Institut für Wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Weiterbildung GmbH Institut an der FernUniversität Hagen IWW Studienprogramm Vertiefungsstudium Modul VI: Steuern und Bilanzen Lösungshinweise zur 3. Musterklausur
Seite 2 Zu Aufgabe 1 50 Punkte a) Wahlrechte und Ermessensspielräume sind Aktionsparameter der Bilanzpolitik. Wahlrechte werden im Gesetz ausdrücklich eingeräumt, Ermessensspielräume hingegen nicht. Ermessensspielräume des Bilanzierenden bestehen aufgrund von bisher ungeklärten Rechtslagen oder im Falle von Schätzungen. Aktionsparameter können bei der Bilanzierung und bei der Bewertung bestehen. Sie können sowohl Aktiva als auch Passiva betreffen. Systematisch können die Wahlrechte und Ermessensspielräume wie folgt untergliedert werden: - Wahlrechte und Ermessensspielräume bei Aktivierung, - Wahlrechte und Ermessensspielräume bei Passivierung, - Wahlrechte und Ermessensspielräume bei der Bewertung der Aktiva, - Wahlrechte und Ermessensspielräume bei der Bewertung der Passiva. Aktivierungswahlrechte sind selten. Zu nennen sind vor allem der wahlweise Ansatz eines entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwerts ( 255 Abs. 4 HGB) und der wahlweise Ansatz eines Disagios als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten ( 250 Abs. 3 HGB). Beide Wahlrechte führen steuerlich nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des großen Senats des BFH zur Maßgeblichkeit zu Aktivierungsgeboten. Für den Geschäftsoder Firmenwert ergibt sich dies ausdrücklich auch aus 5 Abs. 2 EStG. Wahlrechte und Ermessensspielräume bei der Passivierung sind selten. Sie betreffen den Ansatz von Rückstellungen Wahlrechte bei der Bewertung der Aktiva kommen häufig vor. Hier können insbesondere genannt werden: - Wahlrechte bei Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (Verbrauchsfolgeverfahren, Einbeziehung von Gemeinkosten), - Wertansatzwahlrechte ( 253, 254 HGB) und - Wahlrechte bei den Abschreibungen (Wahl der Abschreibungsmethode, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen). Ermessensspielräume bei der Bewertung bestehen sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite der Bilanz. Auf der Aktivseite bestehen sie vor allem bei der Bestimmung der Nutzungsdauer von Vermögensgegenständen des abnutzbaren Anlagevermögens und bei der Ermittlung der Herstellungskosten. Auf der Passivseite ergeben sich Ermessensspielräume vor allem im Rahmen der Schätzung der Wertansätze von Rückstellungen. b) Wird in der Bilanz ein möglichst niedriger Gewinnausweis angestrebt, dann sind in der Bilanz die Aktiva möglichst niedrig und die Passiva möglichst hoch zu bewerten. Korrespondierend hierzu sind in der Gewinn- und Verlustrechnung Aufwendungen möglichst hoch und Erträge möglichst niedrig auszuweisen. Möglichkeiten für derartige bilanzpolitische Maßnahmen bestehen insbesondere darin, dass Abschreibungen möglichst hoch bemessen, Vorräte möglichst niedrig und Rückstellungen möglichst hoch bewertet werden.
Seite 3 Für das Ziel des Ausweises eines möglichst hohen Gewinnes gilt das Umgekehrte. In der Bilanz sind die Aktiva also möglichst hoch und die Passiva möglichst niedrig zu bewerten. Bei Abschreibungswahlrechten sollte die niedrigst mögliche Abschreibung gewählt werden. Rückstellungen sollten so gering wie möglich bewertet werden. Möglichkeiten der Zuschreibung hingegen sollten voll genutzt werden. c) Ein Unternehmen kann allenfalls in sehr geringem Umfang eine von der Handelsbilanz politisch unabhängige Steuerbilanzpolitik betreiben. Dies liegt daran, daß Wahlrechte und Ermessensspielräume infolge des Maßgeblichkeitsgrundsatzes des 5 Abs. 1 Satz 1 EStG und des umgekehrten Maßgeblichkeitsgrundsatzes des 5 Abs. 1 Satz 2 EStG in Handelsund Steuerbilanz regelmäßig nur einheitlich ausgeübt werden können. Zu Aufgabe 2 20 Punkte Nach der Abschreibung bzw. Teilwertabschreibung wurden die Aktien zum 31.12.2005 mit einem Wert von 14 Mio bewertet. Am 31.12.2006 beträgt der Börsenwert der Aktien 18 Mio ; er liegt damit über den Anschaffungskosten von 17 Mio. Handelsrechtlich besteht nach 253 Abs. 5 HGB grundsätzlich ein Wahlrecht, den niedrigeren Wert beizubehalten oder eine Zuschreibung bis auf die Anschaffungskosten vorzunehmen. Eine Zuschreibung über die Anschaffungskosten hinaus ist nach 253 Abs. 1 HGB nicht zulässig. Bei einer GmbH ist aber zusätzlich zu den genannten Rechtsnormen 280 HGB zu beachten. