Frankfurter Erklärung der IG Metall: Aktiv für eine demokratische und solidarische Gesellschaft



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Transkript:

Frankfurter Erklärung der IG Metall: Aktiv für eine demokratische und solidarische Gesellschaft Unser Ziel ist ein gutes Leben für alle Menschen. Unsere Leitlinien zur Erreichung dieses Ziels sind Gerechtigkeit, Fairness, Beteiligung, Demokratie und Mitbestimmung, sowie die Anerkennung und Berücksichtigung von Vielfalt und Humanität in der Arbeitswelt und der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die den Wert der Arbeit achtet und auf Teilhabe, Fairness und sozialer Integration beruht, braucht starke Gewerkschaften. Im Vorfeld der Bundestagswahl ist es gelungen, unsere Themen und Forderungen gesellschaftlich und politisch breit zu verankern. Zeitnah nach Beendigung der Koalitionsverhandlungen wird eine Bewertung der Ergebnisse erfolgen, aus der wir Rückschlüsse für unsere Arbeit ziehen. Wir befinden uns in einer Phase eines tiefgreifenden Umbruchs in der Weltwirtschaft, in Europa und auch in Deutschland. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Balance zwischen Staat, Markt und Demokratie nachhaltig gestört. Das Wachstums- und Wohlstandsmodell unserer Industriegesellschaften steht vor grundlegenden Herausforderungen. Ökonomisches Wachstum stößt immer mehr an ökologische Grenzen. Die strategische Neuausrichtung der Unternehmenspolitik an kurzfristigen Renditeerwartungen und Aktienkursen führt zu tiefgreifenden Umbrüchen in der Arbeitswelt. Der Trend zur Prekarisierung der Arbeitswelt hat zur Rückkehr der sozialen Unsicherheit geführt. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Vermögende entziehen sich zunehmend der Solidargemeinschaft, indem sie sich immer weniger an der Finanzierung unseres Gemeinwesens und unserer Demokratie beteiligen. Unsere Demokratie befindet sich angesichts dieser Entwicklungen in einer schweren Vertrauens- und Legitimationskrise. Unser Ziel ist ein gutes Leben für alle Menschen. Deshalb setzen wir uns für eine humane Ökonomie ein, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt stellt. Arbeit sicher und fair für alle Ein gutes Leben ist ohne gute Arbeit in all ihren Facetten nicht möglich. Gute Arbeit gibt Menschen Raum und eröffnet ihnen Chancen für die Planung der eigenen Zukunft. Gute Arbeit ist die Grundlage dafür, dass Menschen sich engagieren und die Frankfurter Erklärung der IG Metall, 6. Außerordentlicher Gewerkschaftstag der IG Metall, 25.11.2013 1

