Armuts- und Sozialberichterstattung auf Kreisebene



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Transkript:

Veranstaltung zur Präsentation des Sozialberichtes der Wohlfahrtsverbände im Rhein-Sieg-Kreis Armuts- und Sozialberichterstattung auf Kreisebene aus der Perspektive des Lebenslagen-Ansatzes Vortrag am 6. November 2009 in Siegburg Dr. Dietrich Engels ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Köln Seite 1

Verschiedene Armutskonzepte Eine umfassend angelegte Armuts- und Sozialberichterstattung sollte Armut in drei verschiedenen Perspektiven untersuchen: 1. Unterer Lebensstandard Bezug von Mindestsicherung materielle Armut in Bezug auf den notwendigen Lebensunterhalt (Bezug von Mindestsicherung wie Alg II, Sozialhilfe, Leistungen an Asylbewerber) 2. Relative Armut - Einkommensungleichheit materielle Armut im Verhältnis zum Durchschnitt (relative Armut): Personen, die weniger als 60% des Durchschnittseinkommens haben 3. Soziale Ausgrenzung - Inklusion und Exklusion soziale Teilhabe in verschiedenen Lebenslage-Bereichen (Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsversorgung, Wohnqualität, gesellschaftlicher Partizipation etc.) Seite 2

1. Bezug von Leistungen der Mindestsicherung Beispiel Ostalbkreis Bezieher von Leistungen der Mindestsicherung Bezieherquoten in Privathaushalten, 2007 ISG 2009 Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) Alg II Sozialgeld Sozialhilfe (SGB XII) Hilfe zum Lebensunterhalt Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung Asylbewerberleistungsgesetz Insgesamt 1,36 1,22 0,77 0,56 0,43 0,11 0,05 0,03 0,67 0,51 0,41 0,19 0,11 0,08 4,48 4,01 3,13 2,79 2,34 5,15 4,50 6,20 8,54 Deutschland Baden-Württemberg Ostalbkreis 9,50 Seite 3

1. Unterer Lebensstandard Angewiesenheit auf Leistungen der Mindestsicherung Armutsmaß Bezugsquote von Leistungen der Mindestsicherung Vorteile Bedarf (teilweise) auf konkrete Lebensbedingungen abgestimmt Bedarf im Einzelfall geprüft Nachteile genau genommen bekämpfte Armut Leistungsverbesserung ergibt höhere Bezugsquoten Nichtinanspruchnahme zustehender Leistungen ( Dunkelziffer ) nur monetäre Dimension Seite 4

2. Relative Armut Einkommensverteilung und Armutsgrenze Äquivalenzgewichtetes Netto-Haushaltseinkommen pro Person Deutschland 2006 750 EUR 17,2 % der Bevölkerung 2.500 EUR 9,1 % der Bevölkerung 200 % 1.250 EUR des Medianeinkommens 50 % der Bevölkerung 60 % des Medianeinkommens Median ISG 2009 Quelle: SOEP 2007, Berechnungen des ISG Seite 5

2. Relative Armut - Einkommensungleichheit Armutsmaß weniger als 60% des mittleren verfügbaren Einkommens (Median), äquivalenzgewichtet nach neuer OECD-Skala Vorteile einheitliches Maß, überregional vergleichbar international anerkannt (Laeken-Indikatoren der EU) Nachteile misst nicht Armut, sondern Ungleichheit der Einkommensverteilung Datengrundlage: Mikrozensus i.d.r. maximal auf Landesebene auswertbar, Sozioökonomisches Panel (SOEP) oder EU-SILC nur (West- und Ost-) Deutschland; auf Kreisebene wäre eigene Erhebung erforderlich nur monetäre Dimension kein Bezug zu Ausgrenzungsrisiko: Studenten können ebenso wie ältere Langzeitarbeitslose unter die Armutsrisikogrenze fallen Seite 6

