Rainer.Bartel@JKU.at www.econ.jku.at/bartel Rainer.Bartel@Gruene.at www.ooe.gruene.at Werden wir über den Tisch gezogen? Puchkirchen, 20. Nov. 2003, 19:30 1 Rainer.Bartel@JKU.at 1. die Thematik 2. Globalisierung 3. Außenhandel 4. Ungeregelter Wettbewerb 5. Vorbehalte zur Kritik 6. GATT WTO 2 Rainer.Bartel@JKU.at 7. Welthandelsorganisation WTO 8. (Dienstleistungshandel) 9. -Fahrplan 10. : Kritik, Probleme 11. Mögliche -Folgen 12. Forderungen zu 3 General Agreement on Trade in Services = Allgemeines Dienstleistungs- Handelsabkommen Seit 1995 Teil der WTO-Verträge (Welthandelsverträge) Mit konkreten Inhalten zu füllen 4 Nächster Schritt der welthandelspolitischen Liberalisierung Noch ist nicht viel beschlossen,vieles aber noch geheim (Schüssel) Kein Weg führt zurück Werden wir über den Tisch gezogen? 5 Prinzip der fortschreitenden Liberalisierung Gefährdung des wirtschaftspolitischen Möglichkeitsraums? International National Regional Lokal 6
Globalisierung Nicht neu (Wende 19./20. Jh.) Nachkriegszeit: technolog. Take-off Technisierung Transnationalisierung der Wirtschaft Privatwirtschaftliches Interesse Marktzugang statt abschottung Dienstleistungen: 60% d. Weltproduktion, Globalisierung Weltwirtschaftspolitisches Interesse: Kooperation statt ruinöser wirtschaftspolitischer Konkurrenz Revival des ökonomischen Liberalismus (Neo-Liberalismus) Freizügigkeit des Finanzkapitals schon seit den 1950ern/60ern (Euro-Dollarmarkt, IMF) aber nur 20% des Welthandels 7 8 Globalisierung Neue weltweite Arbeitsteilung: Schwellenländer, Neue Industrieländer (NICs) Komparative Vorteile statt Autarkie Vermarktungskanäle? Abhängigkeit! Einseitige Liberalisierung Besondere Weltkonjunktur- Empfindlichkeit (Rohstoffe, Vorprodukte) 9 Globalisierung NormensetzerInnen wie Laokoon in Vorteilssuche und Vorteilsvergaben verstrickt: Lobbys EU, World Economic Forum (WEF), Internationale Monetary Fund (IMF), World Trade Organisation (WTO) Nationale Bindungen 10 Globalisierung "... aber es ist auch eine Tatsache, dass die Regelwerke und deren Umsetzung massiver versuchter Einflussnahme durch Interessengruppen und Lobbyisten unterworfen sind." Wolfgang Weigel, Uni Wien, 2003 11 Außenhandel Ausgleich regionaler Ressourcen- Unterschiede Komparative Kostenvorteile Spezialisierung Produktivität potenzieller Wohlstand Hohe Absatzmengen (Weltmarkt) niedrige Stückkosten und Preise ("Fixkostendegression") 12
Ungeregelter Wettbewerb Konkurrenzdenken ökonomisch effizient (Anreiz) sozial ineffizient (Gemeinschaftsgüter) Produktvielfalt (In- und Ausland) Transportvolumen Umweltverzehr Wirtschaftspolitische Kooperation nicht zur Deregulierung! 13 Ungeregelter Wettbewerb Polarisierung von Wohlstand und Macht (Erfolgreiche Erfolglose) Vermachtung der Märkte: First-Mover Advantage (Economies of Scale) Vermachtung internationaler Politik: faktischer Übergewicht reicher Staaten Shareholder Value statt Stakeholder Value und Customer Value 14 Ungeregelter Wettbewerb Vorbehalte zur Kritik Krisenanfälligkeit: Kostenwettbewerb Deflation Pessimismus Einkommensverluste Kostenwettbewerb..... 