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift wird aus dem Beibehaltungswahlrecht des 253 Abs. 5 HGB ein Zuschreibungsgebot. In der Handelsbilanz zum 31.12.2006 sind die Aktien deshalb zwingend mit 17 Mio anzusetzen. Dies ist mit dem Ziel eines möglichst hohen Gewinnausweises konform. In der Steuerbilanz hat die Bewertung der Aktien aufgrund des Bewertungsvorbehalts des 5 Abs. 6 EStG nach Steuerrecht zu erfolgen. Es ist 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzuwenden. Nach 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.v.m. Nr. 1 Sätze 4 und 1 EStG hat die GmbH die Aktien mit ihren Anschaffungskosten zu bewerten. Es ist also auch in der Steuerbilanz eine Zuschreibung vorzunehmen. Deshalb sind die Aktien in der Steuerbilanz zum 31.12.2006 ebenfalls mit 17 Mio anzusetzen, unabhängig von dem Ziel eines möglichst geringen Gewinnausweises. Die Wertansätze in der Handels- und Steuerbilanz stimmen überein. Zu Aufgabe 3 50 Punkte Hinweis: Hier handelt es sich um Lösungshinweise. Eine Beantwortung der Aufgabe in diesem Umfang wurde nicht verlangt. Als Ziel der betrieblichen Steuerpolitik wird in der Praxis häufig die Minimierung der Steuerzahlungen genannt. Dieses Ziel ist sicherlich nicht sinnvoll. Es könnte nämlich am leichtesten dadurch erreicht werden, dass der Unternehmer entweder alle betrieblichen Aktivitäten einstellt oder aber willentlich tatsächliche - und nicht nur buchmäßige - Verluste
Seite 4 erwirtschaftet. Sinnvoll ist hingegen die Minimierung der diskontierten Steuerzahlungen bei unverändertem realen Sachverhalt. Dieser diskontierte Wert der künftigen Steuerzahlungen wird im Schrifttum üblicherweise als Steuerbarwert bezeichnet. Der Steuerbarwert (Bar) ist wie folgt definiert worden: (1) Bar = n S (t) q t, für,..., n, mit q = 1 + i. t = 0 Hierbei gibt S(t) die Steuerzahlungen in der Periode t, q den Diskontierungsfaktor und der Index t die Zeiteinheiten und n das Ende des Planungszeitraums an. i ist der Nettozinssatz nach Steuern, d.h. der Zinssatz, der sich ergibt, wenn von den Bruttozinsen die auf diesen ruhende Steuerbelastung abgezogen wird. Bestehen j steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten (j = 1, 2...,m), so sind deren Barwerte miteinander zu vergleichen. Die Alternative mit dem geringsten Barwert ist sodann bei zieladäquatem Verhalten zu wählen. Dies kann wie folgt dargestellt werden: (2) Bar (j) >Min! Besteht eine Vielzahl steuerbilanzpolitischer Aktionsparameter, so ist die Ermittlung aller miteinander zu vergleichenden Steuerbarwerte zeitaufwendig und damit kostenträchtig. Es stellt sich die Frage, ob Ersatzkriterien des Vorteilsvergleichs, nachgeordnete Formalziele also, ableitbar sind. Diese müssen mit der Zielsetzung der Steuerbarwertminimierung vereinbar sein und sich logisch aus ihr ergeben. Durch die Ausübung eines Bilanzierungs- oder Bewertungswahlrechts für das Jahr t = 0 (Bw(0)) in der Form, dass ein niedrigerer als der höchstzulässige Wert angesetzt wird, erhöhen sich die steuerlich abzugsfähigen Aufwendungen dieser Periode (Betriebsausgaben). Das Produkt aus Bw(0) und dem Steuersatz s(0) ergibt die Steuerersparnis des Jahres t = 0, die als S(0) bezeichnet werden soll: (3) S (0) = Bw (0) s (0). Angemerkt sei, dass es sich bei S (0) ebenso wie bei dem später noch zu definierenden S (i) um Steuerdifferenzen handelt. Korrekt wäre deshalb eine Schreibweise in der Form ΔS (0) bzw. ΔS (t). Hierauf wird aus Vereinfachungsgründen aber verzichtet. Der Steuersatz s (0) ist ein kombinierter Ertragsteuersatz. Er setzt sich bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften aus einer Kombination des Einkommen- und des Gewerbesteuersatzes zusammen. Bei Kapitalgesellschaften besteht er aus einer Kombination des Körperschaft- und des Gewerbesteuersatzes. In beiden Fällen ist zu berücksichtigen, dass die Gewerbesteuer von ihrer eigenen Bemessungsgrundlage und von der Bemessungsgrundlage der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer abzugsfähig ist.
