unterlassungsklage des K 1 Erfolg. Außerdem kann K 1 von K 2 Schadensersatz in Form von Verdienstausfall verlangen, der ihm dadurch entstanden ist, dass Kunden infolge der Zeitungsanzeige ausgeblieben sind. Anspruchsgrundlage hierfür ist 823 Abs. 1 BGB, da das Namensrecht gemäß 12 BGB als sonstiges Recht im Sinne von 823 BGB angesehen wird. Erforderlich ist, dass K 2 bei der Zeitungsanzeige schuldhaft gehandelt hat. III. Allgemeines Persönlichkeitsrecht 1) Medien- oder Kommunikationsgrundrechte Das Grundgesetz enthält eine Reihe von Medien- oder Kommunikationsgrundrechten. Damit sind die Grundrechte gemeint, auf die sich diejenigen Personen berufen können, die Medien herstellen oder verbreiten, um sich gegen staatliche Eingriffe zu wehren. Darunter fallen: - Meinungsfreiheit: Recht, seine Meinung, frei zu äußern und zu verbreiten;
- Informationsfreiheit: Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. - Freiheit der Massenmedien: Presse-, Rundfunk- und Filmfreiheit ( Medienfreiheit ). Diese Grundrechte sind in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz geregelt. Art. 5 GG lesen! 2) Allgemeines Persönlichkeitsrecht Während die vorstehend genannten Kommunikationsgrundrechte dem Schutz der Medien dienen, können sich auch die Personen, über die in den Medien berichtet wird, auf Grundrechte berufen. Wichtigstes Grundrecht ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Unter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht versteht man das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet sich: - im Grundgesetz und - im allgemeinen Zivilrecht. 3) Allgemeines Persönlichkeitsrecht in der Verfassung Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist im Grundgesetz nicht ausdrücklich geregelt, sondern wird aus Art. 2 Abs. 1 i.v.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet. Schutzgegenstand des verfassungsrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist der unmittelbare Freiheitsbereich des Individuums, den es vor staatlichen und privaten Eingriffen zu schützen gilt.
Dem BVerfG zufolge soll der Einzelne grundsätzlich selbst entscheiden können, wie er sich Dritten oder der Öffentlichkeit gegenüber darstellen und insbesondere ob und wie er mit einer eigenen Äußerung hervortreten will. Hierin liegt die Schutzfunktion des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegen die Medien begründet. Entsprechend kann sich der Betroffene bei einer unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergabe seiner Äußerungen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen. 4) Allgemeines Persönlichkeitsrecht im Zivilrecht Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz ist in erster Linie ein Abwehrrecht gegen den Staat. Damit sich der Einzelne im Privatrechtsverkehr gegenüber anderen Personen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen kann, muss es auch im Zivilrecht gelten. Der Gesetzgeber hat ein zivilrechtliches allgemeines Persönlichkeitsrecht in allen seinen Ausprägungen aber nicht gesetzlich geregelt. Stattdessen hat er nur einzelne Bereiche des Persönlichkeitsrechts in speziellen zivilrechtlichen Vorschriften normiert. Welche besonderen Persönlichkeitsrechte kennen Sie? Zu diesen besonderen Persönlichkeitsrechten gehören: - das Namensrecht ( 12 BGB) - das Recht am eigenen Bild ( 22 ff. KUG) - das Recht an der Stimme ( 22 ff. KUG analog) - der Ehrenschutz ( 185 ff. BGB: vorsätzliche Ehrverletzungen) - das Urheberpersönlichkeitsrecht ( 12 ff. UrhG)
Im Laufe der Zeit zeigte sich aber, dass mit diesen besonderen Persönlichkeitsrechten kein umfassender Schutz gegen die zunehmenden Beeinträchtigungen des persönlichen Lebens- und Freiheitsbereichs gewährt werden konnte. Aus diesem Grund erkannte der BGH im Jahre 1954 an, dass sich allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht nur gegen den Staat und seine Organe richtet, sondern auch im Privatrechtsverkehr gegenüber jedermann gilt. Spätestens seit dieser Entscheidung des BGB hat sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu einem eigenständigen Bestandteil des Zivilrechts entwickelt und wird allgemein z.b. als sonstiges Recht im Sinne von 823 Abs. 1 BGB anerkannt. Zu den Ausprägungen des zivilrechtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die nicht spezialgesetzlich geregelt sind, aber über 823 BGB geschützt werden, gehören z.b.: - der Ehrenschutz (fahrlässige Ehrverletzungen) - der Diskretionsschutz (Schutz der Intim-, Privat- und Sozialsphäre) - der Lebensbildschutz (Schutz vor der Darstellung des Lebensbildes insgesamt oder in wesentlichen Bereichen) - die persönliche Identität/Individualität (Recht auf wahrheitsgemäße Darstellung wesentlicher Persönlichkeitsattribute) Zur Lösung von Fällen, in denen es um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten gilt: Soweit es um die Verletzung eines besonderen Persönlichkeitsrechtes z.b. Verletzung des Rechts am eigenen Bild gemäß 22 KUG geht, ist dieses zuerst zu prüfen, bevor auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückgegriffen wird.