15 "Gewinne sind der Motor der Wirtschaft" (Bruno Kreisky) Staatsversagen/Politikversagen ärger als Marktversagen Direkte Demokratie als starkes Korrektiv (kann liberalistisch sein) Transparenz in der indirekten Demokratie (sinnvolle Gesamtpakete) 16 GATT WTO GATT WTO General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) = Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen 1947 Stärkere International Trade Organization (ITO) 1948 gescheitert (USA noch zu wenig einflussreich, ITO zu mächtig) 17 8 GATT-"Runden" ( Warenhandel): Marktöffnung Zollabbau Subventionskodex Uruguay-Runde 1986-93 GATT '94-Abschluss (Neuorganisation) WTO 18
WTO World Trade Organization (seit 1995): Festere Organisation UNO-Sonderorganisation 144 Mitglieder, > 90 % des Welthandels Kompetenzgestärkter Streitschlichtungsmechanismus: Dispute Settlement Body Erweitertes Mandat (1.): Agrar, Textil (zuvor nur marginal tangiert) 19 WTO Erweitertes Mandat (2.): Handel mit geistigem Eigentum TRIPS (Trade-Related Intellectual Property) Unterbindung von Handel mit gefälschten Markenprodukten Erweitertes Mandat (3.): Grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen (General Agreement on the Trade in Services) 20 WTO EU ist Mitglied der WTO EU-Mitgliedstaaten keine direkten Mitglieder durch Außenhandels-KommissarIn vertreten WTO-relevante Beschlüsse im Eur. Rat bzw. EU-MinisterInnenrat WTO WTO-Bestimmungen seit 1995 a priori auch für Dienstleistungsbereich gültig Prinzipien "Meistbegünstigung" "Marktzugang" "InländerInnenbehandlung" EU-Mandat für AH-KommissarIn 21 22 WTO "Meistbegünstigung" Keine Diskriminierung einzelner AußenhandelspartnerInnen Ausnahmen vom Prinzip der Meistbegünstigung: Partiell: Vorteile aus regionalen Integrationsabkommen (EWR, NAFTA) Generell: für die ersten 10 Jahre möglich (von fast allen Mitgliedern beansprucht) 23 "Marktzugang" WTO Keine Einschränkung der "Niederlassungsfreiheit" (wie im EWR) Nationale Ausnahmen immerhin vorbehaltbar ("sensible Güter") 24
WTO "InländerInnenbehandlung" Diskriminierungsverbot von AusländerInnen im Inland gegenüber InländerInnen In Form von Aufzählungslisten, sind aber noch erst zu konkretisieren Kaum reversibel: teures "Loskaufen" (andere Liberalisierungen oder Schadenersatz-Zahlungen für Regulierungen) 25 WTO Abweichung von Prinzipien: Nur mit Einstimmigkeit! Vertragsänderungen (WTO,,...) Nur mit Einstimmigkeit! Zwei-Drittel-Mehrheit: nur bindend für die ratifizierenden Staaten Partielle Ausnahmegenehmigungen ("Waivers"): Zwei-Drittel-Mehrheit 26 WTO Auslegungsentscheidungen bestehender Vertragstexte: Zwei-Drittel-Mehrheit WTO-Schiedsgericht: "bricht" nationales Recht (wie EU-Recht) legitimiert Sanktionen: Verhängung von Strafzöllen durch Klägerstaat 27 WTO Höchstes WTO-Organ: MinisterInnenkonferenz alle 2 Jahre (Doha 2001, Cancun 2003) Delegation der zwischenzeitlichen Verhandlungen Allgemeiner Rat (Wirtschaftsattachés bei UNO in Genf) Räte, Ausschüsse, Arbeits- und Verhandlungsgruppen 28 Regelmäßige Berichtspflicht über nationale Liberalisierungsschritte (nationale Liberalisierungs"pflicht"): Zweijährlich nationale Liberalisierungsberichte Rechtfertigungsdruck für Nicht- Liberalisierung!) 29 Nationale Liberalisierungspflicht Nationale Regulierungen immerhin möglich, aber WTO-konform! D.h. keine Beeinträchtigung des internationalen Handels (keine versteckten Handelshemmnisse) Geplant: Necessity Test, ob innerstaatliche Regulierungen nötig (Kriterien) 30