Gesellschaft mitgestalten. Für eine fortschrittliche und aufgeklärte Gesellschaft gilt: Wohlstand, Innovationen und Wachstum gibt es nur mit Guter Arbeit. Sichere Arbeitsplätze und ein ausreichendes und verlässliches Einkommen haben für unsere Mitglieder höchste Priorität. Mit unserer Tarifpolitik setzen wir uns aktiv dafür ein und fördern das Prinzip guter Arbeit. Von der Politik erwarten wir, dass sie gute Arbeit wieder zum Maßstab ihrer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik macht. Der Wert der Arbeit muss wieder hergestellt werden. Jede und Jeder soll von seiner Arbeit leben können. Die Spaltung der Belegschaften in Beschäftigte erster, zweiter oder gar dritter Klasse muss aufgehoben werden. Sicherheit darf nicht gegen Unsicherheit ausgespielt werden. Dazu bedarf es einer grundlegenden Neuordnung des Arbeitsmarktes, die dem Leitbild gleicher Lohn für gleiche Arbeit folgt und dem Wildwuchs von Leiharbeit, Werkvertragsbeschäftigung und Beschäftigung im Niedriglohnsektor ein Ende setzt. Ein flächendeckender, gesetzlicher Mindestlohn, die Abschaffung sachgrundloser Befristungen, die Erleichterung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen, eine Erweiterung des Entsendegesetzes und die Einführung eines Verbandsklagerechts sind dafür zwingend notwendig. Nötig sind zudem existenzsichernde Leistungen für Langzeitarbeitslose und Zumutbarkeitsregeln, die nicht zur Aufnahme prekärer Arbeit zwingen. Auch Arbeitslose haben ein Recht auf tariflich abgesicherte Löhne. Kompetent in Sachen Arbeit Wir brauchen für die Beschäftigten Angebote, die ihnen je nach individueller Lebenslage ermöglicht, ein gutes Leben zu führen. Dafür brauchen wir auf der einen Seite einen aktiven und ermöglichenden Sozialstaat, der den Menschen für jede Alters- und Lebenslage unterstützende Instrumente anbietet. Auf der anderen Seite wird die IG Metall die Ergebnisse der Beschäftigtenbefragung für eine betriebs-, tarif- und gesellschaftspolitische Offensive nutzen. Arbeitszeit und Flexibilität: Es muss eine neue Balance entstehen zwischen den Flexibilitätsanforderungen der Unternehmen und denen der Beschäftigten. Das setzt voraus, dass die Wünsche der Beschäftigten gleichberechtigt neben den betrieblichen Anforderungen stehen. Der Entgrenzung von Arbeitszeit setzen wir sozial- und gesundheitsverträgliche Arbeitszeiten entgegen. Vereinbarkeit von Arbeit und Leben: Dafür werden wir betriebliche Maßnahmen vorantreiben, die helfen, Arbeit und Leben, Familie und Beruf besser zu vereinba- Frankfurter Erklärung der IG Metall, 6. Außerordentlicher Gewerkschaftstag der IG Metall, 25.11.2013 2

ren. Wichtiger gesellschaftlicher Baustein ist, die Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Altersgruppen auszubauen. Berufliche Entwicklung: Betriebliche Aus- und Weiterbildung ist von großer Bedeutung für die Beschäftigten. Mit unseren Ausbildungs- und Übernahmetarifverträgen sowie den Qualifizierungstarifverträgen haben wir dem Rechnung getragen. Dies gilt es, weiter zu entwickeln. Ziel gewerkschaftlicher Betriebspolitik ist, dass Weiterbildungsmaßnahmen für alle Beschäftigtengruppen möglich sind und so individuelle Entwicklungsperspektiven eröffnet werden. Alters- und alternsgerechte Arbeit: Mehr denn je müssen wir in den Betrieben darauf achten, dass Arbeit nicht krank macht. Leistungs- und Zielvorgaben müssen dem Alter entsprechen, klar formuliert und mitbestimmt sein. An unserer Forderung nach einer verbindlichen Antistressverordnung halten wir fest. Flexible Übergänge in die Rente: Der Rente mit 67 setzen wir unser Konzept für flexible Ausstiegsmöglichkeiten entgegen. Wir fordern vom Gesetzgeber bessere Rahmenbedingungen für abgesicherte Übergänge aus der Arbeit in den Ruhestand. In den Diskussionen über die besten Lösungen sind die Wünsche und Erfahrungen der Beschäftigten sowie der betrieblichen Interessenvertreter entscheidend. Der Dialog beginnt jetzt. Die Ergebnisse münden in ein betriebs- und tarifpolitisches Konzept. Organisationskraft stärken, Kampagnenfähigkeit erhöhen Die IG Metall ist in den Betrieben durch Betriebsräte, Vertrauensleute und aktive Mitglieder fest verankert. Darauf aufbauend gilt es, unsere Stärke weiter auszubauen. In bereits erschlossenen Betrieben wollen wir in allen Beschäftigtengruppen neue Mitglieder gewinnen, mit besonderem Fokus auf die junge Generation. Die Mitgliederstruktur soll der Beschäftigtenstruktur entsprechen. Die Angebote für bislang unterrepräsentierte Gruppen werden wir weiter ausbauen. Wir wollen die Tarifbindung erhöhen. Das schaffen wir nur mit gewerkschaftlichen Strukturen sowie gut organisierten und damit durchsetzungsfähigen Belegschaften auch in den bisher tariffreien Bereichen. Wir werden weiter darum kämpfen, möglichst viele Betriebe in die Tarifbindung zu holen oder zurückzuführen. Ebenso wichtig ist die Erschließung neuer Betriebe und ganzer Branchen. Dort müssen wir die nötige Durchsetzungskraft erreichen, um Tarifverträge abschließen zu können. Eine starke tarifpolitische Handlungs- und Durchsetzungsfähigkeit im Osten ist eine wichtige Voraussetzung dafür, die tarifpolitischen Differenzen zwischen West und Ost aufzuheben. Gesellschaftspolitisch geht die Angleichung der Lebensverhältnisse weit über die Tarifpolitik hinaus. Die IG Metall versteht sich als eine Gesamtorganisation mit der Aufgabe, die Unterschiede zwischen Ost und West aufzuheben. Frankfurter Erklärung der IG Metall, 6. Außerordentlicher Gewerkschaftstag der IG Metall, 25.11.2013 3