Relative Armut: Bezugsquoten Armutsrisikoquote der Bevölkerung in Deutschland (Mikrozensus 2007) Geschlecht Alter Erwerbsstatus Insgesamt Frauen Männer unter 18 18 bis unter 25 25 bis unter 50 50 bis unter 65 65 und älter Erwerbstätige Erwerbslose Nichterwerbspersonen Familientyp Alleinlebend Paar mit Kind Alleinerziehende 7% 8% 14% 15% 14% 18% 22% 13% 12% 11% 17% 23% 39% 54% ISG 2009 - Berechnung von it.nrw Seite 7

3. Soziale Teilhabe und Ausgrenzung Armutsmaß Teilhabe an zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens Vorteile nicht nur monetär, sondern mehrdimensionale Betrachtung ermöglicht differenzierte Analyse der Lebenslagen Nachteile keine einheitliche Maßzahl unterschiedliche Datengrundlagen Seite 8

3. Soziale Teilhabe und Ausgrenzung Bereiche der Lebenslage Gesundheit physische und psychische Leistungsfähigkeit Rechtsstatus Aufenthalts-, Arbeitserlaubnis, Bürgerrechte Erwerbsarbeit berufl. Position Bildung Sprachkompetenz, Schul- und Berufsausbildung Partizipation Teilhabe an Kultur, Freizeit, Politik Soziale Netzwerke Familie, Freunde, Kollegen, Nachbarschaft Materielle Ressourcen Erwerbs- Transfer- Vermögen einkommen leistungen ISG 2009 Wohnen Qualität der Wohnung, attraktive Wohnlage Seite 9

3. Soziale Teilhabe in verschiedenen Lebenslage-Bereichen: Handlungsspielräume auf kommunaler Ebene (Beispiele) Spracherwerb und Bildungszugang Schulbildung und berufliche Bildung Zugang zu Erwerbsarbeit Einkommensarmut Familie und soziale Netzwerke Gesundheit, Pflege, Behinderung Partizipation Wohnqualität Teilhabe an Kinderbetreuung Untersuchungen zur Kindesentwicklung und zum Sprachstand Maßnahmen der Frühförderung begleitende Hilfen, Hausaufgabenbetreuung Schulsozialarbeit kommunale Beratung, z.b. von Working Poor oder Alleinerziehenden Schuldnerberatung Sozialpass Familien- und Erziehungsberatung Unterstützung instabiler Familien Stärkung von Prävention breites Angebotsspektrum leistungserschließende Beratung Einbeziehung von Bürgern Öffnung der Vereinsarbeit Stadtentwicklung Quartiersmanagement und Nachbarschaftshilfen Wohnungsanpassung Seite 10

Arbeitsschritte der kommunalen Sozialberichterstattung (z.b. Armutsbericht Konstanz, Sozialbericht Ostalbkreis, Integrationskonzept Mayen-Koblenz) 1. Bestandsanalyse Auswertung verfügbarer Statistiken (Demografische Entwicklung, Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Sozialhilfe, Wohngeld, Kindergarten- und Schulstatistik etc.) Recherche weiterer Daten (z.b. Geschäftsstatistik der Vereine/ freien Träger) evtl. eigene Bürgerbefragung zu Lebenslage und Erwartungen evtl. Interviews mit besonders belasteten Personengruppen 2. Analyse von Stärken und Schwächen Auswertung vorhandener Hilfestrukturen Identifikation von Entwicklungsbedarf 3. Handlungsorientierte Empfehlungen Entwicklung von Handlungsempfehlungen Abstimmung mit Politik und Verwaltung Erörterung mit Expertenrunde (aus allen Lebenslagebereichen und aus allen Städten und Gemeinden; auch als projektbegleitender Beirat sinnvoll) Seite 11

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Rückfragen und Kontakt: Dr. Dietrich Engels ISG Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik Barbarossaplatz 2 D-50674 Köln Tel. 0221 23 54 73 Fax 0221 21 52 67 E-Mail: engels@isg-institut.de Web: www.isg-institut.de Seite 12