Nationale Liberalisierungspflicht: bisherige generelle Ausnahmen Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Moral Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen Wahrung der Sicherheit 31 Sehr weit gefasster Dienstleistungsbereich (155 Einzeldienstleistungen) Dienstleistungsgruppen Unternehmerische und berufsbezogene Dienstleistungen Kommunikationsdienstleistungen Finanzdienstleistungen 32 Dienstleistungsgruppen Medizinische & soziale Dienstleistungen Tourismus und Reisen Bau- und Montagedienstleistungen Vertriebsdienstleistungen Bildungsdienstleistungen Umweltdienstleistungen 33 Dienstleistungsgruppen (Fortsetzung) Erholung, Kultur und Sport Transportdienstleistungen Sonstige, nicht ausgeführte Dienstleistungen ("Hintertüre"?) 34 Umfassend definierte Erbringungsbereiche: Grenzüberschreitende Lieferungen Dienstleistungskonsum im Ausland Kommerzielle Präsenz im Ausland (Direktinvestitionen) Zeitweise Migration von Generelle Ausnahmen: Luftfahrtsrechte Hoheitsbereich: allgemein bezeichnet als "in Ausübung hoheitlicher Gewalt" konkret definiert durch staatliche Monopolstellung Öffentliches Beschaffungswesen: noch unsicher, abh. v. Art. XIII -Vertrag DienstleistungserbringerInnen 35 36
Konkrete Liberalisierungsabkommen (bislang erst relativ spärlich): Finanzdienstleistungen (1997): 70 Mitglieder, 90 % der Transaktionen Einzelne Telekom-Dienstleistungen (1998): 72 Mitglieder, 90 % des Marktvolumens 37 -Fahrplan Feb 2000: Verhandlungsprozess wieder aufgenommen 2001-03: "Doha-Runde wesentliche Liberalisierungen geplant Bis 30. Juni 2002: Wünsche der Mitgliedstaaten auf konkrete Liberaliusierungsbereiche, aber: gerichtet an die anderen Mitglieder 38 -Fahrplan Bis 31. März 2003: Deponierung der konkreten eigenen Liberalsisierungsangebote der Mitglieder Im EU-Vorschlag an die Mitglieder ausgeklammert: Gesundheit, Soziales, Audiovision, Erziehung (Bildung?) Von Österreich ausgeklammert: Bildung und Gesundheit 39 -Fahrplan September 2003: MinisterInnenkonferenz in Cancun Weit reichender Abschluss misslungen wegen: wegen massiver zivilgesellschaftlicher und regionalpolitischer Proteste Streit um Agrarfragen (Marktöffnung der Industrieländer) 40 -Kritik-Probleme Keine parlamentarische Kontrolle des WTO-Handelns Austritt aus /WTO nicht vorgesehen WTO-relevante EU-Entscheidungen In Form von Beschlüssen des MinisterInnenrats oder des Europäischen Rats -Kritik/-Probleme Bei gemischter Zuständigkeit EU Mitgliedstaaten nur/immerhin folgende Bereiche einer Ratifizierung durch die Mitglieder vorbehalten: Kulturelle und audiovisuelle Dienstleistungen Bildung, Soziales, Gesundheit Internationale Verkehrsabkommen 41 42 EP hat fast nur Informationsrechte!