Unsere Aktivitäten zur Erschließung von Betrieben entlang der Wertschöpfungskette werden wir fortsetzen und durch Kampagnen unterstützen. Dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff setzen wir unseren gewerkschaftlichen Betriebsbegriff entgegen und damit den Vertretungsanspruch für alle Beschäftigten in unserem Organisationsbereich. Unsere Mobilisierungsfähigkeit sowie unsere Kampagnen dienen einerseits dazu, unsere Forderungen durchzusetzen, andererseits um die positive Wahrnehmung der IG Metall in der Gesellschaft als solidarisch-gestaltende Kraft zu erhöhen. Zukunftssicherung für die junge Generation Gut ausgebildete junge Menschen sind die Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft und einer stabilen Volkswirtschaft. Das wird die IG Metall ins Zentrum ihrer Teilkampagne Revolution Bildung stellen. Gute Bildung schafft Teilhabe und ermöglicht eine erfolgreiche berufliche Entwicklung sowie Lebensgestaltung. Gute Bildung entfaltet die individuellen Potentiale aller Menschen und sichert so den zukünftigen Fachkräftebedarf. Viele Menschen werden jedoch von guter Bildung ausgeschlossen. Die Schule segmentiert nach wie vor nach sozialer Herkunft. Das muss sich ändern. Das Bildungssystem muss durchlässig und offen gestaltet sein. Mehr Gewerkschaftsrechte, mehr Arbeitnehmerrechte und mehr Bürgerrechte Die neoliberale Politik der letzten Jahre hat zu einem Übergang von einer Marktwirtschaft in eine Marktgesellschaft geführt und damit zur Durchsetzung des Primats der Ökonomie. Der Ökonomisierung aller Lebensbereiche setzen wir unser Konzept der Beteiligung und Demokratisierung in Betrieb und Gesellschaft entgegen. Wir wollen die Bürger-, Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte stärken. Dass sich die Menschen an Entscheidungen in Politik und Wirtschaft beteiligen, wird immer wichtiger. Es braucht die Vorschläge von vielen, um die komplexen Fragestellungen von Morgen gut zu lösen. Es ist höchste Zeit, individuelle und kollektive Mitbestimmungsrechte in Unternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft zu erweitern. Spätestens die Erfahrungen mit finanzmarktgetriebenen Investoren und die drängende Frage, wie wir sozialverträglich den ökologischen Wirtschaftsumbau schaffen, haben die Demokratisierung der Wirtschaft neu auf die Tagesordnung gesetzt. Die Mitbestimmung auf allen Ebenen des Wirtschaftsprozesses muss voll genutzt und ausgebaut werden. Wichtige Schritte dafür sind: Mehr Mitbestimmung durch Partizipations- und Beteiligungsrechte der Beschäftigten. Frankfurter Erklärung der IG Metall, 6. Außerordentlicher Gewerkschaftstag der IG Metall, 25.11.2013 4

Mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte. Insbesondere zur Beschäftigungssicherung und Regulierung von Outsourcing, Leiharbeit und Werkverträgen. Die Demokratisierung von Unternehmensentscheidungen sowie qualifizierte Mehrheiten für bestimmte Unternehmensentscheidungen, wie im VW-Gesetz. Mehr Beteiligung stärkt auch die IG Metall: Wenn die Mitglieder und potenziellen Mitglieder sich mit ihrer ganzen menschlichen Vielfalt bei Alter, Geschlecht, Kulturen und Berufen einmischen, dann können wir die Erwartungen aufnehmen und adäquate Lösungen finden. Beteiligung führt zu guten Ergebnissen, Transparenz und schafft Akzeptanz und Legitimation. Dies entspricht den Erwartungen unserer Mitglieder und unserem Selbstverständnis als demokratische Mitgliederorganisation. Die IG Metall wird die Betriebsratswahl 2014 in diesem Sinne offensiv nutzen. Wir wollen eine möglichst hohe Wahlbeteiligung, die Anzahl der Betriebe mit Betriebsrat erhöhen und die Beschäftigtenstrukturen besser in den Gremien abbilden. Unser Ziel ist ein möglichst gutes Wahlergebnis für die Kandidatinnen und Kandidaten der IG Metall. Ohne Industrie kein Wohlstand Wohlstand und Arbeitsplätze von Morgen hängen davon ab, ob heute in Innovation und Nachhaltigkeit der industriellen Produktion investiert wird. Deutschland zeichnet aus, dass entlang der industriellen Wertschöpfungsketten Menschen mit hervorragendem Know-how arbeiten. Hochwertige und wettbewerbsfähige Industriefertigung widerspricht prekärer Beschäftigung. Daher ist eine neue Industriepolitik notwendig, die mit der Neuordnung des Arbeitsmarkts soziale und ökologische Nachhaltigkeit zusammenführt sowie über Forschung und Entwicklung in wirtschaftliche Nachhaltigkeit investiert. Fast alle Glieder moderner industrieller Wertschöpfungsketten sind in Deutschland auf hohem Niveau vorhanden auch um die Energiewende zu schaffen. Dafür muss ein Masterplan eine sichtbare politische Koordinierung der Energiewende und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Wir schlagen eine Plattform Industriepolitik und Energiewende vor, über die Politik, Unternehmen, Gewerkschaften, Umweltverbände und Wissenschaft zusammenwirken. Für ein demokratisches und soziales Europa Die Krise in Europa ist nicht vorbei. Im Gegenteil: Was als ökonomische Krise begann, weitet sich durch die aktuelle Krisenpolitik mit ihrer einseitigen Sparpolitik zu einer sozialen Krise und zu einer Krise der Demokratie aus. In vielen Ländern sinken Sozialstandards und Arbeitnehmerrechte dramatisch. Verursacher und Nutznießer der Krise werden aber geschont. Das muss sich ändern. Frankfurter Erklärung der IG Metall, 6. Außerordentlicher Gewerkschaftstag der IG Metall, 25.11.2013 5

Die europafeindliche Propaganda wächst nicht nur von Seiten rechtspopulistischer Parteien. Deshalb werden wir die bevorstehenden Europawahlen nutzen, um für ein demokratisches, soziales Europa zu werben. Angesichts dieser wachsenden Ungleichgewichte braucht Europa unsere Solidarität und wir brauchen Europa. Die IG Metall tritt ein für ein politisch vereintes, wirtschaftlich starkes und sozial gerechtes Europa. Europa braucht nachhaltiges Wachstum durch eine aktive, koordinierte und demokratisch legitimierte Wirtschafts- und Industriepolitik, damit die industrielle Basis und Wertschöpfung gesichert ist. Europa braucht eine umfassende Finanzmarktregulierung sowie gerechte Besteuerungskorridore für alle EU-Mitgliedsländer, insbesondere in der Unternehmens- und Einkommensbesteuerung und auch in der Besteuerung hoher Vermögen und Erbschaften. Europa braucht den Rückhalt der Menschen. Dafür muss sie eine soziale Union werden. Europa braucht den politischen Willen, diese Punkte im Sinne der Menschen zu regeln. Frankfurter Erklärung der IG Metall, 6. Außerordentlicher Gewerkschaftstag der IG Metall, 25.11.2013 6