Seite 5 Die volle oder teilweise Auflösung der durch die Ausübung eines Bewertungswahlrechtes gebildeten stillen Reserven (Bw' (t) ) in einer oder mehreren späteren Perioden t (, 2...,n) führt zu einer Erhöhung des steuerlichen Gewinns, so dass sich im Jahre t eine zusätzliche Steuerbelastungsdifferenz (S' (t) ) ergibt. Diese beträgt (4) S' (t) = Bw' (t) s (t). Hinsichtlich des Steuersatzes s (t) gelten die Ausführungen zu s (0) entsprechend. Die Differenz aus der Steuerersparnis bei Ausübung des Wahlrechts und dem Barwert der Steuermehrzahlungen als Folge der Auflösung des Bewertungswahlrechts kann als Barwert der Steuerverlagerung bezeichnet werden. Dieser Barwert beträgt: (5) S (0) n (S' (t) q t ) = Bw (0) s (0) n (Bw' (t) s (t) q t ). Die Ausübung des Bewertungswahlrechts ist vorteilhaft, wenn gilt: (6) Bw (0) s (0) > n (Bw' (t) s (t) q t ). In der Regel erfolgt die Auflösung eines Bewertungswahlrechts insgesamt mit demselben Betrag wie die vorhergegangene Ausübung, d.h. es gilt: (7) Bw (0) = n Bw' (t). Sind alle entscheidungsrelevanten Steuersätze konstant und im Zeitablauf gleichbleibend, so kann die Vorteilhaftigkeitsbedingung der Ungleichung (6) wie folgt geschrieben werden: (8) 1 > q -t bzw. q > 1. Unter Berücksichtigung von 1 + i t = q t kann geschrieben werden: (9) i > 0. Bei konstanten und im Zeitablauf gleichbleibenden Steuersätzen ist also die Ausübung eines Wahlrechts zum Zweck einer Gewinnminderung immer dann vorteilhaft, wenn die vorübergehende Steuerersparnis, als Differenzinvestition angelegt, einen positiven Zinssatz erwirtschaftet. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Erträge aus den Differenzinvestitionen selbst mit Ertragsteuern (Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuer) belastet sind. Der Zinssatz i ist somit ein Nettozinssatz, d.h. ein Zinssatz, der um die auf der Differenzinvestition ruhende Steuerbelastung gekürzt ist. Zur Klarstellung sei angemerkt, das die Differenzinvestition selbstverständlich auch in dem Abbau einer Kontokorrentschuld bestehen kann. Dies dürfte sogar der in der Praxis mit Abstand wichtigste Fall sein.
Seite 6 Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich: Bei konstanten und im Zeitablauf gleichbleibenden Steuersätzen ist es vorteilhaft, den Ausweis von Gewinnen in der Steuerbilanz so weit wie möglich in die Zukunft zu verlagern. Aufwendungen sollten also so früh wie möglich und Erträge so spät wie möglich ausgewiesen werden. Es kann hier von einer Politik der maximalen Gewinnnachverlagerung gesprochen werden. Konstante und im Zeitablauf gleichbleibende Steuersätze liegen in der Regel bei Kapitalgesellschaften vor. Allerdings können sich hier auch Ausnahmen ergeben, so insbesondere durch eine Anhebung der Gewerbesteuerhebesätze durch die einzelnen Gemeinden oder auch durch eine gesetzliche Änderung der Körperschaftsteuersätze. Bei Personenunternehmen (Einzelunternehmen, OHG, KG) beschränkt sich eine Steuerbilanzpolitik der maximalen Gewinnnachverlagerung auf die Fälle, in denen sich die Einkommen der (Mit-)Unternehmer oberhalb des Progressionsbereichs, also in dem durch den Spitzensteuersatz bestimmten Proportionalbereich (Plafond), befinden. Hat ein (Mit-)Unternehmer eines Personenunternehmens Einkommen im Progressionsbereich der Einkommensteuer, so können die Nettozinssätze allein nicht als Vorteilskriterien dienen. Hier muss grundsätzlich auf den Steuerbarwert als Vorteilskriterium zurückgegriffen werden. Sind - was der Regelfall ist - mehrere Steuerverlagerungsmöglichkeiten gegeben, so ist die Gewinnverteilung über mehrere Jahre in bestimmten Grenzen gestaltbar. In diesen Fällen gilt es, die optimale Gewinn- bzw. Einkommensverteilung bei vorgegebener Gesamthöhe der Gewinne bzw. Einkommen zu bestimmen. Dies kann mit Hilfe komplizierter und aufwendiger Optimierungsmodelle geschehen. Es lassen sich aber auch auf vergleichsweise einfachem Wege Näherungslösungen finden, die von den Optima nur geringfügig abweichen. Mit beiden Arten von Lösungsansätzen kommt man zu dem Ergebnis, dass es innerhalb des Progressionsbereichs vorteilhaft ist, die Einkommen so zu verteilen, dass sie im ersten Jahr des Planungszeitraums am niedrigsten sind und dann jährlich ansteigen. Das Ausmaß der optimalen Einkommenssteigerungen hängt von der Höhe des anzuwendenden Nettozinssatzes ab. Dieser wiederum wird von der Höhe des Bruttozinssatzes einerseits und von der konkreten Konstellation der Ertragsbesteuerung andererseits bestimmt.