-Kritik-Probleme "Geheimdiplomatie" Öffentlichkeit abgeschottet (Schüssel) Vgl. das bislang gescheiterte internationale Investitionsschutzabkommen Multilateral Agreement on Investment (MAI) -Kritik/-Probleme Lobbyismus "Coalition of Service Industries" zur Beratung des US-Kongresses für die -Verhandlungen Höchste europäische Dichte der Industrierepräsentanzen: in Brüssel (!) 43 44 -Kritik-Probleme Druckausübung auf Entwicklungs- und Schwellenländer im WTO- MinisterInnenrat Faktische Irreversibilität der WTO- Vertragsbestimmungen Keine Vorbehalte aus sozialen und ökologischen Gründen vorgesehen -Kritik/-Probleme Keine beurteilende Einschätzung der bisherigen Liberalisierungsmaßnahmen...... v.a. in Verbindung mit der... Einbeziehung heikler Ver- und Entsorgungsbereiche (Wasser; Uranbrennstäbe,...) 45 46 Mögliche -Folgen Aufhebung von Marktregulierungen (Deregulierungen) wirtschaftspolitisch vielleicht ineffizient, aber noch nötig und verbesserungsfähig Wegfall würde Marktversagen bewirken (negative soziale Effekte hinsichtlich: Versorgung, Qualität, Verteilung, Beschäftigung, sozialer Sicherheit,...) 47 Mögliche -Folgen Subventionen (EU: Beihilfen ) werden wegen "InländerInnenprinzip" zu teuer (ausländische AnbieterInnen im Inland haben Anrecht auf selbe Subventionen wie InländerInnen) Kompetenzverlust in der staatlichen Strukturpolitik (Industriepolitik) 48
Mögliche -Folgen Private KonkurrentInnen "Rosinenpicken" der Gewinnbereiche Staat behält Verlustbereiche (soziale Aufgabenerfüllung) Staat darf/kann Verlustbereiche nicht subventionieren Qualitäts- und Quantitätsverlust der Versorgung sozialer Problembereiche 49 Mögliche -Folgen Zwei-Klassen-Gesellschaft Gesundheit und Bildung Kommunale Ver- und Entsorgung Sozialversicherung (reiche, gut versorgte arme, schlecht oder gar nicht versorgte Bevölkerungsschicht) Kompetenzverlust in der staatlichen Sozialpolitik 50 Mögliche -Folgen Wasserwirtschaft Wasserexport bei gleichzeitiger Wasserknappheit Kompetenzverlust in der staatlichen Ressourcenpolitik Mögliche -Folgen Umwelt- und Sozialstandards als versteckte Handelshemmnisse angesehen WTO-Inkonformität Kompetenzverlust in der staatlichen Umwelt- und Sozialpolitik 51 52 Mögliche -Folgen WanderarbeiterInnen weichen Lohnund Arbeitsstandards auf staatlicher Kompetenzverlust in der Arbeitsmarktpolitik Forderungen zu Primat der (internationalen) Politik gegenüber dem Markt ökonomische und soziale Effizienz (Produktivitätsmaximum unter der Nebenbedingung von Gemeinschaftsgütern) 53 54
Forderungen zu Repolitisierung des öffentlichen Sektors Orientierung auf Weltwirtschaft und Gesamtwohlfahrt erforderlich Nach der Kompetenzübertragung auf die Märkte besonders nötig Transparenz zwecks sozialer Kontrolle des Reformprozesses 55 Forderungen zu Evaluierung des bisherigen Liberalisierungseffekte vor weiteren Liberalisierungen 56 Meinungen zu "Kein Handelsabkommen ist besser als ein ungerechtes." Joseph Stiglitz, 2003 57 Meinungen zu "Ein Teil der Vorbehalte gegen rührt m.e. daher, dass im Text des Abkommens die typischen Kriterien für öffentliche Aufgaben, wie sie heute in jedem Textbuch der Finanzwissenschaft (der Lehre von den Aufgaben und Ausgaben des Staates und ihrer Finanzierung) enthalten sind, bestenfalls implizit angesprochen werden und dadurch das begründete Unbehagen nicht nur der Ökonomen nähren, die Redakteure und die Betreiber von könnten sich über bestimmte Grundtatsachen der Ökonomie hinwegschwindeln wollen." Wolfgang Weigel, 2003 58